Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 154/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 137/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger vom 01. Januar 1992 bis zum 02. Dezember 2004 als selbständiger Zahnarzt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.
Der am ... 1963 geborene Kläger war – nach vorheriger abhängiger Beschäftigung – ab dem 26. Juni 1991 als selbständiger Zahnarzt in eigener Niederlassung im Beitrittsgebiet tätig und entrichtete Beiträge zum Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete er bis zum 25. Juni 1991, danach nicht mehr.
Nachdem der Kläger am 24. Juni 2003 einen Antrag auf Kontenklärung gestellt hatte, wurde der Beklagten dieser Sachverhalt bekannt. Mit Bescheid vom 23. November 2004 stellte sie fest, dass der Kläger nach § 229a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sei, weil er am 31. Dezember 1991 aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Zahnarzt im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig gewesen sei. Für die Zeit vom 01. Januar 1992 bis zum 30. November 1999 seien die Beiträge aber verjährt. Mit weiterem Bescheid vom 23. November 2004 traf die Beklagte eine entsprechende Feststellung und forderte von dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Dezember 1999 bis zum 30. November 2004 Pflichtbeiträge in Höhe von 22.624,88 Euro. Dagegen legte der Kläger am 03. Dezember 2004 Widerspruch ein. Er habe ab dem Beginn seiner selbständigen Tätigkeit Arbeitnehmer beschäftigt, die mehr als geringfügig beschäftigt gewesen seien. Auch sei er Mitglied im Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, und er habe im Jahre 1994 auch einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt. Mit Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit sei seine Versicherungspflicht kraft Gesetzes erloschen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Als selbständiger Zahnarzt sei der Kläger nach § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Sozialversicherung (SVG) im Beitrittsgebiet ab Aufnahme seiner Tätigkeit versicherungspflichtig gewesen. Einen Befreiungsantrag habe er nicht gestellt. Dieser Sachverhalt sei der Beklagten erst im Jahre 2003 bekannt geworden. Die Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Zahnärztekammer stelle keinen Befreiungstatbestand dar.
Daraufhin hat der Kläger am 28. Februar 2006 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Er habe mit Schreiben vom 07. November 1994 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Befreiungsantrag gestellt. Auch würden in seiner Person die Voraussetzungen des § 229a SGB VI nicht vorliegen. Das SVG sei auf ihn nicht anwendbar. Im Übrigen seien die Ansprüche auch verwirkt. Durch den Beitritt in das Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer habe er eine Vermögensdisposition getroffen, die er nicht mehr rückgängig machen könne.
Mit Bescheid vom 07. November 2008 hat die Beklagte den Kläger ab dem 03. Dezember 2004 (Eingang des Widerspruchs bei der Beklagten) nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
Mit Urteil vom 12. März 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Aufgrund seiner Tätigkeit als Zahnarzt habe der Kläger ab dem 01. Januar 1992 im Beitrittsgebiet der Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen. Ein Befreiungsantrag sei bei der Beklagten bis zum 31. Dezember 1994 nicht eingegangen. Auch eine Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 6 SGB VI komme für den Kläger nicht in Frage, da er diese bis zum 30. September 2001 hätte beantragen müssen. Die seiner Versicherungspflicht zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen würden auch nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Die Beitragszahlungen seien auch nicht verwirkt.
Gegen das am 01. April 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. April 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. In seinem Falle würden die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nicht vorliegen. Die Beklagte habe den Eingang seines Befreiungsantrags nicht bestritten, so dass von dessen Zugang auszugehen sei. Entgegen der Auffassung des SG seien die Beitragsforderungen auch verwirkt. Die Einziehung würde im Widerspruch zu Treu und Glauben stehen. Der Kläger verfüge über eine adäquate Altersversorgung. Die Beklagte habe auch Kenntnis von dem Betrieb der Zahnarztpraxis gehabt, den Kläger aber nicht zur Antragstellung aufgefordert. Außerdem genieße er auch Vertrauensschutz.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2009 und die Bescheide der Beklagten vom 23. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2006, geändert durch Bescheid vom 07. November 2008, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2009 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 23. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2006, geändert durch Bescheid vom 07. November 2008, und das die Beklagte bestätigende Urteil des SG sind nicht zu beanstanden, so dass der Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert ist. Der Bescheid vom 07. November 2008 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil er die beiden Bescheide vom 23. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2006 abändert.
