Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 5629/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 4849/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. September 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten einen Betrag von 1.386 EUR erstattet.
Der Kläger lebt in S./B. Sein Sohn ist 1981 geboren, lebt in D. und erhielt von der dortigen ARGE D. (ARGE) ab 2006 Leistungen nach dem SGB II. Ausweislich eines ärztliches Attestes vom 20.5.2008 (Bl. 115 Verw.-Akte) bestand bei dem Sohn eine psychische Störung, weshalb er keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Vom Vormundschaftsgericht ist ein Betreuer bestellt, dessen Aufgabenkreis Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden umfasst. Im Rahmen seines Aufgabenkreises vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich.
Die Familienkasse N. hatte für den Sohn des Klägers Kindergeld bewilligt und an den Kläger ausgezahlt. Dieser hatte das Kindergeld an seinen Sohn weitergeleitet; die ARGE hatte es bei der Berechnung der SGB II-Leistungen des Sohnes als Einkommen berücksichtigt (monatlich 154 EUR abzüglich 30 EUR = 124 EUR). Die Bewilligungsbescheide der ARGE im Zeitraum 2007/2008 sind bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 30.4.2008 hob die Familienkasse Nagold gegenüber dem Kläger die Kindergeldbewilligung für den Zeitraum von August 2007 bis April 2008 auf und verlangte den Betrag von 1.386 EUR erstattet. Der Sohn sei bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet, weshalb die Behinderung nicht ursächlich sei, dass er seinen Lebensunterhalt nicht selbst verdienen könne. Deshalb würden die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld nicht mehr vorliegen. Der hiergegen vom Kläger erhobene Einspruch wurde von der Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 5.8.2008 zurückgewiesen. Die Familienkasse führte u.a. aus, dass der Kläger weiterhin Schuldner der Familienkasse sei, da das Kindergeld an ihn geleistet worden sei, einen eventuell höheren Anspruch auf Leistungen der ARGE Duisburg müsse er dort geltend machen. Die Bescheide der Familienkasse wurden bestandskräftig. Der Kläger beglich in der Folge die Erstattungsforderung und wandte sich sodann mit Schreiben vom 10.9.2008 und 8.1.2009 an die ARGE und begehrte von dieser die Erstattung von 1.386 EUR. Das Kindergeld sei bei der Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II berücksichtigt worden, insofern seien die SGB II-Leistungen zu gering ausgefallen und die ARGE habe ihm den an die Familienkasse N. gezahlten Betrag zu erstatten.
Mit Bescheid vom 22.1.2009 lehnte die ARGE dies ab. Das Kindergeld habe tatsächlich zur Lebensführung zur Verfügung gestanden und sei daher als Einkommen zu berücksichtigen. Im Übrigen sei lediglich Einkommen aus Kindergeld in Höhe von 1.232 EUR (8 x 154 EUR) berücksichtigt worden.
Hiergegen erhob der Kläger am 19.2.2009 Widerspruch. Die ARGE sei entsprechend §§ 812 ff. BGB ungerechtfertigt bereichert, da sie wegen der Anrechnung des Kindergelds Aufwendungen erspart habe, die sie sonst in Form höherer SGB II-Leistungen an den Sohn hätte erbringen müssen.
Die Beklagte erließ am 2.3.2009 einen an den Sohn des Klägers gerichteten Widerspruchsbescheid. Es könne dahinstehen, ob ein Erstattungsanspruch auf §§ 812 ff. BGB oder den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu stützten wäre, da es jedenfalls an einer ungerechtfertigten Bereicherung fehle. Die Anrechnung von Kindergeld sei in rechtmäßiger Weise nach dem Zuflussprinzip erfolgt. Bei der Rückforderung des Kindergeldes handele es sich um eine Verbindlichkeit, die nachträglich nicht zu berücksichtigen sei.
