Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2891/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2628/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Tumorerkrankung als Berufskrankheit (BK).
Der 1955 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit war vom 02.02. bis 22.10.1981 im Sägewerk W., vom 26.10. bis 19.11.1981 bei D. GmbH & Co. KG, vom 11.01. bis 06.10.1982 bei der A. B. G. GmbH sowie vom 10.01.1983 bis 10.01.1995 bei der A. B. GmbH & Co KG, Maschinen- und A., W./A., beschäftigt, einem 1995 in Konkurs gegangen metallverarbeitenden Unternehmen (vgl. Schreiben der A. B. A. GmbH vom 06.05.1010. Vom 07.04.1994 bis 07.10.1997 und vom 10.08.1998 bis 28.01.1999 nahm der Kläger an Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation teil. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung übt der Kläger seither nicht mehr aus (vgl. Auskunftsschreiben der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 31.05.2010).
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.03.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Einleitung eines BK-Verfahrens. Er habe von 1980 bis 1995 bei der A. B. GmbH in dem Bereich gearbeitet, wo Metalle bearbeitet und geätzt worden seien. Er sei über 15 Jahre lang den Dämpfen ausgeliefert gewesen. Nach seinem Austritt aus dem Unternehmen seien bei ihm vermehrt Krebsgeschwüre, z. B. ein Rippen- und ein Oberschenkel-Knochen-Tumor, entstanden. Da keiner in seiner Familie an dieser Krankheit leide, bestehe der Verdacht, dass diese Krankheit durch seine Arbeit bei der A. B. GmbH entstanden sei. Ergänzend wird im Antragsformular unter dem 12.03.2010 angegeben, der Kläger habe nicht nur mit aggressiven Dämpfen und Säuren usw. arbeiten müssen, sondern sei auch für das Schleifen von Metall zuständig gewesen. Da diese Tätigkeit im Knien ausgeübt worden sei, seien diese stark geschädigt. Er sei mehrfach an den Knien operiert worden.
Die Beklagte holte beim Hausarzt des Klägers, Dr. R., die Auskunft vom 20.05.2010 ein (Behandlung seit 23.01.2001, Enchondrom linker Femur, chronisch obstruktive Lungenerkrankung [COPD], in späteren Jahren Gonarthrose bds., Visusverschlechterung) und zog über diesen zahlreiche Befundberichte und Arztschreiben bei. Gemeinsam mit dem Vorerkrankungsverzeichnis legte sie diese zur Stellungnahme der staatlichen Gewerbeärztin Dr. G. vor, die unter dem 05.07.2010 eine BK der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) nicht zur Anerkennung vorschlug, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und den Erkrankungen gemäß den BK-Nrn. nicht wahrscheinlich gemacht werden könne.
Mit Bescheid vom 28.07.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Erkrankung des Klägers keine BK nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und auch nicht wie eine BK (im Folgenden: Wie-BK) nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen sei. Ansprüche auf Leistungen bestünden daher nicht. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger an einer Tumorerkrankung im Bereich des linken Oberschenkelknochens leide, während Hinweise auf eine Krebserkrankung der Lungen und Atemwege oder sonstiger Organe nicht vorlägen. Nach dem aktuellen Stand der arbeitsmedizinischen Wissenschaft lägen derzeit noch keinerlei gesicherte Erkenntnisse darüber vor, dass bestimmte Personengruppen bei der beruflichen Tätigkeit des Klägers in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung der Gefahr ausgesetzt sei, an einem Knochentumor zu erkranken und überhaupt irgendwelche Arbeitsstoffe geeignet sein könnten, Knochentumore zu verursachen. Wegen der geltend gemachten Kniegelenkserkrankung werde die Beklagte einen gesonderten Bescheid erlassen.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12.10.2010 zurückgewiesen.
