L 8 U 3450/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 4051/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3450/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen des als Arbeitsunfall anerkannten Unfalls vom 23.06.2002 hat.

Die Klägerin zog sich am 23.06.2002 durch den Tritt eines Pferdes eine Jochbein- Orbitabodenfraktur links, eine Fraktur der vorderen Kieferhöhlenwand und die Einklemmung des Nervus infraorbitalis links zu. Sie wurde ab dem Unfalltag bis 28.06.2002 stationär im Städtischen Klinikum P. behandelt, wo am 25.06.2002 operativ das dislozierte Jochbein reponiert, Knochenfragmente refixiert und der eingeklemmte Nervus infraorbitalis aus der knöchernen Einklemmung befreit wurde (Operationsberich von Dr. Dr. Be. vom 04.07.2002). Während der stationären Behandlung vom 16.12.2002 bis 18.12.2002 wurde das Osteosynthesematerial entfernt (Berichte von Dr. Dr. Be. vom 04.07.2002 und 10.01.2003). Mit Schreiben vom 26.02.2004 und nachfolgendem Widerspruchsbescheid vom 23.02.2005 lehnte die Beklagte zunächst die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Auf Klage hob das Sozialgericht Karlsruhe mit Urteil vom 05.07.2006 (S 14 U 1205/05) die Bescheide auf und verurteilte die Beklagte, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Das Urteil wurde nach Rücknahme der Berufung durch die Beklagten (L 1 U 4359/06) rechtskräftig.

Die Beklagte veranlasste das neurologische Gutachten von Prof. Dr. K. vom 08.08.2007, der unter Berücksichtigung einer Hörminderung beidseits, einer Hypästhesie und Hypalgesie im Ausbreitungsgebiet des zweiten Trigeminusastes und einer Geschmacksstörung als Unfallfolge eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 15 v.H. annahm. Im HNO-ärztlichen Gutachten vom 15.10.2007 beurteilte der Gutachter Dr. J. eine Herabsetzung des Riechvermögens (Hyposmie) mit Störung der Speichelsekretion (MdE weniger als 10 v.H.), eine Behinderung der Mundöffnung mit deutlicher Auswirkung auf die Nahrungsaufnahme (MdE weniger als 10 v.H.), eine seitendifferente Innenohrschwerhörigkeit mit prozentualen Hörverlusten von 30 % beidseits (MdE 15 v.H.) und einen Tinnitus (MdE um 10 v.H.) als Unfallfolgen, die auf seinem Fachgebiet integrierend eine Gesamt-MdE von 10 v.H. begründe. Zu berücksichtigen sei, dass nach dem aktenkundigen Audiogramm vom 17.06.2002 und den Angaben der Klägerin seit Anfang der Neunzigerjahre erlittene Hörstürze bereits vor dem Unfall eine Beeinträchtigung des Hörvermögens verursacht hätten. In der ergänzenden Äußerung von Prof. Dr. K. vom 26.10.2007 wurde die Gesamt-MdE mit 15 v.H. eingeschätzt. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.12.2007 die Gewährung einer Rente ab, der Unfall vom 23.06.2002 wurde jedoch als Arbeitsunfall anerkannt.

Auf Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte das neurologische Gutachten vom 10.10.2008 ein, in dem Dr. Diplom-Psychologe He. als Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet eine Gefühlsminderung im Versorgungsgebiet des Nervus infraorbitalis links und eine Geschmacksminderung der linken Zungenhälfte sowie ein posttraumatisches Kopfschmerzsyndrom beschrieb, woraus sich eine Gesamt-MdE um 30 v.H. ergebe. In dem HNO-ärztlichen Gutachten vom 30.12.2008 bewertete Prof. Dr. S. eine unfallbedingte Hörminderung unter Berücksichtigung eines unfallvorbestehenden Hörverlustes mit einer MdE um 10 v.H. Unter Berücksichtigung des geklagten Tinnitus, einer Hyposmie, Allodynie sowie unregelmäßig auftretender, linksseitiger Cephalgien inkonstanter Intensität nahm er eine Gesamt-MdE um 15 v.H. an. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11.06.2009 widersprach Dr. O. der MdE-Einschätzung von Dr. He. , da diese nach den geltenden Bewertungsgrundsätzen zu hoch bemessen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klägerin erhob am 14.09.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe, mit der sie ihr Begehren auf Gewährung einer Verletztenrente auf der Basis einer MdE um 30 v.H. weiterverfolgte.

