Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 2887/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3565/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die BeR.ung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
Der am 20.05.1962 geborene Kläger ist bei einer kreisangehörigen Gemeinde beschäftigt und wird dort auf dem gemeindlichen Bauhof eingesetzt.
Bei einem solchen Einsatz verspürte der Kläger nach seinen Angaben am 02.06.2008 gegen 07.00 Uhr beim Steigen vom Fahrerhaus eines Unimogs auf die Kante der Ladefläche zum Verteilen dort liegenden Teers einen Knacks und starke Schmerzen im linken Fuß, ohne zuvor umgeknickt oder ausgerutscht zu sein. Der Kläger stellte sich am Unfalltag um 09:17 Uhr bei Dr. J., dem Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Kreiskrankenhauses B. vor. Dieser erstellte den Durchgangsarztbericht, in dem er angab, es liege eine Meta¬tarsalgie (belastungsabhängige Schmerzen im Mittelfuß) II. Grades vor, es gebe keinen Anhalt für frische knöcherne Verletzungen und der beschriebene Vorfall sei kein geeigneter Unfallmechanismus für die festgestellte Schädigung.
In seinem Nachschaubericht vom 13.08.2006 teilte Dr. J. mit, die Röntgenkontrolle habe eine mit einem Reizcallus (Einwirkungen auf das umliegende Gewebe) verheilte Schaftfraktur in korrekter Stellung gezeigt. Es liege eine Fraktur des zweiten Mittelfußknochens vor. Der Kläger habe sich auf einer Kante mit dem linken Fuß mit dem ganzen Körpergewicht abgestoßen; diese Verletzung müsse nun doch als Arbeitsunfall gewertet werden. Der behandelnde Arzt Dr. R. attestierte dem Kläger in den Behandlungsberichten vom 16. und 23.09.2008 weiter bestehende Beschwerden und nunmehr auch eine aufgetretene Stressfraktur des 4. Strahls links.
Unter dem 23.02.2009 erstattete Dr. K. von der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BG-Klinik) L. einen Krankheitsbericht. Er führte aus, der Kläger habe Mittelfußfrakturen am II. und IV. Strahl links erlitten, die in der Computertomografie und im Kernspintomografen gesichert worden seien. Es beständen noch ein gestörtes Abrollverhalten und ein Belastungsdefizit. Es sei eine vierwöchige MBO-Maßnahme (medizinisch-berufliche Rehabilitation) angezeigt. Danach werde der Kläger wieder arbeitsfähig sein, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde nicht verbleiben.
Der Kläger absolvierte diese MBO-Maßnahme vom 17.03. bis 02.04.2009 in der Unfallklinik L ... In dem Abschlussbericht vom 06.04.2009 führten Dres. K. und D. aus, die Fraktur sei knöchern ohne wesentliche Achsabweichung vollständig konsolidiert. Der Kläger zeige jedoch ein äußerst unbefriedigendes Gangbild und äußere erhebliche Schmerzen. Er könne Therapiemaßnahmen nicht adäquat umsetzen, zum Teil zeigten sich diskrepante Befunde. Bei fehlenden Verletzungs¬folgen werde kein weiterer Therapieansatz gesehen. Der Kläger wurde als arbeitsunfähig ent¬lassen, eine unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Ausmaße sei nicht verblieben.
Im Auftrag der Beklagten erstatteten Dr. J. und Dr. A. das unfallchirurgische Zusammen-hangsgutachten vom 02.09.2009. Darin führten sie aus, bei dem Kläger beständen ein chronisches Schmerzsyndrom des linken Fußes sowie knöchern verheilten Stressfrakturen des 2. und 4. Mittelfußknochens links. Das angeschuldigte Ereignis, das die Frakturen ausgelöst habe, habe nicht plötzlich von außen auf den Kläger eingewirkt und stelle daher keinen Unfall im Sinne des Unfallversicherungsrechts dar. Stress- bzw. "Marschfrakturen" entständen nicht durch Unfälle, sondern durch kontinuierliche, unphysiologische Überlastungen des Knochens. Bei dem Ereignis habe der Kläger seinen linken Vorderfuß kurzzeitig mit seinem gesamten Körpergewicht (115 kg bei einer Körpergröße von 186 cm) belastet, was zum Nachgeben des Knochens geführt habe. Dies hätte auch beim Treppensteigen oder Abrollen geschehen können. Auch eine Berufskrankheit liege nicht vor, Stressfrakturen seien nur bei berufsbedingten, wiederholten Stößen und Schlägen wie z. B. bei Profi-Fußballern oder Arbeiten unter Vibrationen anerkannt.