Am 11.11.2010 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zur Begründung weiter vorgetragen, es sei ihm über den gesamten Arbeitszeitraum von über 15 Jahren zu keinem Zeitpunkt vorgegeben worden, besondere Schutzkleidung wie Handschuhe, Brillen oder Atemschutz zu tragen. Mittlerweise dürfe in dem ehemaligen Arbeitsbereich des Klägers nicht mehr mit den Dämpfen ohne Schutzkleidung gearbeitet werden.
Auf Anfrage des SG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit Schreiben vom 02.03.2011 mitgeteilt, dass es, beraten durch den Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten", die Fragestellung der Verursachung eines unklaren Knochentumors durch die berufliche Einwirkung von Säuren und unbekannten Flüssigkeiten bisher nicht geprüft habe und eine Prüfung auch nicht beabsichtige. Entsprechende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse lägen dort nicht vor. Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) hat auf entsprechende Anfrage unter dem 11.03.2011 mitgeteilt, dass es nach ihrer Kenntnis keinen wissenschaftlich belastbaren Konnex zwischen chemischen Einwirkungen bei der Holz- und Metallverarbeitung und der Entstehung von Knochentumoren gebe. Über die Ätiologie dieser Erkrankung sei insgesamt noch sehr wenig bekannt, neben genetischen Ursachen und physikalischen Traumata würden in der Literatur häufig ionisierende Strahlung und alkylierende Zytostatika diskutiert.
Mit Urteil vom 17.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, von den in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Listen-BKen nach § 9 Abs. 1 SGB VII komme keine in Betracht, da weder vom Krankheitsbild noch von den möglicherweise schädigenden Stoffen sich eine Entsprechung finde. Aber auch eine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII könne nicht angenommen werden. Voraussetzung hierfür sei, dass die geltend gemachte Erkrankung zwar nicht in der BKV gelistet sei oder die dort genannten Voraussetzungen nicht erfülle, sie aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste als BK gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfülle. Dies bedeute, dass eine abgrenzbare (bestimmte) Personengruppe in Rede stehen müsse, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gesundheitsschädlichen Einwirkungen ausgesetzt sei, wobei diese Einwirkungen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein müssten, Krankheiten der jeweiligen Art zu verursachen. Es müsse eine "verordnungsreife" BK sein, die nur deshalb noch nicht gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII zu entschädigen sei, weil der Verordnungsgeber der BKV, der mit dem Erkenntnisfortschritt in der medizinischen Wissenschaft nicht Schritt halten könne, die regelmäßig in mehrjährigen Abständen novellierte BKV dem Stand der Wissenschaft noch nicht angepasst habe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt, wie sich aus den Auskünften des BMAS und des IFA ergebe. Nicht Aufgabe des § 9 Abs. 2 SGB VII sei es, jede Krankheit, die durch eine berufliche Tätigkeit verursacht worden sei, im Einzelfall – gleichsam aus Billigkeitsgründen – als Wie-BK zu entschädigen. Notwendig sei vielmehr, dass die betreffende Krankheit in die Liste der BKen nicht aufgenommen worden sei, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer beruflichen Tätigkeit bei der letzten Fassung der BKV noch nicht vorhanden gewesen seien oder zwar vorhanden, aber dem Verordnungsgeber nicht bekannt gewesen seien oder weil die Erkenntnisse noch nicht ausreichten bzw. sich nicht zur "Bezeichnungsreife" gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII verdichtet hätten. All dies könne vorliegend nicht angenommen werden, nachdem das BMAS noch nicht einmal beabsichtige, Knochentumorerkrankungen auf Arbeitsplatzexpositionen hin zu überprüfen. Denn die hierfür notwendigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VII lägen nicht vor.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 03.06.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.06.2011 Berufung eingelegt und geltend gemacht, allein der Umstand, dass die Erkrankung nicht in die Liste der BKen aufgenommen worden sei, bedeute nicht, dass sie nicht durch die Arbeit verursacht worden sei. Da das IFA eingeräumt habe, dass es keine wissenschaftlichen Basiserkenntnisse gebe, die eine Kausalität bisher erforscht hätten, gebe es somit auch keine Stelle, die die Kausalität abgelehnt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Mai 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2010 aufzuheben und seine Tumorerkrankung im Bereich des linken Oberschenkelknochens als Berufskrankheit nach der Anlage 1 zur BKV, hilfsweise als Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. II.
