L 9 U 3508/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 4256/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3508/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Einstellung eines von der Beklagten eingeleiteten Feststellungsverfahrens zur Prüfung des Vorliegens von Berufskrankheiten (BKen) nach Nr. 1110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - "Erkrankungen durch Beryllium und seine Verbindungen" (BK 2110) - sowie Nr. 4107 der Anlage 1 zur BKV - "Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung und Verarbeitung von Hartmetallen" (BK 4107).

Nach Einleitung von Ermittlungen der Beklagten wegen Verdachts des Vorliegens einer BK 1110 und einer BK 4107 und Angaben des Klägers zu den angeschuldigten beruflichen Tätigkeiten sowie den Gesundheitsstörungen führte die Beklagte Ermittlungen zu den vom Kläger verrichteten beruflichen Tätigkeiten durch und unter anderem auch zu den erfolgten Vorsorgeuntersuchungen. Hierzu wurden auch ärztliche Äußerungen aus anderen Verfahren, u. a. Rentenverfahren, beigezogen. Nach Ermittlungen des Präventionsdienstes der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd (Bericht vom 25. März 2009) teilte die Beklagte dem Kläger mit, im Rahmen der medizinischen Ermittlungen sei eine medizinische Begutachtung erforderlich. Hierzu schlug sie dem Kläger mit Schreiben vom 01. April 2009 als Gutachter Prof. Dr. T., Prof. Dr. Nowak und Prof. Dr. Dr. Raithel vor.

Die Präventionsabteilung der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro gab am 15. April 2009 eine Stellungnahme zum Ergebnis ihrer Ermittlungen ab.

Auf den Gutachtervorschlag der Beklagten erklärte der Kläger zunächst, er sei "unter bestimmten Bedingungen bereit", sich bei Prof. Dr. T. untersuchen zu lassen, stimme aber bestimmten, näher benannten, Untersuchungen nicht zu. Außerdem müsse ein Toxikologe hinzugezogen werden. Falls ein "Neurologe-Psychiater" ihn untersuchen wolle, solle er ihm vorher seine "Strahlenermächtigung" nachweisen. Im Übrigen lehne er eine Begutachtung nur nach Aktenlage ab.

Mit Schreiben vom 28. April 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Ermittlungen seien noch nicht vollständig abgeschlossen, nachdem bisher nur Stellungnahmen der Präventionsdienste der Berufsgenossenschaften Metall Nord-Süd und der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro vorlägen. Nach Abschluss der Ermittlungen werde Prof. Dr. T. mit der Gutachtenserstattung beauftragt.

Nach Eingang weiterer Unterlagen zu den beruflichen Tätigkeiten und Belastungen beauftragte die Beklagte mit Schreiben vom 27. Mai 2009 Prof. Dr. T. mit der Erstattung eines Gutachtens.

Prof. Dr. T. teilte am 15. Juni 2009 mit, eine gutachterliche Feststellung sei ohne Röntgen- oder CT-Bilder nicht möglich. Wenn der Kläger diesen Aufnahmen nicht zustimmen sollte, könne er das Gutachten nicht erstellen, da die Fragen sonst nicht beantwortbar seien. Möglich sei dies aber auch noch, wenn dem Kläger Röntgenbilder vorlägen, die nicht älter als ein Jahr seien.

Hiervon mit Schreiben vom 17. Juni 2009 (mit dem die Beklagte auch auf § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I] und die Folgen fehlender Mitwirkung hingewiesen hat und auf das bezüglich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird) in Kenntnis gesetzt, teilte der Kläger mit, ihm sei nicht nicht zur Kenntnis gegeben worden, welche Fachgebiete Prof. Dr. T. beherrsche und ob er überhaupt "über Strahlenermächtigung" verfüge. Er sei auch nicht bereit, sich erneut einer Strahlenbelastung durch Röntgenbilder auszusetzen. Entsprechende Untersuchungen lehne er grundsätzlich im Interesse seiner Restgesundheit ab.