Mit Bescheid vom 07.10.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Vorfalls vom 02.06.2008 als Arbeitsunfall ab. Es fehle an dem notwendigen, von außen auf den Kläger einwirkenden Ereignis. Der Kläger habe, auch gegenüber der Gutachterin Dr. A., auch auf Nachfragen akute äußere Ereignisse wie Ausrutschen oder Umknicken verneint.
Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Bescheid vom 28.07.2010 als unbegründet zurück. Weitere medizinische Untersuchungen waren im Vorver¬fahren nicht durchgeführt worden.
Am 10.08.2010 hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Er hat ergänzend vorgetragen, das Steigen auf die Kante des Unimogs sei als unwillkürliche körpereigene Bewegung einzustufen. Um eine Stressfraktur könne es sich nicht handeln, da bei ihm eine krankhafte Anlage nicht vorhanden sei und sich in der Vergangenheit keine Symptome am linken Fuß gezeigt hätten. Die Fraktur sei bereits auf dem ersten Röntgenbild vom 02.06.2008 zu erkennen gewesen. Auch einer der behandelnden Ärzte (PD Dr. M.) habe - dem Kläger gegenüber - geäußert, es handle sich um einen Arbeitsunfall. Zur Untermauerung seines Vortrags hat der Kläger weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt, darunter den Behandlungsbericht von Prof. Dr. O. von der Orthopädischen Klinik Bezirk U. in Würzburg vom 09.02.2011 (kein Hinweis auf eine Knochenstoffwechselstörung, beginnende Osteopenie in der Knochendichtemessung, anamnestisch Z.n. multiplen Bandscheibenvorfällen LWS und HWS, posttraumatische Fraktur der Metatarsalia II, III und IV links im Jahre 2008).
Mit Urteil vom 19.07.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Es fehle bereits an einer zeitlich begrenzten Einwirkung von außen. Hierfür sei zwar kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich, es reiche auch ein alltägliches Ereignis, welches sich (allerdings) von den alltäglichen Geschehnissen abhebe. Ein für die Ausübung der versicherten Tätigkeit typischer Geschehensablauf sei indes nicht ausreichend. Das Steigen vom Führerhaus auf die Ladefläche zum Verteilen des Teers sei jedoch eine regelmäßige, wiederkehrende Tätigkeit. Dass dieses Steigen keine unwillkürliche körpereigene Bewegung sei, bedürfe keiner Vertiefung.
Gegen dieses Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 04.08.2011 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 22.08.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg einlegen lassen. Er meint, es stelle einen ungewöhnlichen Geschehensablauf dar, wenn er - anders als sonst - so unglücklich auf die Ladekante getreten sei, dass kurzzeitig sein gesamtes Gewicht auf dem Vorfuß bzw. Mittelfußknochen geruht habe und dieser dadurch gebrochen sei. Der Knochen wäre nicht gebrochen, wenn er - der Kläger - sich so bewegt hätte wie auch sonst. Für einen Vorschaden des Fußes spreche nichts.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Juli 2011 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 07. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juli 2010 festzustellen, dass der am 02. Juni 2008 erlittene Unfall ein Arbeitsunfall gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidung.
Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger zum Unfallhergang persönlich angehört. Wegen seiner Aussagen wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 08.12.2011 verwiesen. Der Kläger hat Fotos des fraglichen Unimogs und des üblichen Steigens vom Führerhaus auf die Ladefläche vorgelegt, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.