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist mit gerichtlicher Verfügung vom 19.08.2011 Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG gegeben worden.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28.07.2010 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Tumorerkrankung als Listen-BK oder Wie-BK.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig. Zwar hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Entschädigung seiner Tumorerkrankung als BK, hilfsweise als Wie-BK beantragt. Eine Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG wollte er damit aber ersichtlich nicht erheben. Abgesehen davon, dass der Kläger keine konkrete Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung (z. B. Heilbehandlung, Verletztengeld, Verletztenrente) geltend gemacht hat, geht es ihm nach dem gestellten Antrag in erster Linie um die Anerkennung seiner Tumorerkrankung als BK bzw. Wie-BK. Geht es aber in einem gerichtlichen Verfahren nicht um konkrete Ansprüche auf bestimmte Leistungen, sondern zunächst nur um die Frage, ob eine BK oder Wie-BK vorliegt, kann der Antrag auf "Entschädigung" nicht als Leistungsklage angesehen werden (vgl. zur entsprechenden Auslegung des Klageantrags beim Arbeitsunfall BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; jeweils zitiert n. juris). Der Versicherte kann in dieser Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche aber vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen. Das betrifft nicht nur die in § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ausdrücklich vorgesehene Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall oder einer BK, sondern auch die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen, in denen vom Versicherungsträger bereits das Vorliegen eines Arbeitsunfalls oder einer BK bestritten wird (BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 2 U 21/03 R; zitiert n. juris; BSG, Urteil vom 07.09.2004, a.a.O.; BSG SozR 2200 § 551 Nr. 35).
Ein entsprechender Feststellungsanspruch steht dem Kläger indes nicht zu.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31.10.1997 (BGBl. I S. 2623) erlassen, in deren zuletzt durch Verordnung vom 11.06.2009 (BGBl. I S. 1273) mit Wirkung vom 01.07.2009 geänderten Fassung der Anlage 1 zu § 1 BKV die derzeit als BKen anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.
Der Kläger hat zu Recht seinen Klageantrag auf die Feststellung einer Tumorerkrankung im Bereich des linken Oberschenkelknochens als BK beschränkt. Denn seine Einlassung, permanent Tumore, z. B. einen Rippentumor, bekommen zu haben, lässt sich anhand der aktenkundigen medizinischen Unterlagen in dieser Pauschalität nicht objektivieren. Danach ist schon nicht gänzlich zweifelsfrei, ob der Kläger überhaupt an einer Krebserkrankung leidet. So hat Dr. L. unter dem 27.06.1997 berichtet, dass wie schon auf der Voraufnahme von 1995 die jetzige Ganzkörper-Skelett-Szintigraphie wiederum eine Mehrspeicherung im linken distalen Femur gezeigt habe, eine Intensitätszunahme nicht eingetreten sei und nach wie vor der Befund gegen einen malignen Prozess spreche. Im röntgenologischen Befundbericht des Dr. E. vom 01.10.2002 wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Enchondrom (häufigster Tumor der kleinen Röhrenknochen an Hand und Fuß, auch an großen Röhrenknochen und am Becken, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 2011, S. 561) des distalen Femurs bis metaphysär diagnostiziert. Auch Dres. K. und B., Universitätsklinikum U., können im Röntgenbefund keine eindeutigen Malignitätskriterien finden, erkennen aber in der Magnetresonanztomographie (MRT) des distalen Oberschenkels links mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Enchondrom im Markraum des linken Oberschenkels von der distalen Diaphyse bis Metaphyse mit einer Gesamtausdehnung von 14 cm (Arztbrief vom 26.11.2002). Die späteren Diagnosen des Universitätsklinikums U. lauten unterschiedlich, so wird ein Enchondrom links distaler Femur, ein unklarer Knochentumor linkes distales Femur, Skelettalteratin linkes distales Femur mit Markraumfibrose angegeben, wobei auch im MRT vom 07.01.2010 ein unverändert großes Enchondrom in der distalen Remurdiaphyse links bis zur Metaphyse reichend mit einer Gesamtausdehnung von 10 x 2,2 cm erkannt worden ist (Arztbriefe vom 26.03.2003, 13.01.2009, 09.07.2009 und 25.01.2010).