Der Kläger hat hiergegen am 16.3.2009 Klage zum Sozialgericht D. erhoben. Insbesondere vertrat er die Auffassung, dass er als Anspruchsberechtigter bei richtiger Auslegung des Widerspruchbescheids als an ihn gerichtet klagebefugt sei. Es sei zwar richtig, dass das Kindergeld bei seinem Sohn als Einkommen angerechnet worden sei, weil er das Kindergeld nach Erhalt von der Familienkasse an den Sohn weiter geleitet habe. Jedoch habe er der Familienkasse den Betrag in Höhe von 1.386 EUR zahlen müssen, also müsse die ARGE ihm den Betrag erstatten.
Die ARGE ist der Klage entgegen getreten. Da Kindergeld beim Sohn angerechnet worden sei, könne nur dieser einen Anspruch geltend machen und sei widerspruchs- und klagebefugt; deshalb sei der Widerspruchsbescheid gegenüber dem Sohn ergangen. Mangels Widerspruchsbescheid sei der Kläger noch nicht klagebefugt.
Das SG Duisburg hat sich hierauf mit Beschluss vom 26. November 2009 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Karlsruhe (SG) verwiesen. Mit Gerichtsbescheid vom 9.September 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keine Ansprüche gegen die ARGE. Diese habe weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber dessen Sohn rechtsgrundlos Aufwendungen erspart. Die entsprechenden SGB II-Bewilligungsbescheide seien bestandskräftig, eine Abänderung sei nicht beantragt worden.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 17.9.2010 mit Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 14.10.2010 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Familienkasse im Nachhinein hätte dazu geführt, dass er selbst einen Betrag von 1.386 EUR hätte zahlen müssen. Hätte die Familienkasse bereits im Zeitraum von August 2007 bis April 2008 kein Kindergeld bewilligt, wären die SGB II-Leistungen an den Sohn entsprechend höher gewesen. Insofern sei der Beklagte ungerechtfertigt bereichert.
Mit Beschluss vom 8.11.2011 hat der Senat das Verfahren entsprechend § 114 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgesetzt, um das Widerspruchsverfahren betreffend den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22.1.2009 nachzuholen. Mit Widerspruchsbescheid vom 7.2.2012 hat der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Ein Erstattungsanspruch bestehe nicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9.September 2010 und den Bescheid der ARGE Duisburg vom 22. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 7. Februar 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 1.386 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat mit Einwilligung der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig. Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter D., eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II, gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II als Rechtsnachfolger der ARGE D. in das Verfahren eingetreten, weshalb der Senat das Passivrubrum von Amts wegen berichtigt hat (vgl. BSG v. 18.1.2011 – B 4 AS 90/10 R = SozR 4-4200 § 37 Nr. 5). Das Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 SGG) zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Bescheids vom 22.1.2009 ist durch den Erlass des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 7.2.2012 nachgeholt. Der Widerspruchsbescheid wird nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 78 RdNr 3 f.).
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der ARGE vom 22.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.2.2012 des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat den geltend gemachten Anspruch gegen den Beklagten nicht, weder aus eigenem, noch aus abgetretenem Recht.
