L 7 AY 1722/11 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AY 4/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 1722/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin werden der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 16. März 2011 abgeändert und der Klägerin für das Klageverfahren S 3 AY 4/11 Prozesskostenhilfe ab 30. Dezember 2010 ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung von Rechtsanwältin H., K., bewilligt.

Gründe:

Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 172 SGG statthaft. Die Beschwerdeausschlussgründe des § 172 Abs. 3 SGG greifen nicht ein. Insbesondere ist dessen Nummer 2 nicht einschlägig; das Sozialgericht (SG) Konstanz hat die Ablehnung der Prozesskostenhilfe (PKH) nicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, sondern auf die fehlende Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverfolgung gestützt.

Die danach zulässige Beschwerde ist auch begründet. Die Klägerin hat für das Klageverfahren S 3 AY 4/11 Anspruch auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten ab 30. Dezember 2010 (Datum des Eingangs des vollständigen Antrags).

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Klageverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage abhängt und auch angesichts der gesetzlichen Regelung nicht eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 596/03 - NJW 2004, 1789; BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807707 - NJW 2008, 1060; Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 62 Nr. 9) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Januar 2001 - 1 BvR 391/01 - NZS 2002, 420; BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2006 - 1 BvR 2673/05 - info also 2006, 279). Keinesfalls darf die Prüfung der Erfolgsaussichten dazu dienen, die Rechtsverfolgung in das summarische Verfahren der PKH zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen.

Gemessen an diesen Kriterien können der Klage Erfolgsaussichten nicht abgesprochen werden. Die hier strittige Frage, wie der Regelsatz zu bemessen ist bzw. welche Regelbedarfsstufe gilt, wenn ein Partner einer Einsatzgemeinschaft Anspruch auf so genannte Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und der andere Grundleistungen nach § 3 AsylbLG bezieht, ist - soweit ersichtlich - durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt (anders für die gemischte Bedarfsgemeinschaft einer Anspruchsberechtigten nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit einem Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG: vgl. Bundesozialgericht (BSG), Urteil vom 6. Oktober 2011 - B 14 AS 171/10 R - (juris)). Neben der von der Beklagten vertretenen Auffassung kommen weitere Lösungsmöglichkeiten in Betracht, die im Ergebnis zumindest den von der Klägerin begehrten Anspruch auf eine Leistung in Höhe des Regelsatzes von 90 vom Hundert des Eckregelsatzes nach § 3 Abs. 3 der Regelsatzverordnung bzw. nach der Regelbedarfsstufe 2 der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII - (in Kraft getreten zum 1. Januar 2011) rechtfertigen können. Die Prozesschancen müssen demnach als offen bewertet werden, was für die Bewilligung von PKH ausreicht.

Die Klägerin hat - was unstrittig ist - Anspruch auf so genannte Analogleistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG, deren Grundlage die Bestimmungen des SGB XII sind. Nach § 3 der zu § 40 SGB XII erlassenen Regelsatzverordnung vom 3. Juni 2004 (BGBl. I, Seite 1067), die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 durch das Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII (RBEG) vom 24. März 2011 (BGBl. I, Seite 453) abgelöst wurde, beträgt der Regelsatz für den Haushaltsvorstand 100 vom Hundert des Eckregelsatzes (Abs. 1 Satz 2). Für die übrigen Haushaltsangehörigen gelten altersmäßig gestufte Sätze (Abs. 2). Leben Ehegatten oder Lebenspartner zusammen, beträgt der Regelsatz jeweils 90 vom Hundert des Eckregelsatzes (Abs. 3).

Das SG führt zutreffend aus, dass die Klägerin eher nicht als Haushaltsvorstand der Haushaltsgemeinschaft anzusehen ist, da sie - anders als ihr Ehemann - nicht über eigene Einkünfte verfügt. Dieser bereits von der Beklagten vorgenommenen Bewertung widerspricht auch die Klägerin nicht. Im Ergebnis ist damit keine der Regelungen des § 3 der Regelsatzverordnung direkt auf die Klägerin anwendbar, denn sowohl die (vom Haushaltsvorstand abgeleiteten) abgestuften Sätze nach Abs. 2 als auch die Zusammenlebensregelung des Abs. 3 setzen voraus, dass entweder der Haushaltsvorstand (Fall des Abs. 2) oder der Partner (Fall des Abs. 3) Anspruchsberechtigter nach dem System des SGB XII ist. Denn die Regelsatzverordnung regelt lediglich die Regelsatzhöhen für die Haushaltsmitglieder nach den Bestimmungen des SGB XII. Das zeigt auch das Ergebnis der von der Beklagten vorgenommenen Zuordnung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 der Regelsatzverordnung (Festsetzung auf 80 vom Hundert des Regelsatzes). Der danach reduzierte Satz soll nämlich dem Umstand Rechnung tragen, dass durch das gemeinsame Wirtschaften zusammenlebender Partner Aufwendungen gespart werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL u.a. - (juris)). Beiden zusammen wirtschaftenden Partnern sollen dabei zur gemeinsamen Sicherung des Lebensunterhaltes 180 vom Hundert des Regelsatzes zur Verfügung stehen (vgl. BSG, a.a.O.). Vorliegend verfügt der Ehemann der Klägerin lediglich über Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, die ihrer Höhe nach deutlich hinter den Leistungen (für einen Haushaltsvorstand) nach dem SGB XII zurückbleiben, was keiner näheren Darlegung bedarf. Damit ist das verfassungsrechtlich verbürgte auf § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII gestützte Existenzminimum der Klägerin nicht gedeckt, weil die bei ihr erfolgte Absenkung der Regelleistung nicht durch Leistungen an ihren Ehemann kompensiert wird. Dies wiederum könnte sogar dafür sprechen, dass der Klägerin - über den Klageantrag hinaus - 100 vom Hundert der Regelleistung zu gewähren sind (ebenso bezogen auf die gemischte Bedarfsgemeinschaft einer Anspruchsberechtigten nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit einem Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG: BSG, a.a.O.).

Ob die Bestimmungen der Regelsatzverordnung vorliegend analog angewandt werden können, bedarf hier keiner Erörterung. Denn auch dies bedarf noch einer Klärung durch die Rechtsprechung mit der Folge, dass der Klage Erfolgschancen nicht vornherein abgesprochen werden können.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass als Anspruchsgrundlage für eine abweichende Bemessung der Regelleistung bzw. des Regelbedarfs im Sinne des Begehrens der Klägerin auch § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (ab 1. Januar 2011 § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII) in Betracht kommen könnte, was ggf. eine analoge Anwendung der Regelsatzverordnung ausschließen würde.

Die Bedürftigkeit der Klägerin nach § 115 ZPO ist ausweislich der von ihr vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH und Beiordnung einer Rechtsanwältin liegen damit insgesamt vor.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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