Besteht ausgehend von den neuesten Befundberichten beim Kläger ein Enchondrom im linken Oberschenkel, kann diese Erkrankung nicht als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII festgestellt werden, da in der Anlage 1 zur BKV eine derartige Erkrankung nicht aufgeführt wird. Dass der Kläger während seiner versicherten Tätigkeit mit einem der in BK Nr. 1101 bis 1110 genannten Stoffe in relevantem Umfang in Berührung gekommen ist, wird von ihm nicht geltend gemacht. Die Exposition allein würde auch nicht den Feststellungsanspruch begründen. Denn es müssten darüber hinaus unterschiedliche Kausalzusammenhänge bestehen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt zwar jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999 - B 2 U 47/98 R - SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). Nachdem die Ätiologie von Knochentumoren noch weitgehend unbekannt ist (vgl. Auskunft IFA vom 11.03.2011), ist ein Zusammenhang zwischen den in den BK Nrn. 1101 bis 1110 genannten Stoffen und Knochentumoren nicht wahrscheinlich. Zu Recht hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 28.07.2010 darauf hingewiesen, dass nach dem aktuellen arbeitsmedizinischen Wissensstand keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorlägen, ob irgendwelche Arbeitsstoffe geeignet sein könnten, Knochentumore zu verursachen. Diskutiert werden hier allenfalls mögliche, aber nicht wahrscheinliche Ursachen, die wiederum nicht mit einer Exposition der in den BK Nrn. 1101 bis 1110 genannten Stoffen in Zusammenhang stehen.
Das Enchondrom im linken Oberschenkel des Klägers kann aber auch nicht als Wie-BK festgestellt werden.
Nach § 9 Abs 2 SGB VII müssen für die Feststellung der Wie-BK folgende Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2010 - B 2 U 19/09 R - zitiert n. juris): 1. Ein "Versicherter" muss die Feststellung einer bestimmten Krankheit als Wie-BK beanspruchen. 2. Die Voraussetzungen einer in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Krankheit dürfen nicht erfüllt sein. 3. Die Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Listen-BK durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII müssen vorliegen; es muss eine bestimmte Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt (gewesen) sein, und es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen. 4. Diese medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen neu sein. 5. Im Einzelfall müssen die abstrakten Voraussetzungen der Wie-BK konkret erfüllt sein. Während die ersten beiden Voraussetzungen vorliegend unproblematisch gegeben sind, fehlt es – wie im angefochtenen Urteil des SG zutreffend im Einzelnen dargestellt – an den notwendigen weiteren Voraussetzungen (Ziffern 3 bis 5). Für die Feststellung einer Wie-BK genügt es nicht, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295), denn die Regelung des § 9 Abs. 2 SGB VII beinhaltet keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel (vgl. BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 17 m.w.N.). Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-BK in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BT-Drucks 13/2204, 77 f). Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass von arbeitsmedizinischer Seite eine Verbindung zwischen der Entstehung von Knochentumoren und einer möglichen Exposition am Arbeitsplatz gesehen wird. Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren keine neuen Erkenntnisse, insbesondere medizinisch-wissenschaftlicher Natur, vorgetragen hat, die die entsprechenden Auskünfte des BMAS bzw. des IFA in Frage stellen würden, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Tumorerkrankung als Berufskrankheit (BK).
