L 3 AS 290/10 B PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 44 AS 414/10 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 290/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Über die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrages kann auch noch nach
Abschluss des Hauptsacheverfahrens, hier des Verfahrens zur Gewährung vorläufigen gerichtlichen
Rechtsschutzes, entschieden werden (Fortführung der Senatsrechtsprechung: SächsLSG, Beschluss vom 15.
Februar 2010 – L 3 AS 570/09 B PKH).

2. Über einen Prozesskostenhilfeantrag kann ausnahmsweise auch noch nach Erledigung des
Hauptsacheverfahrens entschieden werden, wenn der Antragsteller alles Erforderliche getan hat, um vor
Wegfall der Rechtshängigkeit des Verfahrens eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu
erwirken (Fortführung der Senatsrechtsprechung: SächsLSG, Beschluss vom 26. Juli 2005 – L 3 B 50/05
AL-PKH).

3. Für das Begehren auf Gewährung eines Darlehens für die Kosten des Verfahrens vor einem Amtsgericht
(hier: Räumungs- und Zahlungsklage wegen Mietschulden) gibt es weder im SGB II noch in einem anderen
Sozialgesetzbuch eine Anspruchsgrundlage. Auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann nicht
dienbar gemacht werden.

4. In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen das Gerichtskostengesetz keine Anwendung findet, ist für das
gesamte Verfahren vollumfänglich Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn eine hinreichende Erfolgsaussicht
zumindest in Teilen bejaht wird.
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. März 2010 abgeändert. Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Chemnitz, das unter dem Az. S 44 AS 414/10 ER geführt worden ist, ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T P , U H , H , als Bevollmächtigter beigeordnet. Derzeit sind weder Raten zu zahlen noch Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten.

II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes.

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2010 hatte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie hatte zum einen begehrt, die ursprünglich auf Antragsgegnerseite beteiligte ARGE A zu verpflichten, ihr nach näher bezeichneten Modalitäten ein Darlehen zur Tilgung der entstandenen Mietschulden zuzüglich aller noch anfallender Zinsen zu gewähren und auszuzahlen (Antrag Nr. 1). Zum anderen hatte sie begehrt, die ARGE zu verpflichten, ihr "ein Darlehen in Höhe der noch nicht bezifferbaren Verfahrenskosten, welche im Rahmen der Räumungs- und Zahlungsklage der Wohnungsgenossenschaft G vom 01.12.2009 (Az. 3 C 621/09 am Amtsgericht Annaberg) entstehenden und gegebenenfalls ihr und der dortigen Beklagten aufzuerlegenden Kosten zzgl. Zinsen zu gewähren, sobald diese beziffert und festgesetzt sind" (Antrag Nr. 2).

Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2010 hat die ARGE mitgeteilt, dass die von der Antragstellerin geschuldete Miete direkt an die Vermieterin als Darlehen gezahlt worden sei. Diese sei bereit, das Mietverhältnis mit der Antragstellerin fortzusetzen. Daraufhin hat die Antragstellerin in Bezug auf den Antrag Nr. 1 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und den Antrag Nr. 2 zurückgenommen.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 29. März 2010 die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für erstattungsfähig erklärt. Die Quotelung ist mit dem Ausgang des Verfahrens und dem Umstand, dass der Antrag Nr. 2 wenig Erfolgsaussicht gehabt habe, begründet worden.

Mit einem weiteren Beschluss vom 29. März 2010 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Nachdem die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für erstattungsfähig erklärt worden sei, bestehe für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kein Bedürfnis mehr. In Bezug auf den Antrag Nr. 2 sei wegen der Antragsrücknahme keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Im Übrigen habe diesem Antrag die hinreichende Erfolgsaussicht gefehlt, weil das Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) keine Anspruchsgrundlage für die Übernahme von Gerichts- und Anwaltskosten kenne. Es handle sich um allgemeine Schulden, die nicht der Allgemeinheit aufzuerlegen seien.

Die Antragstellerin hat am 15. April 2010 Beschwerde eingelegt, jedoch keinen Antrag gestellt. Sie vertritt die Auffassung, dass für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag auf den Zeitpunkt des Einganges des Antrages abzustellen sei. Da die ARGE die darlehensweise Übernahme der Mietschulden unberechtigterweise abgelehnt habe, sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten gewesen. Auch bestehe der Ersatzanspruch gegen die ARGE, weil sie nicht zeitnah das Darlehen gewährt habe. Im Übrigen könne nur einheitlich über einen Prozesskostenhilfeantrag entschieden werden.

Die auf Beschwerdegegnerseite beteiligte Staatskasse hat zur Beschwerde Stellung genommen; der Antragsgegner aus dem erstinstanzlichen Verfahren hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.

II.

