Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 3 KR 31/11 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 9/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Für die gerichtliche Entscheidung darüber, ob die Vollziehung eines Beitragsbescheides ausgesetzt werden soll, gelten auch die Voraussetzungen des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG (ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides oder unbillige Härte).
2. Ernstliche Zweifel i. S. d. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG können auch dann vorliegen, wenn die Rechtmäßigkeit des Bescheides von einer Mehrzahl von Voraussetzungen abhängt, deren Prüfung die Klärung schwieriger Rechtsfragen beinhaltet.
3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderungen aufgrund von equal-pay Ansprüchen nach der CGZP-Entscheidung des BAG vom 14. 12. 2010 können dazu führen, dass die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs/einer Klage anzuordnen ist.
2. Ernstliche Zweifel i. S. d. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG können auch dann vorliegen, wenn die Rechtmäßigkeit des Bescheides von einer Mehrzahl von Voraussetzungen abhängt, deren Prüfung die Klärung schwieriger Rechtsfragen beinhaltet.
3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderungen aufgrund von equal-pay Ansprüchen nach der CGZP-Entscheidung des BAG vom 14. 12. 2010 können dazu führen, dass die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs/einer Klage anzuordnen ist.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozial- gerichts Kiel vom 12. Dezember 2011 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.805,41 EUR fest- gesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Eilverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. Sie verfügt über eine Erlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Die Leiharbeitnehmer waren im hier maßgeblichen Zeitraum auf der Basis eines Tarifvertrages mit der CGZP und dem AMP/dem BVD/dem A. M. beschäftigt.
In der Zeit vom 7. April bis 18. August 2011 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2009 durch. Anlass war eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10), die die Feststellung der Vorinstanzen, wonach die CGZP nicht tariffähig sei, bestätigt hatte. Nach Anhörung mit Schreiben vom 29. August 2011 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin mit Bescheid vom 16. September 2011 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 38.416,22 EUR für den Prüfzeitraum nach. Zur Begründung führte sie aus, dass die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG zur Unwirksamkeit der von ihr geschlossenen Tarifverträge geführt habe. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG und dem darin enthaltenen Grundsatz des Equal-Pay, in dessen Folge die Leiharbeitnehmer, die auf der Basis eines solchen Tarifvertrages tätig gewesen seien, von der Antragstellerin den Lohn beanspruchen könnten, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt worden sei. Dieser tatsächlich zustehende Lohn sei Bemessungsgrundlage für die Berechnung der für diese Arbeitnehmer zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge. Aufgrund des in § 22 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) enthaltenen Entstehungsprinzips komme es für die Beitragsansprüche nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer den höheren Lohn auch tatsächlich geltend machten. Der Beitragsanspruch entstehe insoweit automatisch mit dem arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruch. Zwar sei hier feststellbar, dass Arbeitsentgelte grundsätzlich bestimmten Beschäftigten zuzuordnen seien, jedoch sei vorliegend die personenbezogene Ermittlung der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte – wenn überhaupt – nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Denn in der streitigen Zeit hätten insgesamt 472 Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen, wobei eine große Anzahl dieser Beschäftigungsverhältnisse lediglich drei Monate gedauert habe. Die Überlassung der Mitarbeiter sei an diverse Entleiher erfolgt. Nach den Ermittlungen betrage die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmer und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 24 %. Dieser Prozentwert gründe sich im Wesentlichen auf die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14. April 2011. Für den Betrieb der Antragstellerin sei die Antragsgegnerin allerdings von einer durchschnittlichen Differenz in Höhe von 9 % ausgegangen. Denn es sei zu berücksichtigten, dass die Antragstellerin ihren Beschäftigten höhere Arbeitsentgelte gezahlt habe, als dies in dem CGZP-Tarifvertrag vorgesehen gewesen sei. Für die Arbeitnehmer seien die erforderlichen Meldungen zu berichtigen. Soweit hier festgestellt worden sei, dass für einen oder mehrere Beschäftigte jeweils Beiträge nachzuerheben seien, sei die Antragstellerin zur Erstattung einer Meldung für jeden dieser Beschäftigten verpflichtet. Von einer Verjährung der Ansprüche könne hier nicht ausgegangen werden, da Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge erst in 30 Jahren verjährten und Vorsatz mit der Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 spätestens vorgelegen habe. Im Übrigen hätten auch die Deutsche Rentenversicherung Bund in ihrer Presseerklärung vom 21. Dezember 2010 und die Antragsgegnerin mit Anschreiben vom 22. Dezember 2010 fristwahrend Ansprüche auf entgangene Sozialversicherungsbeiträge geltend gemacht.