Das Sozialgericht holte von Amts wegen das neurologisch psychiatrische Gutachten von Dr. B. vom 01.10.2010 mit Ergänzung vom 30.04.2011 ein. Der Sachverständige beurteilte eine leichte Hyposmie links und eine geringe Geschmacksstörung mit einer Teil-MdE von unter 10 v.H. Wegen Sensibilitätsstörungen im Gebiet des Nervus infraorbitalis links (Gesicht und Mund) betrage die MdE grundsätzlich 10 v.H., unter Berücksichtigung der über das normale Maß hinausgehenden schmerzhaften Missempfindungen 15 v.H. Die geklagten Kopfschmerzen seien unfallunabhängig. Außerdem habe sich für unfallbedingte psychoreaktive Störungen kein Hinweis ergeben. Die Hörminderung stehe nach seiner fachfremden Beurteilung nicht im Unfallzusammenhang. Folge man gleichwohl den HNO-ärztlichen Gutachten mit einer Teil-MdE um 10 v.H. für die unfallbedingte Hörminderung mit Tinnitus, sei die Gesamt-MdE mit 20 v.H. einzuschätzen.

Die Beklagte nahm zu dem Gutachten mit der beratungsärztlichen Äußerung von Dr. Ho. vom 14.06.2011 Stellung, in der eine weitere gutachtliche Aufklärung der Unfallkausalität der Hörstörung angeregt wurde. Außerdem würde selbst bei Bejahung eines unfallbedingten Hörschadens die durch den Unfall bedingte Hörminderung keine messbare MdE erreichen.

Mit Urteil vom 05.07.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab, denn die unfallbedingte MdE betrage 15 v.H ... Ausgehend von der MdE für die nervenärztlich zu beurteilenden Unfallfolgen sei die Gesamt-MdE wegen der unfallbedingten Hörstörung mit Tinnitus nicht zu erhöhen. Nach der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Ho. sei eine erhebliche Verschlechterung des Hörvermögens nach dem Unfall nicht eingetreten.

Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 18.07.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.08.2011 vor dem Landessozialgericht Berufung eingelegt und ausgeführt, durch den Huftritt im Bereich des Kiefergelenks sei direkt der Ohrbereich mitbetroffen gewesen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe sie unmittelbar nach dem Unfall eine Hörverschlechterung festgestellt. Die von Dr. J. beschriebene Myoarthropathtie im Kiefergelenksbereich sei nicht hinreichend berücksichtigt. Dr. B. habe lediglich ein Knacken im linken Kiefergelenk erwähnt, dies aber als Unfallfolge überhaupt nicht berücksichtigt. Die Geruchs- und Geschmacksminderung, wie sie von Dr. J. beschrieben werde, sei von Dr. B. unzureichend verneint worden, da sich seinem Gutachten nicht entnehmen lasse, wie die Geschmacksprüfung erfolgt sei. Die von Prof. Dr. K. als Unfallfolge eingestuften Schläfenkopfschmerzen seien mit gleichartiger Typik durchgehend von ihr beschrieben worden, weshalb die Zusammenhangsbeurteilung von Dr. B. , in Betracht kämen allenfalls vorübergehende Kopfschmerzen als Folgen einer Gehirnerschütterung, unrichtig sei. Er aber bejahe eine MdE von 20 v.H. Das Sozialgericht habe unzureichend Beweis erhoben. Die jeweiligen Gutachter hätten nur einen Teil der Unfallfolgen berücksichtigt. Unberücksichtigt sei auch geblieben, dass die Beklagte erst 5 und 6 Jahre nach dem Unfallereignis Feststellungen zu den Unfallfolgen getroffen habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 07.10.2011 zur Berufungsbegründung verwiesen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.07.2011 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die HNO-ärztlichen Gutachten von Prof. Dr. S. und Dr. J. seien bei der Bestimmung des unfallbedingten Anteils des Hörschadens unbrauchbar. Aus den vorliegenden Audiogrammen vor und nach dem Unfall ergebe sich, dass es zu keiner erheblichen Verschlimmerung der vorbestehenden Hörstörung der Klägerin gekommen sei. Die einzige wissenschaftlich nachgewiesene Unfallfolge sei die Schädigung des Nervus infraorbitalis links. Alle übrigen Beschwerden lägen im nicht messbaren Bereich einer MdE von unter 10 v.H. Auch habe Dr. B. nachvollziehbar dargelegt, dass die Kopfschmerzproblematik nicht auf den Unfall zurückzuführen sei.

