L 6 SF 172/12 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 172/12 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das mit Beweisanordnung vom 5. Januar 2012 beauftragte Gutachten in dem Verfahren Az.: L 6 R 503/09 wird mit der Honorargruppe M2 vergütet. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt

Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren Az.: L 6 R 503/09 ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Integration in eine Werkstatt für Behinderte hat. In ihrem Gutachten vom 29. Mai 2007 führte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. aus, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der geistig minderbegabte Kläger nicht zu Hilfsarbeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt befähigt sei. Im Klageverfahren hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 7. Oktober 2008 eingeholt, nach dem der Kläger zu DDR-Zeiten Nischenberufe ausüben konnte und nur noch in der Lage sei, regelmäßig weniger als 3 Stunden täglich Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts zu verrichten. Mit Urteil vom 30. März 2009 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines 3-monatigen Eingangsverfahrens in eine Werkstatt für Behinderte zu erbringen und ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Januar 2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Auf die Berufung hat der Senatsvorsitzende das Urteil mit Beschluss vom 15. Juli 2009 ausgesetzt. Hinsichtlich der Rente wegen voller Erwerbsminderung fehle es bereits an einer negativen Entscheidung; bei der Leistung zur Teilhabe habe das Sozialgericht die Einwände der Beklagten verfahrensfehlerhaft ignoriert. Am 6. Oktober 2011 hat der Kläger seine Klage auf Rente wegen Erwerbsminderung zurückgenommen.

Die Berichterstatterin des Senats hat den Antragsteller mit Beweisanordnung vom 5. Januar 2012 beauftragt, ein Gutachten zu folgenden Fragen einzuholen: "1. Welche Krankheiten liegen bei dem Kläger vor? 2. Welche Behinderungen liegen bei dem Kläger vor? Nach § 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit sechs Monate vor dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. 3. Kann der Kläger trotz bei ihn vorliegenden Krankheiten und Behinderungen, unabhängig von den Besonderheiten des zuletzt innegehabten Arbeitsplatzes, die an diese Tätigkeiten typischerweise zu stellenden Anforderungen erfüllen? Bezüglich der typischerweise zu stellenden Anforderungen verweise ich auf die sich in der Gerichtsakte befindenden Beschreibungen der Tätigkeit eines Helfers/in-Reinigung. Wird diese Frage vereint, dann: 4. Kann der Kläger wegen Art und Schwere der bei ihm vorliegenden Behinderungen nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden? Aus welchen medizinischen Gründen ist dies so oder nicht so? 5. Kann der Kläger ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung in einer Werkstatt für behinderte Menschen erbringen?"

Der Antragsteller hat am 31. Januar 2012 (das Datum 8. August 2011 ist offensichtlich unrichtig) die richterliche Zustimmung für die Abrechnung mit dem Stundensatz M3 "entsprechend seines Ausbildungsstandes als Universitätsprofessor" beantragt. Auf Anfrage des Senatsvorsitzenden hat er unter dem 22. Februar 2012 angegeben, es gehe in seinem Fach bei strittigen Fragen regelmäßig darum, dass gutachterlich verschiedene Meinungen vertreten werden und ein Obergutachten zur Klärung der Widersprüche erstellt werden solle. Es handle sich um ein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad mit differenziell-prognostischen Aspekten. Der Kläger sei unter realistischen Bedingungen in der heutigen Zeit nie berufstätig gewesen; daher müsse jetzt ohne Arbeitsbelastung auf eine allgemeine Fähigkeit geschlossen werden.

Der Antragsgegner hat sich in der gesetzten Frist zum Antrag nicht geäußert.

II.

Der Antrag vom 31. Januar 2012 ist zulässig. Nach § 9 Abs. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) bestimmt sich die Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe nach der Anlage 1 (Satz 2); § 4 JVEG gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Beschwerde auch zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro nicht übersteigt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Regelung ermöglicht es einem Sachverständigen, schon sehr frühzeitig (vor Aufnahme der übertragenen Aufgaben) Klarheit über die kostenmäßige Bewertung der zu erwartenden Leistungen und über einen für seinen Gesamtanspruch wesentlichen Bemessungsfaktor zu erlangen (BT-Drucks. 15/1071 S. 182, 183); gleichzeitig dient sie der Rechtsfortbildung (vgl. Senatsbeschluss vom 19. April 2007 - Az.: L 6 SF 11/07).

Die Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe bestimmt sich nach § 9 Abs. 1 JVEG nach der Anlage 1 (Satz 2). Wird die Leistung auf einem Sachgebiet erbracht, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist sie nach billigem Ermessen zuzuordnen; dies gilt entsprechend, wenn ein medizinisches oder psychologisches Gutachten einen Gegenstand betrifft, der in keiner Honorargruppe genannt wird (Satz 3). In Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG werden die medizinischen Gutachten entsprechend ihrer Schwierigkeit in drei Honorargruppen (M1 bis M3) eingeteilt. Die Honorargruppen M2 (60 Euro) und M3 (85,00 Euro) werden wie folgt definiert: M2: Beschreibende (Ist-Zustands) Begutachtungen nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einer medizinischen Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten in Verfahren nach dem SGB IX, M3: Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen.

Nachdem die Vergütung für die Erstattung von Gutachten nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vom Gesetzgeber ausdrücklich der Honorargruppe M2 zugeordnet wird, ist der Senat an diese Entscheidung gebunden; ein Ermessen zur anderweitigen Zuordnung besteht nicht. Unerheblich ist, dass der Rentenversicherungsträger nach § 16 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB) die Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX erbringt und damit hier der Beklagte ist. Auf den tatsächlichen Schwierigkeitsgrad des zu erledigenden Auftrags kommt es nicht mehr an (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, Rdnr. 9.4); unerheblich ist zudem die wissenschaftliche Qualifikation des Antragstellers.

Obwohl damit keine andere Entscheidung in Betracht kommt, wird darauf hingewiesen, dass die Zuordnung in die Honorargruppe M3 grundsätzlich nicht allein mit dem Fachgebiet begründet werden kann und auch die in sozialgerichtlichen Verfahren übliche Auseinandersetzung mit einschlägigen Vorgutachten allein keinen hohen Schwierigkeitsgrad begründet (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 277/11 B, 8. Mai 2009 - Az.: L 6 SF 35/08, 27. August 2008 - Az.: L 6 SF 36/08). Offen bleiben kann auch, ob die Vorabentscheidung über den Stundensatz systemimmanent unter dem Vorbehalt der späteren Überprüfung im Rahmen der Vergütungsabrechnung steht (so LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. September 2004 - Az.: L 12 U 3685/04 Ko-A, nach juris).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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