Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 P 4610/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 4335/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. August 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin, die häusliche Pflegehilfe entsprechend der Pflegestufe II bezieht, beansprucht von der Beklagten außerdem die Gewährung von zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45b Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).
Die am 1911 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einer Bewegungseinschränkung bei Zustand nach Oberschenkelhalsfraktur rechts im April 2009, einem Selbstpflegedefizit bei Altersaufbrauch und Tremor der Hände, unter dem Verdacht auf Omarthrose beidseits und an einer partiellen Blaseninkontinenz. Außerdem bestehen seit Jahren ein Ulcus cruris am linken Innenknöchel und eine Herzinsuffizienz. Die Klägerin sitzt seit April 2009 im Rollstuhl. Gehen ist ihr nicht mehr möglich. Sie ist vergesslich und nicht mehr vollständig orientiert. Sie ist jedoch wach, bewusstseinsklar, freundlich zugewandt und kooperativ. Fragen beantwortet sie zumindest oberflächlich adäquat und sachgerecht. Die Klägerin wird überwiegend von ihrem Sohn gepflegt, außerdem erbringt eine Diakoniestation Pflegeeinsätze.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin auf der Grundlage des Gutachtens vom 20. Mai 2009 durch Pflegefachkraft F. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), wonach der Zeitaufwand für die Grundpflege auf 127 Minuten geschätzt wurde und demenzbedingte Fähigkeitsstörungen, eine geistige Behinderung oder psychische Erkrankung ebenso wie eine Einschränkung der Alltagskompetenz verneint wurden, ab 01. April 2009 häusliche Pflegehilfe nach Pflegestufe II (Bescheid vom 22. Mai 2009), wobei der Leistungsanspruch in der Zeit vom 01. April bis 04. Mai 2009 wegen eines stationären Krankenhausaufenthalts ruhte.
Am 22. Mai 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten einen zusätzlichen Betreuungsbetrag. Die Beklagte wandte sich hierauf erneut an den MDK, für den P. B. in der Sozialmedizinischen Fallberatung vom 27. Mai 2009 zu dem Ergebnis kam, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistung nicht erfüllt seien. Es lägen keine maßgeblichen Diagnosen im Sinne demenzbedingter Erkrankung, geistiger Behinderungen oder psychischer Erkrankungen vor. Es bestehe ein geistiger Altersabbau. Es seien lediglich Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigung des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt hätten, vorhanden. Die Alltagskompetenz sei nicht eingeschränkt. Mit Bescheid vom 29. Mai 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Betreuungsleistungen ab. Nach dem Ergebnis der medizinischen Begutachtung seien die Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass kein Betreuungsbetrag zur Verfügung gestellt werden könne.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 09. Juni 2009 Widerspruch ein. Ihre Alltagskompetenz sei sehr stark eingeschränkt, das gleiche gelte auch für den pflegenden Familienangehörigen. Dies ergebe sich daraus, dass nach dem Erhebungsbogen in zehn Bereichen dauerhafte und regelmäßige Schädigungen oder Fähigkeitsstörungen vorlägen. Wenn die Pflegeperson unter anderem jede Nacht bis zu sechsmal Grundpflegebedarf vornehmen müsse und permanent seine Nachtruhe unterbrochen werde und er täglich mehrmals hauswirtschaftliche Arbeiten verrichten müsse, sei eine starke Einschränkung der Alltagskompetenz durchaus vorhanden. Die Beklagte holte hierauf eine weitere Sozialmedizinische Fallberatung des MDK ein. Für diesen kam K. R. in der Beratung vom 12. Juni 2009 zum selben Ergebnis wie schon P. B ... Die im Widerspruch angegebenen Punkte seien aufgrund des Gutachtens der Pflegefachkraft F. nicht nachvollziehbar. Die Angabe der Pflegeperson, wonach z.B. wegen der Hilfe bei der grundpflegerischen Versorgung in der Nacht und bei täglichen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, die von der Pflegeperson übernommen werden müssten, die Alltagskompetenz der Klägerin als auch der Pflegeperson eingeschränkt seien, ergebe eine Veränderung des Alltags, entspreche jedoch nicht der Alltagskompetenz. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2009 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Der MDK sei bereits in seinem Gutachten vom 20. Mai 2009 aufgrund der persönlichen Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis gekommen, dass ihre Alltagskompetenz nicht erheblich eingeschränkt sei. Es bestehe aufgrund des körperlichen Altersabbaus zwar ein Selbstpflegedefizit, jedoch lägen keine demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistige Behinderungen oder psychischen Erkrankungen vor. Nach den weiteren Ausführungen der Gutachterin habe die Klägerin auf Fragen überwiegend adäquat geantwortet, das Langzeitgedächtnis sei erhalten, das Durstgefühl und auch der Appetit seien unauffällig. Weiter sei sie allseits orientiert, wenn auch etwas vergesslich. Diese Beurteilung habe der MDK in seinen weiteren Stellungnahmen bestätigt.
Die Klägerin erhob am 19. Oktober 2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Bei ihr lägen Schädigungen und Fähigkeitsstörungen wenigstens aus zwei Bereichen und zusätzlich aus einem weiteren Bereich vor. Aufgrund der vorhandenen Altersdemenz verkenne sie gefährdende Situationen oder verursache diese und vermöge wegen ihres Alters und weil sie sich in der Vergangenheit bereits mehrfach bei dem Umgang mit Messern selbst geschnitten habe, auch nicht mit gefährlichen Gegenständen oder potentiell gefährdenden Substanzen umzugehen. Sie sei ausschließlich auf die Hilfe Dritter angewiesen und deshalb unfähig, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen. Zudem lägen bei ihr auch in den Bereichen nach § 45a Ziffer 1, 7 bis 12 SGB XI Beeinträchtigungen vor. Ihr stehe deshalb ab 01. Mai 2009 ein zusätzlicher Anspruch auf Betreuungsleistungen in Höhe von EUR 200,00 monatlich zu.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies zunächst auf den gesamten Akteninhalt und insbesondere auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid. Ergänzend führte sie aus, aus den Ausführungen der die Klägerin behandelnden Ärzte (hierzu im Folgenden) sei das Vorliegen von krankheitsbedingten und regelmäßigen sowie dauerhaften Störungen im Wahrnehmen und Denken sowie des Affektes und des Verhaltens der Klägerin im Sinne eines täglichen Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarfs (außerhalb des grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Hilfebedarfs), der eine erheblich oder gar eine in einem erhöhten Maße eingeschränkte Alltagskompetenz begründen könnte, nicht zu erkennen.