Gegen den Bescheid erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 29. September 2011 Widerspruch.
Am 30. September 2011 hat sie beim Sozialgericht Kiel die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsmittels gegen den Beitragsbescheid beantragt und zur Begründung ausgeführt: Unbestritten sei, dass die Entscheidung des BAG nicht für die Vergangenheit gelte. Selbst wenn das der Fall wäre, hätte dies nicht automatisch einen Arbeitsentgeltanspruch für die Vergangenheit zur Folge. Einen solchen Anspruch könne das Gericht ausschließen. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Unternehmen und ihre handelnden Personen über viele Jahre auf die Rechtmäßigkeit der von ihnen angewandten Tarifverträge vertraut hätten. Staatliche Verwaltungsstellen wie etwa die Bundesagentur für Arbeit hätten bei der Ausschreibung von Personalserviceagenturen auf die Anwendung von Tarifverträgen bestanden, zum Teil sogar die Anwendung der hier in Frage stehenden Tarifverträge des AMP empfohlen. Zwar bestimme § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV das Entstehungsprinzip. Bei Einmalzahlungen wie hier hinsichtlich der Nachzahlung gelte hingegen das Zuflussprinzip. Für das Jahr 2006 werde die Einrede der Verjährung erhoben, da aufgrund der äußerst komplizierten Rechtslage von einem Wissen der beteiligten Unternehmer im Jahre 2010 nicht ausgegangen werden könne. Des Weiteren habe es bei fast allen Unternehmen im Prüfzeitraum bereits Betriebsprüfungen gegeben. Diese müssten nachfolgend berücksichtigt werden. Im Übrigen hätte eine sofortige Einziehung des hier streitigen Betrages eine erhebliche Härte für die Antragstellerin zur Folge, da eine zusätzliche Liquidität in dem Gesamtumfang nicht vorhanden sei.
Die Antragsgegnerin hat ihre Auffassung aus dem angefochtenen Bescheid wiederholt. Aus der Entscheidung des BAG ließen sich Feststellungen zur rückwirkenden Tarifunfähigkeit der CGZP entnehmen, da Grundlage der Entscheidung deren Satzung vom 5. Dezember 2005 gewesen sei. Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin habe dies bestätigt. Ergänzend verweist sie auf ihren Widerspruchsbescheid vom 23. November 2011, mit dem sie den Widerspruch der Antragstellerin zurückgewiesen hat. Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Antragstellerin am 1. Dezember 2011 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben (S 3 KR 283/11).
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 21. Oktober 2011 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid vorläufig bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz angeordnet und mit weiterem Beschluss vom 12. Dezember 2011 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Beitragsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass der Beschluss des BAG auch für die Vergangenheit Rechtswirkungen entfalte. Der Entscheidung selbst sei eine solche Rechtsfolge nicht zu entnehmen, eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage bisher nicht erfolgt. Der wohl überwiegende Teil der hierzu ergangenen Rechtsprechung gehe dementsprechend davon aus, dass Rückschlüsse für die Vergangenheit aus der Entscheidung des BAG nicht zu ziehen seien.
Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 11. Januar 2012. Zur Begründung trägt sie vor: Entscheidend sei, ob Tarifunfähigkeit der CGZP materiell rechtlich im Prüfzeitraum vorgelegen habe. Auf die konkrete Feststellung komme es im sozialgerichtlichen Verfahren nicht an. Das BAG stelle die Tarifunfähigkeit lediglich deklaratorisch fest. Im Übrigen gehe auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg davon aus, dass die CGZP bereits vor dem Beschluss des BAG nicht tariffähig gewesen sei. Die Antragsgegnerin bezieht sich, wie bereits erstinstanzlich, auf entsprechende Rechtsprechung von Sozialgerichten, die ihre Auffassung stützen.
