Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 21 R 5908/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 655/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die nachträgliche Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- bzw Pflegeversicherung (KV/PV) für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009.
Der 1938 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit 1. Februar 2003 Regelaltersrente (RAR). Mit Bescheiden vom 17. Februar 2003 hatte die Beklagte Zuschüsse zur KV/PV ab Rentenbeginn zuerkannt. Bis zum 29. Januar 2004 übte der Kläger eine selbständige Tätigkeit aus. Die beigeladene zuständige Innungskrankenkasse Brandenburg und Berlin, bei der der Kläger freiwillig versichert gewesen war, teilte ihm unter dem 9. Februar 2004 mit, dass er ab 31. Januar 2004 zu den pflichtversicherten Rentnern gehöre und zugleich pflegeversichert sei. Die Beiträge zur KV/PV würden vom Rentenversicherungsträger gezahlt.
Durch Meldung der zuständigen Kranken- und Pflegekasse wurde der Beklagten in der Folge mitgeteilt, dass der Kläger ab 31. Januar 2004 in der KV/PV der Rentner versicherungspflichtig sei. Mit Bescheid vom 30. September 2009 stellte die Beklagte die RAR rückwirkend neu fest, wobei sie Pflichtbeiträge zur KV/PV ab 1. Januar 2005 in Ansatz brachte (Überzahlungsbetrag für die Zeit vom 31. Januar 2004 bis 31. Oktober 2009 = 13.822,92 EUR). In der Anlage zum Bescheid führte die Beklagte weiter aus, es sei beabsichtigt, die rückständigen Beiträge zur KV/PV für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 iHv 7.374,50 EUR aus der laufenden Rente einzubehalten, ferner die Bewilligung der Zuschüsse zur KV/PV mit Wirkung vom 31. Januar 2004 aufzuheben und die Erstattung zu Unrecht gezahlter Zuschüsse iHv 6.448,42 EUR zu fordern.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2009 hob die Beklagte die Bescheide vom 17. Februar 2003 mit Wirkung vom 31. Januar 2004 auf und forderte die Erstattung zu Unrecht für die Zeit vom 31. Januar 2004 bis 31. Oktober 2009 gezahlter Beitragszuschüsse iHv 6.448,42 EUR. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2009 verlautbarte die Beklagte die Einbehaltung der rückständigen KV/PV-Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 iHv 7.374,50 EUR nach § 255 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Die Beitragsforderung werde nach Tilgung der Forderung aus dem Bescheid vom 15. Oktober 2009 gegen die laufende Rentenzahlung verrechnet. Die Beitragsforderungen bis 31. Dezember 2004 seien verjährt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2009 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 30. September 2009, 15. Oktober 2009 und 18. Oktober 2009 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Bescheid vom 30. September 2009 und den Bescheid vom 15. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2009 aufgehoben, "soweit darin für die Zeit vom 31. Januar 2004 bis 31. Oktober 2009 gezahlte Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 6.448,42 Euro zurückgefordert werden", und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 19. Mai 2011). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei im tenorierten Umfang begründet. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die für die Zeit vom 31. Januar 2004 bis 31. Oktober 2009 gezahlten Beitragszuschüsse zur KV/PV zurückzufordern. Die Voraussetzungen einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 4 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) seien nicht erfüllt. Dem Kläger sei keine grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Soweit die Beklagte gemäß § 255 SGB V iVm § 60 Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) rückständige KV/PV-Beiträge nachfordere, sei die Klage indes nicht begründet.
Mit der Berufung wendet sich der Kläger (nur) noch gegen den Bescheid vom 30. September 2009 hinsichtlich der nachträglichen Veranlagung zu Pflichtbeiträgen in der KV/PV und den Bescheid vom 19. Oktober 2009. Ergänzend trägt er vor: Er genieße Vertrauensschutz. Die nachträgliche Einbehaltung von KV/PV-Pflichtbeiträgen könne nur in teilweiser Änderung der zuvor ergangenen Rentenbescheide erfolgen. Entsprechende Aufhebungsentscheidungen der Beklagten seien jedoch nicht erfolgt. Zudem habe keine Anhörung stattgefunden. Der Bescheid vom 19. Oktober 2009 sei zudem unbestimmt.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2011 zu ändern und den Bescheid vom 30. September 2009, soweit die Beklagte ihn darin zur Abführung von Pflichtbeiträgen zur Kranken -und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 veranlagt hat, sowie den Bescheid vom 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG); soweit das SG den Bescheid vom 30. September 2009 und den Bescheid vom 15. Oktober 2009 aufgehoben hat, ist das Urteil nicht angefochten und daher rechtskräftig.
