Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 13 KR 178/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 63/11 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 608,70 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Umstritten sind Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 608,70 EUR.
Die bei der Beklagten versicherte B. befand sich in der Zeit vom 3. bis 10. Februar 2006 im Krankenhaus der Klägerin in stationärer Behandlung. Die Klägerin übermittelte bei der Aufnahme u.a. folgende Diagnose- und Prozedurdaten:
Sonstige und nicht näher bezeichnete Zirrhose der Leber
Sonstige akute Gastritis
Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet
Gelbsucht nicht näher bezeichnet
OPS Version OPS 2006
Diagnostische Ösophagogastroduodenoskopie
Endoskopische Biopsie an oberem Verdauungstrakt, Gallengängen und Pankreas: 1-5 Biopsien am oberen Verdauungstrakt
Entgelte
7010H60 B Leberzirrhose und bestimmte nichtinfektiöse Hepatitiden
ohne äußerst schwere CC 2.547,66 (EUR)
Die Klägerin rechnete diesen Behandlungsfall unter dem 23. Februar 2006 in Höhe von 2.630,54 EUR ab. Diesen Betrag zahlte die Beklagte ohne weiteren Vorbehalt an die Klägerin. Mit Schreiben vom 24. September 2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, prüfrelevante Unterlagen für diesen Behandlungsfall direkt an den Medizinischen Dienst des BEV (MD BEV) in B. zu übersenden. Dem widersprach die Klägerin im Schreiben vom 27. November 2007 und verwies auf § 275 Abs. 1c Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach habe der Gesetzgeber die Pflicht der Krankenkassen zu einer zeitnahen Prüfung untermauert. Der Prüfauftrag über 19 Monate nach der Entlassung der Versicherten sei in keinem Falle mehr als zeitnah anzusehen. Hierauf reagierte die Beklagte in ihrem Schreiben vom 28. November 2008 und führte aus: § 275 Abs. 1 c SGB V sei erst am 1. April 2007 in Kraft getreten und daher für den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Landesvertragliche Ausschlussfristen existierten nicht, so dass am Begehren, die Patientenunterlagen an den MD BEV zu übersenden, festgehalten werde. Nach Ablauf von 14 Tagen werde ein Gesamtbetrag von 590,84 EUR streitig gestellt, wobei vorbehalten bleibe, ob dieser Betrag verrechnet werde. Am 4. Januar 2008 verrechnete die Beklagte diesen Betrag aus der Rechnung mit der Nr. 300717011 vom 23. Februar 2006, indem sie die Rechnung vom 21. Dezember 2007 entsprechend kürzte.
Die Klägerin hat am 9. Juni 2008 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verurteilen, an sie 608,70 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 17. März 2006 zu zahlen. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Die Klägerin habe gegenüber der Beklagten zu Recht die Herausgabe der Unterlagen verweigert. Die Beklagte habe gegen § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V verstoßen. Dieser gelte auch für sog. Altfälle. Danach sei die Beklagte innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Eingang der Rechnung verpflichtet, den Behandlungsfall zu prüfen. Dies habe die Beklagte versäumt, sodass die Klägerin ihrerseits die Herausgabe von medizinischen Unterlagen habe verweigern dürfen. Im Übrigen habe die Beklagte auch gegen die Pflicht verstoßen, die stationäre Behandlungsbedürftigkeit zeitnah zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 – B 3 KR 12/06).
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die erst am 1. April 2007 in Kraft getretene Vorschrift des § 275 Abs. 1c SGB V sei hier nicht anwendbar. Schließlich sei die streitige Krankenhausbehandlung bereits im Jahr 2006 durchgeführt worden. Würde diese Vorschrift für Altfälle gelten, wäre der Beklagten die Prüfung wegen des damit einhergehenden Bearbeitungsaufwandes unmöglich geworden. Die Beklagte bezweifle nicht die Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung, wolle jedoch eine aus ihrer Sicht fehlerhafte Hauptdiagnose durch den MD BEV überprüfen lassen. Zudem handele es sich um einen Aufrechnungsfall, der ohnehin einer vierjährigen Verjährungsfrist unterfalle, die noch nicht abgelaufen sei. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, die Unterlagen von der Klägerin für den MD BEV herauszuverlangen.