Ferner hat der Senat die Schwerbehindertenakte des Klägers vom Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Hieraus hat sich ergeben, dass bei dem Kläger mit Bescheid vom 18.08.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt worden ist und hierbei - nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 09.08.2010 - für eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Knorpelschäden am Knie, eine Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks sowie eine Gebrauchseinschränkung beider Füße zusammen ein Einzel-GdB von 40 berücksichtigt worden ist.
Der Kläger hat sich unter dem 17.01.2012, die Beklagte unter dem 26.01.2012 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG seine Klage, die als Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG) einzustufen ist, als unbegründet abgewiesen.
Der Unfall am 02.06.2008 kann schon wegen seiner äußeren Gestalt nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden, unabhängig von den konkreten Gesundheitsschäden, die er verursacht hat, die aber zwischen den Beteiligten auch nicht streitig sind.
Das SG hat in dem angegriffenen Urteil die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zutreffend dargelegt. Auf die Ausführungen des SG wird nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Ergänzend ist lediglich auszuführen:
Zwar ist es für einen Arbeitsunfall nicht notwendig, dass die äußere Einwirkung auf den Versicherten ein besonderes, ungewöhnliches Geschehen darstellt (BSG, Urt. v. 17.02.2009, B 2 U 18/07, Juris). Ein von außen auf den Körper einwirkende Ereignis kann auch bei einem alltäglichen Vorgang vorliegen, wie es das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden darstellt, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (std. Rspr., vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 29.11.2011, B 2 U 23/10 R, Juris Rn. 15 m.w.N.). Aus dem Schutz der Unfallversicherung sind auch nicht solche Verrichtungen ausgeschlossen, die im Rahmen einer versicherten Tätigkeit üblich und selbstverständlich sind. Eine solche Auslegung würde den Versicherungsschutz in einer den Systemzweck der Unfallversicherung verkürzenden Weise verengen. Geschützt sind nach dem Zweck des SGB VII alle Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Eine Differenzierung in nicht versicherte "übliche" und versicherte "unübliche" Tätigkeiten ist nicht erkennbar. In diesem Rahmen sind daher auch solche Schädigungen erfasst, die der Versicherte selbst durch gewillkürtes Handeln verursacht hat (BSG, a.a.O., Rn. 16, 17). Jedoch schützt die Unfallversicherung solche Schädigungen nicht, die - allein - auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (vgl. BSG, Urt. v. 29.02.1984, 2 RU 24/83, Juris Rn. 15). Hierbei muss die fragliche innere Ursache keine Krankheit oder Vorschädigung sein. Auch eine willkürliche Handlung des Versicherten ist nicht per se erfasst, sondern nur, wenn ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird (BSG, Urt. v. 29.11.2011, B 2 U 10/11 R, Juris Rn. 16). Dieser Vorfall ist typischerweise ein äußeres Ereignis, wie z. B. das Fahren eines Autos auf Gleise einer Bahn, das den Zugführer zu einer Notbremsung zwingt, bei der er Schäden erleidet (vgl. BSG, a.a.O.), während eine solche Notbremsung ohne Anlass keinen Unfall darstellt (vgl. BSG, Urt. v. 29.11.2011, B 2 U 23/11 R, Juris Rn. 15). Allerdings kann das äußere Ereignis auch in einem für den Versicherten unerwarteten Zustand liegen. So hat das BSG auch entschieden (Urt. v. 12.04.2005, B 2 U 25/04 R, Juris), dass ein Versicherter einen Unfall erlitten hat, der einen schweren Stein anheben wollte, der aber unerwarteter Weise auch noch festgefroren war, sodass auf den Versicherten stärkere Kräfte einwirkten als dieser erwartet hatte.