Die Antragstellerin wiederholt ihre Auffassung unter gleichzeitiger Vertiefung ihrer Argumentation. Sie weist ergänzend darauf hin, es sei zu beachten, dass ein Equal-Pay/Equal-Treatment Anspruch nicht automatisch mit der Arbeitsleistung entstehe, sondern erst mit einer Wahlentscheidung des Zeitarbeitnehmers für den Equal-Pay/Equal-Treatment Anspruch. Es sei nicht auszuschließen, dass für manche Zeitarbeitnehmer einzelne Arbeitsbedingungen, die nach dem AMP/CGZP-Tarifvertrag zu gewähren seien, nicht aber nach den Arbeitsbedingungen im Ent¬leihbetrieb, attraktiver gewesen seien. Das habe vor allem für den Umstand gegolten, dass nach dem AMP/CGZP-Tarifvertrag das Arbeitszeitkonto bis zu 250 Stunden habe enthalten können. Machten diese Arbeitnehmer nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch, bleibe es bei dem gezahlten Entgelt und es verbiete sich ein Equal-Pay Anspruch. Damit entstünde dann auch kein Beitragsanspruch. Das Bundessozialgericht habe im Übrigen in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass für eine Änderung der Rechtsprechung, die für die Betroffenen wie eine Gesetzesänderung wirke, die gleichen Regelungen zu gelten hätten. Da es sich hier um eine echte Rückwirkung handele, wäre eine solche nur unter Einräumung einer längeren Übergangsfrist zulässig. Hinsichtlich der Verjährung sei darauf hinzuweisen, dass die Deutsche Rentenversicherung im Dezember 2010 zwar die genannte Rechtsauffassung geäußert habe, gleichzeitig aber für die Erstreckung des Beschlusses auf die Vergangenheit sich eine endgültige Meinung für die Zeit nach Vorliegen der schriftlichen Entscheidungsgründe vorbehalten habe. Im Übrigen dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Antragsgegnerin ebenfalls von der Gültigkeit der hier in Frage stehenden Tarifverträge ausgegangen sei. Die Bestandswirkung vorhergegangener Betriebsprüfung habe hier zur Folge, dass jenseits des 31. Dezember 2006 eine Prüfung nicht stattfinden dürfe, diese sich somit lediglich auf den Zeitraum 2007 bis 2009 zu beschränken habe. Auch die Antragstellerin macht für sich Rechtsprechung der Sozialgerichte und Ausführungen in der Literatur geltend.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht geht der beschließende Senat davon aus, dass aufgrund ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides die aufschiebende Wirkung der Klage gegen diesen Bescheid anzuordnen ist.
Wie das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausführt, orientiert sich die Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, an der Vorschrift des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Anfechtungsklage hat hier nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung, weil diese gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt. Der angefochtene Bescheid enthält nämlich eine Entscheidung über die Beitragspflicht sowie die Anforderung von Beiträgen.
Nach § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Zwar richten sich diese Voraussetzungen an die Herstellung der aufschiebenden Wirkung durch die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat. Sie finden jedoch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung auch auf die gerichtliche Entscheidung Anwendung (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 6. Februar 2012 – L 5 KR 7/12 B ER). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen nach ganz überwiegender Auffassung dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Hinsichtlich des dabei notwendigen Überzeugungsgrades bezüglich der zu klärenden Rechtsfragen ist dabei zu beachten, dass es nach Sinn und Zweck des Eilverfahrens grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte sein kann, schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine umfassende rechtliche Prüfung der Hauptsache vorzunehmen; denn damit würde die Effektivität dieses Verfahrens und damit das gerichtliche Rechtsschutzinteresse insgesamt geschwächt (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rz. 220). Dies gilt insbesondere bei einer unzureichenden Tatsachengrundlage oder bei schwierigen Rechtsfragen, bei denen eine abschließende rechtliche Prüfung in einem Eilverfahren gar nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund und der im Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers kann eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG nach Auffassung des beschließenden Senats auch dann erfolgen, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes von einer Mehrzahl von Voraussetzungen abhängt, deren Prüfung die Klärung schwieriger Rechtsfragen beinhaltet. Von einem solchen Fall geht der Senat hier aus mit dem Ergebnis, dass die Entscheidung des Sozialgerichts, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen, zu bestätigen ist.