In der Sache hat die Beklagte für den Zeitraum vom 01. Januar 1992 bis zum 02. Dezember 2004 die Versicherungspflicht des Klägers dem Grunde und der Höhe nach zutreffend festgestellt. Für die Zeit seit dem 01. Januar 1999 ist die Beitragsforderung auch nicht verjährt. Gegen § 229a SGB VI bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Beitragsforderung ist auch nicht verwirkt.
1.
Nach 229a Abs. 1 SGB VI bleiben Personen weiterhin versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig gewesen sind, nicht ab dem 01. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden sind und nicht bis zum 31. Dezember 1994 beantragt haben, dass die Versicherungspflicht enden soll. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Falle des Klägers vor.
a)
Der Kläger war am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Gemäß § 1 Buchstabe f) der Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR vom 09. Dezember 1977 (GBl. DDR I 1978 Nr. 1 Seite 1) war der Kläger als selbständig Tätiger vom Geltungsbereich der Sozialversicherung erfasst. Nach § 10 des Gesetzes über die Sozialversicherung der DDR vom 28. Juni 1990 – SVG – (GBl. DDR 1990 Nr. 38 Seite 486) galt dies auch für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991. Nur für Selbständige, die ihre Tätigkeit im Beitrittsgebiet erst nach dem 31. Juli 1991 aufgenommen haben, hat Versicherungspflicht nach § 10 SVG nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 2, 229a Abs. 2 SGB VI bestanden (Art. 35 Abs. 3 des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 – BGBl. I Seite 1606). Die selbständige Tätigkeit des Klägers begann aber bereits im Juni 1991. In dieser Tätigkeit ist der Kläger schließlich auch nicht ab dem 01. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden, so dass er ab diesem Tag gemäß § 229a Abs. 1 SGB VI weiterhin versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war.
b)
Es ist auch nicht erwiesen, dass der Kläger bis zum 31. Dezember 1994 oder danach, aber vor dem 03. Dezember 2004, auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 SGB VI wirksam beantragt hat, dass seine Versicherungspflicht enden soll. Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Eine Tatsache ist dann im Sinne des Vollbeweises bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 128 Rdnr. 3b mit weiteren Nachweisen).
Zunächst ist festzustellen, dass in den Unterlagen der Beklagten kein vor dem 03. Dezember 2004 gestellter Befreiungsantrag vorliegt oder vermerkt ist. Das erstmals im Verfahren vor dem SG vorgelegte Schreiben vom 07. November 1994 vermag für sich die volle Überzeugung einer Übermittlung an die Rechtsvorgängerin der Beklagten für den Senat nicht zu begründen. Denn irgendwelche Unterlagen über einen Zugang bei der Behörde hat der Kläger nicht vorgelegt. Insoweit ist er aber beweispflichtig. Im Zulassungsantrag bezüglich der Aufnahme der zahnärztlichen Tätigkeit sowie der Anmeldung beim Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer kann auch kein konkludenter Befreiungsantrag gesehen werden. Das scheitert schon daran, dass die Beklagte von dem Zulassungsantrag, der Zulassung sowie insbesondere von der Anmeldung zum Altersversorgungswerk keine Kenntnis hatte. Auf nicht vorgenommene Betriebsprüfungen nach § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) kann sich der Kläger nicht berufen. Denn diese hätten ihn, wie der gesamte Dritte Abschnitt des SGB IV (§§ 28a ff. SGB IV), nur in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber betroffen. Geeignete Rückschlüsse auf den eigenen Versichertenstatus können bei Prüfungen dieser Art nicht gewonnen werden.
2.
Die geltend gemachten Beiträge für die Zeit ab Dezember 1999 sind auch noch nicht verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der hier maßgeblichen Fassung vom 01. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2004 wurden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen waren, spätestens am Fünfzehnten des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder das Arbeitseinkommen erzielt wurde, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt galt. Der Beitrag für November 1999 war damit im Dezember 1999 fällig und demnach mit Ablauf des Jahres 1999 – und damit im Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung der Beitragsforderung im Jahre 2004 – verjährt. Der Beitrag für Dezember 1999 war dementsprechend erst im Januar 2000 fällig und unterfiel somit im Jahre 2004 noch nicht der vierjährigen Verjährungsfrist von § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Die später fällig gewordenen Beiträge waren 2004 naturgemäß ebenfalls noch nicht verjährt.