Nach diesen Maßstäben beruhte der Unfall am 02.06.2008 nicht auf einem von außen kommenden Ereignis. Eine echte, ggfs. aktive Einwirkung von außen auf den Körper des Klägers liegt offensichtlich nicht vor. Auch ein unerwartetes Ereignis während einer an sich üblichen Tätigkeit fehlt. Der Kläger ist nicht umgeknickt oder ausgerutscht. Insbesondere ergibt sich ein solches ungewöhnliches Ereignis auch nicht aus seinem Vortrag, er sei mit dem Fuß unglücklich aufgetreten. Hierbei kann offen bleiben, ob ein gänzlich ungewöhnliches Auftreten relevant wäre wie z. B. das Auftreten an einer Kante mit nur einem Zeh oder nur auf den Zehenspitzen, das zwar nicht zu einem Abrutschen von der Kante führt, aber die Zehenknochen schädigt. Ein solches Auftreten erschien bei der fraglichen Verrichtung denkbar: Wie sich aus den vom Kläger vorgelegten Fotos ergibt, steigt der Beschäftigte, auch wenn er vom Führerhaus her aufsteigt, noch ein gutes Stück nach oben auf die Ladekante und bleibt nicht etwa auf gleicher Höhe, den er kommt von dem Fußtritt vor der Tür zum Führerhaus, der tiefer liegt als die Ladefläche. Aber der Kläger ist nicht etwa nur mit den Zehen aufgetreten, sondern im Bereich des Mittelfu߬knochens aufgekommen. Dies ist der Bereich zwischen Fußwurzel und Beginn der Zehen, also der Bereich von Ballen, Sohle und Ferse. Dass er mit diesem Teil des Fußes, nämlich mit Ballen und Sohle, auf die Kante getreten ist, hat der Kläger in dem Erörterungstermin am 08.12.2011 nicht nur bestätigt, sondern auch demonstriert. In diesem Bereich aufzutreten ist vollkommen üblich. Auch die vorgelegten Fotos verschiedener Kollegen des Klägers beim Aufsteigen zeigen ganz überwiegend genau dieses Aufkommen im Mittelfußbereich. Wenn dann, möglicherweise wegen des Körpergewichts des Klägers, der Mittelfußknochen brach, beruhte dies vollständig auf inneren Ursachen. Hierbei ist unerheblich, ob der Knochen schon vorgeschädigt war. Entscheidend ist, dass er "von allein" gebrochen ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
Der am 20.05.1962 geborene Kläger ist bei einer kreisangehörigen Gemeinde beschäftigt und wird dort auf dem gemeindlichen Bauhof eingesetzt.
Bei einem solchen Einsatz verspürte der Kläger nach seinen Angaben am 02.06.2008 gegen 07.00 Uhr beim Steigen vom Fahrerhaus eines Unimogs auf die Kante der Ladefläche zum Verteilen dort liegenden Teers einen Knacks und starke Schmerzen im linken Fuß, ohne zuvor umgeknickt oder ausgerutscht zu sein. Der Kläger stellte sich am Unfalltag um 09:17 Uhr bei Dr. J., dem Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Kreiskrankenhauses B. vor. Dieser erstellte den Durchgangsarztbericht, in dem er angab, es liege eine Meta¬tarsalgie (belastungsabhängige Schmerzen im Mittelfuß) II. Grades vor, es gebe keinen Anhalt für frische knöcherne Verletzungen und der beschriebene Vorfall sei kein geeigneter Unfallmechanismus für die festgestellte Schädigung.
In seinem Nachschaubericht vom 13.08.2006 teilte Dr. J. mit, die Röntgenkontrolle habe eine mit einem Reizcallus (Einwirkungen auf das umliegende Gewebe) verheilte Schaftfraktur in korrekter Stellung gezeigt. Es liege eine Fraktur des zweiten Mittelfußknochens vor. Der Kläger habe sich auf einer Kante mit dem linken Fuß mit dem ganzen Körpergewicht abgestoßen; diese Verletzung müsse nun doch als Arbeitsunfall gewertet werden. Der behandelnde Arzt Dr. R. attestierte dem Kläger in den Behandlungsberichten vom 16. und 23.09.2008 weiter bestehende Beschwerden und nunmehr auch eine aufgetretene Stressfraktur des 4. Strahls links.