Der vom Kläger der Sache nach geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch als gewohnheitsrechtlich anerkanntes und aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut gleicht eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage aus und verschafft dem Anspruchsinhaber ein Recht auf Herausgabe des Erlangten, wenn eine Leistung ohne Rechtsgrund oder ohne eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung erfolgt ist (vgl. BSG v. 27.8.2011 – B 4 AS 1/10 R; BSG v. 13.4.2011 – B 14 AS 101/10 R = SozR 4-4200 § 16 Nr. 8 und BSG v. 29.9.2009 – B 8 SO 11/08 R - FEVS 61, 385 jeweils m.w.N.). Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach den §§ 812 ff. BGB (vgl. BSG a.a.O. FEVS 61, 385 unter Hinweis auf BVerwGE 71, 85, 88; 87, 169, 172 f; 100, 56, 59; 112, 351, 353 f). Das SG hat ausführlich und zutreffend dargelegt, dass die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs schon deshalb nicht bestehen, weil sämtliche Bewilligungsbescheide der ARGE aus 2007/2008 und die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Familienkasse bestandskräftig sind und insoweit keine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung vorliegt. Der Senat nimmt ausdrücklich hierauf Bezug und weist die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch keine Ansprüche aus abgetretenem Recht bestehen. Der Sohn des Klägers (vertreten durch den Betreuer) hat ihm weder etwaige gegen den Beklagten bestehende Ansprüche abgetreten, noch sind solche Ansprüche überhaupt ersichtlich. Das BSG hat vielmehr jüngst klargestellt, dass im SGB II der faktische Zufluss maßgeblich ist und dass sogar rechtswidrig gezahltes Arbeitslosengeld, welches bei der Berechnung der SGB II-Leistungen eines sog. Aufstockers berücksichtigt wurde und dessen Bewilligung im Nachgang aufgehoben und erstattet verlangt wurde, trotzdem im jeweiligen Zuflussmonat Einkommen bleibt (BSG v. 23.8.2011 – B 14 AS 165/10 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Nichts anderes gilt vorliegend (vgl. auch Senatsurteil vom heutigen Tage L 2 AS 5392/11). Das BSG hat in der bereits zitierten Entscheidung vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R unter RdNr. 25 f. darauf hingewiesen, dass das Rechtsverhältnis zwischen Leistungsempfänger und derjenigen Behörde, welche eine Erstattung verlangt hat, maßgeblich ist. Insoweit ist aber der Bescheid der Familienkasse vom 30.4.2008 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 5.8.2008 bestandskräftig geworden. Eine Beiladung der Familienkasse war daher vorliegend nicht angezeigt. Der Kläger hat die Möglichkeit, bei der Familienkasse einen Billigkeitserlassgemäß § 227 Abgabenordnung zu beantragen (zu dessen Voraussetzungen gerade in der Fallkonstellation, wenn Kindergeld bei der Berechnung der SGB II-Leistungen berücksichtigt worden ist und eine nachträgliche Korrektur nicht mehr möglich ist vgl. BFH v. 22.9.2011 -III R 78/08 = BFH/NV 2012, 204 = juris RdNr 24 m.w.N.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten einen Betrag von 1.386 EUR erstattet.
Der Kläger lebt in S./B. Sein Sohn ist 1981 geboren, lebt in D. und erhielt von der dortigen ARGE D. (ARGE) ab 2006 Leistungen nach dem SGB II. Ausweislich eines ärztliches Attestes vom 20.5.2008 (Bl. 115 Verw.-Akte) bestand bei dem Sohn eine psychische Störung, weshalb er keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Vom Vormundschaftsgericht ist ein Betreuer bestellt, dessen Aufgabenkreis Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden umfasst. Im Rahmen seines Aufgabenkreises vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich.
Die Familienkasse N. hatte für den Sohn des Klägers Kindergeld bewilligt und an den Kläger ausgezahlt. Dieser hatte das Kindergeld an seinen Sohn weitergeleitet; die ARGE hatte es bei der Berechnung der SGB II-Leistungen des Sohnes als Einkommen berücksichtigt (monatlich 154 EUR abzüglich 30 EUR = 124 EUR). Die Bewilligungsbescheide der ARGE im Zeitraum 2007/2008 sind bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 30.4.2008 hob die Familienkasse Nagold gegenüber dem Kläger die Kindergeldbewilligung für den Zeitraum von August 2007 bis April 2008 auf und verlangte den Betrag von 1.386 EUR erstattet. Der Sohn sei bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet, weshalb die Behinderung nicht ursächlich sei, dass er seinen Lebensunterhalt nicht selbst verdienen könne. Deshalb würden die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld nicht mehr vorliegen. Der hiergegen vom Kläger erhobene Einspruch wurde von der Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 5.8.2008 zurückgewiesen. Die Familienkasse führte u.a. aus, dass der Kläger weiterhin Schuldner der Familienkasse sei, da das Kindergeld an ihn geleistet worden sei, einen eventuell höheren Anspruch auf Leistungen der ARGE Duisburg müsse er dort geltend machen. Die Bescheide der Familienkasse wurden bestandskräftig. Der Kläger beglich in der Folge die Erstattungsforderung und wandte sich sodann mit Schreiben vom 10.9.2008 und 8.1.2009 an die ARGE und begehrte von dieser die Erstattung von 1.386 EUR. Das Kindergeld sei bei der Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II berücksichtigt worden, insofern seien die SGB II-Leistungen zu gering ausgefallen und die ARGE habe ihm den an die Familienkasse N. gezahlten Betrag zu erstatten.