Das SG hörte Arzt für Allgemeinmedin Dr. Re. und Arzt für Augenheilkunde Dr. P. als sachverständige Zeugen. Dr. Re. teilte unter dem 27. Januar 2010 unter Beifügung der Entlassungsberichte des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K., Krankenhaus M., vom 15. April 2009 über den stationären Aufenthalt der Klägerin nach einem Sturzereignis mit der Folge einer Oberschenkelfraktur rechts in der Zeit vom 07. April bis 15. April 2009 und des Internisten und Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. Mü., Geriatrische Rehaklinik M., vom 14. Mai 2009 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 15. April bis 05. Mai 2009 (Diagnose u.a.: beginnende dementielle Entwicklung) sowie des Prof. Dr. W., R.-klinik B., über eine ambulante Vorstellung der Klägerin am 17. Februar 2009 (Diagnose: Schwere perniziöse Anämie, monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz) und seines Verordnungsplanes mit, dass die zu Jahresbeginn 2009 noch relativ rüstige 97-jährige Klägerin im Zusammenhang mit der Behandlung eines Ulcus cruris eine gewisse Eigendynamik, was Einsicht in Krankheitsverläufe und Notwendigkeiten anginge, entwickelt habe. Mitte März 2009 sei die Sozialstation zur häuslichen Krankenpflege zur Professionalisierung des Verbindens eingebunden worden. Der inzwischen ebenfalls 65-jährige Sohn sei mit der fachlichen Betreuung der Klägerin stellenweise überfordert. Bereits damals sei dann ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus aufgetreten, weshalb vorübergehend ein Schlafmittel verordnet worden sei. Am 06. April 2009 sei die Klägerin in ihrer Küche gestürzt und habe sich hierbei eine Oberschenkelfraktur rechts zugezogen. Anfang Mai 2009 sei die Klägerin aus der Reha in die häusliche Pflege und Umgebung zurückgekommen. Es sei ein Krankenbett gestellt worden, ein Rollstuhl sei vorhanden. Außerdem sei häusliche Krankenpflege zur Unterstützung des Sohnes verordnet worden. Inzwischen habe die Klägerin zur Nacht das niederpotente Neuroleptikum Melperon bekommen. Zu einer Besserung der neurologischen Symptomatik und der nächtlichen Unruhe sei es durch Melporon nicht gekommen. Bei Entlassung aus dem Krankenhaus sei sie zusätzlich auf Tilidin als Schmerzmittel eingestellt gewesen. Bei massiver Verwirrung sei zunächst gezielt die Medikation reduziert worden. Beide Medikamente seien ausgeschlichen worden. Nach vier Wochen im häuslichen Umfeld sei die Klägerin deutlich munterer geworden. Sie sei allerdings weiterhin in der Realitätseinschätzung völlig unzutreffend. Die Konversation auf oberflächlicher Basis gelinge ihr ohne schwere Auffälligkeiten, was darüber hinwegtäusche, dass deutliche mentale Defizite vorlägen. Sie akzeptiere die häuslichen Bedingungen, die persönliche Eingeschränktheit und den Hilfebedarf nur schwer. Wegen drohender Überforderung des Sohnes habe schließlich im Juli 2009 eine Kurzzeitpflege organisiert werden können. Danach sei die Klägerin dreimal wöchentlich in Tagespflege überführt worden. Insbesondere nächtliche Unruhezustände und ein Harndrang alle zwei Stunden seien eine schwere Belastung für den pflegenden Sohn. Die Erfahrung der Kurzzeitpflege habe die Klägerin deutlich an die Realität angepasst. Sie gebe sich im häuslichen Umfeld weniger anspruchsvoll und sei zur konstruktiven Mitarbeit bereit, damit sie in den eigenen vier Wänden weiter existieren könne. Der Versuch der Behandlung der Unruhezustände bei Nacht mit niedrig dosierten Atosiltropfen habe wegen Reizhustens abgesetzt werden müssen, seither sei die Klägerin wieder besser sortiert. Derzeit scheine ein ausgewogenes Pflege- und häusliches Assessment erreicht zu sein. Der Unterstützungsbedarf innerhalb der eigenen vier Wände sei jedoch weiter massiv und erheblich. Dr. P. führte unter dem 04. Februar 2010 aus, dass es bei der Klägerin seit 2005 wegen allgemeiner und ophthalmologer Durchblutungsstörungen zu einer kontinuierlichen Sehverschlechterung komme. Die Sehschärfe betrage rechts 0,1 und links 0,05.
Im Anschluss daran erstattete auf Veranlassung des SG die Anästhesistin und praktische Ärztin Dr. K.-L. das Gutachten vom 29. Juni 2010. Die Sachverständige führte gestützt auf eine in Anwesenheit des Sohnes der Klägerin und einer Mitarbeiterin des ambulanten Pflegedienstes durchgeführte Untersuchung der Klägerin im häuslichen Umfeld am 22. Juni 2010 aus, dass es sich bei der Klägerin um eine wache, bewusstseinsklare, hochbetagte, gebrechliche 99-jährige Frau in altersentsprechend zufriedenstellendem Allgemein- und Ernährungszustand handele. Sie sei bei der Begutachtung wach, bewusstseinsklar, freundlich zugewandt und kooperativ, wenn auch etwas verlangsamt gewesen. Aufforderungen würden willig und sinnvoll befolgt, Fragen zumindest oberflächlich adäquat und sachgerecht beantwortet. Für eine geistige Behinderung oder psychische Erkrankung fänden sich keine Hinweise. Es zeigten sich altersbedingte kognitive Defizite, die als beginnende dementielle Entwicklung eingestuft würden. Die Klägerin sei zeitlich unscharf, örtlich im gewohnten Umfeld noch überwiegend ausreichend orientiert. Situativ sei sie unsicher. Die Orientierung zur Person sei erhalten. Ihre Interessenlage sei insgesamt deutlich herabgesetzt und ihr Gedächtnis sei deutlich eingeschränkt. Der Tag-Nacht- Rhythmus sei nach den aktuellen Angaben bei der Begutachtung erhalten. Die Klägerin werde morgens wach und gehe aus eigenem Antrieb oder auf eigenen Wunsch mit Hilfe zwischen 22.00 und 22.30 Uhr zu Bett. Störungen der Nachtruhe durch Toilettengänge mit Hilfe stellten keine Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus dar. Das Denken der Klägerin sei formal geordnet, komplexere Denkvorgänge bereiteten jedoch Schwierigkeiten, insbesondere die Einstellung auf veränderte Situationen. Wohl als Folge der eingeschränkten Gedächtnisleistungen komme hinzu, dass sie eine lange Eingewöhnungszeit benötige, um Veränderungen zu verinnerlichen. Regelmäßiger, zumindest zeitweise täglicher Betreuungsbedarf resultiere wegen des eingeschränkten Gedächtnisses und teilweise auch wegen der eingeschränkten Orientierung. Die Auffälligkeiten würden je nach Tagesform stark wechselnd, teilweise mehrere Tage hintereinander, dann wieder ein bis zwei Wochen lang gar nicht auftreten. Der festgestellte Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf bestehe voraussichtlich auf Dauer. Die Alltagskompetenz der Klägerin sei nur im Hinblick darauf beeinträchtigt, dass bei ihr Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigung des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt hätten, vorhanden seien. Die Kriterien für die Anerkennung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz seien demnach zur Zeit nicht erfüllt.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2011 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung zusätzlicher Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI ab 01. Mai 2009. Es gehe allein um die Grundentscheidung, ob die Klägerin überhaupt zu dem von § 45a SGB XI erfassten Personenkreis gehöre und welcher Leistungsrahmen ihr ggf. zustehe. Gemäß § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI könnten Versicherte, welche die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllten, je nach dem Umfang des erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarfs zusätzliche Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen, deren Kosten bis zu den genannten Höchstbeträgen ersetzt würden (§ 45b Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Nach § 45a Abs. 1 Satz 1 SGB XI beträfen die Leistungen des Fünften Abschnitts im Vierten Kapitel des SGB XI Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§§ 14 und 15 SGB XI) ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung bestehe. Erfasst werde damit ein nicht speziell verrichtungsbezogener und deshalb bei der Bemessung des Pflegebedarfs nach § 14 SGB XI auch nicht zu berücksichtigender - also allgemeiner - Pflegebedarf. Dies betreffe nach § 45a Abs. 1 Satz 2 SGB XI einerseits Pflegebedürftige der Pflegestufen I, II und III sowie andererseits Personen, die einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung hätten, der jedoch nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreiche, und zwar jeweils beschränkt auf Pflegebedürftige mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, bei denen der MDK im Rahmen der pflegeversicherungsrechtlichen Begutachtung nach § 18 SGB XI als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens festgestellt habe, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz geführt hätten. Für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich sei, seien die in § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI im Einzelnen aufgeführten, für diesen Personenkreis typischen 13 Schädigungen und Fähigkeitsstörungen im Alltag - so genannte Assessments - maßgebend. Die Alltagskompetenz sei danach erheblich eingeschränkt, wenn der Gutachter des MDK bei den Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen und Fähigkeitsstörungen feststelle (§ 45a Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Für diese Fälle sei ein Kosten-erstattungsbetrag bis zu EUR 100,00 monatlich ("Grundbetrag") vorgesehen. Der erhöhte Kostenerstattungsbetrag von bis zu EUR 200,00 monatlich ("erhöhter Betrag") sei für Fälle vorgesehen, in denen die Mindestvoraussetzungen von zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, hinaus ein dritter Bereich des § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI betroffen sei, und zwar nach Nrn. 1, 2, 3, 4, 5, 9 oder 11 (unter Hinweis u.a. auf Bundesozialgericht -BSG-, Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R - in juris). Die Sachverständige Dr. K.