Zutreffend weist das Sozialgericht auf das Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV als Bemessungsgrundlage für den vom Arbeitgeber geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeitrag hin. Zum Arbeitsentgelt gehören nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit dieser erzielt werden. Damit ist für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides zunächst die Höhe der Entgeltansprüche der Leiharbeitnehmer im hier streitigen Zeitraum maßgeblich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG betreibt. Nach § 10 Abs. 4 AÜG ist der Verleiher (hier die Antragstellerin) verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (sog. Equal-Pay/Equal-Treatment). Soweit ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft (§ 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG), hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren.
Im hier maßgeblichen Zeitraum erfolgte die Entlohnung der Arbeitnehmer der Antragstellerin auf der Basis eines Tarifvertrages mit der CGZP und dem AMP/BVD. Allerdings hat das BAG mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 die CGZP für tarifunfähig erklärt mit der Folge, dass die von ihr geschlossenen Tarifverträge unwirksam sind. Weitere Folge dieser Unwirksamkeit ist, dass Leiharbeitnehmer, die bisher auf der Basis eines solchen Tarifvertrages beschäftigt waren, fortan nach dem Equal-Pay Grundsatz zu entlohnen sind. Dabei hat das BAG der CGZP die Eigenschaft als tariffähige Arbeitnehmervereinigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) abgesprochen und die Eigenschaft als tariffähige Spitzenorganisation gemäß § 2 Abs. 3 TVG verneint. Allerdings hat das BAG, worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist, in dem Beschluss nur festgestellt, dass die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig ist. Es hat sich dabei ausdrücklich an dem Antrag der Beteiligten orientiert und diese ausdrücklich als nichtvergangenheitsbezogen angesehen (BAG a.a.O.Rz. 33). In diesem Sinne geht auch die überwiegende Auffassung der Landesarbeitsgerichte davon aus, dass die Entscheidung des BAG keine ex tunc-Wirkung hat (hinsichtlich der Nachweise s. Seite 6 des angefochtenen Beschlusses; anderer Ansicht: LAG Berlin-Bran¬denburg, 20. September 2011 – 7 SA 1318/11 – und LAG Sachsen-Anhalt, 2. November 2011 – 4 TA 130/11). Zwar wird vor dem Hintergrund, dass die maßgebende Satzungsbestimmung der CGZP sich bereits in der Satzung aus dem Jahre 2005 findet und dem Umstand, dass im sozialgerichtlichen Eilverfahren zur Entscheidung über den Sofortvollzug von Beitragsnachforderungen die rechtskräftige Feststellung der Tarifunfähigkeit für den Zeitraum vor der Entscheidung des BAG nicht abzuwarten ist, die Auffassung vertreten, dass der Gegenwartsbezug in der BAG-Entscheidung der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit davor nicht entgegenstehe (Bayerisches LSG, 22. März 2012 – L 5 R 138/12 B ER; SG Stralsund, 5. März 2012 – S 3 R 80/12 ER; SG Dortmund, 23. Januar 2012 – S 25 R 2507/11 ER; SG Hamburg, 9. Januar 2012 – S 11 R 1354/11 ER). Andere Sozialgerichte schließen sich allerdings der überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte an und gehen bei der Entscheidung des BAG von einer Feststellung einer nur gegenwartsbezogenen Tarifunfähigkeit der CGZP aus, wie es auch das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss getan hat (SG Hamburg, 18. November 2011 – S 51 R 1149/11 ER; SG Duisburg, 18. November 2012 – S 21 R 1564/11 ER; SG Stade, 7. Februar 2012 – S 1 KR 279/11 ER; s. a. Friemel, NZS 2011, 851).
Insbesondere in der Literatur wird eine Wirkung des BAG-Be-schlusses für die zurückliegende Zeit mit unterschiedlichen dogmatischen Ansätzen verneint. So setzt ein Teil der Literatur (Plagemann/Brandt, NJW 1022, 1488 ff.; Tuengerthal, BB 2011, 2939 ff.; Rieble/Vielmeier, ZIP 2011, 1 ff.) daran an, dass bei "Equal-Pay" Ansprüchen, die bis zur Entscheidung des BAG noch nicht entstanden seien, nicht das grundsätzlich für den Beitragsanspruch geltende Entstehungsprinzip des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV gelte, sondern das nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestimmte Zuflussprinzip.