Unter dem 23.02.2009 erstattete Dr. K. von der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BG-Klinik) L. einen Krankheitsbericht. Er führte aus, der Kläger habe Mittelfußfrakturen am II. und IV. Strahl links erlitten, die in der Computertomografie und im Kernspintomografen gesichert worden seien. Es beständen noch ein gestörtes Abrollverhalten und ein Belastungsdefizit. Es sei eine vierwöchige MBO-Maßnahme (medizinisch-berufliche Rehabilitation) angezeigt. Danach werde der Kläger wieder arbeitsfähig sein, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde nicht verbleiben.
Der Kläger absolvierte diese MBO-Maßnahme vom 17.03. bis 02.04.2009 in der Unfallklinik L ... In dem Abschlussbericht vom 06.04.2009 führten Dres. K. und D. aus, die Fraktur sei knöchern ohne wesentliche Achsabweichung vollständig konsolidiert. Der Kläger zeige jedoch ein äußerst unbefriedigendes Gangbild und äußere erhebliche Schmerzen. Er könne Therapiemaßnahmen nicht adäquat umsetzen, zum Teil zeigten sich diskrepante Befunde. Bei fehlenden Verletzungs¬folgen werde kein weiterer Therapieansatz gesehen. Der Kläger wurde als arbeitsunfähig ent¬lassen, eine unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Ausmaße sei nicht verblieben.
Im Auftrag der Beklagten erstatteten Dr. J. und Dr. A. das unfallchirurgische Zusammen-hangsgutachten vom 02.09.2009. Darin führten sie aus, bei dem Kläger beständen ein chronisches Schmerzsyndrom des linken Fußes sowie knöchern verheilten Stressfrakturen des 2. und 4. Mittelfußknochens links. Das angeschuldigte Ereignis, das die Frakturen ausgelöst habe, habe nicht plötzlich von außen auf den Kläger eingewirkt und stelle daher keinen Unfall im Sinne des Unfallversicherungsrechts dar. Stress- bzw. "Marschfrakturen" entständen nicht durch Unfälle, sondern durch kontinuierliche, unphysiologische Überlastungen des Knochens. Bei dem Ereignis habe der Kläger seinen linken Vorderfuß kurzzeitig mit seinem gesamten Körpergewicht (115 kg bei einer Körpergröße von 186 cm) belastet, was zum Nachgeben des Knochens geführt habe. Dies hätte auch beim Treppensteigen oder Abrollen geschehen können. Auch eine Berufskrankheit liege nicht vor, Stressfrakturen seien nur bei berufsbedingten, wiederholten Stößen und Schlägen wie z. B. bei Profi-Fußballern oder Arbeiten unter Vibrationen anerkannt.
Mit Bescheid vom 07.10.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Vorfalls vom 02.06.2008 als Arbeitsunfall ab. Es fehle an dem notwendigen, von außen auf den Kläger einwirkenden Ereignis. Der Kläger habe, auch gegenüber der Gutachterin Dr. A., auch auf Nachfragen akute äußere Ereignisse wie Ausrutschen oder Umknicken verneint.
Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Bescheid vom 28.07.2010 als unbegründet zurück. Weitere medizinische Untersuchungen waren im Vorver¬fahren nicht durchgeführt worden.
Am 10.08.2010 hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Er hat ergänzend vorgetragen, das Steigen auf die Kante des Unimogs sei als unwillkürliche körpereigene Bewegung einzustufen. Um eine Stressfraktur könne es sich nicht handeln, da bei ihm eine krankhafte Anlage nicht vorhanden sei und sich in der Vergangenheit keine Symptome am linken Fuß gezeigt hätten. Die Fraktur sei bereits auf dem ersten Röntgenbild vom 02.06.2008 zu erkennen gewesen. Auch einer der behandelnden Ärzte (PD Dr. M.) habe - dem Kläger gegenüber - geäußert, es handle sich um einen Arbeitsunfall. Zur Untermauerung seines Vortrags hat der Kläger weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt, darunter den Behandlungsbericht von Prof. Dr. O. von der Orthopädischen Klinik Bezirk U. in Würzburg vom 09.02.2011 (kein Hinweis auf eine Knochenstoffwechselstörung, beginnende Osteopenie in der Knochendichtemessung, anamnestisch Z.n. multiplen Bandscheibenvorfällen LWS und HWS, posttraumatische Fraktur der Metatarsalia II, III und IV links im Jahre 2008).