-L. sei zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin das sog. Screening gemäß § 45a Abs. 1 SGB XI insgesamt als gegeben und erfüllt anzusehen sei. Dem schließe sich die Kammer an. Zwar fänden sich anlässlich der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. K.-L. keine Hinweise für eine geistige Behinderung oder psychische Erkrankung. Eine derartige Beeinträchtigung sei auch in den gesamten Aktenunterlagen nicht beschrieben und auch nicht geltend gemacht worden. Es zeigten sich jedoch altersbedingte kognitive Defizite, welche ärztlicherseits auch als beginnende dementielle Entwicklung eingestuft worden seien. Hieraus resultiere auch ein regelmäßiger, zumindest zeitweise täglicher Betreuungsbedarf. Ferner bestehe der festgestellte Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf auf Dauer. Die sog. Assessments nach § 45a Abs. 2 SGB XI seien jedoch bei der Klägerin nicht erfüllt. Nach Satz 1 der vorgenannten Norm seien für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich sei, folgende Schädigungen und Fähigkeitsstörungen maßgebend: 1. unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereichs (Weglauftendenz); 2. Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen, 3. unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potentiell gefährdenden Substanzen; 4. tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation; 5. im situativen Kontext inadäquates Verhalten; 6. Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen; 7. Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung; 8. Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigung des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt hätten; 9. Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus; 10. Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren; 11. Verkennen von Alltagssituation und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen; 12. ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten; 13. zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression. Die Alltagskompetenz sei nur dann erheblich einschränkt, wenn der Gutachter bei dem Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen der Fähigkeitsstörungen feststelle (§ 45a Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Letzteres sei vorliegend nicht gegeben bzw. nicht erfüllt. Dr. K.-L. sei zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin nur bei Nr. 8 regelmäßige und dauerhafte Defizite festzustellen seien. Die weiteren Punkte seien jedoch nicht erfüllt. Eine Weglauftendenz bestehe nicht und werde auch nicht beschrieben. Gefährdende Situationen würden bisher nicht verursacht; dies sei auch nicht konkret zu befürchten. Ein unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potentiell gefährdenden Substanzen sei zu verneinen. Tätliche oder verbale Aggressivität würden nicht beschrieben und hätten auch durch die Sachverständige nicht festgestellt werden können. Ein im situativen Kontext inadäquates Verhalten der Klägerin sei ebenfalls zu verneinen. Des Weiteren sei die Klägerin sehr wohl in der Lage, mit Nachdruck Wünsche und Bedürfnisse zu äußern und deren Befriedigung durchzusetzen. Nr. 7 sei schon deshalb zu verneinen, weil keine therapieresistente Depression oder Angststörung diagnostiziert worden sei. Auch eine Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus liege nicht vor. Zwar sei die Nachtruhe der Klägerin und damit auch diejenige des Sohnes häufig unterbrochen durch die nächtlichen Toilettengänge. Hierbei handele es sich jedoch nicht um eine Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus. Auch habe die Klägerin noch aus eigenem Antrieb eine geregelte Tagesstruktur. Obwohl eigenständige Planungen nicht mehr umfassend möglich seien, sei Nr. 10 zu verneinen, da die Defizite auf Einschränkungen beruhten, welche bereits unter Nr. 8 erfasst seien. Die Sachverständige habe ferner keine Hinweise auf dauerhafte psychotische Symptome gefunden. Nr. 12 sei zu verneinen, nachdem die Klägerin bei der Begutachtung ausgeglichen bis indifferent gewirkt habe und auch ansonsten so von ihrem Sohn beschrieben werde. Nr. 13 sei schon deshalb zu verneinen, weil keine therapieresistente Depression oder Angststörung diagnostiziert worden sei.
Gegen den am 06. September 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 06. Oktober 2011 Berufung eingelegt. Aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Re. vom 27. Januar 2010, die die Kammer nicht berücksichtigt habe, ergebe sich, dass bei ihr in mindestens drei Lebensbereichen Leistungseinschränkungen vorlägen, nämlich: 1. Störung der höheren Hirnfunktion, 2. Störung des Tag-Nacht-Rhythmus, 3. Verkennen und Verursachen gefährlicher Situationen und 4. inadäquates Verhalten im Kontext. Das Gutachten der Sachverständige Dr. K.-L. schließe diese Punkte nicht aus, sondern komme nur zu dem Ergebnis, dass in der damaligen Bewertungssituation keine Auffälligkeiten hätten erkannt werden können. Die Begutachtung habe im Übrigen nur 15 Minuten gedauert. Die Auskunft des Dr. Re. beurteile dagegen einen Behandlungszeitraum von mehr als drei Jahren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. August 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01. Mai 2009 zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45 b SGB XI in Höhe von EUR 200,00 monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2011 die Klage abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI. Sie erfüllt die hieran gestellten Anforderungen nicht.
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid unter Darstellung der Rechtsgrundlagen zutreffend ausgeführt, dass nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. K.-L. vom 29. Juni 2010 die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in den nach § 45a SGB XI geschützten Personenkreis erfüllt. Es liegt bei ihr zwar keine geistige Behinderung und auch keine psychische Erkrankung im Sinne des § 45a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI vor, jedoch zeigt sich bei ihr altersbedingt eine dementielle Entwicklung mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen in Form von kognitiven Defiziten. Sie ist etwas verlangsamt, zeitlich unscharf orientiert, situativ unsicher und örtlich nur noch im gewohnten Umfeld überwiegend ausreichend orientiert. Ihre Interessenlage ist deutlich herabgesetzt und ihr Gedächtnis deutlich eingeschränkt. Komplexere Denkvorgänge bereiten ihr Schwierigkeiten und auch auf veränderte Situationen kann sie sich nur sehr schlecht einstellen. Dies ergibt sich aus dem von der Sachverständigen Dr. K.-L. erstatteten Gutachten vom 29. Juni 2010, aber auch aus dem Entlassbericht des Dr. Mü., Geriatrische Rehaklinik M., vom 14. Mai 2009, der ebenfalls u.a. eine beginnende dementielle Entwicklung diagnostizierte, und aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Re. vom 27. Januar 2010. Widerlegt wird das Vorliegen einer beginnenden dementiellen Erkrankung auch nicht durch das von der Pflegefachkraft F. erstattete Gutachten vom 20. Mai 2009. Zwar hat die Gutachterin das Vorliegen einer demenzbedingten Fähigkeitsstörung verneint, doch hat auch sie ausgeführt, dass die Klägerin etwas vergesslich sei und nur das Langzeitgedächtnis erhalten sei. Medikamente würden der Klägerin gerichtet und deren Einnahme werde überwacht. Damit hat sie zumindest Hinweise für das Vorliegen einer dementiellen Erkrankung genannt, weshalb auch gestützt auf ihr Gutachten das Vorliegen einer zumindest beginnenden dementiellen Erkrankung nicht verneint werden kann.