Am 3. September 2008 hat die Klägerin gegenüber dem SG mitgeteilt, eine Kopie der Patientenakte der Versicherten übersandt zu haben. Diese befindet sich nicht in der Gerichtsakte.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. Juli 2011 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, der Beklagten bzw. dem MD BEV die Einsicht in die Patientenunterlagen zu verweigern. Nach dem Urteil des BSG vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 29/09 R sei § 275 Abs. 1c SGB V nur auf Sachverhalte anzuwenden, die nach dem 1. April 2007 vollständig abgeschlossen gewesen seien. Die Norm könne daher auf den vorliegenden Fall nicht angewandt werden. Für Einwendungen gegen die Rechnung gelte daher die vierjährige Verjährungsfrist. Mögliche Schwierigkeiten in der Ermittlung des medizinischen Sachverhalts wegen des langen Zeitablaufs zwischen Rechnungslegung und Prüfanfrage seien über Beweiserleichterungen zu Gunsten der Krankenhäuser zu lösen. Der bloße Zeitablauf genüge nicht, um eine Überprüfung des Sachverhaltes vollständig zu verweigern. Die Klägerin verstoße mit ihrer Haltung gegen das Gebot des fairen Verfahrens. Der Inhalt der Patientenakte könne durch ihre Weigerung daher nicht mehr zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 13. September 2011 zugestellte Urteil am 10. Oktober 2011 Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und geltend gemacht: Es werde Divergenz gerügt, da das SG sich in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BSG gesetzt habe. Zu Unrecht sei es davon ausgegangen, dass das Beschleunigungsgebot hier keine Anwendung finde, und widerspreche damit dem Urteil des BSG vom 13. Dezember 2001 – B 3 KR 11/01 R. Zwar könne wegen des Urteils des BSG vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 29/09 § 275 Abs. 1c SGB V nicht direkt angewandt werden. Gleichwohl gelte für Behandlungsfälle in der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 275 Abs. 1c SGB V am 1. April 2007 ein grundsätzlich zu beachtendes Beschleunigungsgebot, wie dies das BSG im Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 17/08 R ausgeführt habe.
Wörtlich habe das BSG in diesem Urteil ausgeführt:
"Dies gilt ungeachtet des Inkrafttretens des § 275 Abs. 1c SGB bV erst zum 01.04.2007 auch schon im vorliegenden Abrechnungsfall aus dem März 2006, weil die Frist von sechs Wochen lediglich eine Präzisierung des auch zuvor geltenden Beschleunigungsgebotes darstellt und daher keine Rechtsänderung im Hinblick auf die Ausführung des Tatbestandsmerkmals "zeitnah" eingetreten ist; ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 20 Abs. 3 GG liegt nicht vor."
Die Voraussetzungen einer Divergenz seien daher gegeben.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG Magdeburg vom 29. Juli 2011 ist nach § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die im Grundsatz nach § 143 SGG statthafte Berufung ist hier kraft Gesetzes nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG ausgeschlossen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR nicht übersteigt.
Das SG hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung mit Recht verneint und in der Rechtsmittelbelehrung folgerichtig auf die Nichtzulassungsbeschwerde verwiesen. Nach § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das SG mit der Beschwerde angefochten werden. Die Klägerin hat diese form- und fristgerecht (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG) eingelegt.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da keine Zulassungsgründe bestehen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr.1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
a) Von einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache kann gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der zwischenzeitlich geänderten Rechtslage nach Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V nicht ausgegangen werden. Auch hat die Klägerin eine solche nicht geltend gemacht.
b) Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen. Eine solche liegt nur vor, wenn das SG eine Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, die von einem durch ein übergeordnetes Gericht in seiner Entscheidung aufgestellten tragenden abstrakten Rechtssatz abweicht und die Entscheidung des SG auf dieser Abweichung beruht, d.h. die Entscheidung des SG anders ausgefallen wäre, wenn die obergerichtliche Rechtsprechung beachtet worden wäre (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 144 RdNr. 30 unter Hinweis auf § 160 RdNr. 10 ff.). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des SG nicht den Kriterien entspricht, die die obersten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widerspricht, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt. Die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet dagegen keine Divergenz (vgl. zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG z.B. BSG, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – B 8 SO 61/10 B, zitiert nach juris).
