L 2 AL 45/08

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 8 AL 1002/05
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 45/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. April 2008 sowie die Bescheide der Beklagten vom 7. April 2005 und 8. April 2005, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2005, aufgehoben. Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis 15. Juli 2004 Insolvenzgeld unter Anrechnung des gezahlten Insolvenzgeldvorschusses zu gewähren. 2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit sind ein Anspruch auf Insolvenzgeld (Insg) sowie die Rückforderung eines InsgVorschusses.

Der 1954 geborene Kläger war ab 1991 Gesellschafter und Geschäftsführer der durch notariellen Vertrag vom 07.02.1991 gegründeten H. Autospezialreinigung K. GmbH. Das Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 50.000 DM hatten der Kläger und Herr V.K. je zur Hälfte eingebracht. Nachdem Herr K. zum 28.02.2001 aus dem Unternehmen ausgeschieden war, übernahm der Kläger dessen Geschäftsanteil und war in der Folge alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Die Gesellschaft wurde in H. Autospezialreinigung K1 GmbH (im Folgenden: K1 GmbH) umbenannt.

Mit notariellem Vertrag vom 07.04.2004 verkaufte und trat der Kläger seine Geschäftsanteile an der K1 GmbH an die W.GmbH (im Folgenden: W.) mit Sitz in K.-H. ab. In § 2 des Kaufvertrages war u.a. vereinbart: "1. Der Kaufpreis entspricht dem Betrag, der sich aus dem effektiv noch vorhandenen ausgewiesenen Haftkapital der Gesellschaft ergibt, wie sich dieses Haftkapital in der demnächst zu erstellenden Jahresbilanz zum 31.12.2003 ergibt. Maßgeblich sind hierzu die Feststellungen in der Bilanz des Steuerbevollmächtigten Dipl. Finanzwirt J.N., Hamburg. Mindestens beträgt der Kaufpreis jedoch 1,00 EUR. 2. Art und Weise, sowie Zeitpunkt und Fälligkeit des Kaufpreises wird von den Parteien in getrennter Vereinbarung geregelt."

Ebenfalls am 07.04.2004 schlossen die K1 GmbH und der Kläger einen Arbeitsvertrag, wonach der Kläger ab 08.04.2004 als kaufmännischer Angestellter für den Bereich Akquisition, Kundenbetreuung und Einsatzplanung eingestellt wurde. Unter anderem wurden eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden, ein monatliches Gehalt von 6.500,- EUR brutto, ein jährlicher Urlaubsanspruch von 30 Tagen und eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vereinbart.

Noch am selben Tag firmierte die Erwerberin die Gesellschaft in W1 GmbH (im Folgenden: W1) um, berief den Kläger als Geschäftsführer ab und bestellte Herrn K.B., den Geschäftsführer und Ehemann der Alleingesellschafterin der W., zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer.

Nachdem der Großkunde D. AG nach dem von einem Mitarbeiter der W1 zu vertretenden Diebstahl eines Fahrzeugs am 13.04.2004 die Zahlungen eingestellt, eine erhebliche Forderung von Architektenhonorar für ein letztlich gescheitertes Projekt der W1 gegenüber geltend gemacht und den Arbeitnehmern zuletzt für April 2004 Lohn gezahlt worden war, beantragte der Geschäftsführer B. am 14.07.2004 beim Amtsgericht Hamburg die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der W1. Diesem Antrag wurde mit Beschluss vom 23.09.2004 wurde unter dem Aktenzeichen 67g IN 285/04 entsprochen und Rechtsanwalt B.R. zum Insolvenzverwalter bestellt.

Am 29.07.2004 beantragte der Kläger, der sein "Arbeitsverhältnis" mit der W1 bereits zum 15.07.2004 gekündigt hatte, bei der Beklagten Insg für seine Tätigkeit in der Zeit von 01.05.2004 bis 15.07.2004.

Mit Bescheid vom 05.08.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen Vorschuss i.H.v. 7.500,- EUR. Im Bescheid war ausgeführt, dass das Insolvenzgeld zu erstatten sei, wenn ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde.

Am 12.08.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). Hierbei gab er als vorangegangenes Beschäftigungsverhältnis für die Zeit vom 01.07.2000 bis 31.08.2004 eine Beschäftigung als Filialverkäufer bei S., einem Unternehmen seiner Ehefrau, an. Die Beklagte bewilligte ab 01.09.2004 Alg.