Die Gewährung von zusätzlichen Betreuungsleistung scheitert auch nicht daran, dass die Klägerin nicht zu Hause gepflegt würde, und sie erhält als Pflegebedürftige auch Leistungen der Pflegestufe II.
Einem Anspruch der Klägerin steht jedoch entgegen, dass die Klägerin nur das Assessment Nr. 8 der in § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI im einzelnen aufgeführten 13 Schädigungen und Fähigkeitsstörungen im Alltag erfüllt und nicht in wenigstens zwei Bereichen, was Voraussetzung für einen Kostenerstattungsbetrag bis zu EUR 100,00 monatlich erforderlich wäre, bzw. in über die Mindestvoraussetzung von zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, hinaus in einem dritten Bereich des § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI und zwar nach Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 9 oder 11 betroffen ist, was Voraussetzung für den von der Klägerin begehrten Kostenerstattungsbetrag von EUR 200,00 monatlich wäre (so Ziffer 4.1 der Richtlinie zur Feststellung von Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz und zur Bewertung des Hilfebedarfs PEA-Ri), ist. Dies ergibt sich aus dem von Dr. K.-L. erstatteten Gutachten. Die Sachverständige hat, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, weshalb insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf den angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen wird, auf der Grundlage der von ihr durchgeführten Exploration der Klägerin unter Berücksichtigung insbesondere auch der Angaben des sie pflegenden Sohnes herausgearbeitet, dass bei der Klägerin nur Störungen der höheren Hirnfunktionen, die zu Problemen bei der Bewältigung des Alltags geführt haben, vorliegen. Eine Bestätigung findet diese Einschätzung der Sachverständigen auch in den Sozialmedizinischen Fallberatungen von P. B. und K. R., die ebenfalls nur das Assessment Nr. 8 bejaht haben.
Auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Re. vom 27. Januar 2010 ergibt sich entgegen des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren keine andere Beurteilung. Über die Störung der höheren Hirnfunktionen hinaus lässt sich auch mit Hilfe dieser Zeugenauskunft kein weiteres Assessment belegen. Zwar erwähnt Dr. Re. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft zum einen einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus der Klägerin sowohl im März als auch im Juli 2009. Damit ist, zumal der Tag-Nacht-Rhythmus der Klägerin nach den Angaben des Sohnes der Klägerin gegenüber der Sachverständigen Dr. K.-L. erhalten ist, schon fraglich, ob damit die Dauerhaftigkeit der Einschränkung der Alltagskompetenz, die nur dann vorliegt, wenn der Zustand voraussichtlich für wenigstens sechs Monate besteht (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2010 a.a.O.), vorliegt. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Denn eine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus liegt nach Ziffer 9 PEA-Ri vor bei einer Umkehr bzw. Aufhebung des Tag-Nacht-Rhythmus oder wenn die Person nachts stark unruhig und verwirrt ist, verbunden mit Zunahme inadäquater Verhaltensweisen. Dies liegt bei der Klägerin nicht vor. Auch Dr. Re. bringt die nächtlichen Unruhezustände mit dem nächtlichen Harndrang der Klägerin in Verbindung. Eine Unterbrechung der Nachtruhe durch notwendige Toilettengänge und die damit im Zusammenhang stehende Unruhe stellt jedoch keine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus dar. Auch die Verkennung und das Verursachen gefährdender Situationen durch die Klägerin lässt sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Re. nicht ableiten. Zwar gab er an, dass die Klägerin Anfang des Jahres 2009 eine gewisse Eigendynamik, was Einsicht in Krankheitsverläufe und Notwendigkeiten anging, entwickelt habe. Über die Anwendung und das Belassen von Verbänden habe mit ihr keine Einigkeit herbeigeführt werden können. Darin kann wohl schon nicht das Verkennen und Verursachen einer gefährlichen Situation gesehen werden (vgl. Ziffer 2 PEA-Ri). Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Denn festzuhalten bleibt, dass Dr. Re. in der Folge auf diese Problematik nicht mehr hinweist, so dass ein dauerhaftes Verkennen und Verursachen gefährlicher Situationen auf jeden Fall nicht zu bejahen ist. Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aufgrund des Vortrags der Klägerin, wonach sie sich beim Umgang mit Messern mehrfach selbst geschnitten habe. Es kann insoweit offen bleiben, ob und in welchen Ausmaß dies tatsächlich der Fall war. Denn auch wenn sich die Klägerin in der Vergangenheit mit dem Messer geschnitten hätte, wäre dies kein Beleg dafür, dass sie eine gefährliche Situation verkannt oder verursacht hätte. Hierfür gab es weder bei den Begutachtungen durch die Pflegefachkraft F. noch Dr. K.-L. Hinweise, und auch Dr. Re. schildert keine entsprechende Gefährdung der Klägerin. Die Klägerin kann nach dem Gutachten von Dr. K.-L. Gefahrensituationen noch ausreichend einschätzen, um sich von ihnen fernzuhalten. Im Übrigen wurden der Sachverständigen gegenüber bei der Begutachtung auch keine Ereignisse beschrieben, die auf Auffälligkeiten mit Blick auf einen unsachgemäßen Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potentiell gefährdenden Substanzen hinweisen würden. Ursächlich für Verletzungen dürften die altersbedingten Einschränkungen und der Tremor der Hände der Klägerin gewesen sein. Schließlich ist mit Hilfe der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Re. auch kein inadäquates Verhalten der Klägerin im situativen Kontext belegt. Wohl beschreibt Dr. Re. für die Zeit nach dem Sturz der Klägerin, dass sie die häuslichen Bedingungen, ihre persönliche Eingeschränktheit und ihren Hilfebedarf nur schwer akzeptiere. Abgesehen davon, dass damit noch kein inadäquates Verhalten (vgl. Ziffer 5 PEA-Ri) beschrieben wird, führt Dr. Re. dann aber weiter aus, dass die Erfahrung der seit Juli 2009 stattfindenden dreimal wöchentlichen Tagespflege die Klägerin deutlich an die Realität angepasst habe und sie sich im häuslichen Umfeld weniger anspruchsvoll gebe und zur konstruktiven Mitarbeit bereit sei. Ein Dauerzustand ist damit ebenfalls zu verneinen. Im Übrigen hat der Sohn der Klägerin Dr. K.-L. gegenüber bei der Begutachtung auch insoweit keine Angaben gemacht.
Etwas anderes ergibt sich letztlich auch nicht daraus, dass Dr. Re. die Klägerin bereits mehrere Jahre behandelt und die Begutachtung der Klägerin durch die Sachverständige Dr. K.-L. nach den Angaben der Klägerin nur 15 Minuten gedauert habe. Auch wenn die Begutachtung durch Dr. K.-L. tatsächlich nur 15 Minuten in Anspruch genommen hätte, ist insoweit zu beachten, dass die Sachverständige die Klägerin gezielt auf das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 45a, 45b SGB XI untersuchte und begutachtete, während der die Klägerin behandelnde Arzt Dr. Re. den Schwerpunkt seiner Behandlung auf die medizinische Versorgung der Klägerin zu richten hat und im Übrigen die Klägerin bei seinen Hausbesuchen, die Anfang des Jahres 2009 bis zu dreimal wöchentlich, mittlerweile nur noch einmal pro Monat stattfinden, jeweils auch nur für kurze Zeit sah und sieht, so dass das Gutachten der Sachverständigen Dr. K.-L., abgesehen davon, dass sich auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Re. die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Assessments ebenfalls nicht stützen lassen, nicht widerlegt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin, die häusliche Pflegehilfe entsprechend der Pflegestufe II bezieht, beansprucht von der Beklagten außerdem die Gewährung von zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45b Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).
