L 7 SB 46/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 5 SB 4/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 46/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Herabstufung eines Grades der Behinderung (GdB) von 60 auf 40 mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2005 zu Recht erfolgt ist.

Der am ... 1951 geborene Kläger erlitt im März 2003 einen Hirninfarkt und beantragte am 16. Februar 2004 die Feststellung von Behinderungen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Der Beklagte holte einen Befundschein des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P. vom März 2004 ein. Nach dessen Einschätzung entspreche der organische Befund den beigefügten Feststellungen der Fachärztin für Neurologie F. vom 17. Dezember 2003 für die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt. Diese habe den Kläger in psychischer Hinsicht als bewusstseinsklar und gut orientiert bezeichnet. Beim Kurztest zur Erfassung von Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen (SKT) sei nichts aufgefallen. Der Test zur Ermittlung einer Depression (ADS-L) habe 41 Punkte ergeben und eine klinische relevante Depression bestätigt. Nach der plötzlichen Trennung von der Ehefrau sei beim Kläger aktuell von einer depressiven Episode mit einer akuten Exacerbation (Verschlimmerung) auszugehen. In einem beigefügten Reha-Entlassungsbericht der M. Klinik M. vom 23. Mai 2003 berichtete Prof. Dr. S. von einer stationären Behandlung des Klägers vom 10. April bis 22. Mai 2003. Diagnostisch lägen eine armbetonte Hemiparese links, Sensibilitätsstörungen, ausgeprägte feinmotorische Störungen der linken Hand, eine leichte Gangunsicherheit sowie der Verdacht auf Gedächtnisstörungen vor. Der psychische Befund sei unauffällig. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. S. berichtete in einem Arztbrief vom 12. Juli 2003 über ein Langzeit-EKG vom 2. Juli 2003. Hiernach seien 56 ventriculäre Extrasystolen und 253 supraventriculäre Extrasystolen aufgetreten. Die Chefärztin der Neurologischen Klinik des S. Klinikums Privatdozentin Dr. S. berichtete in einem weiteren Arztbrief vom 7. August 2003 über einen stationären Aufenthalt vom 17. August 2003 bis 26. Juni 2003. Sie diagnostizierte:

Verdacht auf somatoforme Störung, organisch depressive Störung,

Zustand nach Infarkt im Bereich der A. cerebri media rechts (April 2003),

Zustand nach Herzinfarkt bei KHK,

Metabolisches Syndrom mit latentem Diabetes mellitus, Hyperlipidämie,

Hypertonie.

Der neurologische Befund habe eine linksseitige Resthemiparese sowie eine leichte Hypästhesie (verminderte Empfindlichkeit) ergeben. Der Kläger wirke gedrückt und wenig schwingungsfähig. In einem Entlassungsbericht des M. Klinikum F. (stationärer Aufenthalt vom 27. Januar bis 30. März 2004) diagnostizierte der Ärztliche Direktor Dr. Dr. R. unter dem 13. April 2004:

Hirninfarkt mit Hemiparese links (März 2003),

Myokardinfarkt (Dezember 1998), PTCA und Stentimplantation des RCA (Dezember 1998), des RIVA Juni 2001,

schwere reaktive Depression,

Nikotinabusus.