Die Klägerin hat bereits keinen von der Rechtsprechung der obersten Gerichte abweichenden abstrakten Rechtsgrundsatz benannt, gegen den das SG verstoßen haben könnte. Die Entscheidung des SG beruht auf zwei tragenden Gründen: Zum einen darauf, dass § 275 Abs. 1c SGB V auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finde und zum anderen, dass es der Krankenkasse im Falle der Aufrechnung mit einer unstreitigen Sammelrechnung vor Ablauf der Verjährung freigestellt bleibe, eine Überprüfung unter ggf. erschwerten Beweisregeln zu ihren Lasten vorzunehmen.
Die Unanwendbarkeit des § 275 Abs. 1c SGB V auf den vorliegenden Fall hat die Klägerin mittlerweile selbst eingeräumt und nicht zum Gegenstand der Beschwerde gemacht. Soweit die Klägerin meint, das SG habe das generelle Beschleunigungsgebot nicht beachtet – wie dies das BSG im Urteil vom 13. Dezember 2001 – B 3 KR 11/01 R ausgeführt hat – kann dem nicht gefolgt werden, da das BSG einen derartigen abstrakten Rechtssatz in diesem Urteil nicht aufgestellt hat. Der in dieser Entscheidung des BSG vertretene Einwendungsausschluss wegen Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch bezog sich auf ein gravierendes vertragswidriges Verhalten einer Krankenkasse, die entgegen einem vertraglich vereinbarten Prüfungsverfahren routinemäßig und pauschal die Begleichung von Krankenhausrechnungen verweigert hatte, da angebliche Erfahrungswerte zur erforderlichen Verweildauer überschritten worden seien (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 20. November 2008 – B 3 KN 4/08 R, zitiert nach juris). Weder besteht im vorliegenden Fall eine vertragliche Regelung zum Prüfverfahren noch kann der Beklagten vorgeworfen werden, nicht zeitnah bezahlt zu haben. Auch hat sie keine pauschalen Einwendungen gegen die Verweildauer vorgebracht, sondern sich auf die Abrechnung eines Einzelfalls bezogen und inhaltlich eine fehlerhafte Hauptdiagnose gerügt.
Im vorliegenden Fall darf insbesondere nicht übersehen werden, dass es sich um einen sog. öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch analog § 812 BGB der Krankenkasse handelt, der im Wege der Aufrechnung zwischen den Beteiligten im Streit steht. In einem derartigen Fall bleiben der aufrechnenden Krankenkasse etwaige Einwendungen gegen die aufgerechnete Forderung erhalten. Hierbei trägt jedoch die Krankenkasse die Beweislast, so dass den Krankenhäusern durch den Zeitablauf keine beweiserheblichen Nachteile entstehen können (vgl. so ausdrücklich BSG a.a.O.). Dies hat auch das SG zutreffend beachtet und angewendet.
Auch die geltend gemachte Divergenz zum Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009 (B 3 KR 12/08 R, zitiert nach juris) liegt nicht vor. Der dort entschiedene Fall betraf die Korrektur einer Schlussrechnung durch das Krankenhaus ca. drei Monate nach der endgültigen Rechnungslegung des Behandlungsfalls. Nach Ansicht des BSG hat das Krankenhaus die Korrektur der Schlussrechnung nicht zeitnah vorgenommen und war deshalb im Hinblick auf die Nachforderung nach Treu und Glauben mit einer nachträglichen Rechnungskorrektur ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht darum, dass die Beklagte ohne zeitnahe Einleitung des Prüfverfahrens die Rechnung nicht bezahlt hat, sondern darum, ob und in welchem Zeitrahmen die Krankenkasse einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen das Krankenhauses im Wege der Aufrechnung noch geltend machen kann. Der vom BSG entschiedene Sachverhalt ist daher mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar.
Die Voraussetzungen einer Divergenz gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegen nach allem nicht vor.
c) Ob ein Verfahrensfehler darin zu sehen ist, dass das SG auf das Schreiben der Klägerin vom 3. September 2009, in dem diese die Übersendung einer Kopie der Patientenakte an das Gericht behauptete, nicht reagierte, bedarf keiner Ausführungen. Die Klägerin hat einen darauf gegründeten Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht gerügt.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG). Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des SG gemäß § 145 Abs. 4 SGG rechtkräftig.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 608,70 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Umstritten sind Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 608,70 EUR.