Die am 1911 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einer Bewegungseinschränkung bei Zustand nach Oberschenkelhalsfraktur rechts im April 2009, einem Selbstpflegedefizit bei Altersaufbrauch und Tremor der Hände, unter dem Verdacht auf Omarthrose beidseits und an einer partiellen Blaseninkontinenz. Außerdem bestehen seit Jahren ein Ulcus cruris am linken Innenknöchel und eine Herzinsuffizienz. Die Klägerin sitzt seit April 2009 im Rollstuhl. Gehen ist ihr nicht mehr möglich. Sie ist vergesslich und nicht mehr vollständig orientiert. Sie ist jedoch wach, bewusstseinsklar, freundlich zugewandt und kooperativ. Fragen beantwortet sie zumindest oberflächlich adäquat und sachgerecht. Die Klägerin wird überwiegend von ihrem Sohn gepflegt, außerdem erbringt eine Diakoniestation Pflegeeinsätze.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin auf der Grundlage des Gutachtens vom 20. Mai 2009 durch Pflegefachkraft F. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), wonach der Zeitaufwand für die Grundpflege auf 127 Minuten geschätzt wurde und demenzbedingte Fähigkeitsstörungen, eine geistige Behinderung oder psychische Erkrankung ebenso wie eine Einschränkung der Alltagskompetenz verneint wurden, ab 01. April 2009 häusliche Pflegehilfe nach Pflegestufe II (Bescheid vom 22. Mai 2009), wobei der Leistungsanspruch in der Zeit vom 01. April bis 04. Mai 2009 wegen eines stationären Krankenhausaufenthalts ruhte.
Am 22. Mai 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten einen zusätzlichen Betreuungsbetrag. Die Beklagte wandte sich hierauf erneut an den MDK, für den P. B. in der Sozialmedizinischen Fallberatung vom 27. Mai 2009 zu dem Ergebnis kam, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistung nicht erfüllt seien. Es lägen keine maßgeblichen Diagnosen im Sinne demenzbedingter Erkrankung, geistiger Behinderungen oder psychischer Erkrankungen vor. Es bestehe ein geistiger Altersabbau. Es seien lediglich Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigung des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt hätten, vorhanden. Die Alltagskompetenz sei nicht eingeschränkt. Mit Bescheid vom 29. Mai 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Betreuungsleistungen ab. Nach dem Ergebnis der medizinischen Begutachtung seien die Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass kein Betreuungsbetrag zur Verfügung gestellt werden könne.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 09. Juni 2009 Widerspruch ein. Ihre Alltagskompetenz sei sehr stark eingeschränkt, das gleiche gelte auch für den pflegenden Familienangehörigen. Dies ergebe sich daraus, dass nach dem Erhebungsbogen in zehn Bereichen dauerhafte und regelmäßige Schädigungen oder Fähigkeitsstörungen vorlägen. Wenn die Pflegeperson unter anderem jede Nacht bis zu sechsmal Grundpflegebedarf vornehmen müsse und permanent seine Nachtruhe unterbrochen werde und er täglich mehrmals hauswirtschaftliche Arbeiten verrichten müsse, sei eine starke Einschränkung der Alltagskompetenz durchaus vorhanden. Die Beklagte holte hierauf eine weitere Sozialmedizinische Fallberatung des MDK ein. Für diesen kam K. R. in der Beratung vom 12. Juni 2009 zum selben Ergebnis wie schon P. B ... Die im Widerspruch angegebenen Punkte seien aufgrund des Gutachtens der Pflegefachkraft F. nicht nachvollziehbar. Die Angabe der Pflegeperson, wonach z.B. wegen der Hilfe bei der grundpflegerischen Versorgung in der Nacht und bei täglichen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, die von der Pflegeperson übernommen werden müssten, die Alltagskompetenz der Klägerin als auch der Pflegeperson eingeschränkt seien, ergebe eine Veränderung des Alltags, entspreche jedoch nicht der Alltagskompetenz. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2009 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Der MDK sei bereits in seinem Gutachten vom 20. Mai 2009 aufgrund der persönlichen Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis gekommen, dass ihre Alltagskompetenz nicht erheblich eingeschränkt sei. Es bestehe aufgrund des körperlichen Altersabbaus zwar ein Selbstpflegedefizit, jedoch lägen keine demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistige Behinderungen oder psychischen Erkrankungen vor. Nach den weiteren Ausführungen der Gutachterin habe die Klägerin auf Fragen überwiegend adäquat geantwortet, das Langzeitgedächtnis sei erhalten, das Durstgefühl und auch der Appetit seien unauffällig. Weiter sei sie allseits orientiert, wenn auch etwas vergesslich. Diese Beurteilung habe der MDK in seinen weiteren Stellungnahmen bestätigt.
Die Klägerin erhob am 19. Oktober 2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Bei ihr lägen Schädigungen und Fähigkeitsstörungen wenigstens aus zwei Bereichen und zusätzlich aus einem weiteren Bereich vor. Aufgrund der vorhandenen Altersdemenz verkenne sie gefährdende Situationen oder verursache diese und vermöge wegen ihres Alters und weil sie sich in der Vergangenheit bereits mehrfach bei dem Umgang mit Messern selbst geschnitten habe, auch nicht mit gefährlichen Gegenständen oder potentiell gefährdenden Substanzen umzugehen. Sie sei ausschließlich auf die Hilfe Dritter angewiesen und deshalb unfähig, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen. Zudem lägen bei ihr auch in den Bereichen nach § 45a Ziffer 1, 7 bis 12 SGB XI Beeinträchtigungen vor. Ihr stehe deshalb ab 01. Mai 2009 ein zusätzlicher Anspruch auf Betreuungsleistungen in Höhe von EUR 200,00 monatlich zu.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies zunächst auf den gesamten Akteninhalt und insbesondere auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid. Ergänzend führte sie aus, aus den Ausführungen der die Klägerin behandelnden Ärzte (hierzu im Folgenden) sei das Vorliegen von krankheitsbedingten und regelmäßigen sowie dauerhaften Störungen im Wahrnehmen und Denken sowie des Affektes und des Verhaltens der Klägerin im Sinne eines täglichen Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarfs (außerhalb des grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Hilfebedarfs), der eine erheblich oder gar eine in einem erhöhten Maße eingeschränkte Alltagskompetenz begründen könnte, nicht zu erkennen.