3.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beitragshöhe fehlerhaft errechnet wäre, was im Übrigen von dem Kläger auch nicht geltend gemacht wird. Die Beklagte hat den Regelbeitrag zugrunde gelegt. Sie hat also die Beitragsbemessung auf der Grundlage der Bezugsgröße vorgenommen (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in Verbindung mit § 18 SGB IV). Eine einkommensgerechte Beitragszahlung im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI würde im Hinblick auf das vermutliche Einkommen als Zahnarzt wohl zu höheren Beiträgen führen. Eine Beschränkung auf einen Beitrag auf der Grundlage der Hälfte der Bezugsgröße gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI konnte der Kläger nicht beanspruchen, weil dies nur bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit möglich ist. Der Kläger hat seine selbständige Tätigkeit aber bereits im Juni 1991 aufgenommen. Hier geht es jedoch um Beiträge erst für die Zeit ab 01. Dezember 1999, weil die Beiträge für die davor liegende Zeit bereits verjährt sind.
4.
Der Senat hat bereits entschieden, dass gegen die Vorschrift des § 229a Abs. 1 SGB VI keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, weil die Vorschrift nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) und auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (Urteil vom 24. April 2002 – L 1 RA 92/99 – zitiert nach juris, Rdnr. 33, 34).
5.
Die Beitragsforderung der Beklagten ist schließlich auch nicht verwirkt. Zwar ist das Rechtsinstitut der Verwirkung auch für das Recht der Sozialversicherung und auch für die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen anerkannt. Es setzt aber nicht nur voraus, dass der Berechtigte eine Ausübung seines Rechts der Beitragsforderung während eines längeren Zeitraums unterlassen hat, was im vorliegenden Fall zu bejahen sein dürfte. Vielmehr müssen "weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen" (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. Juli 2011 – B 12 E 16/09 R – zitiert nach juris, Rdnr. 36). Diese besonderen Umstände setzen ein Verwirkungsverhalten des Berechtigten voraus, das auf einer Vertrauensgrundlage zu einem Vertrauenstatbestand bei dem Verpflichteten geführt hat, und er sein Verhalten darauf eingerichtet hat (BSG, a.a.O., mit weiteren Nachweisen.).
Von einem Verwirkungsverhalten der Beklagten kann hier aber nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Vielmehr hat sie seit Kenntnis des Falles durchgehend deutlich gemacht, dass sie ihre Beitragsforderungen – sofern diese nicht verjährt sind – geltend machen will.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger vom 01. Januar 1992 bis zum 02. Dezember 2004 als selbständiger Zahnarzt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.
Der am ... 1963 geborene Kläger war – nach vorheriger abhängiger Beschäftigung – ab dem 26. Juni 1991 als selbständiger Zahnarzt in eigener Niederlassung im Beitrittsgebiet tätig und entrichtete Beiträge zum Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete er bis zum 25. Juni 1991, danach nicht mehr.
Nachdem der Kläger am 24. Juni 2003 einen Antrag auf Kontenklärung gestellt hatte, wurde der Beklagten dieser Sachverhalt bekannt. Mit Bescheid vom 23. November 2004 stellte sie fest, dass der Kläger nach § 229a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sei, weil er am 31. Dezember 1991 aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Zahnarzt im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig gewesen sei. Für die Zeit vom 01. Januar 1992 bis zum 30. November 1999 seien die Beiträge aber verjährt. Mit weiterem Bescheid vom 23. November 2004 traf die Beklagte eine entsprechende Feststellung und forderte von dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Dezember 1999 bis zum 30. November 2004 Pflichtbeiträge in Höhe von 22.624,88 Euro. Dagegen legte der Kläger am 03. Dezember 2004 Widerspruch ein. Er habe ab dem Beginn seiner selbständigen Tätigkeit Arbeitnehmer beschäftigt, die mehr als geringfügig beschäftigt gewesen seien. Auch sei er Mitglied im Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, und er habe im Jahre 1994 auch einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt. Mit Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit sei seine Versicherungspflicht kraft Gesetzes erloschen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Als selbständiger Zahnarzt sei der Kläger nach § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Sozialversicherung (SVG) im Beitrittsgebiet ab Aufnahme seiner Tätigkeit versicherungspflichtig gewesen. Einen Befreiungsantrag habe er nicht gestellt. Dieser Sachverhalt sei der Beklagten erst im Jahre 2003 bekannt geworden. Die Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Zahnärztekammer stelle keinen Befreiungstatbestand dar.