Der Kläger habe angegeben, er sei physisch und psychisch nur noch vermindert belastbar. Aufgrund des ersten Hirninfarkts (März 2003) seien eine deutliche Kraftminderung links, ein Taubheitsgefühl und eine Steifigkeit im linken Bein verblieben. Das Gehen sei linksseitig unsicher, wobei er außerdem verschwommenes Sehen sowie einen Druck und ein Brennen auf dem rechten Auge angegeben habe. Die Gedächtnis- und Merkfähigkeitsleistungen seien reduziert. Die beim zweiten Hirninfarkt (Juni 2003) aufgetretene Hemiparese auf der rechten Seite sei vollständig rückläufig und lediglich ein Taubheitsgefühl und Kribbelempfindungen verblieben. Eine Fahrradergometrie vom 26. März 2004 sei bis 100 Watt durchgeführt und wegen eines Druckgefühls in Hals und Kopf abgebrochen worden. Nach dem neuropsychologischen Befund (27. März 2004) habe anfänglich eine erhebliche reaktive Depression bestanden. Sichtlich erschöpft habe der Kläger mit ausgesprochen unklarer Gedankenführung seine Situation geschildert. Durch den Eintritt der Arbeitslosigkeit, das Auftreten seiner Erkrankung und durch die Trennung von seiner Ehefrau vor drei Monaten, die finanzielle Forderungen stelle, sei er seelisch vollkommen am Ende, schlafe schlecht und leide an zahlreichen Symptomen (Kopfschmerz; Schwindel; Stechen in der Brust). Es zeigten sich ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitszüge, verbunden mit einem sehr hohen Ich-Ideal und hohen Erwartungen an die eigene Leistungsfähigkeit. Dies habe in der Vergangenheit zu einer extremen beruflichen Überlastung geführt. Infolge des Hirninfarkts und den damit verbundenen Leistungsdefiziten sei es zu ausgeprägten Insuffizienzängsten und zu depressiven Symptomen gekommen. Bei der Entlassung habe nur noch eine leichte Depression vorgelegen. Testpsychologische Untersuchungen hätten keine Konzentrations- und Gedächtnisdefizite bestätigt. Trotz der Besserung der Depression sei noch eine längere Rekonvaleszenzzeit von fünf bis sechs Monaten zu empfehlen. Bei der Entlassung habe noch eine Arbeitsunfähigkeit bestanden. Eine ambulante Psychotherapie sei dringend notwendig. Der Versorgungsarzt MR Dr. S. sprach sich in Auswertung dieser Befunde für einen Gesamt-GdB von 60 aus. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Juni 2004 ab dem 16. Februar 2004 einen Grad der Behinderung vom 60 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen lägen vor:

psychische Störung (Einzel-GdB 50)

Resthemiparese linksseitig, Feinmotorikstörung der linken Hand, Minderung der Belastbarkeit bei Hirndurchblutungsstörung (Einzel-GdB 30).

Im April 2005 führte der Beklagte ein Überprüfungsverfahren durch und holte erneut einen Befundbericht von Dr. P. ein. Dieser übersandte einen Reha-Entlassungsbericht der B. Bad K. vom 22. April 2005 (stationärer Aufenthalt vom 15. März 2005 bis 19. April 2005). Darin diagnostizierte der Chefarzt B.:

Dysthymia,

Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen,

Undifferenzierte Somatisierungsstörung,

Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabakabhängigkeitssyndrom,

Zustand nach Hirninfarkt (März 2003) mit noch leichter Halbseitensymptomatik.

Nach der Psychologischen Testdiagnostik habe sich der BDI (Beck-Depressionsinventar) von anfangs 28 (klinisch relevant) auf 14 reduziert, was als milde bis mäßige Ausprägung einer depressiven Symptomatik gewertet werden könne. Zunächst habe der Kläger auf eine Verlängerung der Maßnahme gedrängt, weil er eine Gewichtsreduktion sowie eine Nikotinkarenz habe erreichen wollen. Während der Behandlung habe er eine Mitpatientin kennengelernt und die Absicht geäußert, mit dieser zusammenziehen. Nach Entlassung der Mitpatientin habe er auf eigenen Wunsch die um 14 Tage verlängerte Maßnahme gegen ärztlichen Rat abgebrochen. Als Heizungsinstallationsmeister sei der Kläger arbeitsunfähig, könne jedoch überwiegend sitzende leichte Tätigkeiten mit gewissen Einschränkungen vollschichtig bewältigen. Sich selbst halte er für weiterhin arbeitsunfähig und empfinde es als angenehm, wenn er eine Rente erhalte. Insgesamt seien von ihm immer wieder Versorgungswünsche thematisiert worden. Unter dem 6. September 2005 hielt der Versorgungsarzt Dr. G. eine Besserung der psychischen Erkrankung für nachgewiesen und die aktuelle Symptomatik von einem Rentenbegehren überlagert. Zusammenfassend sei der Gesamt-GdB auf nur noch 40 einzuschätzen.

Mit Schreiben vom 19. September 2005 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 40 an. Mit Bescheid vom 16. November 2005 hob er den Bescheid vom 21. Juni 2004 auf und stellte ab dem 1. Dezember 2005 einen GdB von 40 fest. Die Einzelbehinderungen bewertete er hierbei wie folgt:

psychische Gesundheitsstörung (Einzel-GdB 30)

Reststörung der linken Körperseite und allgemeine Minderung der psychischen Belastbarkeit nach Schlaganfall (Einzel-GdB 30).

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, sein Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Der Beklagte holte einen Befundschein von Dr. P. vom 15. März 2006 und von der Diplom-Psychologin G. vom 24. April 2006 ein. Dr. P. gab an: Beim Kläger bestehe eine linksseitige Hemiparese, die mit einer Verminderung der groben Kraft verbunden sei. Beim Laufen träten Gangunsicherheiten auf, die äußerlich jedoch nicht imponierten. Der Kläger sei verlangsamt und habe Konzentrationsschwierigkeiten, zeitweise Wortfindungsstörungen, Schwindel, pektanginöse Beschwerden sowie Kopfschmerzen insbesondere bei körperlicher und psychischer Belastung angegeben. Der klinische Untersuchungsbefund sei unauffällig (RR 130/80 mmHg). Die Diplom-Psychologin G. berichtete, der Kläger habe sie nach der Reha-Kur im Jahr 2005 wieder aufgesucht. Der psychische Befund sei im Wesentlichen unverändert. Der Kläger fühle sich durch seine Beschwerden wertlos und überflüssig. Er sei dysphorisch (missgelaunt, gereizt) gestimmt und befinde sich zeitweise in einer mittelgradigen depressiven Episode. Eine ambulante Psychotherapie sei derzeit nicht erfolgversprechend. Der Kläger solle zunächst zur Ruhe kommen und sein sozialgerichtliches Verfahren abschließen. Der Versorgungsarzt Dr. G. wertete diese Befunde unter dem 18. Juli 2006 aus und gab an: Auffällig sei die Diskrepanz zwischen den vom Kläger geschilderten Beschwerden und den objektivierbaren Befunden. Er sei auf seine Beschwerden fixiert, wobei keiner der Untersucher alle Angaben, z.B. Gangstörungen oder Wortfindungsdefizite, habe bestätigen können. Die Rest-Halbseitenlähmung sei mit einem Einzel-GdB von 30 eher hoch veranschlagt und berücksichtige dabei auch subjektive Beschwerden. Auf Nachfrage des Beklagten, ob eine Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers hinreichend belegt sei, erstellte die Versorgungsärztin S. eine prüfärztliche Stellungnahme vom 11. Oktober 2006 und führte aus: Nach der Reha-Maßnahme in Flechtingen im Jahr 2004 habe beim Kläger noch eine schwere reaktive Depression bestanden und sei ein lang andauernder Erkrankungsverlauf prognostiziert worden. Dies habe einen Einzel-GdB von 50 auf psychischem Gebiet gerechtfertigt. Im weiteren Behandlungsverlauf seien deutliche Versorgungswünsche hinzugetreten. Die vom Kläger geklagten Symptome seien teilweise (z.B. Wortfindungsstörungen) nicht verifizierbar. Nach Einschätzung der Ärztin der Reha-Einrichtung im Jahr 2005 sei der Kläger für den allgemeinen Arbeitsmarkt wieder arbeitsfähig. Die Herabsetzung des Gesamt-GdB von 60 auf 40 sei daher zutreffend. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 13. November 2006 Klage beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhoben. Das SG hat medizinische Unterlagen aus dem rentenversicherungsrechtlichen Klageverfahren des Klägers (Az.: S 2 R 596/05) beigezogen. In einem darin enthaltenen Befundbericht vom 22. Januar 2006 hat Dr. P. angegeben: Sollten sich bei der ausstehenden Myokardszintigraphie keine kardialen Veränderungen zeigen, sei der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar. Sein Problem scheine mehr in einer Angstpsychose zu liegen. Er befürchte, von einer erneuten Erkrankung überrascht zu werden. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. S. hat unter dem 28. Januar 2006 berichtet: Ein Belastungs-EKG vom 5. September 2005 habe nur zu einer Belastbarkeit von 75 Watt geführt. Daraufhin sei eine Myocardszintigraphie veranlasst worden. Diese habe den Nachweis eines Infarktes im Hinterwandbereich ergeben. Hinweise für eine Myocardischämie bestünden dagegen nicht. Seit dem Jahr 2001 habe sich der Befund nicht geändert. Aus internistischer Sicht sei eine leichte Tätigkeit von sechs Stunden möglich. Ob dies auch auf psychiatrischem Fachgebiet gelte, könne abschließend nicht beurteilt werden. Den Rentenunterlagen lag u.a. ein nervenärztliches Gutachten von Dr. B. (J. Krankenhaus D.) vom 13. November 2006 (Untersuchung vom 28. August 2006) bei. Hiernach habe der Kläger gegenüber dem Sachverständigen angegeben: Er habe bis zum Jahr 2001 als Installationsmeister gearbeitet. In den Jahren 1998 und 2001 habe er Herzinfarkte erlitten. Derzeit lebe er in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung mit einer Frau, die er während einer Kur kennengelernt habe. Sie sei aber nicht seine Freundin. Er habe nur zwei Freunde, bei denen es sich eher um Bekannte handele. Zur Psychologin G. gehe er ein bis zwei Mal im Monat. Die Gespräche bei ihr beruhigten ihn, verbesserten seine Kompromissbereitschaft und würden ihm helfen, eine andere Sicht auf das Leben zu bekommen. Bei einem Nervenarzt sei er nicht in Behandlung und nehme auch keine Antidepressiva. Zum Untersuchungsbefund hat der Sachverständige angegeben: Der Kläger sei in einem guten Allgemein- und Kräftezustand bei übermäßigem Ernährungszustand. Er habe sich im Gespräch angemessen und gut mitteilsam gezeigt. Merkfähigkeit, Gedächtnis, Auffassungs- und Konzentrationsvermögen seien erhalten. Er habe wegen seiner Erkrankungen Angst vor dem Alleinsein. Gelegentlich träten Gedanken des Lebensüberdrusses auf. Auf nervenärztlichem Gebiet bestehe eine anhaltende ängstlich-depressive Störung in Form einer Dysthymia und eine leichte sensomotorische Linksseitensymptomatik nach einem Hirninfarkt. Die Dysthymia äußere sich in einer chronischen depressiven Verstimmung mit wechselndem Verlauf und sei derzeit nur leichten Grades. Die Erkrankung sei mit Ängsten, Schlafstörungen, vegetativer Symptomatik in Form von Kopfschmerzen, Hitzewallungen, Schwindel sowie Gedanken von Lebensüberdruss verbunden. Daneben bestünden eine leichte sensomotorische Linksseitensymptomatik in Form von Sensibilitätsstörungen und leichte Feinmotorikstörungen links sowie Schwindel und Kopfschmerzen, die aber durch die Dysthymia mitverursacht würden. Der Kläger sei für eine leichte Tätigkeit mit gewissen Einschränkungen vollschichtig arbeitsfähig. Eine ambulante nervenärztliche und psychopharmakologische Therapie könne den Gesundheitszustand in weniger als einem Jahr bessern.

Das SG hat mit Beschluss vom 31. Januar 2007 das Verfahren ruhend gestellt. Im Jahr 2010 hat der Kläger dieses Verfahren wieder aufgenommen und am 2. Februar 2010 beim Beklagten einen Neufeststellungsantrag gestellt. Nach medizinischen Ermittlungen lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 8. Juni 2010 ab. Mit Urteil vom 28. Juli 2010 hat das SG die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen mit einem auf psychischem Gebiet gebesserten Gesundheitszustand begründet.

Gegen das ihm am 12. August 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. September 2010 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung von Rechtsanwalt B. beantragt. Mit Schreiben vom 17. Mai 2011 hat der Berichterstatter nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse Zweifel an den Erfolgsaussichten der Berufung geäußert, da es sich hier um einen reinen Anfechtungsfall handele. Dabei komme es maßgeblich auf den gesundheitlichen Zustand des Klägers zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (16. Oktober 2006) an. Nach vorläufiger Bewertung der bereits vom SG eingeholten und offenbar vollständigen medizinischen Unterlagen sprächen zahlreiche Gesichtspunkte für eine wesentliche Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse im Zeitraum zwischen 2004 und Oktober 2006 auf psychischem Gebiet, die eine Herabstufung des GdB von 60 auf 40 rechtfertigen könnten. Der Kläger hat dieser Bewertung widersprochen und geltend gemacht: Zu Unrecht hätten die Gutachter bei ihm Versorgungswünsche vermutet. Schließlich habe er seit Jahren eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und später sogar eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhalten.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. Juli 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 16. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtenen Bescheide und das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Mit Beschluss vom 5. September 2011 hat der Senat die Bewilligung von PKH abgelehnt. Die dagegen gerichtete Gegenvorstellung des Klägers sowie sein erneuter PKH-Antrag blieben ohne Erfolg (Beschluss vom 28. Oktober 2011).

Am 3. November 2011 haben sich der Beklagte und am 14. Dezember 2011 der Kläger mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die Berufung ist nach § 143 SGG statthaft und gemäß § 141 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist die isolierte Anfechtungsklage des Klägers gemäß § 54 Abs. 1 SGG gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Daher bezieht sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 16. Oktober 2006 (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 6/02 R mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Die Berufung ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den Bescheid vom 21. Juni 2004 aufgehoben und den GdB ab dem 1. Dezember 2005 mit 40 festgestellt. Bei dem angefochtenen Bescheid handelt es sich um einen Herabsetzungsbescheid gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), mit dem der im Bescheid vom 21. Juni 2004 bindend festgestellte GdB von 60 auf 40 herabgesetzt worden ist.

Der Bescheid des Beklagten vom 16. November 2005 ist formell rechtmäßig. Das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 19. September 2005 erfüllt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 24 SGB X. Die angefochtenen Bescheide sind materiell rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat zutreffend den Gesamt-GdB wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X von 60 auf 40 herabgesetzt. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, vorliegend der Bescheid vom 21. Juni 2004, aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine solche Änderung im Ausmaß der Behinderung ist u. a. nach Nr. 24 Abs. 2 (S. 34) der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) 2004 gegeben, wenn der Vergleich des gegenwärtigen mit einem verbindlich festgestellten Gesundheitszustand eines Klägers eine GdB-Differenz von mindestens 10 ergibt. Als Grundlage für die Beurteilung der nach diesen Bestimmungen erheblichen medizinischen Sachverhalte dienten der Praxis die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", deren Ausgabe von 1996 vom damaligen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegeben wurde. Unter dem Titel "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" wurde 2004 eine nur in Einzelheiten geänderte neue Ausgabe herausgegeben. Die Änderungen wirken sich auf den vorliegenden Fall nicht aus. Diese Anhaltspunkte haben zwar keine Normqualität, sind aber nach ständiger Rechtsprechung des für das Versorgungs- und Schwerbehindertenrecht zuständigen Senats des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung in ihrer jeweiligen Fassung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. Urt. v. 18. 9. 2003 – B 9 SB 3/02 RSozR 4-3250 § 69 Nr.2, S.10 ff.; v. 9. 4. 1997 – 9 RVs 4/95SozR 3-3870 § 4 Nr.19, S.77, jeweils m.w.N.).

Dabei ist auf den Gesundheitszustand des Klägers und die dadurch bedingten Funktionsbehinderungen zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2006, abzustellen und dieser Zustand mit dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Erstbescheides, hier des Bescheides vom 21. Juni 2004, zu vergleichen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 – 9/9a RVs 1/92, zitiert nach juris). Danach ist hier eine wesentliche Verbesserung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eingetreten.

Für die Feststellung der Höhe des GdB zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung sind die Bestimmungen des am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) anzuwenden. Die nachfolgenden Änderungen des SGB IX, insbesondere die des § 69 durch das Gesetz vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606), wirken sich auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht aus. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschriften knüpfen materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in der Satzzählung der am 28. April 2004 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX n. F. gelten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Danach ist der GdB nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen sind. Wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen – bzw. Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft – vorliegen, wird nach Absatz 3 Satz 1 des § 69 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festgestellt.

Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdB/MdE-Tabelle der Anhaltspunkte (Nr. 26) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle in Nr. 26.1 (S. 37) sind die dort genannten GdB/MdE-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 18 Abs. 4 genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Nr. 26 Abschnitt 1).

Nach Ansicht des Senats hat sich der Gesundheitszustand des Klägers gerade auf psychiatrischem Gebiet im maßgeblichen Prüfungszeitraum zwischen dem 16. Februar 2004 (Bescheid vom 21. Juni 2004) und dem 1. Dezember 2005 wesentlich gebessert. Diese wesentliche Änderung rechtfertigt die Entscheidung des Beklagten, den Gesamt-GdB von 60 auf 40 herabzusetzen.

1. Das Hauptleiden des Klägers ist dem Funktionssystem "Gehirn und Psyche" zuzuordnen und wird durch eine psychische Erkrankung sowie die Auswirkungen des Hirninfarkts wesentlich geprägt.

a) Die psychiatrische Erkrankung hat sich in der Zeit zwischen 2004 und 2005 nach den vorhandenen medizinischen Befunden verbessert und ist mit einem Einzel-GdB von höchstens 30 statt wie zuvor mit 50 zu bewerten.

Nach Nr. 26.3. der AHP 2004 (S. 48) ist für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen ein Bewertungsrahmen von 0 bis 20 vorgesehen. Stärkere behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) sind mit einem Einzelgrad von 30 bis 40 zu bewerten. Bei schweren Störungen (z.B. schwere Zwangserkrankung) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen ist der GdB-Rahmen auf 50 bis 70 zu erhöhen.