Die Berufung des Klägers, mit der er sich nach seinem Vorbringen und bei verständiger Würdigung mit der statthaften isolierten Anfechtungsklage (nur) noch gegen die nachträgliche Erhebung von Pflichtbeiträgen zur KV/PV für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 wendet, ist nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden vom 30. September 2009 – im hier noch streitigen Umfang - und 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2009 zu Recht Beiträge des Klägers zur KV/PV für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 in einer Gesamthöhe von 7.374,50 EUR erhoben und deren nachträgliche Einbehaltung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V iVm § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI verlautbart.
Die Festsetzung der Beitragspflicht zur KV/PV durch die Beklagte für – den hier allein streitigen – Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 und die festgesetzte Höhe der Beiträge sind nicht zu beanstanden. Als Rentenversicherungsträger ist die Beklagte bei Rentnern, die – wie der Kläger mit Wirkung vom 31. Januar 2004 – in der KV/PV pflichtversichert sind, für die Entscheidung über die Tragung und Höhe der Beiträge, die nach den §§ 255 Abs. 1 SGB V, 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI einzubehalten sind, sachlich zuständig (vgl BSG SozR 3-2500 § 247 Nr 2; BSG, Urteil vom 18. Juli 2007 – B 12 R 21/06 R = SozR 4-2500 § 241a Nr 1; für die PV BSG, Urteil vom 29. November 2006 – B 12 RJ 4/05 R = SozR 4-3300 § 59 Nr 1). Die Beitragspflicht des Klägers zur KV ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V iVm § 237 SGB V. Der KV-Beitrag bemisst sich nach dem allgemeinen Beitragssatz der Beigeladenen (vgl § 247 SGB V) und ist von dem Kläger und der Beklagten jeweils zur Hälfte zu tragen (vgl § 249 SGB V). Die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung eines – allein von ihm zu tragenden (vgl § 249a SGB V) - zusätzlichen KV-Beitrags iHv 0,9 vH für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2008 folgt aus § 241a SGB V in der bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung. Auch Einbehalt und Abführung des zusätzlichen KV-Beitrags nach § 241a SGB V oblagen als Teil des gesamten KV-Beitrags der Beklagten (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 18. Juli 2007 – B 12 R 21/06 R -). Die Tragung des zusätzlichen Beitrags begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl BSG aaO). Den aus der Rente zu bemessenden Beitrag zur PV hat der Kläger ebenfalls allein zu tragen. Als pflichtversicherter Rentner war er im streitigen Zeitraum nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 11 SGB XI versichertes Mitglied der sozialen Pflegeversicherung. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI idF von Art. 6 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3013) haben Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung die mit der Beitragspflicht zur PV verbundene Beitragslast allein zu tragen. Für den Kläger waren dies in dem in Rede stehenden Zeitraum 1,7 vH und ab 1. Juli 2008 1,95 vH (vgl § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Die alleinige Beitragstragung ist auch insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BSG, Urteil vom 29. November 2006 – B 12 RJ 4/05 R -).
Auf ein etwaiges Verschulden der Beklagten und/oder der Beigeladenen kommt es im Hinblick auf die rückwirkende Veranlagung zur Tragung von Pflichtbeiträgen nach § 255 Abs. 1 SGB V aus der RAR des Klägers jedenfalls bei nicht verjährten Beiträgen – wie hier - nicht an (vgl schon BSG, Urteil vom 23. März 1993 – 12 RK 62/92 – juris), so dass sich der Kläger nicht darauf berufen kann, der Beklagten sei es nach Treu und Glauben verwehrt, die Beitragsforderungen geltend zu machen. Auch auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist die Beklagte nicht verpflichtet, von der Beitragsfestsetzung und –erhebung abzusehen. Denn die Herstellung bzw Beibehaltung eines rechtswidrigen Zustandes kann insoweit nicht geltend gemacht werden. Die von der Beklagten festgesetzten Beiträge zur KV/PV für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 waren auch nicht verjährt, was allein einer Geltendmachung der Beitragsansprüche entgegenstehen könnte. Denn für die Beitragsansprüche nach § 255 Abs. 1 SGB V gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV – (vgl BSG, Urteil vom 15. Juni 2000 – B 12 RJ 6/99 R – juris). Danach verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Die aus der RAR des Klägers für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 zu zahlenden Beiträge waren daher noch nicht verjährt.