1. Über die Beschwerde kann auch noch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens, hier des Verfahrens zur Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes, entschieden werden (vgl. zur Zulässigkeit einer rückwirkenden Beschwerdeentscheidung nach rechtskräftigem Abschluss des vorausgegangenen Hauptsacheverfahrens: SächsLSG, Beschluss vom 15. Februar 2010 – L 3 AS 570/09 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 15, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 73a Rdnr. 12c; Knittel, in: Hennig: Sozialgerichtsgesetz [18. Erg.-Lfg., September 2010], § 73a Rdnr. 72a; vgl. auch LSG Niedersachsen, Beschluss vom 15. Mai 1995 – L 8 S (Vs) 52/95 – Breithaupt 1995, 735). Denn die Frage, ob der Antragsteller alles Erforderliche getan hat, um vor Wegfall der Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu erwirken, und die Frage, ob der Bevollmächtigte beigeordnet werden konnte mit der Folge, dass der Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Auslagen und Gebühren gemäß §§ 45 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) entstehen konnte, betrifft nicht die Zulässigkeit der Beschwerde, sondern deren Begründetheit.

2. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen. Nach dieser Regelung ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Dies ist hier nicht der Fall.

Insoweit kann allerdings dahingestellt bleiben, ob in dem Umfang, in dem das Sozialgericht mit Beschluss vom 29. März 2010 die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für erstattungsfähig erklärt, lediglich die prozesskostenhilferechtliche Bedürftigkeit der Antragstellerin entfallen ist, weil sie insoweit nunmehr einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Übernahme ihrer erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten hat (vgl. § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG). Es lässt sich allerdings auch die Auffassung vertreten, dass mit einer Entscheidung des Gerichtes über die Erstattungsfähigkeit von außergerichtlichen Kosten, oder entsprechend bei einem Kostenanerkenntnis des Prozessgegners, das Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist, weil es wegen des Kostenerstattungsanspruches gegen den Prozessgegner keiner Bewilligung von Prozesskostenhilfe mehr bedarf. Wenn aber ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen des Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung abgelehnt wird, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht erfüllt.

Die Auswirkung einer Entscheidung, mit der die außergerichtlichen Kosten eines Antragstellers teilweise für erstattungsfähig erklärt werden, auf den Prozesskostenhilfeantrag bedarf vorliegend jedoch keiner weiteren Erörterung, weil nur die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für erstattungsfähig erklärt wurden. In Bezug auf die zweite Hälfte der Kosten hat die Antragstellerin keinen Anspruch gegen den Antragsgegner und muss demzufolge die Kosten selbst tragen. Da das Sozialgericht insoweit den Prozesskostenhilfeantrag nicht wegen der fehlenden prozesskostenhilferechtlichen Bedürftigkeit der Antragstellerin abgelehnt hat, sind die Voraussetzung der Beschwerdeausschlussregelung in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht gegeben.

3. Die Beschwerde ist auch begründet.

a) Der rückwirkenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht nicht entgegen, dass das Hauptsacheverfahren inzwischen abgeschlossen ist. Denn über den Prozesskostenhilfeantrag kann ausnahmsweise auch noch nach Erledigung des Hauptsacheverfahrens entschieden werden, wenn der Antragsteller alles Erforderliche getan hat, um vor Wegfall der Rechtshängigkeit des Verfahrens eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu erwirken (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 26. Juli 2005 – L 3 B 50/05 AL-PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 17; Leitherer, a. a. O., § 73a Rdnr. 11a, m. w. N.; Knittel, a. a. O., § 73a Rdnr. 53, m. w. N.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe [5. Aufl., 2010], Rdnr. 508, m. w. N.; Schoreit/Groß, Beratunsghilfe, Prozesskostenhilfe, Verfahrenskostenhilfe [10. Aufl., 2010], II § 119 Rdnr. 24, m. w. N.). Dies ist hier der Fall. Der entscheidungsreife Prozesskostenhilfeantrag lag am 25. Januar 2010 vor. Der Schriftsatz der ARGE vom 3. Februar 2010, der letztlich zum Abschluss des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes führte, ging am erst 5. Februar 2010 beim Sozialgericht ein.

b) Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Hieran gemessen ist dem Prozesskostenhilfeantrag stattzugeben. Die Antragstellerin ist ausweislich der vorliegenden Unterlagen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

Auch besaß der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung hinreichende Erfolgsaussicht im prozesskostenhilferechtlichen Sinn. Maßgebend für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht in diesem Sinne ist grundsätzlich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, im Falle einer Beschwerde der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Dieser Grundsatz gilt allerdings dann nicht, wenn das Gericht es versäumt hat, unverzüglich über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden und zwischenzeitlich Änderungen zum Nachteil des Antragstellers eingetreten sind. In diesem Fall ist auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages abzustellen (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 15. Februar 2010 – L 3 AS 598/09 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 5; Leitherer, a. a. O., § 73a Rdnr. 7d, m. w. N.; Knittel, a. a. O., § 73a Rdnr. 15, 53).

Zu diesem Zeitpunkt, das heißt am 25. Januar 2010, war dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung in Bezug auf die begehrte vorläufige darlehensweise Übernahme der Mietschulden (Antrag Nr. 1) die hinreichende Erfolgsaussicht nicht abzusprechen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass die ARGE auf den Antrag hin aus eigener Veranlassung die begehrte Mietschuldenübernahme umsetzte.