Von nicht unerheblichem Gewicht bei der Gesamtabwägung ist die Auffassung, die aus Vertrauensgesichtspunkten eine rückwirkende Aufhebung eines Tarifvertrages ausschließt (s. dazu Friemel, a.a.O.; SG Duisburg, a.a.O.; SG Stade, a. a. O.). Zwar wird dem Vertrauensgesichtspunkt von der Gegenauffassung die Entscheidung des BAG vom 15. November 2006 (10 AZR 665/05) entgegengehalten. Fraglich ist jedoch bereits, ob diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall Anwendung findet (s. dazu SG Hamburg, 18. November 2011, a.a.O., Rz. 9). Darüber hinaus werden von der einen Vertrauensschutz befürwortenden Meinung verschiedene dogmatische Ansatzpunkte als Grundlage vertreten. So weisen die Sozialgerichte Duisburg (a.a.O.) und Köln (15. Februar 2012 – S 7 R 1921/11 ER) darauf hin, dass den Neuerungen in der BAG-Entscheidung vom 14. De¬zember 2010 gesetzesgleiche Wirkung in Form einer Änderung des Rechts zukomme mit der weiteren Einschränkung, dass insoweit eine Rückwirkung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Andere (Friemel, a.a.O.) leiten den Vertrauensschutz daraus ab, dass, solange einer Organisation die Tariffähigkeit nicht gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 des Arbeitsgerichtgesetzes rechtskräftig abgesprochen worden sei, das Vertrauen in die Tariffähigkeit schutzwürdig sei (so unter Hinweis auf Schöne, DB 2004, 136/137). Anderenfalls hätte dies eine massive Verunsicherung des Rechtverkehrs zur Folge, die die Bildung von Koalitionen behindern und das Vertrauen an die Tarifparteien insgesamt nachhaltig beschädigten.
In diesem Zusammenhang wird eine rückwirkende Unwirksamkeit des Tarifvertrages auch unter entsprechender Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsvertrages bzw. von der fehlerhaften Gesellschaft verneint (sog. fehlerhafter Tarifvertrag). Diese in der Rechtsprechung entwickelten Instrumentarien dienen dazu, Rückabwicklungsschwierigkeiten in einem Dauerschuldverhältnis weitestgehend zu vermeiden. Für eine entsprechende Anwendung auf Tarifverträge sprechen Vertrauens- und Verkehrsschutz, letzterer insbesondere im Hinblick auf die Normqualität der Tarifverträge, Rückabwicklungsschwierigkeiten insbesondere bei enger Regelungsdichte und Schutz der Vertragsparteien, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Tarifverträge, an denen sie regelmäßig selbst nicht beteiligt sind, verlassen haben. Insoweit stimmen die Interessenlagen beim fehlerhaften Arbeitsverhältnis und der fehlerhaften Gesellschaft mit denen beim Tarifvertag überein. In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, dass eine Anwendung der Lehre des fehlerhaften Vertrages auf Tarifverträge grundsätzlich beiden Vertagsparteien dient. Regelmäßig beinhalten Tarifverträge eine Besserstellung des Arbeitnehmers. Bei einer Nichtigkeit ex tunc würde diese Besserstellung rückwirkend mit der Folge wegfallen, dass vom Arbeitnehmer Leistungen an den Arbeitgeber zurückzugewähren wären. Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Auffassung, dass gute Gründe dafür sprechen, das Instrument des fehlerhaften Tarifvertrages ähnlich der Rechtsprechung zu dem fehlerhaften Arbeitsvertrag und der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden.