Das SG hörte Arzt für Allgemeinmedin Dr. Re. und Arzt für Augenheilkunde Dr. P. als sachverständige Zeugen. Dr. Re. teilte unter dem 27. Januar 2010 unter Beifügung der Entlassungsberichte des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K., Krankenhaus M., vom 15. April 2009 über den stationären Aufenthalt der Klägerin nach einem Sturzereignis mit der Folge einer Oberschenkelfraktur rechts in der Zeit vom 07. April bis 15. April 2009 und des Internisten und Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. Mü., Geriatrische Rehaklinik M., vom 14. Mai 2009 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 15. April bis 05. Mai 2009 (Diagnose u.a.: beginnende dementielle Entwicklung) sowie des Prof. Dr. W., R.-klinik B., über eine ambulante Vorstellung der Klägerin am 17. Februar 2009 (Diagnose: Schwere perniziöse Anämie, monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz) und seines Verordnungsplanes mit, dass die zu Jahresbeginn 2009 noch relativ rüstige 97-jährige Klägerin im Zusammenhang mit der Behandlung eines Ulcus cruris eine gewisse Eigendynamik, was Einsicht in Krankheitsverläufe und Notwendigkeiten anginge, entwickelt habe. Mitte März 2009 sei die Sozialstation zur häuslichen Krankenpflege zur Professionalisierung des Verbindens eingebunden worden. Der inzwischen ebenfalls 65-jährige Sohn sei mit der fachlichen Betreuung der Klägerin stellenweise überfordert. Bereits damals sei dann ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus aufgetreten, weshalb vorübergehend ein Schlafmittel verordnet worden sei. Am 06. April 2009 sei die Klägerin in ihrer Küche gestürzt und habe sich hierbei eine Oberschenkelfraktur rechts zugezogen. Anfang Mai 2009 sei die Klägerin aus der Reha in die häusliche Pflege und Umgebung zurückgekommen. Es sei ein Krankenbett gestellt worden, ein Rollstuhl sei vorhanden. Außerdem sei häusliche Krankenpflege zur Unterstützung des Sohnes verordnet worden. Inzwischen habe die Klägerin zur Nacht das niederpotente Neuroleptikum Melperon bekommen. Zu einer Besserung der neurologischen Symptomatik und der nächtlichen Unruhe sei es durch Melporon nicht gekommen. Bei Entlassung aus dem Krankenhaus sei sie zusätzlich auf Tilidin als Schmerzmittel eingestellt gewesen. Bei massiver Verwirrung sei zunächst gezielt die Medikation reduziert worden. Beide Medikamente seien ausgeschlichen worden. Nach vier Wochen im häuslichen Umfeld sei die Klägerin deutlich munterer geworden. Sie sei allerdings weiterhin in der Realitätseinschätzung völlig unzutreffend. Die Konversation auf oberflächlicher Basis gelinge ihr ohne schwere Auffälligkeiten, was darüber hinwegtäusche, dass deutliche mentale Defizite vorlägen. Sie akzeptiere die häuslichen Bedingungen, die persönliche Eingeschränktheit und den Hilfebedarf nur schwer. Wegen drohender Überforderung des Sohnes habe schließlich im Juli 2009 eine Kurzzeitpflege organisiert werden können. Danach sei die Klägerin dreimal wöchentlich in Tagespflege überführt worden. Insbesondere nächtliche Unruhezustände und ein Harndrang alle zwei Stunden seien eine schwere Belastung für den pflegenden Sohn. Die Erfahrung der Kurzzeitpflege habe die Klägerin deutlich an die Realität angepasst. Sie gebe sich im häuslichen Umfeld weniger anspruchsvoll und sei zur konstruktiven Mitarbeit bereit, damit sie in den eigenen vier Wänden weiter existieren könne. Der Versuch der Behandlung der Unruhezustände bei Nacht mit niedrig dosierten Atosiltropfen habe wegen Reizhustens abgesetzt werden müssen, seither sei die Klägerin wieder besser sortiert. Derzeit scheine ein ausgewogenes Pflege- und häusliches Assessment erreicht zu sein. Der Unterstützungsbedarf innerhalb der eigenen vier Wände sei jedoch weiter massiv und erheblich. Dr. P. führte unter dem 04. Februar 2010 aus, dass es bei der Klägerin seit 2005 wegen allgemeiner und ophthalmologer Durchblutungsstörungen zu einer kontinuierlichen Sehverschlechterung komme. Die Sehschärfe betrage rechts 0,1 und links 0,05.
Im Anschluss daran erstattete auf Veranlassung des SG die Anästhesistin und praktische Ärztin Dr. K.-L. das Gutachten vom 29. Juni 2010. Die Sachverständige führte gestützt auf eine in Anwesenheit des Sohnes der Klägerin und einer Mitarbeiterin des ambulanten Pflegedienstes durchgeführte Untersuchung der Klägerin im häuslichen Umfeld am 22. Juni 2010 aus, dass es sich bei der Klägerin um eine wache, bewusstseinsklare, hochbetagte, gebrechliche 99-jährige Frau in altersentsprechend zufriedenstellendem Allgemein- und Ernährungszustand handele. Sie sei bei der Begutachtung wach, bewusstseinsklar, freundlich zugewandt und kooperativ, wenn auch etwas verlangsamt gewesen. Aufforderungen würden willig und sinnvoll befolgt, Fragen zumindest oberflächlich adäquat und sachgerecht beantwortet. Für eine geistige Behinderung oder psychische Erkrankung fänden sich keine Hinweise. Es zeigten sich altersbedingte kognitive Defizite, die als beginnende dementielle Entwicklung eingestuft würden. Die Klägerin sei zeitlich unscharf, örtlich im gewohnten Umfeld noch überwiegend ausreichend orientiert. Situativ sei sie unsicher. Die Orientierung zur Person sei erhalten. Ihre Interessenlage sei insgesamt deutlich herabgesetzt und ihr Gedächtnis sei deutlich eingeschränkt. Der Tag-Nacht- Rhythmus sei nach den aktuellen Angaben bei der Begutachtung erhalten. Die Klägerin werde morgens wach und gehe aus eigenem Antrieb oder auf eigenen Wunsch mit Hilfe zwischen 22.00 und 22.30 Uhr zu Bett. Störungen der Nachtruhe durch Toilettengänge mit Hilfe stellten keine Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus dar. Das Denken der Klägerin sei formal geordnet, komplexere Denkvorgänge bereiteten jedoch Schwierigkeiten, insbesondere die Einstellung auf veränderte Situationen. Wohl als Folge der eingeschränkten Gedächtnisleistungen komme hinzu, dass sie eine lange Eingewöhnungszeit benötige, um Veränderungen zu verinnerlichen. Regelmäßiger, zumindest zeitweise täglicher Betreuungsbedarf resultiere wegen des eingeschränkten Gedächtnisses und teilweise auch wegen der eingeschränkten Orientierung. Die Auffälligkeiten würden je nach Tagesform stark wechselnd, teilweise mehrere Tage hintereinander, dann wieder ein bis zwei Wochen lang gar nicht auftreten. Der festgestellte Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf bestehe voraussichtlich auf Dauer. Die Alltagskompetenz der Klägerin sei nur im Hinblick darauf beeinträchtigt, dass bei ihr Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigung des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt hätten, vorhanden seien. Die Kriterien für die Anerkennung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz seien demnach zur Zeit nicht erfüllt.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2011 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung zusätzlicher Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI ab 01. Mai 2009. Es gehe allein um die Grundentscheidung, ob die Klägerin überhaupt zu dem von § 45a SGB XI erfassten Personenkreis gehöre und welcher Leistungsrahmen ihr ggf. zustehe. Gemäß § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI könnten Versicherte, welche die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllten, je nach dem Umfang des erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarfs zusätzliche Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen, deren Kosten bis zu den genannten Höchstbeträgen ersetzt würden (§ 45b Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Nach § 45a Abs. 1 Satz 1 SGB XI beträfen die Leistungen des Fünften Abschnitts im Vierten Kapitel des SGB XI Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§§ 14 und 15 SGB XI) ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung bestehe. Erfasst werde damit ein nicht speziell verrichtungsbezogener und deshalb bei der Bemessung des Pflegebedarfs nach § 14 SGB XI auch nicht zu berücksichtigender - also allgemeiner - Pflegebedarf. Dies betreffe nach § 45a Abs. 1 Satz 2 SGB XI einerseits Pflegebedürftige der Pflegestufen I, II und III sowie andererseits Personen, die einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung hätten, der jedoch nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreiche, und zwar jeweils beschränkt auf Pflegebedürftige mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, bei denen der MDK im Rahmen der pflegeversicherungsrechtlichen Begutachtung nach § 18 SGB XI als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens festgestellt habe, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz geführt hätten. Für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich sei, seien die in § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI im Einzelnen aufgeführten, für diesen Personenkreis typischen 13 Schädigungen und Fähigkeitsstörungen im Alltag - so genannte Assessments - maßgebend. Die Alltagskompetenz sei danach erheblich eingeschränkt, wenn der Gutachter des MDK bei den Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen und Fähigkeitsstörungen feststelle (§ 45a Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Für diese Fälle sei ein Kosten-erstattungsbetrag bis zu EUR 100,00 monatlich ("Grundbetrag") vorgesehen. Der erhöhte Kostenerstattungsbetrag von bis zu EUR 200,00 monatlich ("erhöhter Betrag") sei für Fälle vorgesehen, in denen die Mindestvoraussetzungen von zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, hinaus ein dritter Bereich des § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI betroffen sei, und zwar nach Nrn. 1, 2, 3, 4, 5, 9 oder 11 (unter Hinweis u.a. auf Bundesozialgericht -BSG-, Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R - in juris). Die Sachverständige Dr. K.