Die bei der Beklagten versicherte B. befand sich in der Zeit vom 3. bis 10. Februar 2006 im Krankenhaus der Klägerin in stationärer Behandlung. Die Klägerin übermittelte bei der Aufnahme u.a. folgende Diagnose- und Prozedurdaten:
Sonstige und nicht näher bezeichnete Zirrhose der Leber
Sonstige akute Gastritis
Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet
Gelbsucht nicht näher bezeichnet
OPS Version OPS 2006
Diagnostische Ösophagogastroduodenoskopie
Endoskopische Biopsie an oberem Verdauungstrakt, Gallengängen und Pankreas: 1-5 Biopsien am oberen Verdauungstrakt
Entgelte
7010H60 B Leberzirrhose und bestimmte nichtinfektiöse Hepatitiden
ohne äußerst schwere CC 2.547,66 (EUR)
Die Klägerin rechnete diesen Behandlungsfall unter dem 23. Februar 2006 in Höhe von 2.630,54 EUR ab. Diesen Betrag zahlte die Beklagte ohne weiteren Vorbehalt an die Klägerin. Mit Schreiben vom 24. September 2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, prüfrelevante Unterlagen für diesen Behandlungsfall direkt an den Medizinischen Dienst des BEV (MD BEV) in B. zu übersenden. Dem widersprach die Klägerin im Schreiben vom 27. November 2007 und verwies auf § 275 Abs. 1c Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach habe der Gesetzgeber die Pflicht der Krankenkassen zu einer zeitnahen Prüfung untermauert. Der Prüfauftrag über 19 Monate nach der Entlassung der Versicherten sei in keinem Falle mehr als zeitnah anzusehen. Hierauf reagierte die Beklagte in ihrem Schreiben vom 28. November 2008 und führte aus: § 275 Abs. 1 c SGB V sei erst am 1. April 2007 in Kraft getreten und daher für den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Landesvertragliche Ausschlussfristen existierten nicht, so dass am Begehren, die Patientenunterlagen an den MD BEV zu übersenden, festgehalten werde. Nach Ablauf von 14 Tagen werde ein Gesamtbetrag von 590,84 EUR streitig gestellt, wobei vorbehalten bleibe, ob dieser Betrag verrechnet werde. Am 4. Januar 2008 verrechnete die Beklagte diesen Betrag aus der Rechnung mit der Nr. 300717011 vom 23. Februar 2006, indem sie die Rechnung vom 21. Dezember 2007 entsprechend kürzte.
Die Klägerin hat am 9. Juni 2008 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verurteilen, an sie 608,70 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 17. März 2006 zu zahlen. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Die Klägerin habe gegenüber der Beklagten zu Recht die Herausgabe der Unterlagen verweigert. Die Beklagte habe gegen § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V verstoßen. Dieser gelte auch für sog. Altfälle. Danach sei die Beklagte innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Eingang der Rechnung verpflichtet, den Behandlungsfall zu prüfen. Dies habe die Beklagte versäumt, sodass die Klägerin ihrerseits die Herausgabe von medizinischen Unterlagen habe verweigern dürfen. Im Übrigen habe die Beklagte auch gegen die Pflicht verstoßen, die stationäre Behandlungsbedürftigkeit zeitnah zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 – B 3 KR 12/06).
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die erst am 1. April 2007 in Kraft getretene Vorschrift des § 275 Abs. 1c SGB V sei hier nicht anwendbar. Schließlich sei die streitige Krankenhausbehandlung bereits im Jahr 2006 durchgeführt worden. Würde diese Vorschrift für Altfälle gelten, wäre der Beklagten die Prüfung wegen des damit einhergehenden Bearbeitungsaufwandes unmöglich geworden. Die Beklagte bezweifle nicht die Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung, wolle jedoch eine aus ihrer Sicht fehlerhafte Hauptdiagnose durch den MD BEV überprüfen lassen. Zudem handele es sich um einen Aufrechnungsfall, der ohnehin einer vierjährigen Verjährungsfrist unterfalle, die noch nicht abgelaufen sei. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, die Unterlagen von der Klägerin für den MD BEV herauszuverlangen.