Mit Schreiben vom 23. Juni 2009 wies die Beklagte den Kläger erneut darauf hin, dass nach Auffassung von Prof. Dr. T. die Fertigung von Röntgenbilder der Lunge bzw. CT-Bilder erforderlich sei, aber unterbleiben könne, wenn neuere Röntgenbilder, die nicht älter als ein Jahr seien, zur Verfügung stünden. Die Fertigung entsprechender Aufnahmen sei auch nicht nach § 65 SGB I durch die Grenzen der Mitwirkung ausgeschlossen. Sofern das Gutachten nicht erstellt werden könne und das Vorliegen einer BK nicht festgestellt werden könne, werde man, wie bereits mitgeteilt, das Verfahren einstellen. Hierzu fügte sie den Text der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 60 bis 66 SGB I bei. Auf das Schreiben und die genannten Anlagen wird verwiesen.

Hierauf lehnte der Kläger Prof. Dr. T. als für die Begutachtung nicht geeignet und befangen und wegen fehlender Sachkunde ab. Die beabsichtigte Begutachtung laufe nicht wie die Begutachtung ab, für die er sein Einverständnis erteilt habe. Er lehne auch eine Begutachtung nach Aktenlage ab.

Hierauf nahm die Beklagte den Gutachtensauftrag an Prof. Dr. T. mit Schreiben vom 08. Juli 2009 zurück und bat den Kläger, einen geeigneten Gutachter vorzuschlagen.

Mit Schreiben vom 05. August 2009 wies die Beklagte den Kläger nochmals auf die Erforderlichkeit seiner Mitwirkung hin und forderte ihn auf, bis 28. August 2009 mitzuteilen, ob er bereit sei, sich einer ärztlichen Begutachtung einschließlich körperlicher und radiologischer Untersuchung zu unterziehen und von wem das Gutachten erstellt werden solle. Wenn er diesen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme, müsse sie ihre Ermittlungen einstellen und die Leistungen versagen.

Nachdem der Kläger am 07. August 2009 telefonisch mitgeteilt hatte, er sei derzeit aus seelischen Gründen nicht in der Lage das Verfahren weiter zu betreiben bzw. entsprechend mitzuwirken, äußerte er am 10. August 2009 u. a., falls eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung erforderlich sei, könne sie bei Dr. Hering erfolgen. Im Übrigen könne er geeignete Gutachter nicht benennen. Röntgenaufnahmen, ein MRT und ein CT dürften bei ihm nicht durchgeführt werden. Er sei auch nur zu bestimmten Untersuchungen bereit.

Hierauf entschied die Beklagte mit Bescheid vom 29. September 2009, das Verwaltungsverfahren werde wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 SGB I eingestellt. Eine Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet sei derzeit nicht erforderlich und andere Gutachter habe der Kläger nicht benannt. Die Voraussetzungen für eine Einschränkung der Mitwirkungspflicht des § 65 SGB I seien nicht erfüllt. Ohne Untersuchung und Anfertigung eines Gutachtens könne nicht über das Vorliegen der geltend gemachten BKen 1110 und 4107 entschieden werden.

Den Widerspruch des Klägers, mit welchem er weiter eine Begutachtung durch Prof. Dr. T. ablehnte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2009 zurück. Das Verfahren sei zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. September 2009 nach vorheriger Anhörung gemäß § 66 SGB I eingestellt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

Deswegen hat der Kläger am 25. November 2009 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat u. a. geltend gemacht, durch ein CT- oder Röntgenbild werde er weiteren Strahlenbelastungen ausgesetzt, die nicht nötig seien. Es solle deshalb eine MRT-Untersuchung in Betracht gezogen werden. Der ihn behandelnde Lungenfacharzt Dr. S. habe dies am 20. April 2011 auch so empfohlen. Zuletzt hat der Kläger im Termin erklärt, er lehne auch eine MRT-Untersuchung ab.

Mit Urteil vom 04. Juli 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Einstellung des Verwaltungsverfahrens lägen vor und insbesondere sei der Kläger auch auf die Folgen seiner mangelnden Mitwirkung bereits mit Schreiben vom 05. August 2009 hingewiesen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.

Gegen das am 17. August 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. August 2011 Berufung eingelegt, mit welcher er die Aufhebung der angefochtenen Bescheide erstrebt. Er nehme Bezug auf sein bisheriges Vorbringen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Prof. Dr. T. sei nicht strahlenermächtigter Arzt und seine Gerätschaften seien nicht geeignet, ohne Zuziehung mehrerer Fachgebiete alle seine Körperschäden zu erkennen. Die Beklagte habe Prof. Dr. T. auch keine Arbeitsplatzanalyse vorgelegt. Die bisher bekannten Arbeitsplatzanalysen seien unvollständig und Prof. Dr. T. habe auch nicht alle strahlen- und unfallbedingten Arztbefunde erhalten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04. Juli 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass es sich um Feststellungsverfahren nur zu den BKen 1110 und 4107 handele. In diesen Verfahren seien irgend welche Strahlenschäden nicht zu beurteilen. Entgegen der Auffassung des Klägers könne man auch das Vorliegen der geltend gemachten und hier strittigen BKen 1110 und 4107 unter Außerachtlassung eventueller Lungenschäden nicht beurteilen.