Mit Beschluss vom 29.12.2011 hat der Senat den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt.

Mit richterlicher Verfügung vom 07.03.2012 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat die Möglichkeit erwägt, über die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29.03.2012 hat sich die Klägerin unter Auseinandersetzung mit dem Senatsbeschluss vom 29.12.2011 zur Absicht des Gerichts, über die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden, geäußert. Auf den Schriftsatz wird Bezug genommen.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Gerichtsakte verwiesen.

II.

Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen mit richterlicher Verfügung vom 07.03.2012 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 29.03.2012 hat dem Senat keinen Anlass gegeben, zur Gewährung ausreichenden rechtlichen Gehörs von der in Aussicht genommenen Verfahrensweise Abstand zu nehmen, denn darin wird lediglich das bisherige Vorbringen wiederholt und mit Blick auf den ablehnenden PKH-Beschluss des Senats weiter vertieft.

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und insgesamt zulässig.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit wegen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 23.06.2002.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII). Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet.

Die Bemessung der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, die aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23 und 27; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; BSG Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 31/02 R -; BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, Stand 2005, § 56 RdNr 71). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - veröffentlicht in juris m.H.a. BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; Urteil vom 18. März 2003 a.a.O.).

In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Senat in seinem Beschluss vom 29.12.2011 zur Ablehnung von PKH ausgeführt:

"Nach vorläufiger Rechtsauffassung des Senats dürfte der angefochtene Bescheid der Beklagten wohl rechtmäßig sein, denn die vorliegenden medizinischen Bewertungen auf unterschiedlichen Fachgebieten ergeben keinen Anhalt dafür, dass eine rentenrelevante MdE von 20 v.H. für die unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen anzunehmen ist. Bei dem Unfall am 23.06.2002 wurde die Klägerin durch den Tritt eines Pferdes am Kopf verletzt und zog sich dabei eine Fraktur der vorderen Kieferhöhlenwand mit Jochbein-Orbiterbodenfraktur links und Einklemmung des Nervus Infraorbitales links zu. Die im CT-Befund vom 23.06.2002 beschriebene geringgradig dislozierte Fraktur des linken Jochbeinbogens (Bericht des städtischen Klinikums P. vom 12.09.2002) wurde operativ am 25.06.2002 anatomisch korrekt wie auch die anderen Frakturen unter Einbeziehung von Knochenfragmenten reponiert (Operationsbericht von Dr. Dr. Be. vom 04.07.2002). Die Wundheilung nahm einen komplikationslosen Verlauf (Bericht Dr. Dr. Be. vom 10.01.2003). Die auf kieferchirurgischem Fachgebiet erfolgte operative Revision zeigte ein sehr gutes, objektivierbares Operationsergebnis sowohl bei der klinischen als auch bei der radiologischen Untersuchung (Gutachten von Dr. J. vom 15.10.2007). Die mimische Muskulatur war seitengleich innerviert, lediglich in Ruhe war eine leichte Mundwinkelasymmetrie mit links etwas tiefer stehendem Mundwinkel erkennbar (Gutachten von Dr. med. Diplom-Psychologe He. vom 10.10.2008). Auch bei der Untersuchung durch Prof. Dr. S. fand sich eine seitengleich ausgeprägte und bewegliche Gesichtsmuskulatur und kein Anhalt für pathologische Kiefergelenksveränderungen oder eine Okklusionsstörung. Das von der Klägerin angeführte gelegentliche Knacken bei Mundbewegungen ist von der Beklagten durch die Feststellung von "Beeinträchtigungen im Kiefergelenksbereich (Myoarthropathtie)" als Unfallfolge berücksichtigt. Weitergehende Beeinträchtigungen, wie hieraus folgende Schmerzen oder Beschwerden beim Kauen, wurden von der Klägerin nicht angegeben. Ein MdE-Bewertung auf chirurgischem/kieferchirurgischem Gebiet dürfte zurecht nicht erfolgt sein.