Neben insbesondere arbeitsrechtlichen Bedenken an einer rückwirkenden Erhöhung des Lohnes als Grundlage einer rückwirkenden Beitragserhöhung bestehen auch nicht unerhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Beitragsforderung aus sozialrechtlichen Vorschriften. Solche Bedenken ergeben sich insbesondere aus dem Vorgehen der Antragsgegnerin nach § 28f Abs. 2 SGB IV. Zum einen ist dem Beitragsbescheid keine auf die einzelnen Arbeitnehmer bezogene Nachberechnung zu entnehmen. Zum anderen beruft sich die Antragsgegnerin ausdrücklich auf eine Schätzung zur Ermittlung des nachträglich höheren Lohnanspruchs und damit gleichzeitig zur Ermittlung der Beitragsnachforderung. Sie begründet dies damit, dass vorliegend die personenbezogenen Ermittlungen der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte – wenn überhaupt – nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich sei. Grund sei die hohe Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse (472), die in großer Anzahl bis zu drei Monaten gedauert hätten und die Überlassung zudem an diverse Entleiher erfolgt sei. Grundvoraussetzung eines Vorgehens nach § 28f Abs. 2 SGB IV ist jedoch, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Diese Voraussetzung der Verletzung der Aufzeichnungspflicht gilt nicht nur für den in Satz 1 der Vorschrift bestimmten so genannten Lohnsummenbescheid, sondern ist auch Voraussetzung für die Schätzungsbefugnis des Satzes 3 (LSG Baden-Württemberg, 18. Mai 2011 – L 4 KR 4448/99 = NZS 2002, 96; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, § 28f SGB IV Rz. 13; Seewald in Kasseler Kommentar, § 28f Rz. 10; Rieble/Vielmeyer a.a.O. S. 15f.). So soll die Schätzungsbefugnis die Pflichtverletzung des Arbeitgebers kompensieren, der entgegen § 28f Abs. 1 SGB IV keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen geführt hat. Hat also der Arbeitgeber ordnungsgemäße Aufzeichnungen geführt, fehlt es an der grundlegenden Voraussetzung eines Vorgehens nach § 28f Abs. 2 SGB IV.
Eine solche Verletzung der Aufzeichnungspflicht wirft die Antragsgegnerin dem Antragsteller jedoch nicht vor. Sie ist vorliegend auch nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht erkennbar. Für die Antragstellerin bestand als Arbeitgeberin kein Anlass dafür, personenbezogen die jeweiligen vergleichbaren Lohnansprüche der festangestellten Arbeitnehmer aufzuzeigen. Jedenfalls bis zu der Entscheidung des BAG am 14. Dezem¬ber 2010 bestand insoweit keine Veranlassung für die Verleiher von Leiharbeitnehmern und damit auch hier für die Antragstel¬lerin.
Die Nachforderung von Beiträgen für einen Zeitraum, der zuvor Gegenstand einer früheren Betriebsprüfung gewesen war, kann nach Auffassung des LSG Bayern (18. Januar 2011 – L 5 R 752/08) nur nach § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) erfolgen (so auch SG Dortmund, a.a.O.). Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand vermag der Senat nicht zu erkennen, ob eine entsprechende Prüfung bei der Antragstellerin für den hier streitigen Zeitraum erfolgte und ob daher eine Auseinandersetzung mit der Auffassung des LSG Bayern zu erfolgen hat. Insoweit verweist die Antragstelle¬rin zwar auf die Entscheidung des LSG Bayern, legt allerdings keinen entsprechenden Prüfbescheid vor, sondern weist lediglich in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 2012 darauf hin, dass jenseits des 31. Dezember 2006 eine Prüfung nicht stattfinden dürfe, sie somit lediglich auf den Zeitraum 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 zu beschränken sei. Hier wird im Hauptsacheverfahren eine Klärung zu erfolgen haben.
Weiterhin wird zu klären sein, ob die Antragsgegnerin lediglich die Zeit berücksichtigt hat, in denen ein Leihverhältnis bestand oder ob der gesamte Zeitraum berücksichtigt wurde.
Hinsichtlich einer teilweisen Verjährung (hier des Jahres 2006) wird vertreten, dass eine Verlängerung der vierjährigen Verjährungsfrist vor 2011 nicht eingetreten sei. Diese setze nämlich zumindest bedingten Vorsatz voraus, der frühestens, wenn überhaupt, bei Vorliegen der Entscheidungsgründe der BAG-Entscheidung vom 14. Dezember 2010 im Jahre 2011 eingesetzt habe.