Die Festsetzung der geltend gemachten Beiträge zur KV/PV ist ausgehend von einem allgemeinen Beitragssatz der Beigeladenen von 14,5 vH (1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005), 13,6 vH (1. Juli 2005 bis 30. September 2005), 13,4 vH (1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2008), 15,5 vH (1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009) bzw 14,9 vH (1. Juli 2009 bis 31. Oktober 2009), einem zusätzlichen KV-Beitrag von 0,9 vH für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2008 und einem PV-Beitrag von 1,7 vH (1. Juli 2006 bis 30. Juni 2008) bzw 1,95 vH (1. Juli 2008 bis 31. Oktober 2009) in einer Gesamthöhe von 7.374,50 EUR zutreffend erfolgt (vgl auch die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Januar 2012 vorgelegte Aufstellung vom 20. Januar 2012), wogegen der Kläger rechnerisch auch keine Einwände vorbringt. Die errechneten Beträge lassen sich im Übrigen bereits aus der Anlage 1 des Bescheides vom 30. September 2009 ersehen, so dass ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X nicht ersichtlich ist.
Weiteren Einschränkungen unterliegt die Nacherhebung grundsätzlich nicht, insbesondere nicht denen der §§ 44 ff. SGB X. Es handelt sich bei der Nacherhebung nämlich nicht um eine rückwirkende Herabsetzung der ohne Abzug der Beiträge ausgezahlten Rente, sondern um eine nachträgliche Erhebung der Beiträge durch Einbehaltung von der derzeit laufenden Rente. Die Rente selbst und ihre Berechnungselemente bleiben davon unberührt (so ausdrücklich BSG in SozR 2200 § 393a Nr. 3). Da mit der Nacherhebung kein Eingriff in bestehende Rechte erfolgt, ist eine Anhörung nach § 24 SGB X – anders als bei der Aufhebung der Bewilligung der Beitragszuschüsse - auch nicht erforderlich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die nachträgliche Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- bzw Pflegeversicherung (KV/PV) für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009.
Der 1938 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit 1. Februar 2003 Regelaltersrente (RAR). Mit Bescheiden vom 17. Februar 2003 hatte die Beklagte Zuschüsse zur KV/PV ab Rentenbeginn zuerkannt. Bis zum 29. Januar 2004 übte der Kläger eine selbständige Tätigkeit aus. Die beigeladene zuständige Innungskrankenkasse Brandenburg und Berlin, bei der der Kläger freiwillig versichert gewesen war, teilte ihm unter dem 9. Februar 2004 mit, dass er ab 31. Januar 2004 zu den pflichtversicherten Rentnern gehöre und zugleich pflegeversichert sei. Die Beiträge zur KV/PV würden vom Rentenversicherungsträger gezahlt.
Durch Meldung der zuständigen Kranken- und Pflegekasse wurde der Beklagten in der Folge mitgeteilt, dass der Kläger ab 31. Januar 2004 in der KV/PV der Rentner versicherungspflichtig sei. Mit Bescheid vom 30. September 2009 stellte die Beklagte die RAR rückwirkend neu fest, wobei sie Pflichtbeiträge zur KV/PV ab 1. Januar 2005 in Ansatz brachte (Überzahlungsbetrag für die Zeit vom 31. Januar 2004 bis 31. Oktober 2009 = 13.822,92 EUR). In der Anlage zum Bescheid führte die Beklagte weiter aus, es sei beabsichtigt, die rückständigen Beiträge zur KV/PV für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 iHv 7.374,50 EUR aus der laufenden Rente einzubehalten, ferner die Bewilligung der Zuschüsse zur KV/PV mit Wirkung vom 31. Januar 2004 aufzuheben und die Erstattung zu Unrecht gezahlter Zuschüsse iHv 6.448,42 EUR zu fordern.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2009 hob die Beklagte die Bescheide vom 17. Februar 2003 mit Wirkung vom 31. Januar 2004 auf und forderte die Erstattung zu Unrecht für die Zeit vom 31. Januar 2004 bis 31. Oktober 2009 gezahlter Beitragszuschüsse iHv 6.448,42 EUR. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2009 verlautbarte die Beklagte die Einbehaltung der rückständigen KV/PV-Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 iHv 7.374,50 EUR nach § 255 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Die Beitragsforderung werde nach Tilgung der Forderung aus dem Bescheid vom 15. Oktober 2009 gegen die laufende Rentenzahlung verrechnet. Die Beitragsforderungen bis 31. Dezember 2004 seien verjährt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2009 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 30. September 2009, 15. Oktober 2009 und 18. Oktober 2009 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Bescheid vom 30. September 2009 und den Bescheid vom 15. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2009 aufgehoben, "soweit darin für die Zeit vom 31. Januar 2004 bis 31. Oktober 2009 gezahlte Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 6.448,42 Euro zurückgefordert werden", und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 19. Mai 2011). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei im tenorierten Umfang begründet. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die für die Zeit vom 31. Januar 2004 bis 31. Oktober 2009 gezahlten Beitragszuschüsse zur KV/PV zurückzufordern. Die Voraussetzungen einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 4 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) seien nicht erfüllt. Dem Kläger sei keine grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Soweit die Beklagte gemäß § 255 SGB V iVm § 60 Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) rückständige KV/PV-Beiträge nachfordere, sei die Klage indes nicht begründet.