Mit Bescheid vom 22.1.2009 lehnte die ARGE dies ab. Das Kindergeld habe tatsächlich zur Lebensführung zur Verfügung gestanden und sei daher als Einkommen zu berücksichtigen. Im Übrigen sei lediglich Einkommen aus Kindergeld in Höhe von 1.232 EUR (8 x 154 EUR) berücksichtigt worden.
Hiergegen erhob der Kläger am 19.2.2009 Widerspruch. Die ARGE sei entsprechend §§ 812 ff. BGB ungerechtfertigt bereichert, da sie wegen der Anrechnung des Kindergelds Aufwendungen erspart habe, die sie sonst in Form höherer SGB II-Leistungen an den Sohn hätte erbringen müssen.
Die Beklagte erließ am 2.3.2009 einen an den Sohn des Klägers gerichteten Widerspruchsbescheid. Es könne dahinstehen, ob ein Erstattungsanspruch auf §§ 812 ff. BGB oder den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu stützten wäre, da es jedenfalls an einer ungerechtfertigten Bereicherung fehle. Die Anrechnung von Kindergeld sei in rechtmäßiger Weise nach dem Zuflussprinzip erfolgt. Bei der Rückforderung des Kindergeldes handele es sich um eine Verbindlichkeit, die nachträglich nicht zu berücksichtigen sei.
Der Kläger hat hiergegen am 16.3.2009 Klage zum Sozialgericht D. erhoben. Insbesondere vertrat er die Auffassung, dass er als Anspruchsberechtigter bei richtiger Auslegung des Widerspruchbescheids als an ihn gerichtet klagebefugt sei. Es sei zwar richtig, dass das Kindergeld bei seinem Sohn als Einkommen angerechnet worden sei, weil er das Kindergeld nach Erhalt von der Familienkasse an den Sohn weiter geleitet habe. Jedoch habe er der Familienkasse den Betrag in Höhe von 1.386 EUR zahlen müssen, also müsse die ARGE ihm den Betrag erstatten.
Die ARGE ist der Klage entgegen getreten. Da Kindergeld beim Sohn angerechnet worden sei, könne nur dieser einen Anspruch geltend machen und sei widerspruchs- und klagebefugt; deshalb sei der Widerspruchsbescheid gegenüber dem Sohn ergangen. Mangels Widerspruchsbescheid sei der Kläger noch nicht klagebefugt.
Das SG Duisburg hat sich hierauf mit Beschluss vom 26. November 2009 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Karlsruhe (SG) verwiesen. Mit Gerichtsbescheid vom 9.September 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keine Ansprüche gegen die ARGE. Diese habe weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber dessen Sohn rechtsgrundlos Aufwendungen erspart. Die entsprechenden SGB II-Bewilligungsbescheide seien bestandskräftig, eine Abänderung sei nicht beantragt worden.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 17.9.2010 mit Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 14.10.2010 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Familienkasse im Nachhinein hätte dazu geführt, dass er selbst einen Betrag von 1.386 EUR hätte zahlen müssen. Hätte die Familienkasse bereits im Zeitraum von August 2007 bis April 2008 kein Kindergeld bewilligt, wären die SGB II-Leistungen an den Sohn entsprechend höher gewesen. Insofern sei der Beklagte ungerechtfertigt bereichert.