Zunächst hat der Beklagte zu Recht die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers ab dem 16. Februar 2004 wegen des psychischen Leidens mit einem Einzel-GdB von 50 bewertet. Zum Zeitpunkt des Ausgangsbescheides vom 21. Juni 2004 bestand beim Kläger im Zeitraum Januar bis Februar 2004 eine schwere reaktive Depression mit unklarer Prognose (vgl. Entlassungsbericht des M. Klinikum F. vom 13. April 2004). Aufgrund der damals deutlichen depressiven Symptome war der weitere Erkrankungsverlauf zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher prognostizierbar. So empfahl Dr. Dr. R. in seinem Bericht von April 2004 zur weiteren Abklärung der Entwicklung eine längere Rekonvaleszenzzeit von fünf bis sechs Monaten und hielt den Kläger bis auf weiteres für arbeitsunfähig. Bei der Aufnahme im Klinikum F. wurde er noch als sichtlich erschöpft und mit ausgesprochen unklarer Gedankenführung beschrieben. Zudem befand sich der Kläger im Frühjahr 2004 auch nach seinem sozialen Umfeld in einer akuten sozialen Belastungssituation. Zu der Erkrankung waren die Arbeitslosigkeit sowie die Trennung von der Ehefrau wegen deren neuen Partnerschaft mit einem ehemaligen Arbeitskollegen hinzugetreten. Dies wurde von ihm als schwere Kränkung empfunden und löste eine akute Krisensituation aus. Ferner stellte seine Frau erhebliche finanzielle Forderungen an ihn und bedrohte so seine finanzielle Existenz. Allerdings besserten sich die psychiatrischen Befunde des Klägers im weiteren Verlauf deutlich (Reha-Entlassungsbericht der B. vom 22. April 2005). Dort findet sich auf psychiatrischem Gebiet kein Hinweis mehr auf eine schwere depressive Reaktion, sondern nur noch die Diagnose einer Dysthymia. Offenbar sah sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt auch wieder in der Lage, soziale Kontakte aufzubauen. So hat er in der Reha-Einrichtung eine Patientin kennengelernt und mit ihr gemeinsame Pläne geschmiedet. Gegen ärztlichen Rat brach er die Reha-Maßnahme ab und zog mit der Patientin zusammen. Die Diagnose einer Dysthymia, einer Verstimmung oder leichten Depression wird auch in dem nervenärztliches Gutachten von Dr. B. vom 13. November 2006 bestätigt. Für eine deutliche Besserung des psychischen Gesundheitszustandes sprechen auch die jeweiligen Leistungseinschätzungen aus den Jahren 2005 und 2006. Während im Jahr 2004 der Ärztliche Direktor Dr. Dr. R. im M. Klinikum F. den Kläger für arbeitsunfähig gehalten hatte, finden sich von ihm ab 2005 deutlich verbesserte Leistungseinschätzungen. Sowohl der Chefarzt B. (B.) als auch der Sachverständige Dr. B. haben den Kläger übereinstimmend – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – für wieder voll arbeitsfähig gehalten und stützen damit die Annahme des Beklagten, von einem verbesserten Gesundheitszustand ausgehen zu können.

b. Als weiteres Hauptleiden des Klägers besteht ein Hirninfarkt und die sich daraus ergebende Folgen. Dies betrifft ebenfalls das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche". Hierfür hält der Senat einen Einzel-GdB von höchstens 30 für gerechtfertigt.

Nach den AHP 2004 (Nr. 26.3, S. 40 ff.) ist für die Beurteilung des Behinderungsgrades bei Hirnschäden das Ausmaß der bleibenden Ausfallerscheinungen bestimmend. Dabei müssen der neurologische Befund, die Ausfallerscheinungen im psychischen Bereich und ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen beachtet werden. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommt ein Bewertungsrahmen des GdB von 20 bis 100 in Betracht. Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung werden mit einem Behinderungsgrad von 30 bis 40, Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung mit 50 bis 60 und Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung mit 70 bis 100 bewertet (AHP 2004, Nr. 26.3, S. 41 f.). Sofern der Hirnschaden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Symptomen (Hirnschäden mit psychischer Störung, zentrale vegetative Störungen, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, kognitive Leistungsstörungen, zerebral bedingte Teillähmungen, Parkinson-Syndrom, Epileptische Anfälle) verbunden ist, kommen jeweils spezielle Bewertungsmaßstäbe zur Anwendung (AHP 2004, Nr. 26.3, S. 42 ff.).

Danach ist beim Kläger von einer leichte sensomotorische Linksseitensymptomatik nach einem Hirninfarkt und einer leichten Feinmotorikstörung sowie von Schwindel und Kopfschmerz auszugehen und ab dem 1. Dezember 2005 ein Einzel-GdB von höchstens 30 gerechtfertigt. So beschreibt der Chefarzt B. (B., Bad K.) die Auswirkungen des Hirninfarkts mit einem Zustand nach Hirninfarkt (März 2003) sowie mit einer noch verbliebenen leichten Halbseitensymptomatik. Dies bestätigt auch Dr. B. in seinem Gutachten vom 13. November 2006, der nach genauer Untersuchung die oben genannten Diagnosen gestellt hat. Hierbei darf die Dysthymia, die bereits als psychische Erkrankung berücksichtigt worden ist und diese Symptome mitverursacht, nicht doppelt bewertet werden. Die vom Kläger angegebenen erheblichen Störungen beim Gehen, in der Wortfindung sowie in den Gedächtnis- und Konzentrationsleistungen konnten nach übereinstimmender Ansicht der beteiligten Ärzte nicht bestätigt werden. Angesichts der eher geringen neurologischen Auswirkungen des Hirninfarkts sowie der bereits einbezogenen Einflussnahme der Dysthymia auf das psychische Erkrankungsbild ist ein Einzel-GdB von 30 bereits sehr großzügig und kann keinesfalls noch höher bewertet werden. Fasst man beide Leiden dieses Funktionssystems zusammen ist kein höherer GdB als 40 zu rechtfertigen. Dabei wird berücksichtigt, dass die neurologischen Einschränkungen nur gering ausgeprägt sind und viele der vom Kläger angegebenen Begleitsymptome von den Ärzten nicht bestätigt werden konnten.

2. Die beim Kläger vorhandene koronare Dreigefäßerkrankung sowie der Zustand nach enzymatischem Myokardinfarkt und die Hypertonie betreffen das Funktionssystem "Herz und Kreislauf". Die Auswirkungen dieser Erkrankungen sind jedoch als gering anzusehen. In keinem Befund werden erhebliche internistische Leistungseinschränkungen beschrieben (vgl. z.B. Reha-Entlassungsbericht der B. vom 22. April 2005). Auch der Facharzt für Innere Medizin Dr. S. hat unter dem 28. Januar 2006 keine erheblichen Funktionseinschränkungen auf kardiologischem Gebiet berichtet. Angesichts dieser geringen Auswirkungen rechtfertigen diese Diagnosen daher allenfalls einen Einzel-GdB von 10 für dieses Funktionssystem.

3. Da bei dem Kläger Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren GdB vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Grad der Gesamtbehinderung zu ermitteln. Dafür sind wiederum die Grundsätze nach Nr. 19 der AHP (2004, S. 24 ff.) anzuwenden. Nach Abschnitt 3 ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt, und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.

Danach kann kein höherer GdB als 40 festgestellt werden. Das Hauptleiden des Klägers betrifft die Psyche bzw. das Hirn und konzentriert sich damit auf ein Funktionssystem. Hierfür ist von einem Behinderungsgrad von insgesamt 40 auszugehen. Die daneben bestehenden Einschränkungen in dem Funktionssystem Herz und Kreislauf sind allenfalls mit einem Behinderungsgrad von 10 zu bewerten. Nach den AHP Nr. 19 Abs. 4 (2004, S. 26) führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Behinderungsgrad von 10 bedingen, von hier fern liegenden Ausnahmen abgesehen, aber nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Die Annahme eines Behinderungsgrades von 40 durch den Beklagten in Gesamtschau aller Einzelbehinderungen ist daher angemessen. Ein höherer Gesamtgrad von 50 oder sogar 60 kann bis zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung daher nicht gerechtfertigt werden.

Letztlich widerspräche die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft dem nach den Anhaltspunkten zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Im Vergleich mit Gesundheitsschäden, zu denen feste Werte angegeben sind, ist bei dem Kläger ein höherer Gesamtgrad als 40 nicht gerechtfertigt. Die Gesamtauswirkung seiner verschiedenen Funktionsstörungen beeinträchtigt ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft insbesondere nicht so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nach § 160 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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