-L. sei zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin das sog. Screening gemäß § 45a Abs. 1 SGB XI insgesamt als gegeben und erfüllt anzusehen sei. Dem schließe sich die Kammer an. Zwar fänden sich anlässlich der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. K.-L. keine Hinweise für eine geistige Behinderung oder psychische Erkrankung. Eine derartige Beeinträchtigung sei auch in den gesamten Aktenunterlagen nicht beschrieben und auch nicht geltend gemacht worden. Es zeigten sich jedoch altersbedingte kognitive Defizite, welche ärztlicherseits auch als beginnende dementielle Entwicklung eingestuft worden seien. Hieraus resultiere auch ein regelmäßiger, zumindest zeitweise täglicher Betreuungsbedarf. Ferner bestehe der festgestellte Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf auf Dauer. Die sog. Assessments nach § 45a Abs. 2 SGB XI seien jedoch bei der Klägerin nicht erfüllt. Nach Satz 1 der vorgenannten Norm seien für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich sei, folgende Schädigungen und Fähigkeitsstörungen maßgebend: 1. unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereichs (Weglauftendenz); 2. Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen, 3. unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potentiell gefährdenden Substanzen; 4. tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation; 5. im situativen Kontext inadäquates Verhalten; 6. Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen; 7. Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung; 8. Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigung des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt hätten; 9. Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus; 10. Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren; 11. Verkennen von Alltagssituation und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen; 12. ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten; 13. zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression. Die Alltagskompetenz sei nur dann erheblich einschränkt, wenn der Gutachter bei dem Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen der Fähigkeitsstörungen feststelle (§ 45a Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Letzteres sei vorliegend nicht gegeben bzw. nicht erfüllt. Dr. K.-L. sei zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin nur bei Nr. 8 regelmäßige und dauerhafte Defizite festzustellen seien. Die weiteren Punkte seien jedoch nicht erfüllt. Eine Weglauftendenz bestehe nicht und werde auch nicht beschrieben. Gefährdende Situationen würden bisher nicht verursacht; dies sei auch nicht konkret zu befürchten. Ein unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potentiell gefährdenden Substanzen sei zu verneinen. Tätliche oder verbale Aggressivität würden nicht beschrieben und hätten auch durch die Sachverständige nicht festgestellt werden können. Ein im situativen Kontext inadäquates Verhalten der Klägerin sei ebenfalls zu verneinen. Des Weiteren sei die Klägerin sehr wohl in der Lage, mit Nachdruck Wünsche und Bedürfnisse zu äußern und deren Befriedigung durchzusetzen. Nr. 7 sei schon deshalb zu verneinen, weil keine therapieresistente Depression oder Angststörung diagnostiziert worden sei. Auch eine Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus liege nicht vor. Zwar sei die Nachtruhe der Klägerin und damit auch diejenige des Sohnes häufig unterbrochen durch die nächtlichen Toilettengänge. Hierbei handele es sich jedoch nicht um eine Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus. Auch habe die Klägerin noch aus eigenem Antrieb eine geregelte Tagesstruktur. Obwohl eigenständige Planungen nicht mehr umfassend möglich seien, sei Nr. 10 zu verneinen, da die Defizite auf Einschränkungen beruhten, welche bereits unter Nr. 8 erfasst seien. Die Sachverständige habe ferner keine Hinweise auf dauerhafte psychotische Symptome gefunden. Nr. 12 sei zu verneinen, nachdem die Klägerin bei der Begutachtung ausgeglichen bis indifferent gewirkt habe und auch ansonsten so von ihrem Sohn beschrieben werde. Nr. 13 sei schon deshalb zu verneinen, weil keine therapieresistente Depression oder Angststörung diagnostiziert worden sei.
Gegen den am 06. September 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 06. Oktober 2011 Berufung eingelegt. Aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Re. vom 27. Januar 2010, die die Kammer nicht berücksichtigt habe, ergebe sich, dass bei ihr in mindestens drei Lebensbereichen Leistungseinschränkungen vorlägen, nämlich: 1. Störung der höheren Hirnfunktion, 2. Störung des Tag-Nacht-Rhythmus, 3. Verkennen und Verursachen gefährlicher Situationen und 4. inadäquates Verhalten im Kontext. Das Gutachten der Sachverständige Dr. K.-L. schließe diese Punkte nicht aus, sondern komme nur zu dem Ergebnis, dass in der damaligen Bewertungssituation keine Auffälligkeiten hätten erkannt werden können. Die Begutachtung habe im Übrigen nur 15 Minuten gedauert. Die Auskunft des Dr. Re. beurteile dagegen einen Behandlungszeitraum von mehr als drei Jahren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. August 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01. Mai 2009 zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45 b SGB XI in Höhe von EUR 200,00 monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2011 die Klage abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI. Sie erfüllt die hieran gestellten Anforderungen nicht.
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid unter Darstellung der Rechtsgrundlagen zutreffend ausgeführt, dass nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. K.-L. vom 29. Juni 2010 die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in den nach § 45a SGB XI geschützten Personenkreis erfüllt. Es liegt bei ihr zwar keine geistige Behinderung und auch keine psychische Erkrankung im Sinne des § 45a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI vor, jedoch zeigt sich bei ihr altersbedingt eine dementielle Entwicklung mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen in Form von kognitiven Defiziten. Sie ist etwas verlangsamt, zeitlich unscharf orientiert, situativ unsicher und örtlich nur noch im gewohnten Umfeld überwiegend ausreichend orientiert. Ihre Interessenlage ist deutlich herabgesetzt und ihr Gedächtnis deutlich eingeschränkt. Komplexere Denkvorgänge bereiten ihr Schwierigkeiten und auch auf veränderte Situationen kann sie sich nur sehr schlecht einstellen. Dies ergibt sich aus dem von der Sachverständigen Dr. K.-L. erstatteten Gutachten vom 29. Juni 2010, aber auch aus dem Entlassbericht des Dr. Mü., Geriatrische Rehaklinik M., vom 14. Mai 2009, der ebenfalls u.a. eine beginnende dementielle Entwicklung diagnostizierte, und aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Re. vom 27. Januar 2010. Widerlegt wird das Vorliegen einer beginnenden dementiellen Erkrankung auch nicht durch das von der Pflegefachkraft F. erstattete Gutachten vom 20. Mai 2009. Zwar hat die Gutachterin das Vorliegen einer demenzbedingten Fähigkeitsstörung verneint, doch hat auch sie ausgeführt, dass die Klägerin etwas vergesslich sei und nur das Langzeitgedächtnis erhalten sei. Medikamente würden der Klägerin gerichtet und deren Einnahme werde überwacht. Damit hat sie zumindest Hinweise für das Vorliegen einer dementiellen Erkrankung genannt, weshalb auch gestützt auf ihr Gutachten das Vorliegen einer zumindest beginnenden dementiellen Erkrankung nicht verneint werden kann.