Daraufhin hat der Kläger am 28. Februar 2006 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Er habe mit Schreiben vom 07. November 1994 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Befreiungsantrag gestellt. Auch würden in seiner Person die Voraussetzungen des § 229a SGB VI nicht vorliegen. Das SVG sei auf ihn nicht anwendbar. Im Übrigen seien die Ansprüche auch verwirkt. Durch den Beitritt in das Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer habe er eine Vermögensdisposition getroffen, die er nicht mehr rückgängig machen könne.
Mit Bescheid vom 07. November 2008 hat die Beklagte den Kläger ab dem 03. Dezember 2004 (Eingang des Widerspruchs bei der Beklagten) nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
Mit Urteil vom 12. März 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Aufgrund seiner Tätigkeit als Zahnarzt habe der Kläger ab dem 01. Januar 1992 im Beitrittsgebiet der Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen. Ein Befreiungsantrag sei bei der Beklagten bis zum 31. Dezember 1994 nicht eingegangen. Auch eine Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 6 SGB VI komme für den Kläger nicht in Frage, da er diese bis zum 30. September 2001 hätte beantragen müssen. Die seiner Versicherungspflicht zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen würden auch nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Die Beitragszahlungen seien auch nicht verwirkt.
Gegen das am 01. April 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. April 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. In seinem Falle würden die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nicht vorliegen. Die Beklagte habe den Eingang seines Befreiungsantrags nicht bestritten, so dass von dessen Zugang auszugehen sei. Entgegen der Auffassung des SG seien die Beitragsforderungen auch verwirkt. Die Einziehung würde im Widerspruch zu Treu und Glauben stehen. Der Kläger verfüge über eine adäquate Altersversorgung. Die Beklagte habe auch Kenntnis von dem Betrieb der Zahnarztpraxis gehabt, den Kläger aber nicht zur Antragstellung aufgefordert. Außerdem genieße er auch Vertrauensschutz.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2009 und die Bescheide der Beklagten vom 23. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2006, geändert durch Bescheid vom 07. November 2008, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2009 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 23. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2006, geändert durch Bescheid vom 07. November 2008, und das die Beklagte bestätigende Urteil des SG sind nicht zu beanstanden, so dass der Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert ist. Der Bescheid vom 07. November 2008 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil er die beiden Bescheide vom 23. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2006 abändert.
In der Sache hat die Beklagte für den Zeitraum vom 01. Januar 1992 bis zum 02. Dezember 2004 die Versicherungspflicht des Klägers dem Grunde und der Höhe nach zutreffend festgestellt. Für die Zeit seit dem 01. Januar 1999 ist die Beitragsforderung auch nicht verjährt. Gegen § 229a SGB VI bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Beitragsforderung ist auch nicht verwirkt.
1.
Nach 229a Abs. 1 SGB VI bleiben Personen weiterhin versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig gewesen sind, nicht ab dem 01. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden sind und nicht bis zum 31. Dezember 1994 beantragt haben, dass die Versicherungspflicht enden soll. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Falle des Klägers vor.
a)
Der Kläger war am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Gemäß § 1 Buchstabe f) der Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR vom 09. Dezember 1977 (GBl. DDR I 1978 Nr. 1 Seite 1) war der Kläger als selbständig Tätiger vom Geltungsbereich der Sozialversicherung erfasst. Nach § 10 des Gesetzes über die Sozialversicherung der DDR vom 28. Juni 1990 – SVG – (GBl. DDR 1990 Nr. 38 Seite 486) galt dies auch für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991. Nur für Selbständige, die ihre Tätigkeit im Beitrittsgebiet erst nach dem 31. Juli 1991 aufgenommen haben, hat Versicherungspflicht nach § 10 SVG nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 2, 229a Abs. 2 SGB VI bestanden (Art. 35 Abs. 3 des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 – BGBl. I Seite 1606). Die selbständige Tätigkeit des Klägers begann aber bereits im Juni 1991. In dieser Tätigkeit ist der Kläger schließlich auch nicht ab dem 01. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden, so dass er ab diesem Tag gemäß § 229a Abs. 1 SGB VI weiterhin versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war.
b)
Es ist auch nicht erwiesen, dass der Kläger bis zum 31. Dezember 1994 oder danach, aber vor dem 03. Dezember 2004, auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 SGB VI wirksam beantragt hat, dass seine Versicherungspflicht enden soll. Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Eine Tatsache ist dann im Sinne des Vollbeweises bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 128 Rdnr. 3b mit weiteren Nachweisen).