Hingegen bestand zu keinem Zeitpunkt bezüglich des Antrages Nr. 2 eine hinreichende Erfolgsaussicht. Weder war der gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) noch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft gemacht.

Für das Begehren auf Gewährung eines Darlehens für die Kosten des Verfahrens vor dem Amtsgericht Annaberg gibt es weder im SGB II noch in einem anderen Sozialgesetzbuch eine Anspruchsgrundlage. Auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann nicht dienbar gemacht werden. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 RBSGE 92, 241 ff. Rdnr. 13 = SozR 4-2600 § 58 Nr. 3 Rdnr. 19 = JURIS-Dokument Rdnr. 24; Stratmann, in: Niesel/Brand, SGB III [5. Aufl., 2010], § 323 Anh Rdnr. 28 f.) setzt dieser Anspruch tatbestandlich voraus, dass der Sozialleistungsträger auf Grund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (vgl. §§ 14, 15 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Auf der Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches bleibt aber kein Raum, wenn der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann (vgl. BSG, a. a. O.). Dies ist beim Antrag Nr. 2 der Fall. Die Antragstellerin begehrt nicht die Vornahme einer Amtshandlung, sondern die Beseitigung von Folgen, die durch eine ihres Erachtens verspätete Amtshandlung entstanden sind oder noch entstehen können. Dieses Ziel kann aber allenfalls im Rahmen einer Amtshaftungsklage erreicht werden. Für eine solche Klage ist aber der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet (vgl. Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes [GG] i. V. m. § 71 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes [GVG]).

Unabhängig davon hat die Antragstellerin keinen Anordnungsgrund bezüglich des Antrages Nr. 2 glaubhaft gemacht. Es wurde kein Grund vorgetragen, weshalb es ihr nicht zuzumuten sein soll, den Ausgang des Verfahrens vor dem Amtsgericht Annaberg abzuwarten, und weshalb sie bereits jetzt eine Entscheidung dem Grunde nach über einen etwaigen Erstattungsanspruch gegenüber dem Antragsgegner in Bezug auf noch entstehende, noch zu beziffernde und noch festzusetzende Verfahrenskosten benötigt.

Obwohl danach der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung nur zum Teil hinreichende Erfolgsaussicht hatte, hat dies nicht zur Folge, dass nur für diesen Teil Prozesskostenhilfe zu gewähren gewesen wäre. Insoweit haben das Landessozialgericht Hamburg und ihm folgend das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ausgeführt, dass die für das zivilgerichtliche Verfahren vertretene Rechtsauffassung, wonach bei teilweiser Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe auch nur in Teilen zu bewilligen ist (vgl. Geimer, in: Zöller, Zivilprozessordnung [28. Aufl., 2010], § 114 Rdnr. 20; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung [69. Aufl., 2011], § 114 Rdnr. 102), nicht auf sozialgerichtliche Verfahren, in denen – wie vorliegend – das Gerichtskostengesetz keine Anwendung findet (vgl. § 197a SGG), zu übertragen ist (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 8. März 2007 – L 5 B 118/06 ER AS – JURIS-Dokument Rdnr.4 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2007 – L 7 B 232/05 ASNZS 2008, 336 = JURIS-Dokument Rdnr. 3. m. w. N.; vgl. auch: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21. Februar 2007 – L 7 B 189/06 – JURIS-Dokument Rdnr. 23; Leitherer, a. a. O., § 73a Rdnr. 7a, m. w. N.). Denn in Verfahren, in denen das Gerichtskostengesetz Anwendung findet, werden gemäß § 2 Abs. 1 RVG die Gebühren, soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Wenn dann die Prozesskostenhilfe auf einen Teil des Anspruches beschränkt wird, bemisst sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse auch nur nach einem Teilgegenstandswert. Demgegenüber entstehen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Obwohl sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, bestimmt, gibt es bei Rahmengebühren keinen eindeutigen Anknüpfungspunkt für die Gebührenhöhe. Bei Rahmengebühren bestimmt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG vielmehr der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein geringerer Wert des Verfahrensgegenstandes führt damit nicht zwingend zu einer geringeren Gebühr innerhalb des vorgesehenen Gebührenrahmens. Da es keine sachgerechten Kriterien gibt, wie sich eine Beschränkung der Prozesskostenhilfe auf den nach einem Rahmen zu bemessenden Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts auswirkt und im Rahmen der Kostenfestsetzung umzusetzen ist, ist eine Teilbewilligung von Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren, in denen das Gerichtskostengesetz keine Anwendung findet, nicht praktikabel. Aus diesen Gründen schließt sich der erkennende Senat der beschriebenen Rechtsauffassung an, wonach in Fällen, in denen eine hinreichende Erfolgsaussicht zumindest in Teilen bejaht wird, für das gesamte Verfahren vollumfänglich Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.

4. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (§ 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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