Der 1955 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit war vom 02.02. bis 22.10.1981 im Sägewerk W., vom 26.10. bis 19.11.1981 bei D. GmbH & Co. KG, vom 11.01. bis 06.10.1982 bei der A. B. G. GmbH sowie vom 10.01.1983 bis 10.01.1995 bei der A. B. GmbH & Co KG, Maschinen- und A., W./A., beschäftigt, einem 1995 in Konkurs gegangen metallverarbeitenden Unternehmen (vgl. Schreiben der A. B. A. GmbH vom 06.05.1010. Vom 07.04.1994 bis 07.10.1997 und vom 10.08.1998 bis 28.01.1999 nahm der Kläger an Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation teil. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung übt der Kläger seither nicht mehr aus (vgl. Auskunftsschreiben der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 31.05.2010).
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.03.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Einleitung eines BK-Verfahrens. Er habe von 1980 bis 1995 bei der A. B. GmbH in dem Bereich gearbeitet, wo Metalle bearbeitet und geätzt worden seien. Er sei über 15 Jahre lang den Dämpfen ausgeliefert gewesen. Nach seinem Austritt aus dem Unternehmen seien bei ihm vermehrt Krebsgeschwüre, z. B. ein Rippen- und ein Oberschenkel-Knochen-Tumor, entstanden. Da keiner in seiner Familie an dieser Krankheit leide, bestehe der Verdacht, dass diese Krankheit durch seine Arbeit bei der A. B. GmbH entstanden sei. Ergänzend wird im Antragsformular unter dem 12.03.2010 angegeben, der Kläger habe nicht nur mit aggressiven Dämpfen und Säuren usw. arbeiten müssen, sondern sei auch für das Schleifen von Metall zuständig gewesen. Da diese Tätigkeit im Knien ausgeübt worden sei, seien diese stark geschädigt. Er sei mehrfach an den Knien operiert worden.
Die Beklagte holte beim Hausarzt des Klägers, Dr. R., die Auskunft vom 20.05.2010 ein (Behandlung seit 23.01.2001, Enchondrom linker Femur, chronisch obstruktive Lungenerkrankung [COPD], in späteren Jahren Gonarthrose bds., Visusverschlechterung) und zog über diesen zahlreiche Befundberichte und Arztschreiben bei. Gemeinsam mit dem Vorerkrankungsverzeichnis legte sie diese zur Stellungnahme der staatlichen Gewerbeärztin Dr. G. vor, die unter dem 05.07.2010 eine BK der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) nicht zur Anerkennung vorschlug, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und den Erkrankungen gemäß den BK-Nrn. nicht wahrscheinlich gemacht werden könne.
Mit Bescheid vom 28.07.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Erkrankung des Klägers keine BK nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und auch nicht wie eine BK (im Folgenden: Wie-BK) nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen sei. Ansprüche auf Leistungen bestünden daher nicht. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger an einer Tumorerkrankung im Bereich des linken Oberschenkelknochens leide, während Hinweise auf eine Krebserkrankung der Lungen und Atemwege oder sonstiger Organe nicht vorlägen. Nach dem aktuellen Stand der arbeitsmedizinischen Wissenschaft lägen derzeit noch keinerlei gesicherte Erkenntnisse darüber vor, dass bestimmte Personengruppen bei der beruflichen Tätigkeit des Klägers in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung der Gefahr ausgesetzt sei, an einem Knochentumor zu erkranken und überhaupt irgendwelche Arbeitsstoffe geeignet sein könnten, Knochentumore zu verursachen. Wegen der geltend gemachten Kniegelenkserkrankung werde die Beklagte einen gesonderten Bescheid erlassen.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12.10.2010 zurückgewiesen.
Am 11.11.2010 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zur Begründung weiter vorgetragen, es sei ihm über den gesamten Arbeitszeitraum von über 15 Jahren zu keinem Zeitpunkt vorgegeben worden, besondere Schutzkleidung wie Handschuhe, Brillen oder Atemschutz zu tragen. Mittlerweise dürfe in dem ehemaligen Arbeitsbereich des Klägers nicht mehr mit den Dämpfen ohne Schutzkleidung gearbeitet werden.
Auf Anfrage des SG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit Schreiben vom 02.03.2011 mitgeteilt, dass es, beraten durch den Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten", die Fragestellung der Verursachung eines unklaren Knochentumors durch die berufliche Einwirkung von Säuren und unbekannten Flüssigkeiten bisher nicht geprüft habe und eine Prüfung auch nicht beabsichtige. Entsprechende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse lägen dort nicht vor. Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) hat auf entsprechende Anfrage unter dem 11.03.2011 mitgeteilt, dass es nach ihrer Kenntnis keinen wissenschaftlich belastbaren Konnex zwischen chemischen Einwirkungen bei der Holz- und Metallverarbeitung und der Entstehung von Knochentumoren gebe. Über die Ätiologie dieser Erkrankung sei insgesamt noch sehr wenig bekannt, neben genetischen Ursachen und physikalischen Traumata würden in der Literatur häufig ionisierende Strahlung und alkylierende Zytostatika diskutiert.
Mit Urteil vom 17.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, von den in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Listen-BKen nach § 9 Abs. 1 SGB VII komme keine in Betracht, da weder vom Krankheitsbild noch von den möglicherweise schädigenden Stoffen sich eine Entsprechung finde. Aber auch eine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII könne nicht angenommen werden. Voraussetzung hierfür sei, dass die geltend gemachte Erkrankung zwar nicht in der BKV gelistet sei oder die dort genannten Voraussetzungen nicht erfülle, sie aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste als BK gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfülle. Dies bedeute, dass eine abgrenzbare (bestimmte) Personengruppe in Rede stehen müsse, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gesundheitsschädlichen Einwirkungen ausgesetzt sei, wobei diese Einwirkungen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein müssten, Krankheiten der jeweiligen Art zu verursachen. Es müsse eine "verordnungsreife" BK sein, die nur deshalb noch nicht gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII zu entschädigen sei, weil der Verordnungsgeber der BKV, der mit dem Erkenntnisfortschritt in der medizinischen Wissenschaft nicht Schritt halten könne, die regelmäßig in mehrjährigen Abständen novellierte BKV dem Stand der Wissenschaft noch nicht angepasst habe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt, wie sich aus den Auskünften des BMAS und des IFA ergebe. Nicht Aufgabe des § 9 Abs. 2 SGB VII sei es, jede Krankheit, die durch eine berufliche Tätigkeit verursacht worden sei, im Einzelfall – gleichsam aus Billigkeitsgründen – als Wie-BK zu entschädigen. Notwendig sei vielmehr, dass die betreffende Krankheit in die Liste der BKen nicht aufgenommen worden sei, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer beruflichen Tätigkeit bei der letzten Fassung der BKV noch nicht vorhanden gewesen seien oder zwar vorhanden, aber dem Verordnungsgeber nicht bekannt gewesen seien oder weil die Erkenntnisse noch nicht ausreichten bzw. sich nicht zur "Bezeichnungsreife" gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII verdichtet hätten. All dies könne vorliegend nicht angenommen werden, nachdem das BMAS noch nicht einmal beabsichtige, Knochentumorerkrankungen auf Arbeitsplatzexpositionen hin zu überprüfen. Denn die hierfür notwendigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VII lägen nicht vor.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 03.06.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.06.2011 Berufung eingelegt und geltend gemacht, allein der Umstand, dass die Erkrankung nicht in die Liste der BKen aufgenommen worden sei, bedeute nicht, dass sie nicht durch die Arbeit verursacht worden sei. Da das IFA eingeräumt habe, dass es keine wissenschaftlichen Basiserkenntnisse gebe, die eine Kausalität bisher erforscht hätten, gebe es somit auch keine Stelle, die die Kausalität abgelehnt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Mai 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2010 aufzuheben und seine Tumorerkrankung im Bereich des linken Oberschenkelknochens als Berufskrankheit nach der Anlage 1 zur BKV, hilfsweise als Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. II.