Vor diesem Hintergrund der außerordentlich komplexen (arbeits- und sozialrechtlichen) und schwierigen Rechtslage, die sich auch in der weitestgehend identischen Anzahl der die jeweiligen Aussetzungsanträge entsprechenden und ablehnenden sozialgerichtlichen Entscheidungen widerspiegelt (nach Lambrich vom 19. März 2012 – in www.haufe.de/personal, dort unter "CGZP: Vertrauensschutz ist das wichtigste Argument" - existierten zum damaligen Zeitpunkt 18 sozialgerichtliche Entscheidungen, "der Zwischenstand ist unentschieden 9: 9"), sieht der Senat eine abschließende rechtliche Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht für möglich an und bestätigt im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung wegen der zahlreichen Argumente gegen eine Rechtmäßigkeit der hier vorgenommenen rückwirkenden Beitragserhebung die Entscheidung des Sozialgerichts, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der beschließende Senat nimmt bei Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz bei der Bemessung des Streitwertes regelmäßig einen Abschlag vor, und zwar im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung auf ein Drittel des im Hauptsacheverfahren streitigen Betrages (vgl. etwa Beschluss vom 27. März 2012 – L 5 KR 27/12 B ER). Bei diesem Betrag ist von den im streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin geforderten 38.416,22 EUR auszugehen. Daraus folgt ein Streitwert von 12.805,41 EUR.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Eilverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. Sie verfügt über eine Erlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Die Leiharbeitnehmer waren im hier maßgeblichen Zeitraum auf der Basis eines Tarifvertrages mit der CGZP und dem AMP/dem BVD/dem A. M. beschäftigt.
In der Zeit vom 7. April bis 18. August 2011 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2009 durch. Anlass war eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10), die die Feststellung der Vorinstanzen, wonach die CGZP nicht tariffähig sei, bestätigt hatte. Nach Anhörung mit Schreiben vom 29. August 2011 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin mit Bescheid vom 16. September 2011 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 38.416,22 EUR für den Prüfzeitraum nach. Zur Begründung führte sie aus, dass die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG zur Unwirksamkeit der von ihr geschlossenen Tarifverträge geführt habe. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG und dem darin enthaltenen Grundsatz des Equal-Pay, in dessen Folge die Leiharbeitnehmer, die auf der Basis eines solchen Tarifvertrages tätig gewesen seien, von der Antragstellerin den Lohn beanspruchen könnten, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt worden sei. Dieser tatsächlich zustehende Lohn sei Bemessungsgrundlage für die Berechnung der für diese Arbeitnehmer zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge. Aufgrund des in § 22 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) enthaltenen Entstehungsprinzips komme es für die Beitragsansprüche nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer den höheren Lohn auch tatsächlich geltend machten. Der Beitragsanspruch entstehe insoweit automatisch mit dem arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruch. Zwar sei hier feststellbar, dass Arbeitsentgelte grundsätzlich bestimmten Beschäftigten zuzuordnen seien, jedoch sei vorliegend die personenbezogene Ermittlung der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte – wenn überhaupt – nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Denn in der streitigen Zeit hätten insgesamt 472 Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen, wobei eine große Anzahl dieser Beschäftigungsverhältnisse lediglich drei Monate gedauert habe. Die Überlassung der Mitarbeiter sei an diverse Entleiher erfolgt. Nach den Ermittlungen betrage die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmer und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 24 %. Dieser Prozentwert gründe sich im Wesentlichen auf die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14. April 2011. Für den Betrieb der Antragstellerin sei die Antragsgegnerin allerdings von einer durchschnittlichen Differenz in Höhe von 9 % ausgegangen. Denn es sei zu berücksichtigten, dass die Antragstellerin ihren Beschäftigten höhere Arbeitsentgelte gezahlt habe, als dies in dem CGZP-Tarifvertrag vorgesehen gewesen sei. Für die Arbeitnehmer seien die erforderlichen Meldungen zu berichtigen. Soweit hier festgestellt worden sei, dass für einen oder mehrere Beschäftigte jeweils Beiträge nachzuerheben seien, sei die Antragstellerin zur Erstattung einer Meldung für jeden dieser Beschäftigten verpflichtet. Von einer Verjährung der Ansprüche könne hier nicht ausgegangen werden, da Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge erst in 30 Jahren verjährten und Vorsatz mit der Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 spätestens vorgelegen habe. Im Übrigen hätten auch die Deutsche Rentenversicherung Bund in ihrer Presseerklärung vom 21. Dezember 2010 und die Antragsgegnerin mit Anschreiben vom 22. Dezember 2010 fristwahrend Ansprüche auf entgangene Sozialversicherungsbeiträge geltend gemacht.