Mit Beschluss vom 8.11.2011 hat der Senat das Verfahren entsprechend § 114 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgesetzt, um das Widerspruchsverfahren betreffend den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22.1.2009 nachzuholen. Mit Widerspruchsbescheid vom 7.2.2012 hat der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Ein Erstattungsanspruch bestehe nicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9.September 2010 und den Bescheid der ARGE Duisburg vom 22. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 7. Februar 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 1.386 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat mit Einwilligung der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig. Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter D., eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II, gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II als Rechtsnachfolger der ARGE D. in das Verfahren eingetreten, weshalb der Senat das Passivrubrum von Amts wegen berichtigt hat (vgl. BSG v. 18.1.2011 – B 4 AS 90/10 R = SozR 4-4200 § 37 Nr. 5). Das Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 SGG) zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Bescheids vom 22.1.2009 ist durch den Erlass des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 7.2.2012 nachgeholt. Der Widerspruchsbescheid wird nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 78 RdNr 3 f.).
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der ARGE vom 22.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.2.2012 des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat den geltend gemachten Anspruch gegen den Beklagten nicht, weder aus eigenem, noch aus abgetretenem Recht.
Der vom Kläger der Sache nach geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch als gewohnheitsrechtlich anerkanntes und aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut gleicht eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage aus und verschafft dem Anspruchsinhaber ein Recht auf Herausgabe des Erlangten, wenn eine Leistung ohne Rechtsgrund oder ohne eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung erfolgt ist (vgl. BSG v. 27.8.2011 – B 4 AS 1/10 R; BSG v. 13.4.2011 – B 14 AS 101/10 R = SozR 4-4200 § 16 Nr. 8 und BSG v. 29.9.2009 – B 8 SO 11/08 R - FEVS 61, 385 jeweils m.w.N.). Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach den §§ 812 ff. BGB (vgl. BSG a.a.O. FEVS 61, 385 unter Hinweis auf BVerwGE 71, 85, 88; 87, 169, 172 f; 100, 56, 59; 112, 351, 353 f). Das SG hat ausführlich und zutreffend dargelegt, dass die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs schon deshalb nicht bestehen, weil sämtliche Bewilligungsbescheide der ARGE aus 2007/2008 und die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Familienkasse bestandskräftig sind und insoweit keine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung vorliegt. Der Senat nimmt ausdrücklich hierauf Bezug und weist die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch keine Ansprüche aus abgetretenem Recht bestehen. Der Sohn des Klägers (vertreten durch den Betreuer) hat ihm weder etwaige gegen den Beklagten bestehende Ansprüche abgetreten, noch sind solche Ansprüche überhaupt ersichtlich. Das BSG hat vielmehr jüngst klargestellt, dass im SGB II der faktische Zufluss maßgeblich ist und dass sogar rechtswidrig gezahltes Arbeitslosengeld, welches bei der Berechnung der SGB II-Leistungen eines sog. Aufstockers berücksichtigt wurde und dessen Bewilligung im Nachgang aufgehoben und erstattet verlangt wurde, trotzdem im jeweiligen Zuflussmonat Einkommen bleibt (BSG v. 23.8.2011 – B 14 AS 165/10 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Nichts anderes gilt vorliegend (vgl. auch Senatsurteil vom heutigen Tage L 2 AS 5392/11). Das BSG hat in der bereits zitierten Entscheidung vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R unter RdNr. 25 f. darauf hingewiesen, dass das Rechtsverhältnis zwischen Leistungsempfänger und derjenigen Behörde, welche eine Erstattung verlangt hat, maßgeblich ist. Insoweit ist aber der Bescheid der Familienkasse vom 30.4.2008 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 5.8.2008 bestandskräftig geworden. Eine Beiladung der Familienkasse war daher vorliegend nicht angezeigt. Der Kläger hat die Möglichkeit, bei der Familienkasse einen Billigkeitserlassgemäß § 227 Abgabenordnung zu beantragen (zu dessen Voraussetzungen gerade in der Fallkonstellation, wenn Kindergeld bei der Berechnung der SGB II-Leistungen berücksichtigt worden ist und eine nachträgliche Korrektur nicht mehr möglich ist vgl. BFH v. 22.9.2011 -III R 78/08 = BFH/NV 2012, 204 = juris RdNr 24 m.w.N.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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