Die Gewährung von zusätzlichen Betreuungsleistung scheitert auch nicht daran, dass die Klägerin nicht zu Hause gepflegt würde, und sie erhält als Pflegebedürftige auch Leistungen der Pflegestufe II.
Einem Anspruch der Klägerin steht jedoch entgegen, dass die Klägerin nur das Assessment Nr. 8 der in § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI im einzelnen aufgeführten 13 Schädigungen und Fähigkeitsstörungen im Alltag erfüllt und nicht in wenigstens zwei Bereichen, was Voraussetzung für einen Kostenerstattungsbetrag bis zu EUR 100,00 monatlich erforderlich wäre, bzw. in über die Mindestvoraussetzung von zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, hinaus in einem dritten Bereich des § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI und zwar nach Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 9 oder 11 betroffen ist, was Voraussetzung für den von der Klägerin begehrten Kostenerstattungsbetrag von EUR 200,00 monatlich wäre (so Ziffer 4.1 der Richtlinie zur Feststellung von Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz und zur Bewertung des Hilfebedarfs PEA-Ri), ist. Dies ergibt sich aus dem von Dr. K.-L. erstatteten Gutachten. Die Sachverständige hat, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, weshalb insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf den angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen wird, auf der Grundlage der von ihr durchgeführten Exploration der Klägerin unter Berücksichtigung insbesondere auch der Angaben des sie pflegenden Sohnes herausgearbeitet, dass bei der Klägerin nur Störungen der höheren Hirnfunktionen, die zu Problemen bei der Bewältigung des Alltags geführt haben, vorliegen. Eine Bestätigung findet diese Einschätzung der Sachverständigen auch in den Sozialmedizinischen Fallberatungen von P. B. und K. R., die ebenfalls nur das Assessment Nr. 8 bejaht haben.
Auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Re. vom 27. Januar 2010 ergibt sich entgegen des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren keine andere Beurteilung. Über die Störung der höheren Hirnfunktionen hinaus lässt sich auch mit Hilfe dieser Zeugenauskunft kein weiteres Assessment belegen. Zwar erwähnt Dr. Re. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft zum einen einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus der Klägerin sowohl im März als auch im Juli 2009. Damit ist, zumal der Tag-Nacht-Rhythmus der Klägerin nach den Angaben des Sohnes der Klägerin gegenüber der Sachverständigen Dr. K.-L. erhalten ist, schon fraglich, ob damit die Dauerhaftigkeit der Einschränkung der Alltagskompetenz, die nur dann vorliegt, wenn der Zustand voraussichtlich für wenigstens sechs Monate besteht (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2010 a.a.O.), vorliegt. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Denn eine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus liegt nach Ziffer 9 PEA-Ri vor bei einer Umkehr bzw. Aufhebung des Tag-Nacht-Rhythmus oder wenn die Person nachts stark unruhig und verwirrt ist, verbunden mit Zunahme inadäquater Verhaltensweisen. Dies liegt bei der Klägerin nicht vor. Auch Dr. Re. bringt die nächtlichen Unruhezustände mit dem nächtlichen Harndrang der Klägerin in Verbindung. Eine Unterbrechung der Nachtruhe durch notwendige Toilettengänge und die damit im Zusammenhang stehende Unruhe stellt jedoch keine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus dar. Auch die Verkennung und das Verursachen gefährdender Situationen durch die Klägerin lässt sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Re. nicht ableiten. Zwar gab er an, dass die Klägerin Anfang des Jahres 2009 eine gewisse Eigendynamik, was Einsicht in Krankheitsverläufe und Notwendigkeiten anging, entwickelt habe. Über die Anwendung und das Belassen von Verbänden habe mit ihr keine Einigkeit herbeigeführt werden können. Darin kann wohl schon nicht das Verkennen und Verursachen einer gefährlichen Situation gesehen werden (vgl. Ziffer 2 PEA-Ri). Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Denn festzuhalten bleibt, dass Dr. Re. in der Folge auf diese Problematik nicht mehr hinweist, so dass ein dauerhaftes Verkennen und Verursachen gefährlicher Situationen auf jeden Fall nicht zu bejahen ist. Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aufgrund des Vortrags der Klägerin, wonach sie sich beim Umgang mit Messern mehrfach selbst geschnitten habe. Es kann insoweit offen bleiben, ob und in welchen Ausmaß dies tatsächlich der Fall war. Denn auch wenn sich die Klägerin in der Vergangenheit mit dem Messer geschnitten hätte, wäre dies kein Beleg dafür, dass sie eine gefährliche Situation verkannt oder verursacht hätte. Hierfür gab es weder bei den Begutachtungen durch die Pflegefachkraft F. noch Dr. K.-L. Hinweise, und auch Dr. Re. schildert keine entsprechende Gefährdung der Klägerin. Die Klägerin kann nach dem Gutachten von Dr. K.-L. Gefahrensituationen noch ausreichend einschätzen, um sich von ihnen fernzuhalten. Im Übrigen wurden der Sachverständigen gegenüber bei der Begutachtung auch keine Ereignisse beschrieben, die auf Auffälligkeiten mit Blick auf einen unsachgemäßen Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potentiell gefährdenden Substanzen hinweisen würden. Ursächlich für Verletzungen dürften die altersbedingten Einschränkungen und der Tremor der Hände der Klägerin gewesen sein. Schließlich ist mit Hilfe der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Re. auch kein inadäquates Verhalten der Klägerin im situativen Kontext belegt. Wohl beschreibt Dr. Re. für die Zeit nach dem Sturz der Klägerin, dass sie die häuslichen Bedingungen, ihre persönliche Eingeschränktheit und ihren Hilfebedarf nur schwer akzeptiere. Abgesehen davon, dass damit noch kein inadäquates Verhalten (vgl. Ziffer 5 PEA-Ri) beschrieben wird, führt Dr. Re. dann aber weiter aus, dass die Erfahrung der seit Juli 2009 stattfindenden dreimal wöchentlichen Tagespflege die Klägerin deutlich an die Realität angepasst habe und sie sich im häuslichen Umfeld weniger anspruchsvoll gebe und zur konstruktiven Mitarbeit bereit sei. Ein Dauerzustand ist damit ebenfalls zu verneinen. Im Übrigen hat der Sohn der Klägerin Dr. K.-L. gegenüber bei der Begutachtung auch insoweit keine Angaben gemacht.
Etwas anderes ergibt sich letztlich auch nicht daraus, dass Dr. Re. die Klägerin bereits mehrere Jahre behandelt und die Begutachtung der Klägerin durch die Sachverständige Dr. K.-L. nach den Angaben der Klägerin nur 15 Minuten gedauert habe. Auch wenn die Begutachtung durch Dr. K.-L. tatsächlich nur 15 Minuten in Anspruch genommen hätte, ist insoweit zu beachten, dass die Sachverständige die Klägerin gezielt auf das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 45a, 45b SGB XI untersuchte und begutachtete, während der die Klägerin behandelnde Arzt Dr. Re. den Schwerpunkt seiner Behandlung auf die medizinische Versorgung der Klägerin zu richten hat und im Übrigen die Klägerin bei seinen Hausbesuchen, die Anfang des Jahres 2009 bis zu dreimal wöchentlich, mittlerweile nur noch einmal pro Monat stattfinden, jeweils auch nur für kurze Zeit sah und sieht, so dass das Gutachten der Sachverständigen Dr. K.-L., abgesehen davon, dass sich auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Re. die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Assessments ebenfalls nicht stützen lassen, nicht widerlegt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved