L 12 KO 272/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 KO 272/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 21. August 2009 wird auf 1.979,15 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

In dem beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) geführten Verfahren L 9 R 558/09 war die (Weiter-)Gewährung einer Erwerbsminderungsrente streitig. Im Mai 2005 wurde der Antragsteller von Amts wegen unter Beifügung der Gerichts- und Verwaltungsakten (insgesamt ca. 1080 Blatt) zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens auf Grund ambulanter Untersuchung des Klägers gebeten. Am 21. August 2009 hat der Antragsteller ein 37-seitiges neurologisch-psychiatrisches Gutachten (ca. 96.000 Anschläge) erstattet. Für das Gutachten hat er mit Rechnung vom 18. September 2009 eine Vergütung in Höhe von 2.998,15 Euro verlangt. Abgerechnet hat er 34 Stunden a 85 Euro, Schreibgebühren, Kopien, Porto und Telefon.

Die Kostenbeamtin hat die Vergütung mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 auf 1.309,15 Euro herabgesetzt unter Anwendung der Honorargruppe M 2 und Berücksichtigung eines Zeitaufwands von 20 Stunden.

Im Einzelnen stehen sich folgende Bewertungen gegenüber: Antragsteller Kostenbeamtin Aktenstudium 11 h à 85 Euro 5,4 h à 60 Euro Untersuchung/Anamnese 3,5 h à 85 Euro 3,5 h à 60 Euro Diktat Anamnese/Befunde 4 h à 85 Euro 1,8 h à 60 Euro Beurteilung, Beantwortung Beweisfragen 10,5 h à 85 Euro 6,3 h à 60 Euro Korrektur, Durchsicht 5 h á 85 Euro 3 h à 60 Euro Gesamtzeitaufwand (gerundet) 34 h à 85 Euro 20 h à 60 Euro Schreibauslagen, Kopien 99,60 Euro 100,60 Euro Porto 8,55 Euro 8,55 Euro Summe 2.998,15 Euro 1.309,15 Euro

Mit Schreiben vom 11. Januar 2010 macht der Antragsteller geltend, dass das Gutachten mit einem hohen Schwierigkeitsgrad anzusetzen und entsprechend zu vergüten sei. Er habe zahlreiche ärztliche Vorbefunde, Vorgutachten und frühere Sachverständigenaussagen von insgesamt 17 verschiedenen Ärzten zitiert, berücksichtigt und verglichen, davon alleine 8 verschiedene Ausführungen aus dem Gebiet der Nervenheilkunde/Psychiatrie. Die Vielzahl der Ausführungen zeigten komplizierte, unklare und widersprüchliche Inhalte, die er transparent dargelegt und kritisch diskutiert habe. Auch sei seine Doppelqualifikation (Neurologie und Psychiatrie) und die Begutachtung auf beiden Gebieten zu würdigen. Es seien 1774 Seiten Aktenstudium zu berücksichtigen. Wenn die Durchnummerierung nur mit ungeraden Zahlen erfolge, werde dem Umstand Rechnung getragen, dass auch auf den Rückseiten der Blätter Vermerke und Textpassagen zu finden seien. Die ausführliche Darstellung der neurologischen und psychischen Zusammenhänge unter Darstellung der teils unklaren oder widersprüchlichen Vorbefunde sei für eine Beantwortung der Beweisfragen unerlässlich gewesen, dies werde mit der angesetzten Zeit nicht ausreichend berücksichtigt. Er sei bereit, in der Liquidation das Aktenstudium von 11 Stunden auf 8,9 Stunden (1774 Seiten mit 200 Seiten je Stunde) und die Korrektur von 5 auf 3 Stunden zu kürzen. Sollte auf dieser Basis keine Einigung erzielt werden, beantrage er richterliche Festsetzung.

Die Kostenbeamtin hat dem Begehren des Antragstellers nicht abgeholfen und die Akten dem Kostensenat vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 29. November 2010 wird auf 1.979,15 Euro festgesetzt.

Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz - JVEG) Anwendung, weil der Gutachtensauftrag dem Antragsteller nach dem 30. Juni 2004 erteilt worden ist (§ 25 Satz 1 JVEG).

Vorliegend entscheidet nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG die Berichterstatterin als Einzelrichterin. Gründe für die Übertragung des Verfahrens auf den Senat liegen nicht vor.

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erhält der Sachverständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach Stundensätzen zu bemessen ist.

1. Honorargruppe Die Entschädigung des Antragstellers hat entgegen der Festsetzung der Kostenbeamtin antragsgemäß mit einem Stundensatz von 85 Euro nach Honorargruppe M 3 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG zu erfolgen.

