S 31 AL 243/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AL 243/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 24. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juni 2008 in der Fassung des Bescheides vom 09. Juni 2008 verurteilt, für die Leistungen des Klägers für die Zeit vom 07. Februar 2004 bis 04. März 2004 bereits ab dem 01. November 2004 Zinsen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt einen früheren Beginn der Verzinsung von Ansprüchen auf Arbeitslosenhilfe.

Ab 2001 erhielt der Kläger zunächst Arbeitslosengeld und dann Arbeitslosenhilfe. Einen vollständigen Fortzahlungsantrag auf Arbeitslosenhilfe gab er am 12. April 2004 bei der Beklagten ab. Mit Bescheid vom 01. März 2004 und Widerspruchsbescheid vom 01. Juli 2005 lehnte die Beklagte Leistungen wegen Vermögens des Klägers ab. Im anschließenden Verfahren S 28 (37) AL 313/05 schlossen die Beteiligten am 02. November 2007 einen Vergleich. Danach steht dem Kläger Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 07. Februar 2004 zu. Mit Ausführungsbescheid vom 25. Februar 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 07. Februar bis 04. März 2004 Arbeitslosenhilfe; ab 05. März 2004 hatte er ohnehin schon Arbeitslosenhilfe erhalten.

Den Antrag des Klägers auf Verzinsung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. April 2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Zahlungsanspruch des Klägers ergebe sich lediglich aus einem Vergleich. Eine falsche Entscheidung ihrerseits, welche eine Verzinsung ab März 2004 nach sich zöge, habe nicht vorgelegen. Der am 24. April 2008 abgesandte und am 29. April 2008 zugegangene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05. Juni 2008 als verfristet verworfen.

Der Widerspruch wurde zugleich als Antrag nach § 44 SGB X aufgefaßt. Mit Bescheid vom 09. Juni 2008 bewilligte die Beklagte Zinsen ab dem 01. Januar 2008. Zur Begründung führte sie aus, sofern kein Leistungsantrag vorliege, beginne nach § 44 Abs. 2 SGB I die Verzinsung frühestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Nachzahlungsentscheidung.

Daraufhin hat der Kläger am 03. Juli 2008 Klage erhoben.

Er begehrt Zinsen zu einem früheren Zeitpunkt. Er macht ferner geltend, daß sein Widerspruch nicht verfristet gewesen sei.

Inzwischen ist der Widerspruch gegen den Bescheid vom 09. Juni 2008 mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2008 zurückgewiesen worden. Die dagegen erhobene Klage S 31 AL 290/08 hat der Kläger auf den Hinweis des Gerichts, daß der Bescheid vom 09. Juni 2008 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sei, das zur vorliegenden Klage geführt habe, zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 24. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juni 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Juni 2008 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Leistungen für die Zeit vom 07. Februar bis 04. März 2004 bereits ab dem 01. November 2004 Zinsen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, ein früherer Zinsbeginn komme nicht in Betracht. Sie stützt sich auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, L 16 P 89/89.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird verwiesen auf die Streitakte, die Streitakte des erledigten Verfahrens S 31 AL 290/08 und die Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Der Bescheid vom 09. Juni 2008 ändert den Bescheid vom 24. April 2008. Er ist zwar nach Erlaß des Widerspruchsbescheides ergangen, jedoch vor Erhebung der Klage, so daß er nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24. April 2008 geworden ist (vgl. Urteile des BSG 7 RAR 37/77 in BSGE 47, 28 und 7 RAR 56/92 in SozR 3-4100, § 137 Nr. 4).

Die Klage ist mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auch begründet.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert.

Zunächst einmal hätte die Beklagte den Widerspruch des Klägers nicht als verfristet zurückweisen dürfen. Denn der Widerspruch des Klägers am 29. Mai 2008 gegen den am 29. April 2008 zugegangenen Bescheid war fristgemäß.

Der Kläger hat auch Anspruch auf den geltend gemachten Zinsbeginn.

Dies ergibt sich aus § 44 SGB I. Nach § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Eintritt ihrer Fälligkeit zu verzinsen. Arbeitslosenhilfeansprüche sind gemäß § 337 Abs. 2 SGB III jeweils im Folgemonat fällig. Dies gilt unabhängig davon, wann der Anspruch bewilligt wird. Es kann nicht darauf ankommen, ob die Beklagte den Anspruch sofort mit Bescheid bewilligt, sie zur Leistung verurteilt wird oder über die Ansprüche ein Vergleich geschlossen wird. Jedoch beginnt nach § 44 Abs. 2 SGB I die Verzinsung frühestens nach Ablauf von 6 Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

Hier ist, entgegen der Auffassung der Beklagten, nicht § 44 Abs. 2 SGB I zweite Alternative maßgeblich. Die Verzinsung hat hier nicht nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung zu beginnen, weil der Fall vorliegt, daß der Kläger einen Leistungsantrag gestellt hat. Der vollständige Leistungsantrag lag im April 2004 vor, so daß die Verzinsung ab 01. November 2004 zu beginnen hat.

Der Wortlaut von § 44 Abs. 2 SGB I ist eindeutig und zur Auffassung der Kammer auch nicht auslegbar, zumindest nicht zum Nachteil des Klägers als Versicherten. Denn § 2 Abs. 2 SGB I besagt ausdrücklich, daß bei der Auslegung von Vorschriften dieses Gesetzbuches sicherzustellen ist, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Dabei handelt es sich um einen auch für die Gerichte geltenden Auslegungsgrundsatz, der es ausschließt, Vorschriften entgegen ihres Wortlauts zum Nachteil der Versicherten auszulegen (vgl. zB Urteil BSG 7 Al 16/00 in BSGE 87, 262ff). Aus diesen Gründen vermag die Kammer der von der Beklagten zitierten Entscheidung des LSG NRW (anderer Ansicht ohnehin wohl Urteil des BSG B 4 R 21/06 R in SozR 4-1200 § 44 Nr. 2) nicht zu folgen, weil § 44 SGB I für den Versicherten nachteilig ausgelegt wird.

Nach alledem war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

Bei der Kostenentscheidung nach § 193 SGG hat die Kammer berücksichtigt, daß der Kläger mit dem zuletzt gestellten Antrag voll durchgedrungen ist.

Die Kammer hat die gemäß § 144 SGG ansich ausgeschlossene Berufung zugelassen, weil die Kammer von der von der Beklagten zitierten Entscheidung des LSG NRW abweicht.
Rechtskraft
Aus
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