Am 3. September 2008 hat die Klägerin gegenüber dem SG mitgeteilt, eine Kopie der Patientenakte der Versicherten übersandt zu haben. Diese befindet sich nicht in der Gerichtsakte.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. Juli 2011 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, der Beklagten bzw. dem MD BEV die Einsicht in die Patientenunterlagen zu verweigern. Nach dem Urteil des BSG vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 29/09 R sei § 275 Abs. 1c SGB V nur auf Sachverhalte anzuwenden, die nach dem 1. April 2007 vollständig abgeschlossen gewesen seien. Die Norm könne daher auf den vorliegenden Fall nicht angewandt werden. Für Einwendungen gegen die Rechnung gelte daher die vierjährige Verjährungsfrist. Mögliche Schwierigkeiten in der Ermittlung des medizinischen Sachverhalts wegen des langen Zeitablaufs zwischen Rechnungslegung und Prüfanfrage seien über Beweiserleichterungen zu Gunsten der Krankenhäuser zu lösen. Der bloße Zeitablauf genüge nicht, um eine Überprüfung des Sachverhaltes vollständig zu verweigern. Die Klägerin verstoße mit ihrer Haltung gegen das Gebot des fairen Verfahrens. Der Inhalt der Patientenakte könne durch ihre Weigerung daher nicht mehr zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 13. September 2011 zugestellte Urteil am 10. Oktober 2011 Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und geltend gemacht: Es werde Divergenz gerügt, da das SG sich in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BSG gesetzt habe. Zu Unrecht sei es davon ausgegangen, dass das Beschleunigungsgebot hier keine Anwendung finde, und widerspreche damit dem Urteil des BSG vom 13. Dezember 2001 – B 3 KR 11/01 R. Zwar könne wegen des Urteils des BSG vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 29/09 § 275 Abs. 1c SGB V nicht direkt angewandt werden. Gleichwohl gelte für Behandlungsfälle in der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 275 Abs. 1c SGB V am 1. April 2007 ein grundsätzlich zu beachtendes Beschleunigungsgebot, wie dies das BSG im Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 17/08 R ausgeführt habe.
Wörtlich habe das BSG in diesem Urteil ausgeführt:
"Dies gilt ungeachtet des Inkrafttretens des § 275 Abs. 1c SGB bV erst zum 01.04.2007 auch schon im vorliegenden Abrechnungsfall aus dem März 2006, weil die Frist von sechs Wochen lediglich eine Präzisierung des auch zuvor geltenden Beschleunigungsgebotes darstellt und daher keine Rechtsänderung im Hinblick auf die Ausführung des Tatbestandsmerkmals "zeitnah" eingetreten ist; ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 20 Abs. 3 GG liegt nicht vor."
Die Voraussetzungen einer Divergenz seien daher gegeben.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG Magdeburg vom 29. Juli 2011 ist nach § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die im Grundsatz nach § 143 SGG statthafte Berufung ist hier kraft Gesetzes nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG ausgeschlossen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR nicht übersteigt.
Das SG hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung mit Recht verneint und in der Rechtsmittelbelehrung folgerichtig auf die Nichtzulassungsbeschwerde verwiesen. Nach § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das SG mit der Beschwerde angefochten werden. Die Klägerin hat diese form- und fristgerecht (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG) eingelegt.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da keine Zulassungsgründe bestehen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr.1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
a) Von einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache kann gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der zwischenzeitlich geänderten Rechtslage nach Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V nicht ausgegangen werden. Auch hat die Klägerin eine solche nicht geltend gemacht.
b) Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen. Eine solche liegt nur vor, wenn das SG eine Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, die von einem durch ein übergeordnetes Gericht in seiner Entscheidung aufgestellten tragenden abstrakten Rechtssatz abweicht und die Entscheidung des SG auf dieser Abweichung beruht, d.h. die Entscheidung des SG anders ausgefallen wäre, wenn die obergerichtliche Rechtsprechung beachtet worden wäre (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 144 RdNr. 30 unter Hinweis auf § 160 RdNr. 10 ff.). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des SG nicht den Kriterien entspricht, die die obersten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widerspricht, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt. Die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet dagegen keine Divergenz (vgl. zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG z.B. BSG, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – B 8 SO 61/10 B, zitiert nach juris).