Nach § 9 Abs. 1 JVEG erhalten medizinische Sachverständige für jede Stunde ein Honorar in Höhe von 50, 60 oder 85 Euro, je nachdem, welcher Honorargruppe (M 1 bis M 3) das von ihnen erstattete Gutachten nach der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG zuzuordnen ist. Dabei hat sich der Gesetzgeber an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten und ihrem Umfang orientiert, wobei die Vergütung aufwandsbezogen gestaltet sein soll (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 186). In der Anlage 1 zu § 9 Abs. 2 JVEG werden für die in der Sozialgerichtsbarkeit üblichen Gutachten folgende Zuordnungen getroffen: Nach der Honorargruppe M 1 mit einem Stundensatz von 50 Euro werden einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung entschädigt. Der Honorargruppe M 2 mit einem Stundensatz von 60 Euro sind beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacherer medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten in Verfahren nach dem SGB IX, zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität zuzuordnen. Eine Zuordnung zur Honorargruppe M 3 mit einem Stundensatz von 85 Euro erfolgt bei Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalfragen), insbesondere Gutachten zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen, in Verfahren nach dem OEG zur Geschäfts-, Testier- oder Prozessfähigkeit, zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A - MedR 2006, 118 ff.) gilt insoweit, dass einfachere gutachtliche Beurteilungen mit einer Vergütung nach Honorargruppe M 1 solche sind, bei denen die Diagnose zu beurteilender Gesundheitsstörungen verhältnismäßig leicht zu stellen ist und die Beweisfragen ohne sonderliche Mühe zu beantworten sind. Gutachten mit einer Vergütung nach der Honorargruppe M 2 sind die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten, die durchschnittliche Anforderungen stellen. Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad nach der Honorargruppe M 3 liegen vor, wenn der Sachverständige umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen anstellen muss. Die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen, aber auch andere Gründe haben, z.B. durch eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben bedingt sein. In erster Linie sind hier Zusammenhangsgutachten in der gesetzlichen Unfallversicherung und im sozialen Entschädigungsrecht einzuordnen, die sich im notwendigen Umfang mit den im Schrifttum vertretenen wissenschaftlichen Meinungen im Gutachten auseinander setzen sowie Zustandsgutachten bei sehr komplizierten, widersprüchlichen Befunden und entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung. Eine Vergütung nach Honorargruppe M 3 fordert gegenüber Gutachten, die nach Honorargruppe M 2 bewertet werden, einen deutlich höheren Schwierigkeitsgrad, wobei sich dieser gerade aus den Darlegungen im Gutachten entnehmen lassen muss. Es genügt daher für eine Vergütung nach der Honorargruppe M 3 nicht, dass ein schwieriges Gutachten in Auftrag gegeben worden ist. Aus dem Gutachten selbst muss sich vielmehr ergeben, dass der Sachverständige die geforderten vielschichtigen bzw. vielseitigen Überlegungen auch anstellte und wodurch diese veranlasst wurden.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entschädigung des Gutachtens des Antragstellers mit einem Stundensatz von 85 EUR nach Honorargruppe M 3 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG vorzunehmen, Nach den mit dem Gutachtensauftrag gestellten Beweisfragen war zu klären, ob und inwieweit sich die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen auf sein berufliches Leistungsvermögen auswirken und wie sich dies im Zeitverlauf seit 2004 darstellt. Es waren zwar in erster Linie die auf den Fachgebieten des Antragstellers vorhandenen Funktionsstörungen beim Kläger und deren Ausmaß festzustellen und zu bewerten. Hierbei sind jedoch tatsächlich erhebliche Divergenzen zwischen den einzelnen ärztlichen Stellungnahmen aufgetreten, welche der Antragsteller in einer kompakten und nachvollziehbaren Form schildert und aufzulösen versucht. Bei der Lektüre des Gutachtens wird nachvollziehbar, dass eine Schwierigkeit deutlich über dem mittleren Schwierigkeitsgrad vorgelegen hat.

2. Zeitaufwand Hinsichtlich des streitigen Zeitaufwands besteht kein Anspruch des Antragstellers auf Entschädigung von mehr als 22 Stunden. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erhält der Sachverständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach Stundensätzen zu bemessen ist. Dementsprechend wird es gemäß § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrages. Für die Ermittlung der Anzahl der zu vergütenden Stunden kommt es nicht auf die vom Sachverständigen tatsächlich aufgewandten Stunden an. Die Zeit, die erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des jeweiligen Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen (Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl., § 8 Rn. 8.48).

Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich aufgewandte Zeit richtig sind und dass die vom Sachverständigen zur Vergütung verlangten Stunden für die Erstellung des Gutachtens auch notwendig waren. Dementsprechend findet regelmäßig nur eine Plausibilitätsprüfung der Kostenrechnung anhand allgemeiner Erfahrungswerte statt (Beschluss des Senats vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A -). Zusammenfassend gestaltet sich die kostenrechtliche Prüfung demnach so (Beschluss vom 5. April 2005 - L 12 SB 795/05 KO-A - Juris), dass in einem ersten Schritt im Rahmen der Plausibilitätsprüfung das Gutachten und seine einzelnen Teile auf sogenannte Standardseiten mit 2.700 Anschlägen je Seite umgerechnet wird und anhand von Erfahrungswerten (Blätter je Stunde im Fall der Aktendurchsicht bzw. Seiten je Stunde) für die jeweilige Tätigkeit (Aktendurchsicht, Diktat von Anamnese und Befunden, Beurteilung einschließlich Beantwortung der Beweisfragen, Korrektur) ein Zeitaufwand ermittelt wird, der im Fall eines Routinegutachtens zu erwarten ist. Überschreitet der Sachverständige mit seinem geltend gemachten Zeitaufwand das Ergebnis dieser Plausibilitätsprüfung, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sich - insbesondere aus dem Gutachten selbst unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zeitaufwandes und ggf. vom Sachverständigen dargelegter Umstände - Hinweise ergeben, die eine Abweichung vom Ergebnis der Plausibilitätsprüfung rechtfertigen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Sachverständige eine Kostenrechnung vorlegt, anhand derer eine solche Prüfung vorgenommen werden kann. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn der Sachverständige die Kostenrechnung unter Mitteilung seines tatsächlichen Zeitaufwandes entsprechend der Vorgaben verfasst, wie sie ihm im Hinweisblatt mitgeteilt worden sind. Diese Anforderungen hat der Antragsteller erfüllt.

Das vorliegende Gutachten mit 96.000 Zeichen entspricht 35,5 Standardseiten mit 2.700 Anschlägen. Angesichts der vorgelegten 37 Seiten beträgt der Umrechnungsfaktor 0,96 (1 Gutachtensseite entspricht 0,96 Standardseiten). Danach ergibt sich im Rahmen der Plausibilitätsprüfung ein Zeitaufwand von 22 Stunden (7,2 Stunden Aktenstudium, 3,5 Stunden Anamnese/Untersuchung, 1,8 Stunden Diktat Anamnese und Befunde, 6,3 Stunden Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen und 3 Stunden Korrektur und Durchsicht).

Beim Zeitaufwand für die Aktendurchsicht einschließlich Diktat des für das Gutachten erforderlichen Akteninhalts ist auch das Ausmaß der gutachtensrelevanten Aktenteile (einschlägige Befundberichte der behandelnden Ärzte, Vorgutachten, Rehabilitationsberichte, Beschwerdeschilderungen beispielsweise in der Widerspruchs-, Klage- und Berufungsbegründung) zu berücksichtigen. Dabei legt der Senat seine eigenen Erfahrungswerte aus dem richterlichen Bereich zu Grunde. Danach ist - bei Gutachten auf Grund ambulanter Untersuchung - für bis zu 200 Aktenseiten mit bis zu 50% gutachtensrelevantem Anteil bei der Plausibilitätsprüfung eine Stunde für Durchsicht und erforderliches Diktat anzusetzen. Die Kostenbeamtin hat für die Durchsicht der dem Antragsteller übersandten ca. 1080 Blatt Akten 5,4 Stunden veranschlagt. Da vorliegend der gutachtensrelevante Anteil der Akten überdurchschnittlich hoch ist, wie vom Antragsteller zutreffend vorgetragen, ist abweichend vom oben dargestellten Erfahrungswert vorliegend für bis zu 150 Aktenseiten eine Stunde für Durchsicht und erforderliches Diktat anzusetzen. Dies ergibt einen Zeitaufwand von 7,2 Stunden. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers können für die Beurteilung des Zeitaufwands des Aktenstudiums und Diktats des Aktenauszugs keine 1774 Seiten zugrunde gelegt werden. Zwar ist die Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers teilweise nicht mit fortlaufenden Zahlen nummeriert, sie enthält aber ganz überwiegend nur Blätter, die einseitig beschrieben sind. Unter Zugrundelegung der tatsächlich zu lesenden Seiten der Verwaltungsakten mit 705, drei Band Klageakten des Sozialgerichts mit insgesamt 342 Seiten, 1 Band Berufungsakten des LSG mit 32 Seiten liegt die Anzahl der insgesamt zu berücksichtigenden Seiten bei ca. 1080.