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist mit gerichtlicher Verfügung vom 19.08.2011 Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG gegeben worden.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28.07.2010 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Tumorerkrankung als Listen-BK oder Wie-BK.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig. Zwar hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Entschädigung seiner Tumorerkrankung als BK, hilfsweise als Wie-BK beantragt. Eine Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG wollte er damit aber ersichtlich nicht erheben. Abgesehen davon, dass der Kläger keine konkrete Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung (z. B. Heilbehandlung, Verletztengeld, Verletztenrente) geltend gemacht hat, geht es ihm nach dem gestellten Antrag in erster Linie um die Anerkennung seiner Tumorerkrankung als BK bzw. Wie-BK. Geht es aber in einem gerichtlichen Verfahren nicht um konkrete Ansprüche auf bestimmte Leistungen, sondern zunächst nur um die Frage, ob eine BK oder Wie-BK vorliegt, kann der Antrag auf "Entschädigung" nicht als Leistungsklage angesehen werden (vgl. zur entsprechenden Auslegung des Klageantrags beim Arbeitsunfall BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; jeweils zitiert n. juris). Der Versicherte kann in dieser Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche aber vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen. Das betrifft nicht nur die in § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ausdrücklich vorgesehene Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall oder einer BK, sondern auch die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen, in denen vom Versicherungsträger bereits das Vorliegen eines Arbeitsunfalls oder einer BK bestritten wird (BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 2 U 21/03 R; zitiert n. juris; BSG, Urteil vom 07.09.2004, a.a.O.; BSG SozR 2200 § 551 Nr. 35).
Ein entsprechender Feststellungsanspruch steht dem Kläger indes nicht zu.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31.10.1997 (BGBl. I S. 2623) erlassen, in deren zuletzt durch Verordnung vom 11.06.2009 (BGBl. I S. 1273) mit Wirkung vom 01.07.2009 geänderten Fassung der Anlage 1 zu § 1 BKV die derzeit als BKen anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.
Der Kläger hat zu Recht seinen Klageantrag auf die Feststellung einer Tumorerkrankung im Bereich des linken Oberschenkelknochens als BK beschränkt. Denn seine Einlassung, permanent Tumore, z. B. einen Rippentumor, bekommen zu haben, lässt sich anhand der aktenkundigen medizinischen Unterlagen in dieser Pauschalität nicht objektivieren. Danach ist schon nicht gänzlich zweifelsfrei, ob der Kläger überhaupt an einer Krebserkrankung leidet. So hat Dr. L. unter dem 27.06.1997 berichtet, dass wie schon auf der Voraufnahme von 1995 die jetzige Ganzkörper-Skelett-Szintigraphie wiederum eine Mehrspeicherung im linken distalen Femur gezeigt habe, eine Intensitätszunahme nicht eingetreten sei und nach wie vor der Befund gegen einen malignen Prozess spreche. Im röntgenologischen Befundbericht des Dr. E. vom 01.10.2002 wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Enchondrom (häufigster Tumor der kleinen Röhrenknochen an Hand und Fuß, auch an großen Röhrenknochen und am Becken, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 2011, S. 561) des distalen Femurs bis metaphysär diagnostiziert. Auch Dres. K. und B., Universitätsklinikum U., können im Röntgenbefund keine eindeutigen Malignitätskriterien finden, erkennen aber in der Magnetresonanztomographie (MRT) des distalen Oberschenkels links mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Enchondrom im Markraum des linken Oberschenkels von der distalen Diaphyse bis Metaphyse mit einer Gesamtausdehnung von 14 cm (Arztbrief vom 26.11.2002). Die späteren Diagnosen des Universitätsklinikums U. lauten unterschiedlich, so wird ein Enchondrom links distaler Femur, ein unklarer Knochentumor linkes distales Femur, Skelettalteratin linkes distales Femur mit Markraumfibrose angegeben, wobei auch im MRT vom 07.01.2010 ein unverändert großes Enchondrom in der distalen Remurdiaphyse links bis zur Metaphyse reichend mit einer Gesamtausdehnung von 10 x 2,2 cm erkannt worden ist (Arztbriefe vom 26.03.2003, 13.01.2009, 09.07.2009 und 25.01.2010).