Auf Anfrage der Beklagten, welche Funktion der Kläger vor dem 07.04.2004 in der W1 gehabt habe, teilte der Kläger mit Schreiben vom 13.12.2004 mit, dass er Geschäftsführer der K1 GmbH gewesen sei. In der Folgezeit reichte der Kläger u.a. noch einen ausgefüllten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH und Gesellschaftsverträge ein. Weiterhin reichte der Kläger Lohnabrechnungen für Mai, Juni und Juli 2004 ein. In den Lohnabrechnungen war ein monatliches Bruttogehalt von 6.500,- EUR ausgewiesen mit der Bezeichnung "Geschäftsführergehalt". Abgezogen wurden lediglich Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag. Eine Abführung von Beiträgen zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 07.04.2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Insolvenzgeld mit der Begründung ab, es habe kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen. Nach den vorliegenden Unterlagen sei die Tätigkeit als Geschäftsführer seit 1991 unverändert fortgeführt worden.

Mit weiterem Bescheid vom 08.04.2005 forderte die Beklagte den geleisteten Vorschuss i.H.v. 7.500,- EUR zurück.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein. Er sei ab 07.04.2004 nicht mehr Organ der Gesellschaft gewesen, außerdem sei eine Gehaltsreduzierung um 1.000,- EUR erfolgt. Mit Eintritt des Herrn B. habe dieser das Unternehmen geführt, und er sei dessen Weisungen unterworfen gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 26.10.2005 Klage erhoben und vorgetragen, er sei weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der W1 gewesen. Er sei auch nicht faktischer Geschäftsführer des Unternehmens geblieben, sondern seit 07.04.2004 lediglich Angestellter gewesen.

Im Verfahren hat der Kläger eine Kopie einer Arbeitsbescheinigung der W1 eingereicht. In dieser ist u.a. angegeben, dass der Kläger vom 01.08.2003 bis 31.07.2004 als arbeitslosenversicherungsfreier Arbeitnehmer aufgrund einer beherrschenden Geschäftsführerstellung geführt worden sei. Für die Monate Januar und Februar 2004 ist ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 5.145,20 EUR bescheinigt, für die Monate März und April 2004 i.H.v. 7.645,20 EUR bzw. 7.645,- EUR, für die Monate Mai und Juni 2004 i.H.v. 6.500,- EUR und für den Zeitraum 01.07.2004 bis 15.07.2004 i.H.v. 3.250,- EUR.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch zum Teil schriftliche, zum Teil mündliche Vernehmungen der Zeugen K.B. und der ehemaligen Arbeitnehmer der W1 D.W. und P.S. sowie des Steuerbevollmächtigten J.N. und die Klage mit Urteil vom 15.04.2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Gewährung von Insg abgelehnt und den geleisteten Vorschuss zurückgefordert. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld habe nicht bestanden. Der Kläger habe für den streitigen Zeitraum vom 08.04.2004 bis 15.07.2004 keine Arbeitnehmereigenschaft nachgewiesen. Vielmehr sei die Kammer aufgrund der Gesamtumstände davon überzeugt, dass der Unternehmensverkauf lediglich zur Abwicklung bzw. Verschleppung der Insolvenz erfolgt und der Kläger nur pro forma als Arbeitnehmer beschäftigt worden sei. Es sei nicht glaubhaft, dass der Zeuge B. gegenüber dem Kläger ein laufendes Weisungsrecht ausgeübt habe. Für die Kammer legten die tatsächlichen Umstände den Schluss nahe, dass der Kläger aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten und zur Verhinderung einer Insolvenzantragstellung durch ihn als Geschäftsführer den Anteilsverkauf eingeleitet habe.

Gegen dieses dem Bevollmächtigten des Klägers am 30.04.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 30.05.2008 eingelegte Berufung.