Übereinstimmend wird auf HNO-ärztlichem Gebiet eine Hörminderung mit Tinnitus links bei unfallvorbestehender Hörminderung und Tinnitus mit einer Teil-MdE um 10 v.H. bewertet (Gutachten von Dr. J. vom 15.10.2007 und Gutachten von Prof. Dr. S. vom 30.12.2008). Prof. Dr. S. legte seiner Bewertung den von ihm erhobenen aktuellen audiometrischen Befund vom 15.10.2008 zu Grunde, der bei prozentualen Hörverlusten von 30 % rechts und 60 % links nach dem Sprachaudiogramm eine MdE von 20 v.H. rechtfertige. Diese Beurteilung steht im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 346, Tabelle Feldmann 1995). Unter Berücksichtigung der bereits vor dem Unfall bestehenden Hörminderung, die sich aus dem 6 Tage vor dem Unfall erhobenen Audiogramm ergibt - worauf auch der Beratungsarzt Dr. Ho. in seiner Stellungnahme vom 17.06.2011 hinweist -, ist nach Prof. Dr. S. der unfallbedingte Anteil der Schwerhörigkeit abgrenzbar und mit einer Teil-MdE um 10 v.H. zu bemessen. Dies stimmt mit der von Dr. J. vorgenommenen Bewertung der Hörminderung überein, der unter zusätzlicher Berücksichtigung des unfallbedingten Anteils des Tinnitus ebenfalls eine Teil-MdE um 10 v.H. annimmt. Prof. Dr. S. schätzt die Gesamt-MdE auf 15 v.H., wobei er die Erhöhung der Teil-MdE für den Hörverlust von 10 v.H. im Hinblick auf den Ausprägungsgrad des Tinnitus, der Hyposmie, der Allodynie und der Cephalgien um 5 v.H. als angemessen erachtete. Im neurologischen Gutachten von Dr. B. werden eine unfallbedingte, aber allenfalls leichte Hyposmie links und eine damit verbundene geringe Geschmacksstörung mit einer MdE von unter 10 v.H. eingeschätzt. Die geklagten Cephalgien, bei der Klägerin als Schläfenkopfschmerzen bei Wetterumschwung auftretend, sind nach Dr. B. nicht unfallbedingt und daher in die MdE-Bewertung nicht einzustellen. Die Sensibilitätsstörungen (Pelzigkeitsgefühl, Überempfindlichkeit gegen mechanische Reize -Allodynie-) im Gesicht links unter Einbeziehung des Mundes als Folge der Schädigung des Nervus Infraorbitalis bewertete er mit einer Teil-MdE um 10 v.H., die seiner Auffassung nach wegen der über das normale Maß hinausgehenden schmerzhaften Allodynie und den gelegentlich auftretenden dumpfen Schmerzen unter dem linke Auge eine Erhöhung um 5 v.H. rechtfertige. Dr. B. gelangt daher zu einer Gesamt-MdE von 20 v.H. unter Berücksichtigung der Teil-MdE um 10 v.H. auf HNO-ärztlichem Gebiet. Es mag dahinstehen, ob bei den gegebenen MdE-Erfahrungssätzen in der unfallmedizinischen Literatur die von Dr. B. vorgenommene Erhöhung der Teil-MdE für die diagnostizierte Sensibilitätsstörungen gerechtfertigt ist. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung sind MdE-Werte für Verletzungen und Schmerzen im Kopf- und Gesichtsbereich in der Literatur nicht so spezifisch dokumentiert wie für das Schwerbehindertenrecht oder das soziale Entschädigungsrecht (vgl. Widder/Gaidzik, Begutachtung in der Neurologie, 2. Aufl., S. 564), weshalb für "außergewöhnliche" Schmerzen Analogschlüsse zu den vorhandenen MdE-Ansätzen vorzunehmen sind. Im Schwerbehindertenrecht ist eine Störung der Gesichtssensibilität mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 0-10 (vgl. Widder/Gaidzik a.a.O., S. 570) und leichte Trigeminusneuralgien mit seltenen, leichten Schmerzen mit einem GdB von 0-10 (Widder/Gaidzik a.a.O. Seite 565) zu bewerten. Im Hinblick auf das von der Sensibilitätsstörung betroffene eng umgrenzte Gebiet vom linken Unterlid bis zur Oberlippe einschließlich der linken Nasenseite und des Auslösemechanismus durch mechanische Reize, die nach Angaben der Klägerin zu Missempfindungen wie kleine Nadelstiche führen, erscheint eine Erhöhung um 5 v.H. nicht zwingend geboten, was aber offen bleiben mag.

Dr. B. weicht insoweit nur um 5 v.H. von der Einschätzung von Prof. Dr. S. ab und bewegt sich damit noch in der natürlichen Schwankungsbreite von Schätzungen, innerhalb der die um 5 v.H. voneinander abweichenden MdE-Bewertungen gleichermaßen rechtmäßig sind, was selbst dann gilt, wenn der von der Abweichung betroffenen höheren MdE-Stufe Rentenrelevanz zukommt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl., § 128 Rdnr. 3g m. w.N.; BSG Urteil vom 14.12.1978, SozSich. 1979,89; BSG Urteil vom 07.12.1976, SozR 2200 § 581 Nr. 9). Es ist nicht ersichtlich, dass Prof. Dr. S. und Dr. B. zulasten der Klägerin nachgewiesene Unfallfolgen nicht gewürdigt oder maßgebende Bewertungsgrundsätze nicht beachtet haben. Sie haben jeweils die gleichen Gesundheitsstörungen gewürdigt.

Soweit die Klägerin im weiteren Verlauf des Verfahrens psychische Unfallfolgen geltend macht, wurde von Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.04.2011 darauf hingewiesen, dass die Klägerin bislang keine neuropsychologischen Beschwerden erhoben hatte. Er habe keinen Hinweis darauf, dass eine unfallbedingte psychoreaktive Störung bei der Klägerin vorliege. Solche sind auch in der Erhebung der ausführlichen Anamnese durch den Neurologen und Diplom-Psychologen Dr. He. nicht dargelegt worden. Er beschreibt in seinem Gutachten vom 10.10.2008 dementsprechend auch einen unauffälligen psychischen Befund. Ebenso dürfte bei der MdE-Bewertung das von der Klägerin geltend gemachte Augentränen links nicht ausschlaggebend sein. Eine Motilitätsstörung des Augenlids links ist neurologisch nicht diagnostiziert worden. Das von der Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. J. geklagte rezidivierende Tränen des linken Auges bei subjektiver Störung des Lidapparats und bei Kälte rechtfertigt keinen MdE-Ansatz. Eine einseitige Verletzung der Tränenwege, die mit einer Dauerbeeinträchtigung einhergeht, rechtfertigt allenfalls eine MdE um 10 v.H. (Schönberger u.a., a.a.O., Seite 299). Eine dieser Bewertung unterfallende Funktionseinschränkung ist aber bei der Klägerin nicht diagnostiziert. Ein gestörter Speichelfluss besteht ebenfalls nur subjektiv. Dr. B. beschreibt einen unauffälligen neurologischen Befund mit unauffälligen kaudalen Hirnnerven, normaler Zungenbeweglichkeit, keine Zungenatrophie, keine Abweichtendenz, symmetrische Hebung des Gaumensegels und normalem Würgereflex und normaler Sprechweise. Missempfindungen im Bereich der Oberlippe, die das Gefühl des unkontrollierten Speichelflusses hervorrufen, sind wohl von der Bewertung der Gefühlsstörungen erfasst.

Die Beurteilung von Dr. He. , der eine Gesamt-MdE um 30 v.H. annahm und hierbei die auch von Prof. Dr. S. und Dr. B. bewerteten Gesundheitsstörungen zugrundelegte, dürfte weniger überzeugen. Seine Bewertung der von ihm diagnostizierten Gefühlsminderung, der Geschmacksminderung auf der linken Zungenhälfte und die Berücksichtigung des Kopfschmerzsyndroms ist voraussichtlich nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. B. mit den unfallmedizinischen Bewertungsgrundsätzen nicht vereinbar. Weitere Ermittlungen erscheinen dem Senat daher nicht geboten. Der Ausgang des Rechtsstreits kann nicht als noch offen bezeichnet werden."

An dieser bislang als vorläufige Rechtsauffassung vertretenen Ansicht hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung als endgültige Überzeugung fest. Die im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 29.03.2012 erhobenen Einwendungen haben dem Senat keinen Anlass für eine andere Beurteilung gegeben.

Hierbei wird der unfallbedingte Zusammenhang einer Hörstörung im Sinne einer Verschlimmerung zu Gunsten der Klägerin unterstellt; insoweit ist dies auch mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.12.2007/Widerspruchsbescheid vom 18.08.2009 bestandskräftig als Unfallfolge anerkannt. In Übereinstimmung mit den HNO-ärztlichen Gutachten von Dr. J. und Prof. Dr. S. geht der Senat nach wie vor von einer Teil-MdE um 10 v.H. für die von diesen Ärzten beschriebene unfallbedingte Hörminderung mit Tinnitus aus. Ausweislich des aktenkundigen Audiogramms vom 17.06.2002 betrug nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. S. (Seite 3 seines Gutachtens vom 30.12.2008) der unfallvorbestehende -symmetrische- Hörverlust 20 % beidseits. Unter Berücksichtigung der progredienten Hörminderung mit einem prozentualen Hörverlust von 30 % rechts und 60 % links (Untersuchung von Prof. Dr. S. am 15.10.2008) würde der rein rechnerische Verschlimmerungsanteil einen asymmetrischen Hörverlust von 10 % rechts und 40 % links ergeben, was nach der Tabelle von Feldmann 1995 (vgl. Schönberger u.a., a.a.O.) grundsätzlich mit einer MdE um 0 v.H. zu bemessen ist. Im Einklang mit den MdE-Bewertungsgrundsätzen bei "eingeholten" Vorschäden am gleichen Organ (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII Rn. 10.7) haben Dr. J. und Prof. Dr. S. die aus ihren aktuellen Audiogrammen ersichtlichen Hörverluste, die ohne Abschichtung von Vorschaden und Unfallschaden eine MdE um 20 v.H. rechtfertigen würden, mit einer unfallbedingten MdE von 10 v.H. angemessen bewertet. Beide Gutachter haben eine Erhöhung der MdE für den reinen Hörverlust allein wegen der geltend gemachten Verstärkung des vorbestehenden einseitigen Tinnitus nachvollziehbar verneint. Prof. Dr. S. hat auf die Intensitätsskala nach Brusis verwiesen, der ohne Berücksichtigung des Vorschadens allenfalls eine Teil-MdE um 10 v.H. rechtfertigen würde. Die rechnerische Berücksichtigung einer Teil-MdE von unter 10 v.H. für den unfallbedingten Verschlimmerungsanteil hinsichtlich des Tinnitus wirkt sich in der integrierenden Betrachtung der HNO-fachärztlich einzuschätzenden MdE nicht aus.

Aus Sicht des Senats kann auch dahinstehen, ob die geltend gemachten Kopfschmerzen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit dem anerkannten Arbeitsunfall stehen, was von Dr. B. verneint wird. Durchgehend werden in den HNO-ärztlichen und neurologischen Gutachten Kopfschmerzen bei deutlicher Wetterfühligkeit (Gutachten von Dr. J. ), stechende Kopfschmerzen bei Wetterumschwung (Gutachten von Prof. Dr. K. ), vor allem bei Wetterumschwung auftretende Kopfschmerzen im Bereich der linken Schläfenregion (Gutachten von Dr. He. ), ausgeprägte Wetterfühligkeit sowie rezidivierende linksseitig temporal lokalisierte Cephalgien (Gutachten von Prof. Dr. S. ) bzw. bei Wetterumschwung dumpfe Schmerzen unter dem linken Auge oder auch Schläfenkopfschmerzen bei Wetterumschwung (Gutachten von Dr. B. ) angegeben, die daher von Prof. Dr. K. in seinem neurologischen Gutachten zutreffend integrierend mit den im Übrigen beschriebenen Sensibilitätsstörungen einschließlich der auch von ihm umschriebenen Allodynie erfasst und unter Berücksichtigung der Unfallfolgen auf HNO-ärztlichen Gebiet mit der Gesamt-MdE von 15 v.H. bewertet wurden. Maßgebend ist insoweit, dass die unterstellte Unfallfolge Cephalgie nur temporär und für kurze Zeit auftritt (nach Beschwerdevorbringen der Klägerin im Gutachten von Dr. He. vom 10.10.2008: dreimal im Monat auftretend und nur für Stunden anhaltend und ohne vegetative oder neurologische Begleiterscheinung, was mit ihren Angaben im später erstellten Gutachten von Dr. B. weitgehend übereinstimmt mit der Einschränkung, dass jetzt eine höhere Frequenz der Kopfschmerzen angegeben wird). Die Einschätzung des Kopfschmerzsyndroms mit einer Teil-MdE um 10 v.H. durch Dr. He. ist daher nicht überzeugend.

Die von Dr. B. beschriebenen Einschränkungen des Geschmacks- und Geruchsempfindens (Teil-MdE von unter 10 v.H.) decken sich mit den Ergebnissen der Untersuchungen von Prof. Dr. S. , der eine leichtgradige Hyposmie und damit verbundene, jedoch letztlich nicht objektivierbare Hypogeusie - bei offenbar gewordenen Aggravationtendenzen - beschrieb, was wiederum mit der Beurteilung von Dr. J. mit einer Teil-MdE von weniger als 10 v.H. für die auch von ihm diagnostizierte Hyposmie - und sinngemäß der hälftigen Aufhebung der Geschmackswahrnehmung der linken Mundhöhle - übereinstimmt. Zweifel an der Validität der erhobenen Befunde besteht bei den übereinstimmenden Untersuchungsergebnissen nicht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch die als Unfallfolge anerkannte Myoarthropathie hinreichend in der MdE-Einschätzung berücksichtigt. Dr. J. führte zwar in seinem Gutachten aus, dass eine Beeinträchtigung der Unterkieferbeweglichkeit links auffalle, weil bei weiter Mundöffnung das Kiefergelenk links deutlich aus der Gelenkpfanne herausspringe (S. 11 seines Gutachtens). Andererseits bewertet er den Umfang der klinisch festgestellten Kiefergelenks- Myoarthropathtie als gering und schätzt die Behinderung der Mundöffnung mit einer MdE von weniger als 10 v.H. ein (S. 16 und 18 seines Gutachtens). Demgegenüber beschreibt Prof. Dr. S. eine seitengleich ausgeprägte und bewegliche Gesichtsmuskulatur. Er fand keinen Anhalt für eine pathologische Kiefergelenkveränderung oder eine Okklusionsstörung, was ebenso für eine allenfalls geringfügige Beeinträchtigung des Kiefergelenks spricht. Aus dem Gutachten von Dr. J. ergibt sich nicht, dass das linke Kiefergelenk der Klägerin chirurgisch oder chiropraktisch reponiert werden musste, sei es anlässlich der klinischen Untersuchung durch Dr. J. oder in der Vergangenheit. Die Notwendigkeit einer solchen therapeutischen Maßnahme hinsichtlich einer gravierenden Kiefergelenksanomalie hat auch die Klägerin selbst nicht behauptet. Weitergehende funktionelle Beeinträchtigungen als das von der Klägerin durchgehend in diesem Zusammenhang nur geschilderte Knackgeräusch beim Essen liegen nicht vor oder sind hinsichtlich der beschriebenen Sensibilitätsstörungen als Missempfindung berücksichtigt. Soweit die Klägerin zuletzt mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 29.03.2012 behauptet, mit dem Begriff der Myoarthropathie sei die Schmerzhaftigkeit der Erkrankung bereits hinreichend behauptet, ist dies wenig überzeugend. In den umfangreichen Beschwerdeschilderungen der Klägerin, die in den Gutachten der Verwaltungsakte der Beklagten und der Sozialgerichtsakte dokumentiert sind, sind spezifische Schmerzangaben im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme oder sonstigen Kiefergelenkbewegungen nicht enthalten. Solche sind auch nicht aus der Begrifflichkeit abzuleiten, wie die Klägerin meint. Bei der Myoarthropathie handelt es sich i.d.R. um Störung des Kausystems entweder der Kaumuskulatur (Myopathie) oder in den Kiefergelenken (Arthropathie) oder in beiden (Myoarthropathie), deren eigentliche Zeichen Kiefergelenkknacken bzw. Kiefergelenkreiben sind, welche aber nicht immer schmerzhaft sind (vergl. Gesellschaft für Zahngesundheit, Funktion und Ästhetik - GZFA -, Beschwerdebilder, Stichwort Myoarthropathie in www.gzfa.de), weshalb die MdE-Einschätzung von Prof. Dr. S. und Dr. J. für den Senat auch insoweit überzeugend sind. Der Senat sah auch keine Veranlassung, zu der von der Klägerin angeregten Einholung eines kieferorthopädischen Gutachtens. Insoweit sind die Beurteilungen der HNO-Ärzte Prof. Dr. S. und Dr. J. nicht fachfremd, denn die Grundlagen funktioneller Störungen der Halswirbelsäule und der Kiefergelenke sowie der Indikationsstellung zur operativen und konservativen Behandlung einschließlich der Risikoeinschätzung und prognostischen Beurteilung gehören zum Weiterbildungsinhalt der HNO-Facharztausbildung (vgl. u.a. Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Stand 04/2011, Nr. 9.-Gebiet Hals-Nasen-Ohrenheilkunde-, 9.1).

Soweit das neurologische Gutachten von Dr. B. mit einer Gesamt-MdE um 20 v.H. von dem neurologischen Gutachten von Prof. Dr. K. und den HNO-ärztlichen Gutachten von Prof. Dr. S. und Dr. J. mit deren Einschätzung der Gesamt-MdE um 15 v.H. abweicht, liegt dies jeweils im Bereich der Schwankungsbreite von Schätzungen und ist einer rechtlichen Würdigung nicht zugänglich. Beurteilungsfehler, die die Bewertung beeinflussen konnten, sind, wie bereits dargelegt, diesen Gutachten nicht zu entnehmen. Dies gilt selbst dann, wenn man die Nichtberücksichtigung von Kopfschmerzen dem Gutachten von Dr. B. als fehlerhaft unterstellen wollte. Es ist nicht ersichtlich, dass deshalb seine MdE-Bewertung mehr als 20 v.H. betragen müsste, da sich aus den oben angeführten Gründen eine erhöhende Wirkung der Cephalgien nicht begründen ließe.

Weitere Ermittlungen sind nach den überzeugenden Gutachten von Dr. J. und Prof. Dr. S. einerseits und Prof. Dr. K. bzw. Dr. B. andererseits rechtlich nicht geboten, insbesondere bedarf es keines schmerzklinischen Fachgutachtens, wie von der Klägerin angeregt. Die medizinischen Befunde und das Ausmaß der funktionellen Beeinträchtigungen bzw. der geklagten Schmerzen ist von den genannten begutachtenden Ärzten weitgehend übereinstimmend beschrieben worden. Graduelle Abweichungen sind, wie dargelegt, nicht entscheidungserheblich. Bislang nicht hinreichend aufgeklärte, entscheidungserhebliche Umstände hat die Klägern auch nicht vorgetragen.

Nach diesen Grundsätzen liegen bei der Klägerin keine Unfallfolgen vor, die entweder selbst eine MdE um 20 v.H. rechtfertigen, oder zusammen mit anderen einen Stützrententatbestand ergeben, der ausnahmsweise einen Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 15 v.H. wegen des Versicherungsfalls vom 23.06.2002 gegenüber der Beklagten begründet. Ein solcher Stützrententatbestand ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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