Besteht ausgehend von den neuesten Befundberichten beim Kläger ein Enchondrom im linken Oberschenkel, kann diese Erkrankung nicht als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII festgestellt werden, da in der Anlage 1 zur BKV eine derartige Erkrankung nicht aufgeführt wird. Dass der Kläger während seiner versicherten Tätigkeit mit einem der in BK Nr. 1101 bis 1110 genannten Stoffe in relevantem Umfang in Berührung gekommen ist, wird von ihm nicht geltend gemacht. Die Exposition allein würde auch nicht den Feststellungsanspruch begründen. Denn es müssten darüber hinaus unterschiedliche Kausalzusammenhänge bestehen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt zwar jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999 - B 2 U 47/98 R - SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). Nachdem die Ätiologie von Knochentumoren noch weitgehend unbekannt ist (vgl. Auskunft IFA vom 11.03.2011), ist ein Zusammenhang zwischen den in den BK Nrn. 1101 bis 1110 genannten Stoffen und Knochentumoren nicht wahrscheinlich. Zu Recht hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 28.07.2010 darauf hingewiesen, dass nach dem aktuellen arbeitsmedizinischen Wissensstand keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorlägen, ob irgendwelche Arbeitsstoffe geeignet sein könnten, Knochentumore zu verursachen. Diskutiert werden hier allenfalls mögliche, aber nicht wahrscheinliche Ursachen, die wiederum nicht mit einer Exposition der in den BK Nrn. 1101 bis 1110 genannten Stoffen in Zusammenhang stehen.
Das Enchondrom im linken Oberschenkel des Klägers kann aber auch nicht als Wie-BK festgestellt werden.
Nach § 9 Abs 2 SGB VII müssen für die Feststellung der Wie-BK folgende Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2010 - B 2 U 19/09 R - zitiert n. juris): 1. Ein "Versicherter" muss die Feststellung einer bestimmten Krankheit als Wie-BK beanspruchen. 2. Die Voraussetzungen einer in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Krankheit dürfen nicht erfüllt sein. 3. Die Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Listen-BK durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII müssen vorliegen; es muss eine bestimmte Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt (gewesen) sein, und es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen. 4. Diese medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen neu sein. 5. Im Einzelfall müssen die abstrakten Voraussetzungen der Wie-BK konkret erfüllt sein. Während die ersten beiden Voraussetzungen vorliegend unproblematisch gegeben sind, fehlt es – wie im angefochtenen Urteil des SG zutreffend im Einzelnen dargestellt – an den notwendigen weiteren Voraussetzungen (Ziffern 3 bis 5). Für die Feststellung einer Wie-BK genügt es nicht, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295), denn die Regelung des § 9 Abs. 2 SGB VII beinhaltet keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel (vgl. BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 17 m.w.N.). Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-BK in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BT-Drucks 13/2204, 77 f). Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass von arbeitsmedizinischer Seite eine Verbindung zwischen der Entstehung von Knochentumoren und einer möglichen Exposition am Arbeitsplatz gesehen wird. Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren keine neuen Erkenntnisse, insbesondere medizinisch-wissenschaftlicher Natur, vorgetragen hat, die die entsprechenden Auskünfte des BMAS bzw. des IFA in Frage stellen würden, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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