Der Kläger hält daran fest, dass er ab 08.04.2004 ausschließlich als Angestellter der W1 tätig geworden sei, der mittlerweile verstorbene Zeuge B. ihm gegenüber laufend dessen Weisungsrecht ausgeübt und er im Übrigen nach dem Verkauf seiner Gesellschaftsanteile selbst bei Unterstellung der Weiterführung seiner Geschäftsführertätigkeit als Fremdgeschäftsführer keine Unternehmerstellung mehr gehabt habe. Er verwahrt sich gegen aus seiner Sicht unzutreffende Feststellungen des Sozialgerichts zu den Umständen des Unternehmensverkaufs, den Gründen für die Insolvenz und den Entwicklungen seit April 2004. Die "Ungereimtheiten" in Bescheinigungen und Abrechnungen führt er auf zum Teil fehlerhafte Angaben des Steuerbevollmächtigtenbüros N. zurück. Der Kontakt zwischen ihm und dem verstorbenen Zeugen B. sei – so der Bevollmächtigte des Klägers nach seiner Kenntnis - Anfang 2004 zu Stande gekommen sei. Der Zeuge B. habe zu jener Zeit seine Position als Geschäftsführer in einem L. Unternehmen namens S1 verloren und sei auf der Suche nach einer neuen selbstständigen Tätigkeit gewesen. Kennengelernt habe man sich wohl über die Hamburger S2 oder den Steuerberater.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. April 2008 sowie die Bescheide der Beklagten vom 7. April 2005 und 8. April 2005, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2005, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis 15. Juli 2004 Insolvenzgeld unter Anrechnung des gezahlten Insolvenzgeldvorschusses nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und nimmt im Wesentlichen auf dessen Entscheidungsgründe Bezug.

Die Beteiligten haben durch Erklärungen vom 25.7.2011 (Kläger) und 30.8.2011 (Beklagte) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats erteilt (§§ 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25.11.2011 beigezogenen, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 07. und 08.04.2005, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2005 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in dessen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Insg für den Zeitraum vom 01.05. bis 15.07.2004 dem Grunde nach, wobei der bereits gezahlte InsG-Vorschuss hierauf anzurechnen und nicht zu erstatten ist.

Nach § 183 Abs. 1 S. 1 des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) in der hier maßgeblichen Fassung am 10.12.2001 (BGBl. I S. 3443) haben Arbeitnehmer u.a. Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. So liegt der Fall hier. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts war der Kläger im streitbefangenen Zeitraum vom 01.05. bis 15.07.2004, der innerhalb der letzten drei Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der W1 lag und für den er noch sämtliche vertraglichen Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes.

Da dieser Begriff in den Vorschriften über das Insolvenzgeld nicht geregelt ist, dienen für die Abgrenzung zu den Selbständigen die in den Vorschriften über die Versicherungspflicht in der Arbeitsförderung in Verbindung mit den allgemeinen Vorschriften über die Sozialversicherung verwendeten Merkmale (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), siehe statt vieler: BSG, Urteil vom 30.01.1997 – 10 RAr 6/95, SozR 3-4100 § 141b Nr. 17 mwN). Arbeitnehmer sind danach Personen, die gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (§ 25 SGB III). Unter den Begriff "Beschäftigung" fällt die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 S. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. zuletzt BSG 11.03.2009 – B 12 KR 21/07 R, Die Beiträge Beilage 2009, 340 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht 20.05.1996 - 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Das BSG hat diese Grundsätze in ständiger Rechtsprechung auch bei Organen juristischer Personen angewandt. Auch insoweit ist entscheidend, ob sie von der Gesellschaft persönlich abhängig sind. Bei den Organen juristischer Personen, zu denen auch Geschäftsführer einer GmbH gehören, ist eine abhängige Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer der Gesellschaft gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht. Ebenso wenig steht der Zugehörigkeit von Geschäftsführern oder Vorständen einer juristischen Person zu ihren Beschäftigten entgegen, dass sie im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen und sie in der Regel keinen Weisungen Dritter bezüglich Zeit, Art und Ort ihrer Arbeitsleistung unterliegen. Nur in besonderen Ausnahmefällen hat der Gesetzgeber derartige Personen vom Kreis der Beschäftigten oder der Versicherungspflichtigen ausgenommen. Dieser Vorschriften bedürfte es nicht, wenn leitende Angestellte oder Organe juristischer Personen bereits aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen nicht als Beschäftigte anzusehen wären. Vielmehr bestätigen die Ausnahmevorschriften, dass auch die geschäftsführenden Organe juristischer Personen im Regelfall abhängig beschäftigt sind, wenn sie an deren Kapital nicht beteiligt sind (Fremdgeschäftsführer). Das BSG hat demgemäß bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen und nur unter besonderen Umständen verneint, insbesondere bei Geschäftsführern, die mit den Gesellschaftern familiär verbunden waren und die Geschäfte faktisch wie Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führten (BSG, Urteile vom 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20, vom 25.01.2006 – B 12 KR 30/04 R, GmbHR 2006, 645, und vom 30.01.1997, aaO, jeweils mwN). Auch bei praktisch weisungsfrei agierenden mutmaßlichen Arbeitsnehmern wie z.B. häufig GmbH-Geschäftsführern ist nur dann keine abhängige Beschäftigung anzunehmen, wenn sie im Bedarfsfall jederzeit eine ihnen nicht genehme Einzelanweisung verhindern könnten; dabei ist ohne Bedeutung, ob die Gesellschafter von deren Rechtsmacht tatsächlich Gebrauch machen (BSG, Urteil vom 25.01.2006 – B 12 KR 30/04 R, aaO; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2007 – L 11 KR 2644/05, Juris; jeweils mwN).