Der von der Kostenbeamtin angesetzte Zeitaufwand für die Untersuchung von 3,5 Stunden entspricht den Angaben des Antragstellers.

Hinsichtlich des zeitlichen Aufwands ist zu differenzieren zwischen dem Diktat der Anamnese und der Befunde einerseits und der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen andererseits. Denn anders als das Diktat von Anamnese und Befunden stellt die Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen die eigentliche Gedankenarbeit mit der Auswertung der Befunde und deren Würdigung im Hinblick auf die Beweisfragen dar. Dementsprechend ist der zeitliche Aufwand für die Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen einschließlich Diktat wesentlich höher anzunehmen, als die Wiedergabe von Anamnese und den erhobenen Befunden. Auch insoweit verfügt der Senat über Erfahrungswerte und hält beim außerhalb der Untersuchung erfolgtem Diktat von Anamnese und Befunden einen zeitlichen Aufwand von einer Stunde für acht Seiten im Falle der Darstellung standardisiert erhobener Anamnese und Befunde (häufig in orthopädischen Gutachten) bzw. einen zeitlichen Aufwand von einer Stunde für sechs Seiten bei ausführlicher und komplizierterer Darstellung (beispielsweise in psychiatrischen Gutachten) für akzeptabel. Für die Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen (ohne deren Wiedergabe) dagegen ist in erster Linie der Inhalt des Gutachtens, in dem der Grad der Intensität und die Gewissenhaftigkeit der Arbeitsweise des Sachverständigen zum Ausdruck kommt, maßgeblich. Bei durchschnittlich komplizierten Ausführungen ohne Wiederholungen ist - auch dies entspricht Erfahrungswerten aus der (auch kosten-)richterlichen Praxis - ein Zeitaufwand von einer Stunde für zweieinhalb Seiten nicht zu beanstanden. Für die Korrektur einschließlich abschließender Durchsicht sieht der Senat einen Zeitaufwand von einer Stunde für zwölf Seiten als angemessen an.

Anamnese und Befunde umfassen im vorliegenden Gutachten 11,5 Seiten entsprechend 11 Standardseiten. Es handelt sich dabei nicht um eine standardisierte, sondern eine ausführliche und komplizierte Darstellung, so dass unter Beachtung des Erfahrungswerts von 1 Stunde für sechs Seiten der Zeitaufwand für das Diktat der Anamnese und der Befunde vorliegend 1,8 Stunden betragt.

Für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen sind insgesamt 16,5 Seiten des Gutachtens entsprechend 15,8 Standardseiten zu berücksichtigen. Dafür ergibt sich rein nach der Plausibilität unter Zugrundlegung von 1 Stunde für 2 ½ Standardseiten ein Zeitaufwand von 6,3 Stunden.

Schließlich ist für die Korrektur einschließlich abschließender Durchsicht ein Zeitaufwand von 3 Stunden angemessen. Dies ergibt sich bei Zugrundelegung von 1 Stunde für 12 Standardseiten, da das Gutachten insgesamt 37 Seiten entsprechen 35,5 Standardseiten umfasst.

Insgesamt sind danach gerundet 22 Stunden zu vergüten.

Das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung ist indes kritisch zu hinterfragen, da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Sachverständige seine aufgewendeten Stunden zutreffend angibt. Daher ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob der Gutachter den durch die Plausibilitätsprüfung gezogenen Rahmen nur geringfügig überschreitet (maximal um 10 %); liegt eine nur geringfügige Überschreitung vor, wird er antragsgemäß entschädigt. Vorliegend macht der Antragsteller allerdings eine um mehr als 10 % von der Plausibilitätsprüfung abweichende Stundenzahl geltend, weswegen aus diesem Gesichtspunkt eine Erhöhung der Stundenzahl nicht erfolgen kann.

Liegen darüber hinaus Anhaltspunkte oder Angaben des Gutachters vor, die einen höheren Stundensatz rechtfertigen, so sind die höheren Stunden zugrunde zu legen (vgl. Beschluss des Senats vom 9. Mai 2005 - L 12 U 1512/05 KO-A). Hierfür ergeben sich vorliegend - über die bereits berücksichtigte Abweichung vom Durchschnittswert aufgrund des großen gutachtensrelevanten Anteils des Akteninhalts - allerdings keine Hinweise. Der geltend gemachten besonderen Schwierigkeit und Komplexität wird bereits mit der Zuordnung in die Honorargruppe M 3 Rechnung getragen.

Daher ist die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 21. August 2009 unter Berücksichtigung von 1870 Euro (Zeitaufwand), 100,60 Euro (Schreibauslagen) und 8,55 Euro (Porto) auf insgesamt 1.979,15 Euro festzusetzen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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