Mit Verfügungen vom 11. Januar 2012 und 29. Februar 2012 hat der Senat auf die Möglichkeit einer Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen. Nach Vorlage weiterer Äußerungen durch den Kläger, bezüglich derer auf Bl. 22 bis 85 der Senatsakten verwiesen wird, ist dem Kläger am 13. April 2012 nochmals mitgeteilt worden, dass beabsichtigt ist, in Bälde - wie angekündigt - durch Beschluss über die Berufung zu entscheiden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Beklagte mangels zumutbarer Mitwirkung des Klägers nach dessen Anhörung zu Recht das Verwaltungsverfahren eingestellt hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gelangt, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 11. Januar 2012 und Fristsetzung bis 13. Februar 2012 sowie weiterem Schreiben vom 29. Februar 2012 mit Einräumung einer weiteren Frist zur Äußerung bis 21. März 2012 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Ferner hat er - nach Eingang weiterer Äußerungen - am 13. April 2012 nochmals darauf hingewiesen, dass es bei der Absicht einer Entscheidung durch Beschluss verbleibt, die in Bälde ergehen solle. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Im vorliegenden Verfahren geht es allein darum, ob die Beklagte das Feststellungsverfahren zu Recht eingestellt hat oder ob es von ihr fortzusetzen ist. Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob vom Kläger geltend gemachte BKen vorliegen, oder entsprechende Ermittlungen durchzuführen. Über das Vorliegen von BKen ist eine im vorliegenden gerichtlichen Verfahren zulässig anfechtbare Verwaltungsentscheidung nicht ergangen.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Rechtmäßigkeit der Einstellung des Verwaltungsverfahrens - §§ 60 ff. SGB I - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Einstellung des Verfahrens rechtmäßig ist, nachdem der Kläger auf diese Möglichkeit und die Verpflichtung zur Mitwirkung hingewiesen worden ist und Gelegenheit zur Äußerung hatte, zumal er auch noch eine vom behandelnden Arzt Dr. S. empfohlene MRT Untersuchung abgelehnt hat und damit seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahrens uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass sich auch aus dem Vorbringen im Berufungsverfahren durch den Kläger nichts anderes ergibt. Die Ermittlungen, die die Beklagte durchzuführen beabsichtigte, sind für die Entscheidung erforderlich. Der Kläger hat auch nicht erklärt, dass er inzwischen bereit wäre, sich den erforderlichen Untersuchungen zu unterziehen. Insofern kann er nicht die Ermittlungen des Feststellungsverfahrens festlegen, zumal er medizinischer Laie ist. Es steht ihm zwar frei, einzelne Untersuchungen abzulehnen, soweit diese unzumutbar sind. Diese Unzumutbarkeit vermag der Senat nach den vorliegenden Unterlagen aber nicht festzustellen. Aus dem vom Kläger vorgelegten Schreiben des Prof. Dr. T., in dem er auf eine entsprechende Anfrage des Klägers äußert, er verfüge nicht über eine technisch-apparative Ausstattung, um "radioaktiv-toxische Körperschäden" nachzuweisen, ergibt sich weder, dass der Gutachter zur Erstattung eines Gutachtens betreffend die BKen 1110 und 4107 - wie vom Kläger behauptet - nicht kompetent ist, noch, dass unzumutbare Untersuchungen durchgeführt werden sollten. Es besteht auch weder eine Verpflichtung noch ein Anlass auf Grund entsprechender Anhaltspunkte, dass ein Gutachten zur Frage, ob Untersuchungen für den Kläger unzumutbar sind, eingeholt wird, zumal der Kläger jedwede Untersuchung abgelehnt hat und damit sachgerechte Ermittlungen der Beklagten vereitelt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es bei dem Feststellungsverfahren, gegen dessen Einstellung sich der Kläger wendet, vorliegend allein um die BKen 1110 und 4107 geht.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved