S 7 SO 30/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 7 SO 30/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 132/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Von welcher Behörde eines Leistungsträgers und mit welcher Begründung ein Antrag abgelehnt wird, ist für die Annahme der "sachlichen Bescheidung" unerheblich.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Entscheidung über seinen Antrag vom 06.10.2010.

Mit Schreiben vom 20.09.2010, bei dem Beklagten eingegangen am 06.10.2010, beantragten die Eltern des in 1996 geborenen Klägers für diesen bei dem Beklagten die Übernahme von Schulgeld für den Besuch der C.-Schule in Höhe von monatlich 303,92 EUR nach den Bestimmungen des SGB XII. Diesen Antrag leitete das Amt für soziale Sicherung des Beklagten am 11.10.2010 an das Amt für Jugend, Familie und Sport des Beklagten weiter. Zugleich wurde den Eltern des Klägers mitgeteilt, dass die Übernahme von Schulgeld keine Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen sei. In Hessen gelte die Schulmittelfreiheit. Deshalb sei der Antrag mit heutiger Post an das Amt für Jugend, Familie und Sport D. mit der Bitte um Prüfung auf Leistungen der Erziehungshilfe abgegeben worden. Nachdem seitens des Amtes für Jugend, Familie und Sport des Beklagten ein persönliches Gespräch mit dem Vater des Klägers stattgefunden hatte, lehnte das Amt für Jugend, Familie und Sport mit Bescheid vom 29.03.2011 in Antrag vom 06.10.2010 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger nach den Angaben seines Vaters im sozialen Umfeld integriert sei und nicht unter seinen Teilleistungsschwächen leide. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Eingliederungshilfe gemäß § 35 a SGB VIII seien nicht erfüllt. Der Antrag sei daher abzulehnen.

Am 27.06.2011 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wird vorgetragen, dass das Jugendamt übersehen habe, dass die Eltern des Klägers keine Hilfe nach den Bestimmungen des SGB VIII beantragt hätten, weil sie die Voraussetzungen für den Kläger nicht bejaht hätten. Deshalb sei es für sie auch nicht von Bedeutung gewesen, dass das Jugendamt (und nicht Sozialamt, bei dem sie den Antrag gestellt hätten) einen Antrag abgelehnt habe, den sie nicht gestellt hätten. Der Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII sei nach wie vor nicht beschieden.

Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, über den Antrag des Klägers vom 20.09.2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antrag auf Übernahme des Schulgeldes an das Amt für Jugend, Familie und Sport weitergeleitet worden sei und von dort beschieden worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie einschlägige Behördenakte (1 Hefter) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, § 105 SGG. Die Klage kann keinen Erfolg haben. Eine Untätigkeitsklage ist nach § 88 Abs. 1 S. 1 SGG zulässig, wenn seit der Stellung des Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsaktes 6 Monate vergangen sind, und sie ist begründet, wenn der Antrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 11.11.2003 - Breithaupt 2004, 809). Die 6-Monats-Frist seit Stellung des Antrages am 06.10.2010 bei dem Beklagten war zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 27.06.2011 abgelaufen. Der Beklagte hat jedoch den bei ihm am 06.10.2010 eingegangenen Antrag des Klägers auf Übernahme von Schulgeld sachlich beschieden. "Sachlich bescheiden" bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O.) nicht, dass dem Antrag stattgegeben werden muss, wohl aber, dass in der Sache eine Entscheidung getroffen wird und sei es, dass der Antrag als unzulässig abgelehnt wird. In diesem Sinne hat der Beklagte mit dem Bescheid des Amtes für Jugend, Familie und Sport vom 29.03.2011 über die Ablehnung von ambulanter Eingliederungshilfe gemäß § 35 a SGB VIII, der ausdrücklich Bezug auf den Antrag des Klägers vom 06.10.2010 nahm, diesen Antrag sachlich beschieden. Dies konnte auch für den Kläger nicht zweifelhaft sein, weil er mit Schreiben des Beklagten vom 11.10.2010 darauf hingewiesen worden war, dass sein Antrag vom 06.10.2010 an das Amt für Jugend, Familie und Sport weitergeleitet worden war. Auf die vom Klägern angestellten Erwägungen, dass er ausdrücklich die Übernahme von Schulgeld nach den Bestimmungen des SGB XII - und zwar bei dem Sozialamt, nicht dem Jugendamt des Beklagten - beantragt habe, kommt es demgegenüber nicht an. Das Merkmal der "sachlichen Bescheidung" verlangt nur, dass überhaupt ein Verwaltungsakt erlassen wird, ohne dass es zunächst auf den Inhalt der Verwaltungsentscheidung ankommt (Krasney /Udsching), Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage, IV Rn. 53). Da nach der Vorschrift des § 16 Abs. 1 S. 1 SGB I Anträge auf Sozialleistungen nicht bei einer Behörde, sondern beim zuständigen Leistungsträger zu stellen sind, kommt es bei der im vorliegenden Zusammenhang anzustellenden formalen Betrachtung weder darauf an, welche organisatorische Einheit des Leistungsträgers den Antrag bescheidet, noch ist von Bedeutung, ob sich der Verwaltungsakt in seiner Begründung mit dem Vorbringen des Antragstellers auseinandersetzt noch ob sich die Begründung überhaupt als tragfähig erweist. Dies sind Gesichtspunkte, die dort eine Rolle spielen, wo der Erfolg des in Anspruch genommenen Rechtsschutzes von der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes abhängt. Diese Situation ist im Bereich des § 88 Abs. 1 S. 1 SGG - wie oben dargelegt - gerade nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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