Zunächst ist festzustellen, dass in den Unterlagen der Beklagten kein vor dem 03. Dezember 2004 gestellter Befreiungsantrag vorliegt oder vermerkt ist. Das erstmals im Verfahren vor dem SG vorgelegte Schreiben vom 07. November 1994 vermag für sich die volle Überzeugung einer Übermittlung an die Rechtsvorgängerin der Beklagten für den Senat nicht zu begründen. Denn irgendwelche Unterlagen über einen Zugang bei der Behörde hat der Kläger nicht vorgelegt. Insoweit ist er aber beweispflichtig. Im Zulassungsantrag bezüglich der Aufnahme der zahnärztlichen Tätigkeit sowie der Anmeldung beim Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer kann auch kein konkludenter Befreiungsantrag gesehen werden. Das scheitert schon daran, dass die Beklagte von dem Zulassungsantrag, der Zulassung sowie insbesondere von der Anmeldung zum Altersversorgungswerk keine Kenntnis hatte. Auf nicht vorgenommene Betriebsprüfungen nach § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) kann sich der Kläger nicht berufen. Denn diese hätten ihn, wie der gesamte Dritte Abschnitt des SGB IV (§§ 28a ff. SGB IV), nur in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber betroffen. Geeignete Rückschlüsse auf den eigenen Versichertenstatus können bei Prüfungen dieser Art nicht gewonnen werden.
2.
Die geltend gemachten Beiträge für die Zeit ab Dezember 1999 sind auch noch nicht verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der hier maßgeblichen Fassung vom 01. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2004 wurden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen waren, spätestens am Fünfzehnten des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder das Arbeitseinkommen erzielt wurde, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt galt. Der Beitrag für November 1999 war damit im Dezember 1999 fällig und demnach mit Ablauf des Jahres 1999 – und damit im Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung der Beitragsforderung im Jahre 2004 – verjährt. Der Beitrag für Dezember 1999 war dementsprechend erst im Januar 2000 fällig und unterfiel somit im Jahre 2004 noch nicht der vierjährigen Verjährungsfrist von § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Die später fällig gewordenen Beiträge waren 2004 naturgemäß ebenfalls noch nicht verjährt.
3.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beitragshöhe fehlerhaft errechnet wäre, was im Übrigen von dem Kläger auch nicht geltend gemacht wird. Die Beklagte hat den Regelbeitrag zugrunde gelegt. Sie hat also die Beitragsbemessung auf der Grundlage der Bezugsgröße vorgenommen (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in Verbindung mit § 18 SGB IV). Eine einkommensgerechte Beitragszahlung im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI würde im Hinblick auf das vermutliche Einkommen als Zahnarzt wohl zu höheren Beiträgen führen. Eine Beschränkung auf einen Beitrag auf der Grundlage der Hälfte der Bezugsgröße gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI konnte der Kläger nicht beanspruchen, weil dies nur bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit möglich ist. Der Kläger hat seine selbständige Tätigkeit aber bereits im Juni 1991 aufgenommen. Hier geht es jedoch um Beiträge erst für die Zeit ab 01. Dezember 1999, weil die Beiträge für die davor liegende Zeit bereits verjährt sind.
4.
Der Senat hat bereits entschieden, dass gegen die Vorschrift des § 229a Abs. 1 SGB VI keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, weil die Vorschrift nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) und auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (Urteil vom 24. April 2002 – L 1 RA 92/99 – zitiert nach juris, Rdnr. 33, 34).
5.
Die Beitragsforderung der Beklagten ist schließlich auch nicht verwirkt. Zwar ist das Rechtsinstitut der Verwirkung auch für das Recht der Sozialversicherung und auch für die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen anerkannt. Es setzt aber nicht nur voraus, dass der Berechtigte eine Ausübung seines Rechts der Beitragsforderung während eines längeren Zeitraums unterlassen hat, was im vorliegenden Fall zu bejahen sein dürfte. Vielmehr müssen "weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen" (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. Juli 2011 – B 12 E 16/09 R – zitiert nach juris, Rdnr. 36). Diese besonderen Umstände setzen ein Verwirkungsverhalten des Berechtigten voraus, das auf einer Vertrauensgrundlage zu einem Vertrauenstatbestand bei dem Verpflichteten geführt hat, und er sein Verhalten darauf eingerichtet hat (BSG, a.a.O., mit weiteren Nachweisen.).
Von einem Verwirkungsverhalten der Beklagten kann hier aber nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Vielmehr hat sie seit Kenntnis des Falles durchgehend deutlich gemacht, dass sie ihre Beitragsforderungen – sofern diese nicht verjährt sind – geltend machen will.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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