Mit der Berufung wendet sich der Kläger (nur) noch gegen den Bescheid vom 30. September 2009 hinsichtlich der nachträglichen Veranlagung zu Pflichtbeiträgen in der KV/PV und den Bescheid vom 19. Oktober 2009. Ergänzend trägt er vor: Er genieße Vertrauensschutz. Die nachträgliche Einbehaltung von KV/PV-Pflichtbeiträgen könne nur in teilweiser Änderung der zuvor ergangenen Rentenbescheide erfolgen. Entsprechende Aufhebungsentscheidungen der Beklagten seien jedoch nicht erfolgt. Zudem habe keine Anhörung stattgefunden. Der Bescheid vom 19. Oktober 2009 sei zudem unbestimmt.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2011 zu ändern und den Bescheid vom 30. September 2009, soweit die Beklagte ihn darin zur Abführung von Pflichtbeiträgen zur Kranken -und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 veranlagt hat, sowie den Bescheid vom 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG); soweit das SG den Bescheid vom 30. September 2009 und den Bescheid vom 15. Oktober 2009 aufgehoben hat, ist das Urteil nicht angefochten und daher rechtskräftig.
Die Berufung des Klägers, mit der er sich nach seinem Vorbringen und bei verständiger Würdigung mit der statthaften isolierten Anfechtungsklage (nur) noch gegen die nachträgliche Erhebung von Pflichtbeiträgen zur KV/PV für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 wendet, ist nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden vom 30. September 2009 – im hier noch streitigen Umfang - und 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2009 zu Recht Beiträge des Klägers zur KV/PV für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 in einer Gesamthöhe von 7.374,50 EUR erhoben und deren nachträgliche Einbehaltung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V iVm § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI verlautbart.
Die Festsetzung der Beitragspflicht zur KV/PV durch die Beklagte für – den hier allein streitigen – Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 und die festgesetzte Höhe der Beiträge sind nicht zu beanstanden. Als Rentenversicherungsträger ist die Beklagte bei Rentnern, die – wie der Kläger mit Wirkung vom 31. Januar 2004 – in der KV/PV pflichtversichert sind, für die Entscheidung über die Tragung und Höhe der Beiträge, die nach den §§ 255 Abs. 1 SGB V, 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI einzubehalten sind, sachlich zuständig (vgl BSG SozR 3-2500 § 247 Nr 2; BSG, Urteil vom 18. Juli 2007 – B 12 R 21/06 R = SozR 4-2500 § 241a Nr 1; für die PV BSG, Urteil vom 29. November 2006 – B 12 RJ 4/05 R = SozR 4-3300 § 59 Nr 1). Die Beitragspflicht des Klägers zur KV ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V iVm § 237 SGB V. Der KV-Beitrag bemisst sich nach dem allgemeinen Beitragssatz der Beigeladenen (vgl § 247 SGB V) und ist von dem Kläger und der Beklagten jeweils zur Hälfte zu tragen (vgl § 249 SGB V). Die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung eines – allein von ihm zu tragenden (vgl § 249a SGB V) - zusätzlichen KV-Beitrags iHv 0,9 vH für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2008 folgt aus § 241a SGB V in der bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung. Auch Einbehalt und Abführung des zusätzlichen KV-Beitrags nach § 241a SGB V oblagen als Teil des gesamten KV-Beitrags der Beklagten (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 18. Juli 2007 – B 12 R 21/06 R -). Die Tragung des zusätzlichen Beitrags begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl BSG aaO). Den aus der Rente zu bemessenden Beitrag zur PV hat der Kläger ebenfalls allein zu tragen. Als pflichtversicherter Rentner war er im streitigen Zeitraum nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 11 SGB XI versichertes Mitglied der sozialen Pflegeversicherung. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI idF von Art. 6 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3013) haben Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung die mit der Beitragspflicht zur PV verbundene Beitragslast allein zu tragen. Für den Kläger waren dies in dem in Rede stehenden Zeitraum 1,7 vH und ab 1. Juli 2008 1,95 vH (vgl § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Die alleinige Beitragstragung ist auch insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BSG, Urteil vom 29. November 2006 – B 12 RJ 4/05 R -).