Nach diesen Grundsätzen, die sich der Senat nach eigener Überzeugungsbildung zu eigen macht, kann vorliegend sogar offen bleiben, ob der Kläger nach Abschluss seines Arbeitsvertrags als kaufmännischer Angestellter und seiner Abberufung als Geschäftsführer faktisch letztere Tätigkeit weiterführte, wie die Beklagte und das Sozialgericht mutmaßen. Denn selbst, wenn er Geschäftsführer der W1 gewesen sein sollte, hätte es sich um eine Tätigkeit als Fremdgeschäftsführer gehandelt, die nach den oben genannten Maßstäben als abhängige Beschäftigung anzusehen wäre. Besondere Umstände, die ausnahmsweise auch ohne das Vorhandensein von Gesellschaftsanteilen mindestens im Umfang einer Sperrminorität eine selbstständige Tätigkeit begründen könnten, liegen nicht vor.

Dass der Verkauf und die Abtretung der Geschäftsanteile an der früheren K1 GmbH, später W1, nichtig gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Dabei sind die von der Beklagten und dem Sozialgericht angedeuteten Motive für Abtretung und Verkauf unbeachtlich, solange nicht (auch) insoweit ein nichtiges Scheingeschäft anzunehmen ist, wofür es jedoch keine durchschlagenden Hinweise gibt. Vielmehr erscheint der klägerische Vortrag schlüssig, wonach der mittlerweile verstorbene Zeuge B. nach dem Verlust seiner Position als Geschäftsführer in einem L. Unternehmen namens S1 auf der Suche nach einer neuen selbstständigen Tätigkeit war und, nachdem er den Kläger kennen gelernt hatte, in der Übernahme von dessen Unternehmen durch dasjenige seiner Ehefrau, deren Geschäftsführer er war, eine entsprechende Möglichkeit sah. Dass der in S3 wohnende Zeuge B. jedenfalls einmal am Unternehmenssitz offiziell in Erscheinung trat, ist durch die Beweisaufnahme in erster Instanz nachgewiesen. Eine diesbezüglich sichere Erinnerung hat der Zeuge Schuster geäußert.

Damit lag die alleinige Rechtsmacht bezogen auf die Führung der Geschäfte der W1 bei der W., so dass jederzeit dem Kläger nicht genehme Einzelanweisungen hätten gegeben werden können. Darauf, ob die vom Zeugen B. angegebenen insbesondere telefonischen Einzelanweisungen tatsächlich erfolgten, kommt es ebenso wenig an wie auf die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen im streitbefangenen Zeitraum. Nach den Feststellungen im Verfahren lag nach den maßgeblichen tatsächlichen Gesamtumständen entweder eine Angestelltentätigkeit entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 07.04.2004 oder eine faktische Fremdgeschäftsführertätigkeit vor.

Auf den demnach bestehenden Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld ist der aufgrund des Bescheides vom 05.08.2004 gezahlte Vorschuss anzurechnen. Eine Erstattungspflicht nach § 186 S. 3 SGB III in der Fassung vom 23. 12. 2003 (BGBl. I S. 2848) besteht hingegen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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