Mit Urteil vom 19.07.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Es fehle bereits an einer zeitlich begrenzten Einwirkung von außen. Hierfür sei zwar kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich, es reiche auch ein alltägliches Ereignis, welches sich (allerdings) von den alltäglichen Geschehnissen abhebe. Ein für die Ausübung der versicherten Tätigkeit typischer Geschehensablauf sei indes nicht ausreichend. Das Steigen vom Führerhaus auf die Ladefläche zum Verteilen des Teers sei jedoch eine regelmäßige, wiederkehrende Tätigkeit. Dass dieses Steigen keine unwillkürliche körpereigene Bewegung sei, bedürfe keiner Vertiefung.
Gegen dieses Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 04.08.2011 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 22.08.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg einlegen lassen. Er meint, es stelle einen ungewöhnlichen Geschehensablauf dar, wenn er - anders als sonst - so unglücklich auf die Ladekante getreten sei, dass kurzzeitig sein gesamtes Gewicht auf dem Vorfuß bzw. Mittelfußknochen geruht habe und dieser dadurch gebrochen sei. Der Knochen wäre nicht gebrochen, wenn er - der Kläger - sich so bewegt hätte wie auch sonst. Für einen Vorschaden des Fußes spreche nichts.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Juli 2011 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 07. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juli 2010 festzustellen, dass der am 02. Juni 2008 erlittene Unfall ein Arbeitsunfall gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidung.
Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger zum Unfallhergang persönlich angehört. Wegen seiner Aussagen wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 08.12.2011 verwiesen. Der Kläger hat Fotos des fraglichen Unimogs und des üblichen Steigens vom Führerhaus auf die Ladefläche vorgelegt, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.
Ferner hat der Senat die Schwerbehindertenakte des Klägers vom Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Hieraus hat sich ergeben, dass bei dem Kläger mit Bescheid vom 18.08.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt worden ist und hierbei - nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 09.08.2010 - für eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Knorpelschäden am Knie, eine Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks sowie eine Gebrauchseinschränkung beider Füße zusammen ein Einzel-GdB von 40 berücksichtigt worden ist.
Der Kläger hat sich unter dem 17.01.2012, die Beklagte unter dem 26.01.2012 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG seine Klage, die als Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG) einzustufen ist, als unbegründet abgewiesen.
Der Unfall am 02.06.2008 kann schon wegen seiner äußeren Gestalt nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden, unabhängig von den konkreten Gesundheitsschäden, die er verursacht hat, die aber zwischen den Beteiligten auch nicht streitig sind.
Das SG hat in dem angegriffenen Urteil die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zutreffend dargelegt. Auf die Ausführungen des SG wird nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Ergänzend ist lediglich auszuführen:
Zwar ist es für einen Arbeitsunfall nicht notwendig, dass die äußere Einwirkung auf den Versicherten ein besonderes, ungewöhnliches Geschehen darstellt (BSG, Urt. v. 17.02.2009, B 2 U 18/07, Juris). Ein von außen auf den Körper einwirkende Ereignis kann auch bei einem alltäglichen Vorgang vorliegen, wie es das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden darstellt, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (std. Rspr., vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 29.11.2011, B 2 U 23/10 R, Juris Rn. 15 m.w.N.). Aus dem Schutz der Unfallversicherung sind auch nicht solche Verrichtungen