Auf ein etwaiges Verschulden der Beklagten und/oder der Beigeladenen kommt es im Hinblick auf die rückwirkende Veranlagung zur Tragung von Pflichtbeiträgen nach § 255 Abs. 1 SGB V aus der RAR des Klägers jedenfalls bei nicht verjährten Beiträgen – wie hier - nicht an (vgl schon BSG, Urteil vom 23. März 1993 – 12 RK 62/92 – juris), so dass sich der Kläger nicht darauf berufen kann, der Beklagten sei es nach Treu und Glauben verwehrt, die Beitragsforderungen geltend zu machen. Auch auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist die Beklagte nicht verpflichtet, von der Beitragsfestsetzung und –erhebung abzusehen. Denn die Herstellung bzw Beibehaltung eines rechtswidrigen Zustandes kann insoweit nicht geltend gemacht werden. Die von der Beklagten festgesetzten Beiträge zur KV/PV für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 waren auch nicht verjährt, was allein einer Geltendmachung der Beitragsansprüche entgegenstehen könnte. Denn für die Beitragsansprüche nach § 255 Abs. 1 SGB V gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV – (vgl BSG, Urteil vom 15. Juni 2000 – B 12 RJ 6/99 R – juris). Danach verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Die aus der RAR des Klägers für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 zu zahlenden Beiträge waren daher noch nicht verjährt.
Die Festsetzung der geltend gemachten Beiträge zur KV/PV ist ausgehend von einem allgemeinen Beitragssatz der Beigeladenen von 14,5 vH (1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005), 13,6 vH (1. Juli 2005 bis 30. September 2005), 13,4 vH (1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2008), 15,5 vH (1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009) bzw 14,9 vH (1. Juli 2009 bis 31. Oktober 2009), einem zusätzlichen KV-Beitrag von 0,9 vH für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2008 und einem PV-Beitrag von 1,7 vH (1. Juli 2006 bis 30. Juni 2008) bzw 1,95 vH (1. Juli 2008 bis 31. Oktober 2009) in einer Gesamthöhe von 7.374,50 EUR zutreffend erfolgt (vgl auch die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Januar 2012 vorgelegte Aufstellung vom 20. Januar 2012), wogegen der Kläger rechnerisch auch keine Einwände vorbringt. Die errechneten Beträge lassen sich im Übrigen bereits aus der Anlage 1 des Bescheides vom 30. September 2009 ersehen, so dass ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X nicht ersichtlich ist.
Weiteren Einschränkungen unterliegt die Nacherhebung grundsätzlich nicht, insbesondere nicht denen der §§ 44 ff. SGB X. Es handelt sich bei der Nacherhebung nämlich nicht um eine rückwirkende Herabsetzung der ohne Abzug der Beiträge ausgezahlten Rente, sondern um eine nachträgliche Erhebung der Beiträge durch Einbehaltung von der derzeit laufenden Rente. Die Rente selbst und ihre Berechnungselemente bleiben davon unberührt (so ausdrücklich BSG in SozR 2200 § 393a Nr. 3). Da mit der Nacherhebung kein Eingriff in bestehende Rechte erfolgt, ist eine Anhörung nach § 24 SGB X – anders als bei der Aufhebung der Bewilligung der Beitragszuschüsse - auch nicht erforderlich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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