Die Klägerin hat bereits keinen von der Rechtsprechung der obersten Gerichte abweichenden abstrakten Rechtsgrundsatz benannt, gegen den das SG verstoßen haben könnte. Die Entscheidung des SG beruht auf zwei tragenden Gründen: Zum einen darauf, dass § 275 Abs. 1c SGB V auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finde und zum anderen, dass es der Krankenkasse im Falle der Aufrechnung mit einer unstreitigen Sammelrechnung vor Ablauf der Verjährung freigestellt bleibe, eine Überprüfung unter ggf. erschwerten Beweisregeln zu ihren Lasten vorzunehmen.
Die Unanwendbarkeit des § 275 Abs. 1c SGB V auf den vorliegenden Fall hat die Klägerin mittlerweile selbst eingeräumt und nicht zum Gegenstand der Beschwerde gemacht. Soweit die Klägerin meint, das SG habe das generelle Beschleunigungsgebot nicht beachtet – wie dies das BSG im Urteil vom 13. Dezember 2001 – B 3 KR 11/01 R ausgeführt hat – kann dem nicht gefolgt werden, da das BSG einen derartigen abstrakten Rechtssatz in diesem Urteil nicht aufgestellt hat. Der in dieser Entscheidung des BSG vertretene Einwendungsausschluss wegen Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch bezog sich auf ein gravierendes vertragswidriges Verhalten einer Krankenkasse, die entgegen einem vertraglich vereinbarten Prüfungsverfahren routinemäßig und pauschal die Begleichung von Krankenhausrechnungen verweigert hatte, da angebliche Erfahrungswerte zur erforderlichen Verweildauer überschritten worden seien (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 20. November 2008 – B 3 KN 4/08 R, zitiert nach juris). Weder besteht im vorliegenden Fall eine vertragliche Regelung zum Prüfverfahren noch kann der Beklagten vorgeworfen werden, nicht zeitnah bezahlt zu haben. Auch hat sie keine pauschalen Einwendungen gegen die Verweildauer vorgebracht, sondern sich auf die Abrechnung eines Einzelfalls bezogen und inhaltlich eine fehlerhafte Hauptdiagnose gerügt.
Im vorliegenden Fall darf insbesondere nicht übersehen werden, dass es sich um einen sog. öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch analog § 812 BGB der Krankenkasse handelt, der im Wege der Aufrechnung zwischen den Beteiligten im Streit steht. In einem derartigen Fall bleiben der aufrechnenden Krankenkasse etwaige Einwendungen gegen die aufgerechnete Forderung erhalten. Hierbei trägt jedoch die Krankenkasse die Beweislast, so dass den Krankenhäusern durch den Zeitablauf keine beweiserheblichen Nachteile entstehen können (vgl. so ausdrücklich BSG a.a.O.). Dies hat auch das SG zutreffend beachtet und angewendet.
Auch die geltend gemachte Divergenz zum Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009 (B 3 KR 12/08 R, zitiert nach juris) liegt nicht vor. Der dort entschiedene Fall betraf die Korrektur einer Schlussrechnung durch das Krankenhaus ca. drei Monate nach der endgültigen Rechnungslegung des Behandlungsfalls. Nach Ansicht des BSG hat das Krankenhaus die Korrektur der Schlussrechnung nicht zeitnah vorgenommen und war deshalb im Hinblick auf die Nachforderung nach Treu und Glauben mit einer nachträglichen Rechnungskorrektur ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht darum, dass die Beklagte ohne zeitnahe Einleitung des Prüfverfahrens die Rechnung nicht bezahlt hat, sondern darum, ob und in welchem Zeitrahmen die Krankenkasse einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen das Krankenhauses im Wege der Aufrechnung noch geltend machen kann. Der vom BSG entschiedene Sachverhalt ist daher mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar.
Die Voraussetzungen einer Divergenz gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegen nach allem nicht vor.
c) Ob ein Verfahrensfehler darin zu sehen ist, dass das SG auf das Schreiben der Klägerin vom 3. September 2009, in dem diese die Übersendung einer Kopie der Patientenakte an das Gericht behauptete, nicht reagierte, bedarf keiner Ausführungen. Die Klägerin hat einen darauf gegründeten Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht gerügt.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG). Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des SG gemäß § 145 Abs. 4 SGG rechtkräftig.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
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