L 3 AL 123/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 16 AL 44/09 ZVW
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 123/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wenn ein Antragsteller zu erkennen gibt, dass er seine Eigenbemühungen aus einem bestimmten Grund,
hier den Bezug des Arbeitsentgeltes, in zeitlicher Hinsicht beschränkt, kann die Agentur für Arbeit
grundsätzlich davon ausgehen, dass auch die Bereitschaft, eine im Rahmen der Arbeitsvermittlung
angebotene Beschäftigung anzunehmen, entsprechend beschränkt ist.

2. Sofern die Eigenbemühungen einerseits und die Bereitschaft, sich den Vermittlungsbemühungen zur
Verfügung zu stellen, andererseits, in zeitlicher Hinsicht auseinanderfallen sollen, ist dies vom Antragsteller
gegenüber der Agentur für Arbeit hinreichend deutlich zum Ausdruck zu bringen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte dem Kläger nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anspruchsdauer der Bewilligung von Arbeitslosengeld.

Der am 1953 geborene Kläger war vom 1. Januar 1993 bis 28. Februar 2006 als Betriebsstättenleiter, zuletzt bei der Firma A GmbH K , beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis endete durch die ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung vom 27. September 2005 mit Wirkung zum 28. Februar 2006. In dem Kündigungsschreiben stellt die Arbeitgeberin fest, dass der noch ausstehende Resturlaubsanspruch 18 Tage betrage und unter Anrechnung auf diesen die Freistellung von der Pflicht zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vertraglichen Vergütung ab dem 3. Februar 2006 erfolge.

Am 6. Oktober 2005 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und teilte mit, dass er zum 28. Februar 2006 eine Kündigung erhalten habe.

Eine weitere persönliche Vorsprache erfolgte am 17. Oktober 2006. Hierzu wurde bei der Agentur für Arbeit O unter anderem vermerkt: "Steht definitiv erst ab März/2006 zur Verfügung".

Am 10. Januar 2006 meldete sich der Kläger arbeitslos. In der Spalte "Arbeitslosmeldung gegebenenfalls mit Wirkung zum ..." war unter "Arbeitslosmeldung" der 10. Januar 2006 und unter "gegebenenfalls mit Wirkung zum" der 1. März 2006 eingetragen. Diese Eintragung erfolgte durch einen Mitarbeiter der Agentur für Arbeit O.

Die am 18. Oktober 2005 durch den Kläger vor dem Arbeitsgericht Leipzig erhobene Kündigungsschutzklage wurde am 8. Februar 2006 durch einen Vergleich des Klägers mit seiner Arbeitgeberin dahingehend beendet, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 28. Februar 2006 ende. Eine Regelung über die Freistellung des Klägers von der Arbeitsleistung enthält dieser Vergleich nicht.

Mit Bescheid vom 8. März 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. März 2006 Arbeitslosengeld für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen.

Mit Widerspruch vom 7. April 2006 machte der Kläger geltend, dass sein Beschäftigungsverhältnis bereits Ende 2005 geendet habe. Seit diesem Zeitpunkt sei ihm auch keine Tätigkeit mehr übertragen worden. Auch habe ab dem 1. Januar 2006 in der Betriebsstätte Sch keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestanden. Für ihn sei daher die Übergangsvorschrift des § 434 j Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) anwendbar mit der Folge, dass er Anspruch auf Arbeitslosengeld für 26 Monate habe.

Auf Rückfrage der Beklagten teilte die Arbeitgeberin durch den Mitarbeiter Schöne am 26. Juni 2006 telefonisch und per E-Mail mit, dass der Kläger Ende 2005 den Firmen-Pkw abgegeben habe, und dass die Niederlassung geschlossen worden sei. Da der Kläger überhaupt nicht mehr gearbeitet habe, wäre das Ende des Beschäftigungsverhältnisses unter Beachtung des Resturlaubs von noch sieben Tagen der 10. Januar 2006 gewesen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2006 zurück. Der Kläger habe sich zuletzt ausdrücklich am 10. Januar 2006 zum 1. März 2006 arbeitslos gemeldet. Im Rahmen seiner Vorsprachen habe der Kläger nicht mitgeteilt, dass er bereits seit Dezember 2005 seiner Beschäftigung bei dem Arbeitgeber nicht mehr nachgehe und sich vor dem 1. März 2006 den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stellen wolle.

Die hiergegen am 15. September 2006 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 11. Juli 2007 abgewiesen. Im Rahmen seiner persönlichen Vorsprachen vom 6. und 17. Oktober 2005 sowie vom 10. Januar 2006 habe er sich zum 1. März 2006 arbeitslos gemeldet. Es hätten sich unter Beachtung des Kündigungsschreibens keine Ansätze für eine gesonderte Beratung durch die Beklagte und für einen früheren Vermittlungsbeginn als den 1. März 2006 ergeben. Eine Pflicht zur Spontanberatung habe nicht vorgelegen. Zudem ließen sich Begebenheiten tatsächlicher Art nicht durch einen Herstellungsanspruch ersetzen.

Dagegen hat der Kläger am 3. September 2007 Berufung eingelegt. Das Sächsische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 15. Januar 2009 (Az.: L 3 AL 188/07) das Urteil des Sozialgerichts vom 11. Juli 2007 aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Leipzig zurückverwiesen. Das Urteil leide, wegen der unzureichenden Sachverhaltsermittlung, an einem wesentlichen Mangel im Sinne von § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Entscheidungserheblich für die streitige Anspruchsdauer sei, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld bis zum 31. Januar 2006 entstanden sei. Als entscheidungserhebliche Frage habe das Sozialgericht noch tatsächlich zu klären: "Hat der Kläger – insbesondere am 10. Januar 2006 – tatsächlich eine Erklärung abgegeben, die – sinngemäß – als Arbeitslosmeldung bereits zu diesem Zeitpunkt auszulegen ist?". Bereits in der Klageschrift habe der Kläger ausgeführt: "Nach seiner Erinnerung hat der Kläger allerdings auf die Frage, ab wann er wieder arbeiten kann, erklärt, dass er wegen Auflösung der Betriebstätte nicht mehr arbeiten gehe, aber einschließlich Februar noch Gehalt von seinem Arbeitgeber erhalte und daher in allen Bewerbungen als frühesten Arbeitsbeginn den 01.03.2006 angegeben habe." Hätte der Kläger diese Erklärung abgegeben, dann hätte die Beklagte diese missverständliche und erkennbar irrtumsbehaftete Erklärung angesichts ihrer rechtlichen Erkenntnisse in entsprechender Anwendung von § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nach dem wirklichen Willen des Klägers auslegen müsse. Das Sozialgericht müsse daher nochmals den Kläger sowie den Sachbearbeiter beziehungsweise die Sachbearbeiterin als Zeuge beziehungsweise Zeugin vernehmen.

Diesen Vorgaben folgend hat das Sozialgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2010 den Regionalleiter O ... der Firma A GmbH, H , sowie die Sachbearbeiterin bei der Agentur für Arbeit O , M , als Zeugen vernommen sowie den Kläger nochmals zu seinen Vorsprachen vom Oktober 2005 und 10. Januar 2006 in der Arbeitsagentur befragt. Es hat daraufhin die Klage erneut mit Urteil vom 23. Februar 2010 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 434 j Abs. 3 SGB III i. V. m. § 434 l Abs. 1 SGB III i.V.m. § 127 SGB III für die Dauer von 26 Monaten, weil er nicht bis zum Stichtag 31. Januar 2006 arbeitslos geworden sei. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei frühestens mit dem 5. Februar 2006 entstanden, weil der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt nicht verfügbar im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III gewesen sei. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger nicht nur formell in einem Arbeitsverhältnis mit seiner Arbeitgeberin gestanden, sondern mit dieser im Rahmen einer Kündigungsschutzklage sogar über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und über die Ab-gabe einer schriftlichen Erklärung zur früheren Freistellung von der Arbeitsleistung gestritten. Dieser Streit sei jedenfalls nicht bis zum 31. Januar 2006 beendet gewesen, so dass die frühestmögliche Freistellung durch die Arbeitgeberin ab dem 5. Februar 2006, wie bereits im Kündigungsschreiben angegeben, datiere. Zwar sei der Kläger nach der Schließung der Niederlassung in Sch Ende Dezember 2005 faktisch beschäftigungslos gewesen. Dies habe auch der vernommene Zeuge H bestätigt. Die rechtliche Schlussfolgerung des Klägers, dass er spätestens ab diesem Zeitpunkt beschäftigungslos gewesen sei, sei jedoch unzutreffend, da er mit seiner Arbeitgeberin ausdrücklich noch um eine Freistellung gestritten habe. Dies habe er auch im Rahmen der Vorsprache vom 10. Januar 2006 der Beklagten gegenüber erklärt. Zudem habe er einen Kündigungsschutzprozess mit dem Ziel der Feststellung, dass durch die Kündigung vom 27. September 2005 das Arbeitsverhältnis nicht zum 28. Februar 2006 aufgelöst worden sei, geführt. Die Arbeitgeberin hätte den Kläger bis zum 5. Februar 2006 mit seiner Arbeitsleistung in Anspruch nehmen können. Dass dies für die Arbeitgeberin augenscheinlich nicht nur theoretischer Natur gewesen sei, belege die Angabe des Klägers, dass er für eine frühere Freistellungserklärung durch die Arbeitgeberin im Gegenzug seinerseits auf eine Abfindungszahlung hätte verzichten sollen. Dazu sei der Kläger nicht bereit gewesen.

Nach der erfolgten Zeugeneinvernahme ergebe sich auch unter Beachtung der Hinweise des Sächsischen Landessozialgerichts nicht, dass die Angaben des Klägers im Rahmen der Vorsprache vom 10. Januar 2006 nach §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen seien, dass er sich zum 10. Januar 2006 habe arbeitslos melden wollen. Eine unbedingte Arbeitslosmeldung für den 10. Januar 2006 lasse sich nach der Einvernahme der Zeugin M nicht feststellen. Diese Erklärung habe die Zeugin tatsächlich nur so verstehen können, dass die Frage der Freistellung von der Arbeitsleistung gerade noch nicht geklärt sei. Folgerichtig sei die Reaktion der Zeugin M gewesen, anhand des Kündigungsschreibens den Zeitpunkt für die Arbeitslosmeldung einzutragen, zu dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegen habe. Dies habe die Zeugin M im Übrigen auch als Regelfall für die Eintragung des Termins für die Arbeitslosmeldung bezeichnet, nämlich den Tag, der sich aus den schriftlichen oder sonst mitgeteilten Erklärungen ergibt, zu dem das Arbeitsverhältnis des Arbeitslosen beendet wird. Dass umgekehrt der Kläger darauf gedrungen haben will, sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt arbeitslos zu melden, habe die Zeugin nicht wahrgenommen. Auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne sich der Kläger, wie bereits im Urteil vom 11. Juli 2007 ausgeführt, nicht berufen.

Gegen das ihm am 6. April 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. Mai 2010 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe verkannt, dass die Beschäftigungslosigkeit unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts durch die tatsächliche Nichtbeschäftigung des Versicherten gekennzeichnet sei. Eine schriftliche Freistellung des Arbeitgebers sei nicht erforderlich. Er, der Kläger, könne daher bereits bei faktischer Nichtbeschäftigung trotz noch fortbestehendem Arbeitsverhältnis als Arbeitsloser behandelt werden und sei berechtigt, bereits die Vermittlungsbemühungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Er sei auf Grund der Schließung der Niederlassung Ende Dezember 2005 ab diesem Zeitpunkt tatsächlich beschäftigungslos gewesen. Wie die Meldung des Arbeitnehmers von der Zeugin M gewertet werde, sei irrelevant. Die rechtliche Beurteilung über das Vorliegen einer Freistellung sowie der Arbeitslosigkeit und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei allein der Leistungsabteilung der Beklagten möglich.

Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2011 erneut den Kläger gehört sowie die Zeugin M zu den Umständen der Vorsprache am 10. Januar 2006 vernommen. Zu dem Inhalt der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29. September 2011 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Februar 2010 den Bescheid der Beklagten vom 8. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen festzustellen, dass dem Kläger der Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 10. Januar 2006 für die Dauer von 780 Tagen zusteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung, wie auch schon die Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 11 AL 642/06, für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zur Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. März 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2006 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Zu Recht hat das Sozialgericht in seinen Entscheidungen vom 11. Juli 2007 und 23. Februar 2010 festgestellt, dass der Kläger auf seinen Antrag vom 10. Januar 2006 Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 1. März 2006 mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen hat, da er sich nicht vor dem 31. Januar 2006 persönlich arbeitslos gemeldet hat.

Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung vom 23. Februar 2010 als unbegründet zurückweist (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

Die vom Senat im Berufungsverfahren durchgeführte Sachverhaltsermittlung, das heißt die Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugin M , hat das vom Sozialgericht gefundene Ergebnis bestätigt. Neue Tatsachen, die Anlass zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage geben könnten, haben sich nicht ergeben.

Maßgebend sind die Regelungen in den §§ 118 und 119 SGB III in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 62 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]).

Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III haben Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

Arbeitslos ist gemäß § 119 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass Kläger vor dem 1. Februar 2006 zumindest den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung stand.

Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht gemäß § 119 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer 1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, 2. den Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, 3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben und 4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

Eine Erklärung im Sinne von § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III hat der Kläger weder am 6. und 17. Oktober 2005 noch am 10. Januar 2006 abgegeben. Bereits in der Klagebegründung vom 21. Februar 2007 hat der Kläger ausgeführt, dass er auf die Frage der zuständigen Sachbearbeiterin am 10. Januar 2006, ab wann er wieder arbeiten könne, erklärt habe, dass er wegen Auflösung der Betriebsstätte nicht mehr arbeiten gehe, aber bis einschließlich Februar 2006 noch Gehalt von seinem Arbeitgeber erhalte und daher in allen Bewerbungen als frühesten Arbeitsbeginn den 1. März 2006 angegeben habe. Diese Aussage hat er im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 23. Februar 2010 ebenso bestätigt wie in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 29. September 2011. Wenn aber ein Antragsteller zu erkennen gibt, dass er seine Eigenbemühungen aus einem bestimmten Grund, hier den Bezug des Arbeitsentgeltes, in zeitlicher Hinsicht beschränkt, vorliegend auf die Zeit ab 1. März 2006, kann die Agentur für Arbeit grundsätzlich davon ausgehen, dass auch die Bereitschaft, eine im Rahmen der Arbeitsvermittlung angebotene Beschäftigung anzunehmen, entsprechend beschränkt ist. Sofern die Eigenbemühungen einerseits und die Bereitschaft, sich den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung zu stellen, andererseits, in zeitlicher Hinsicht auseinanderfallen sollen, ist die vom Antragsteller gegenüber der Agentur für Arbeit hinreichend deutlich zum Ausdruck zu bringen. Dies ist vorliegend nicht geschehen.

Befragt nach dem Inhalt des Gespräches vom 10. Januar 2006 hat der Kläger erklärt, dass er den genauen Sinn der Frage, ob er sich zur Arbeit zur Verfügung stelle, nicht verstanden habe. Er habe erklärt, dass er eine Kündigung zum 28. Februar 2006 erhalten habe, und dass der Betrieb bereits seit Anfang Dezember 2005 geschlossen sei. Auch habe er gewusst, dass zum Ende Januar die Gesetzesänderung in Bezug auf die Dauer des Arbeitslosengeldes in Kraft trete. Aus diesem Grund habe er sich vor und nach dem 10. Januar 2006 darum bemüht, vom Arbeitgeber eine Bescheinigung über eine Freistellung zu erhalten. Nach seinen eigenen Angaben sei für ihn klar gewesen, dass auf Grund der fehlenden Freistellung das Arbeitsverhältnis erst zum Ende Februar beendet werde. Danach war auf Grund der aktenkundigen Vorgeschichte auch am 10. Januar 2006 für die zuständigen Mitarbeiter der Agentur für Arbeit O nicht zu erkennen, dass sich der Kläger bereits für die Zeit vor dem 1. März 2006 oder zumindest vor dem 1. Februar 2006 ihren Vermittlungsbemühungen zur Verfügung stellen wollte.

Zutreffend hat das Sozialgericht auch ausgeführt, dass sich der Kläger selbst weder am 10. Januar 2006 noch zu einem anderen Zeitpunkt bis zum 31. Januar 2006 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hat, da er die Hoffnung auf eine Weiterbeschäftigung bei seiner ehemaligen Arbeitgeberin nicht aufgegeben hat. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass er das Kündigungsschutzverfahren gegen seine Arbeitgeberin ebenso weiterbetrieben hat wie das Bemühen um eine Erklärung der Arbeitgeberin, dass er mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung freigestellt ist.

Entgegen der Ansicht des Klägers und seiner Bevollmächtigten lag daher keine Verfügbarkeit des Klägers im Sinne von § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III vor. Diese setzt voraus, dass der Arbeitslose bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne von § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III anzunehmen und auszuüben beziehungsweise an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 1. Oktober 2009 – L 12 AL 4/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 19). Dass der Kläger tatsächlich nicht bereit war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung des Arbeitsmarktes aufzunehmen, ergibt sich auch aus der Tatsache, dass er sich nicht zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt der zweifelsfrei erfolgten schriftlichen Freistellung seiner Arbeitgeberin am 5. Februar 2006 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hat. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29. September 2011 hat er hierzu angegeben, dass er diese Erklärung nicht abgegeben habe, da nach Änderung der Rechtslage diese Freistellung "nichts mehr ausgemacht hätte".

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den Bestimmungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, insbesondere darauf, das Vorliegen von Arbeitslosigkeit oder von Verfügbarkeit im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nachträglich zu fingieren. Denn tatsächliche Gegebenheiten, zum Beispiel die Bereitschaft, auch zu einem früheren Zeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen, können nicht mit Hilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus der Welt geschaffen werden. Das (tatsächliche) Gestaltungsrecht obliegt jedem Arbeitsuchenden selbst. Daher ist es folgerichtig nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausgeschlossen, das Vorliegen von Arbeitslosigkeit oder Verfügbarkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nachtäglich im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren (vgl. BSG, Urteil vom 31. Dezember 2006 – B 11a AL 15/05 R – JURIS-Dokument Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 – B 11 AL 72/08 B – JURIS-Dokument Rdnr. 16, m. w. N.; Bay. LSG, Urteil vom 6. August 2009 – L 9 AL 121/06 – JURIS-Dokument, Rdnr. 39; Stratmann, in: Niesel/Brand, SGB III [5. Aufl., 2010], § 323 Anh Rdnr. 38, m. w. N.).

Da somit bereits nicht festgestellt werden konnte, dass der Kläger am oder vor dem 31. Januar 2006 den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand und diese Verfügbarkeit auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch nicht nachträglich im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden kann, kommt es nicht darauf an, ob die anderen Anspruchsvoraussetzung des § 119 SGB III (Beschäftigungslosigkeit gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III und Eigenbemühungen gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vor.

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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