ausgeschlossen, die im Rahmen einer versicherten Tätigkeit üblich und selbstverständlich sind. Eine solche Auslegung würde den Versicherungsschutz in einer den Systemzweck der Unfallversicherung verkürzenden Weise verengen. Geschützt sind nach dem Zweck des SGB VII alle Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Eine Differenzierung in nicht versicherte "übliche" und versicherte "unübliche" Tätigkeiten ist nicht erkennbar. In diesem Rahmen sind daher auch solche Schädigungen erfasst, die der Versicherte selbst durch gewillkürtes Handeln verursacht hat (BSG, a.a.O., Rn. 16, 17). Jedoch schützt die Unfallversicherung solche Schädigungen nicht, die - allein - auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (vgl. BSG, Urt. v. 29.02.1984, 2 RU 24/83, Juris Rn. 15). Hierbei muss die fragliche innere Ursache keine Krankheit oder Vorschädigung sein. Auch eine willkürliche Handlung des Versicherten ist nicht per se erfasst, sondern nur, wenn ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird (BSG, Urt. v. 29.11.2011, B 2 U 10/11 R, Juris Rn. 16). Dieser Vorfall ist typischerweise ein äußeres Ereignis, wie z. B. das Fahren eines Autos auf Gleise einer Bahn, das den Zugführer zu einer Notbremsung zwingt, bei der er Schäden erleidet (vgl. BSG, a.a.O.), während eine solche Notbremsung ohne Anlass keinen Unfall darstellt (vgl. BSG, Urt. v. 29.11.2011, B 2 U 23/11 R, Juris Rn. 15). Allerdings kann das äußere Ereignis auch in einem für den Versicherten unerwarteten Zustand liegen. So hat das BSG auch entschieden (Urt. v. 12.04.2005, B 2 U 25/04 R, Juris), dass ein Versicherter einen Unfall erlitten hat, der einen schweren Stein anheben wollte, der aber unerwarteter Weise auch noch festgefroren war, sodass auf den Versicherten stärkere Kräfte einwirkten als dieser erwartet hatte.
Nach diesen Maßstäben beruhte der Unfall am 02.06.2008 nicht auf einem von außen kommenden Ereignis. Eine echte, ggfs. aktive Einwirkung von außen auf den Körper des Klägers liegt offensichtlich nicht vor. Auch ein unerwartetes Ereignis während einer an sich üblichen Tätigkeit fehlt. Der Kläger ist nicht umgeknickt oder ausgerutscht. Insbesondere ergibt sich ein solches ungewöhnliches Ereignis auch nicht aus seinem Vortrag, er sei mit dem Fuß unglücklich aufgetreten. Hierbei kann offen bleiben, ob ein gänzlich ungewöhnliches Auftreten relevant wäre wie z. B. das Auftreten an einer Kante mit nur einem Zeh oder nur auf den Zehenspitzen, das zwar nicht zu einem Abrutschen von der Kante führt, aber die Zehenknochen schädigt. Ein solches Auftreten erschien bei der fraglichen Verrichtung denkbar: Wie sich aus den vom Kläger vorgelegten Fotos ergibt, steigt der Beschäftigte, auch wenn er vom Führerhaus her aufsteigt, noch ein gutes Stück nach oben auf die Ladekante und bleibt nicht etwa auf gleicher Höhe, den er kommt von dem Fußtritt vor der Tür zum Führerhaus, der tiefer liegt als die Ladefläche. Aber der Kläger ist nicht etwa nur mit den Zehen aufgetreten, sondern im Bereich des Mittelfu߬knochens aufgekommen. Dies ist der Bereich zwischen Fußwurzel und Beginn der Zehen, also der Bereich von Ballen, Sohle und Ferse. Dass er mit diesem Teil des Fußes, nämlich mit Ballen und Sohle, auf die Kante getreten ist, hat der Kläger in dem Erörterungstermin am 08.12.2011 nicht nur bestätigt, sondern auch demonstriert. In diesem Bereich aufzutreten ist vollkommen üblich. Auch die vorgelegten Fotos verschiedener Kollegen des Klägers beim Aufsteigen zeigen ganz überwiegend genau dieses Aufkommen im Mittelfußbereich. Wenn dann, möglicherweise wegen des Körpergewichts des Klägers, der Mittelfußknochen brach, beruhte dies vollständig auf inneren Ursachen. Hierbei ist unerheblich, ob der Knochen schon vorgeschädigt war. Entscheidend ist, dass er "von allein" gebrochen ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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