L 10 R 4170/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1619/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4170/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30.08.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1959 geborene und aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Klägerin war von April 1979 bis Juli 2005 bei K. als angelernte Verkäuferin und Kassiererin beschäftigt. Seither geht sie keiner Berufstätigkeit mehr nach. Sie lebt vom Einkommen des Ehemanns, erledigt den Haushalt, nimmt Termine zur Gymnastik oder Lymphdrainage wahr und geht abends manchmal mit ihrem Ehemann schwimmen oder spazieren (Angaben der Klägerin vom Februar 2009, Bl. 303 VA). Ein erster von der Klägerin im Jahr 2006 gestellter Rentenantrag blieb erfolglos. Zuletzt entschied hierüber der 11. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg mit Urteil vom 22.01.2008 (L 11 R 3123/07). Gestützt auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. und des Orthopäden und Rheumatologen Dr. T. sowie unter Berücksichtigung des im zweitinstanzlichen Verfahren auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Prof. Dr. B. stand für den damals erkennenden Senat fest, dass die Klägerin noch in der Lage war, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen ohne einseitige Körperhaltung (überwiegendes Sitzen oder überwiegendes Stehen) sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Von diesem Leistungsvermögen gingen die eben genannten Gutachter übereinstimmend trotz der von ihnen gestellten Diagnosen - Carpaltunnel-, Wirbelsäulensyndrom, Adipositas per magna und allgemeine Überlastungsbeschwerden, Osteochondrose C5/6 ohne radikuläre Symptomatik und ansonsten leichte bis mittelgradige degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Besenreiservarizen, kleiner Fersenspornansatz links - aus. Auch der damals als sachverständige Zeuge befragte Neurologe und Psychiater Dr. V. sowie der Orthopäde Dr. R. sahen ein vollschichtiges Leistungsvermögen, jedenfalls für leichte Tätigkeiten, wobei Dr. V. in Abweichung zu Dr. M. eine Dysthymia, eine Somatisierungsstörung und eine mittelgradige depressive Episode diagnostizierte.

Den am 15.07.2008 gestellten zweiten Rentenantrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2009 ab. Sie berücksichtigte dabei zusätzlich das im Widerspruchsverfahren eingeholte Gutachten des Orthopäden Dr. C. , der ein degeneratives Cervikal- und Lumbalsyndrom sowie eine Adipositas diagnostizierte und gleichwohl leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnden Arbeitshaltungen ohne Heben und Tragen schwerer Lasten und ohne längere Einnahme von Körperzwangshaltungen mindestens sechs Stunden täglich für möglich erachtete.

Deswegen hat die Klägerin am 15.06.2009 beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben. Sie hat u.a. den Arztbrief des Facharztes für Chirurgie, Phlebologie und Lymphologie Dr. S. vom Februar 2010 vorgelegt. Dieser hat bezogen auf seine laufende lymphologische Behandlung von einer stabilen Situation berichtet. Das Sozialgericht hat Dr. R. , den Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie Dr. M. , Dr. V. , die Allgemeinmedizinerin Dr. K. und den Neurologen und Psychiater PD Dr. N. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. R. hat u.a. von einer Heberdenarthrose der Finger beidseits und einem Wirbelsäulensyndrom berichtet und die Klägerin nunmehr nur noch in der Lage gesehen, drei bis unter sechs Stunden täglich zu arbeiten. Dr. M. hat auf seine nur einmalige Behandlung im April 2008, bei der er eine entzündliche-rheumatische Systemerkrankung ausgeschlossen habe, verwiesen und angesichts des damals erhobenen Befundes leichte Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet. Von letzterem ist auch Dr. V. , der die Klägerin zuletzt wegen eines Carpaltunnelsyndroms rechts leichterer Ausprägung behandelt hat und daneben den Verdacht auf das Vorliegen einer Fingergelenksarthrose beidseits geäußert sowie eine Somatisierungsstörung gesehen hat, ausgegangen. Dr. K. hat nur über eine kurze Akutbehandlung berichtet. Dr. N. hat die Klägerin trotz eines Carpaltunnelsyndrom rechts sowie eines pseudoradikulären Schmerzsyndroms an der linken unteren Extremität für fähig erachtet, sechs Stunden täglich zu arbeiten und wegen der aus seiner Sicht im Vordergrund stehenden Schmerzsymptomatik im Bereich der linken Ferse auf eine orthopädische Beurteilung verwiesen.

Ferner hat das Sozialgericht die Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K. und - auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG - des Direktors der Klinik für Orthopädie im S.-B-Klinikum V. , PD Dr. L. , eingeholt. Dr. K. hat eine Herberden-Polyarthrose der Hände, ein chronisch rezidivierendes Cervicalsyndrom, ein dorsolumbales Wirbelsäulensyndrom nebst chronifiziertem Schmerzsyndrom Grad III nach Gerbershagen, ein Schmerzsyndrom beider Füße mit beginnender Mittelfußarthrose sowie ein Fibromyalgiesyndrom diagnostiziert. PD Dr. L. , der in seinem Gutachten keine Abweichungen von Vorgutachten gesehen hat, hat daneben noch eine Impingementproblematik beider Schultergelenke, einen Fersensporn beidseits sowie ein Carpaltunnelsyndrom beidseits erwähnt. Beide Sachverständige sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Klägerin bei Beachtung qualitativer Einschränkungen einer leichten Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung nachgehen könne. PD Dr. L. hat auf Grund der erheblichen Diskrepanz zwischen dem klinischen Befund und dem subjektiven Beschwerdebild eine psychosomatische Zusatzbegutachtung für erwägenswert erachtet.

Mit Urteil vom 30.08.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gestützt auf die Gutachten von Dr. K. , PD Dr. L. und Dr. C. ist es davon ausgegangen, dass bei der Klägerin die Heberden-Polyarthrose der Hände, ein chronisch rezidivierendes Cervikalsyndrom bei Osteochondrose C5/6 und Halswirbelsäulenfehlstatik, ein dorsolumbales Wirbelsäulensyndrom bei Hohlrundrücken mit Muskel- und Sehnenreizerscheinungen, eine Osteochondrose und Spondylarthrose der Brustwirbelsäule und der unteren Lendenwirbelsäule, eine Impingementproblematik beider Schultergelenke, ein chronifiziertes Schmerzsyndrom Grad III nach Gerbershagen, ein Schmerzsyndrom beider Füße bei myostatischer Überlastung, zudem Senk-Spreizfußbeschwerden und eine beginnende Mittelfußarthrose sowie ein Fibromyalgie-Syndrom im Vordergrund stünden. Eine rentenrelevante zeitliche Einschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ließe sich daraus jedoch nicht ableiten. Die Klägerin könne zumindest noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Qualitative Einschränkungen seien dahingehend gegeben, dass Arbeiten, welche mit Heben und Tragen schwerer Lasten verbunden sind, nicht mehr leidensgerecht seien. Ebenso sollten Tätigkeiten, die überwiegend im Stehen und Gehen durchgeführt werden müssen, sowie solche Tätigkeiten, die mit häufigem Treppensteigen und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten verbunden sind, unterbleiben. Der Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft sei ebenfalls zu vermeiden. Die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände sei im Bereich der Feinmotorik und bei handschriftlichen Arbeiten nicht mehr gegeben. Eine abweichende Leistungsbeurteilung ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der durch die behandelnden Ärzte benannten Befunde und Diagnosen. Dr. M. , Dr. V. und Dr. N. gingen ebenfalls von einem zeitlichen Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr aus. Dr. R. habe keine Aussage zur Behandlungshäufigkeit gemacht und seine Leistungseinschätzung nicht unter Angabe von Funktionsparametern, die einen Vergleich erlaubten bzw. nachvollziehbar machen könnten, begründet. Im Hinblick auf ihre letzte Tätigkeit als Verkäuferin könne die Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts breit, d.h. auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, verwiesen werden.

Gegen das ihr am 12.09.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.09.2011 Berufung eingelegt. Sie hält sich nicht mehr für belastbar und verweist auf die laufenden Behandlungen durch Dr. R. und Dr. S ... Sie legt den Arztbrief der Ärztin für Innere Medizin, Rheumatologie, Naturheilverfahren Dr. F. vom Mai 2011 vor. Darin hat diese eine Lipomatose der Oberschenkel sowie ein Carpaltunnelsyndrom rechts diagnostiziert, keinen sicheren Hinweis für eine entzündlich rheumatische Systemerkrankung gesehen und den dringenden Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung geäußert. Sie - die Klägerin - hält eine Begutachtung auf psychosomatischem Fachgebiet für dringend erforderlich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30.08.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2009 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung zu. Dies hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil unter Nennung der zutreffenden Rechtsgrundlagen (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) unter überzeugender Würdigung der Gutachten von Dr. C. , Dr. K. und PD Dr. L. einschließlich der eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen ausführlich dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese Ausführungen Bezug und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Zum Berufungsvorbringen der Klägerin ist zu ergänzen:

Die subjektive Einschätzung der Klägerin, nicht mehr belastbar zu sein, trifft nach der übereinstimmenden Auffassung aller hier, im Übrigen auch schon im ersten Rentenverfahren tätig gewordenen, zum Teil sogar von der Klägerin selbst ausgewählten, Gutachter nicht zu. Mit Ausnahme von Dr. R. haben auch sämtliche sachverständige Zeugen, soweit sie eine Leistungsbeurteilung abgegeben haben, die Auffassung der Klägerin nicht geteilt. Dies gilt wie schon bei den Gutachtern auch im Hinblick auf die im ersten Rentenverfahren vom Sozialgericht eingeholten sachverständige Zeugenaussagen, wobei in diesem Verfahren selbst Dr. R. im Februar 2007 noch von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ausging.

Anknüpfend daran kann aus der im Übrigen schon immer bekannten laufenden Behandlung durch Dr. R. und auch aus der Behandlung durch Dr. S. nicht auf ein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen geschlossen werden. Soweit das Sozialgericht im angefochtenen Urteil das von Dr. S. im Arztbrief vom Februar 2010 genannte ausgeprägte Lipödemsyndrom mit progredienter lymphogener Komponente bei Adipositas nicht erwähnt hat, ist dies im Ergebnis ohne Bedeutung. Denn der Senat ist davon überzeugt, dass dieses Syndrom unter Beachtung der vom Sozialgericht ausführlich dargestellten qualitativen Einschränkungen einer mindestens sechsstündigen Tätigkeit nicht entgegensteht. Denn Dr. S. hat im eben genannten Arztbrief die phlebologische Situation ausdrücklich als stabil beschrieben. Bei der Begutachtung durch Dr. K. sind bei laufender Behandlung des Lymphödems nur in geringem Umfang wegdrückbare Ödeme vorhanden gewesen (Bl. 87 SG-Akte). PD Dr. L. hat im Bereich der unteren Extremität nur eine dezente Stammvarikosis, jedoch keine Ödeme erwähnt (Bl. 135 SG-Akte). Dr. K. hat ausdrücklich unter Berücksichtigung der Komorbidität im Hinblick auf die Adipositas und die Varikosis beider Beine bei Beachtung qualitativer Einschränkungen berufliche Belastungen von sechs Stunden und mehr mit dem Gesundheitszustand der Klägerin für vereinbar erachtet (Bl. 105 SG-Akte).

Der im Berufungsverfahren vorgelegte Arztbrief von Dr. F. vom Mai 2011 enthält keine neuen Erkenntnisse. Den von ihr geäußerten Verdacht auf das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung hat Dr. V. schon in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom September 2009 genannt und die Klägerin gleichwohl für in der Lage erachtet, mindestens sechs Stunden täglich einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit nachzugehen. Im ersten Rentenverfahren hielt er dies im Rahmen seiner sachverständigen Zeugenaussage vom Januar 2007 sogar unter der damals von ihm neben einer Dysthymie und mittelgradigen depressiven Episode sicher diagnostizierten Somatisierungsstörung für möglich. Im Übrigen haben Dr. K. im Rahmen seiner gutachtlichen Bewertung und gestützt darauf auch das Sozialgericht bei der Klägerin ein chronifiziertes Schmerzsyndrom Grad III nach Gerbershagen, ein Schmerzsyndrom beider Füße und ein Fibromyalgie-Syndrom bereits berücksichtigt.

Soweit PD Dr. L. die Einholung eines psychosomatischen Gutachtens für erwägenswert erachtet hat, ist dem das Sozialgericht, nachdem Dr. N. ergänzend als sachverständiger Zeuge befragt worden ist, aus nachvollziehbaren Gründen nicht nachgekommen. Denn nachdem seitens des psychiatrisch-neurologischen Fachgebiets die beiden behandelnden Ärzte Dr. V. und Dr. N. übereinstimmend von einem zeitlich nicht rentenrelevant eingeschränkten Leistungsvermögen ausgegangen sind, bestand und besteht für die Einholung eines psychosomatischen Gutachtens keine Veranlassung. Die Einschätzung der behandelnden Ärzte ist angesichts des von der Klägerin selbst angegebenen Tagesablaufs, der von der Führung des Haushalts und durchaus noch möglichen Freizeitaktivitäten wie spazieren und schwimmen gehen geprägt ist, nachvollziehbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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