L 4 R 5573/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 5995/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5573/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung. Streitig ist die fristgemäße Einlegung der Berufung.

Die am 1961 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat, bis 31. März 2006 als Maschinenbedienerin versicherungspflichtig beschäftigt war und im Anschluss daran zunächst Arbeitslosengeld und seit 01. April 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, beantragte am 27. Mai 2009 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag insbesondere gestützt auf ein Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie Dr. Z. vom 01. Juli 2009 und von der Klägerin vorgelegte medizinische Unterlagen mit Bescheid vom 14. Juli 2009 ab. Den von der Klägerin dagegen erhobenen Widerspruch wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2009 zurück.

Dagegen erhob die Klägerin am 26. November 2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Das SG hörte den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. N. als sachverständigen Zeugen (Auskunft vom 25. Juni 2010) und wies sodann mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2011 die Klage ab. Dieser Gerichtsbescheid wurde der Klägerin ausweislich Postzustellungsurkunde (Bl. 51a der SG-Akte) am 29. Oktober 2011 durch die Deutsche Post AG zugestellt, indem er in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wurde.

Mit nicht mit einem Datum versehenen Schreiben hat die Klägerin am 07. Dezember 2011 beim SG Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2011 eingelegt. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass sie nicht mehr arbeiten könne. Für ihre Verspätung entschuldige sie sich. Sie sei immer noch krankgeschrieben und habe kaum laufen können, da sie große Probleme habe. So wie es aussehe, müsse sie sogar operiert werden.

Die Klägerin beantragt sachgerecht gefasst,

ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2009 zu verurteilen, ihr ab 01. Juli 2009 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist unzulässig, weil die Klägerin die Berufungsfrist versäumt hat. Die Berufung war daher zu verwerfen (§ 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Gemäß § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist.

Gemäß §§ 143, 105 Abs. 2 Satz 1 SGG findet gegen die den Urteilen gleichstehenden Gerichtsbescheide der Sozialgerichte die Berufung statt. Diese ist beim Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen (§ 151 Abs. 1 SGG). Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGG). Diese Frist ist hier versäumt.

Der Gerichtsbescheid des SG vom 26. Oktober 2011 wurde der Klägerin am 29. Oktober 2011 durch Einlegung in den zu ihrer Wohnung gehörenden Briefkasten förmlich zugestellt. Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zugestellt. § 168 ZPO überträgt die Aufgabe der Zustellung der Geschäftsstelle. Diese kann u.a. einen nach § 33 Abs. 1 Postgesetz beliehenen Unternehmer (Post) mit der Ausführung der Zustellung beauftragen. Den Auftrag an die Post erteilt die Geschäftsstelle auf dem dafür vorgesehenen Vordruck. Wird der Post ein Zustellungsauftrag erteilt oder wird eine andere Behörde um die Ausführung der Zustellung ersucht, übergibt die Geschäftsstelle das zuzustellende Schriftstück in einem verschlossenen Umschlag und ein vorbereitetes Formular einer Zustellungsurkunde (§ 176 SGG). Nach Maßgabe des § 176 Abs. 2 SGG i. V. mit § 180 ZPO kann das Schriftstück, wenn die Zustellung durch Aushändigung nicht ausführbar ist, in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 ZPO) und fertigt zum Nachweis der Zustellung nach Maßgabe des § 182 ZPO eine Zustellungsurkunde an. Die Zustellungsurkunde der Deutschen Post vom 29. Oktober 2011 enthält alle notwendigen Angaben. So ist ihr zu entnehmen, dass der Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2011 zu Az.: S 22 R 5995/09 an die Klägerin unter der Adresse Römerstr. 5, 77933 Lahr zugestellt werden sollte und dass der Postbedienstete versucht hat, das in einem verschlossenen Umschlag befindliche Schriftstück der Klägerin zu übergeben. Weil die Übergabe des Schriftstücks nicht möglich war, hat er das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt, und zwar am 29. Oktober 2011.

Aufgrund der Zustellung am 29. Oktober 2011 begann die Berufungsfrist am 30. Oktober 2011 zu laufen und endete am Dienstag, den 29. November 2011. Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung. Gemäß § 2 Satz 1 der Vorschrift endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welche nach der Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG). Die Berufung der Klägerin ist beim SG erst am 07. Dezember 2011 eingegangen. Damit hat sie die Berufungsfrist um acht Tage überschritten.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG gegen die Versäumung der Berufungsfrist hat die Klägerin nicht ausdrücklich beantragt. Selbst wenn ihrem Vorbringen ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entnehmen wäre, so ist Wiedereinsetzung jedenfalls nicht zu gewähren.

Nach § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG). Ein Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und für seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 08. September 2010, B 14 AS 96/10B m.w.N., in Juris). Trotz entsprechender Aufforderung seitens der Berichterstatterin hat die Klägerin lediglich vorgetragen, dass sie sich für die Verspätung entschuldige. Sie sei damals und immer noch krankgeschrieben und habe kaum laufen können. Sie werde, so wie es aussehe, sogar operiert werden müssen. Mit diesen pauschalen Angaben ist eine schuldlose Versäumung der Berufungsfrist nicht glaubhaft gemacht. Die nicht glaubhaft gemachte Krankschreibung würde eine unverschuldete Fristversäumnis aber auch nicht belegen. Dies wird auch daraus deutlich, dass die Klägerin trotz der nach ihren Angaben nach wie vor bestehenden Krankschreibung in der Lage war, die beim SG am 07. Dezember 2011 und beim Landessozialgericht Baden-Württemberg am 24. Januar 2012 eingegangenen Schriftstücke zu verfassen und zur Post zu geben. Auch dass sie kaum hätte laufen können, führt nicht dazu, dass sie ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, denn für den Fall, dass sie wegen Gehschwierigkeiten die Berufungsschrift nicht zur Post geben konnte, hätte sie dennoch selbst das Nötige veranlassen können, insbesondere indem sie einen anderen beauftragt hätte. Dies gilt auch mit Blick auf die möglicherweise anstehende Operation, die jedoch ebenfalls auch schon nicht glaubhaft gemacht wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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