Gegen den Bescheid erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 29. September 2011 Widerspruch.
Am 30. September 2011 hat sie beim Sozialgericht Kiel die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsmittels gegen den Beitragsbescheid beantragt und zur Begründung ausgeführt: Unbestritten sei, dass die Entscheidung des BAG nicht für die Vergangenheit gelte. Selbst wenn das der Fall wäre, hätte dies nicht automatisch einen Arbeitsentgeltanspruch für die Vergangenheit zur Folge. Einen solchen Anspruch könne das Gericht ausschließen. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Unternehmen und ihre handelnden Personen über viele Jahre auf die Rechtmäßigkeit der von ihnen angewandten Tarifverträge vertraut hätten. Staatliche Verwaltungsstellen wie etwa die Bundesagentur für Arbeit hätten bei der Ausschreibung von Personalserviceagenturen auf die Anwendung von Tarifverträgen bestanden, zum Teil sogar die Anwendung der hier in Frage stehenden Tarifverträge des AMP empfohlen. Zwar bestimme § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV das Entstehungsprinzip. Bei Einmalzahlungen wie hier hinsichtlich der Nachzahlung gelte hingegen das Zuflussprinzip. Für das Jahr 2006 werde die Einrede der Verjährung erhoben, da aufgrund der äußerst komplizierten Rechtslage von einem Wissen der beteiligten Unternehmer im Jahre 2010 nicht ausgegangen werden könne. Des Weiteren habe es bei fast allen Unternehmen im Prüfzeitraum bereits Betriebsprüfungen gegeben. Diese müssten nachfolgend berücksichtigt werden. Im Übrigen hätte eine sofortige Einziehung des hier streitigen Betrages eine erhebliche Härte für die Antragstellerin zur Folge, da eine zusätzliche Liquidität in dem Gesamtumfang nicht vorhanden sei.
Die Antragsgegnerin hat ihre Auffassung aus dem angefochtenen Bescheid wiederholt. Aus der Entscheidung des BAG ließen sich Feststellungen zur rückwirkenden Tarifunfähigkeit der CGZP entnehmen, da Grundlage der Entscheidung deren Satzung vom 5. Dezember 2005 gewesen sei. Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin habe dies bestätigt. Ergänzend verweist sie auf ihren Widerspruchsbescheid vom 23. November 2011, mit dem sie den Widerspruch der Antragstellerin zurückgewiesen hat. Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Antragstellerin am 1. Dezember 2011 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben (S 3 KR 283/11).
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 21. Oktober 2011 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid vorläufig bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz angeordnet und mit weiterem Beschluss vom 12. Dezember 2011 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Beitragsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass der Beschluss des BAG auch für die Vergangenheit Rechtswirkungen entfalte. Der Entscheidung selbst sei eine solche Rechtsfolge nicht zu entnehmen, eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage bisher nicht erfolgt. Der wohl überwiegende Teil der hierzu ergangenen Rechtsprechung gehe dementsprechend davon aus, dass Rückschlüsse für die Vergangenheit aus der Entscheidung des BAG nicht zu ziehen seien.
Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 11. Januar 2012. Zur Begründung trägt sie vor: Entscheidend sei, ob Tarifunfähigkeit der CGZP materiell rechtlich im Prüfzeitraum vorgelegen habe. Auf die konkrete Feststellung komme es im sozialgerichtlichen Verfahren nicht an. Das BAG stelle die Tarifunfähigkeit lediglich deklaratorisch fest. Im Übrigen gehe auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg davon aus, dass die CGZP bereits vor dem Beschluss des BAG nicht tariffähig gewesen sei. Die Antragsgegnerin bezieht sich, wie bereits erstinstanzlich, auf entsprechende Rechtsprechung von Sozialgerichten, die ihre Auffassung stützen.
Die Antragstellerin wiederholt ihre Auffassung unter gleichzeitiger Vertiefung ihrer Argumentation. Sie weist ergänzend darauf hin, es sei zu beachten, dass ein Equal-Pay/Equal-Treatment Anspruch nicht automatisch mit der Arbeitsleistung entstehe, sondern erst mit einer Wahlentscheidung des Zeitarbeitnehmers für den Equal-Pay/Equal-Treatment Anspruch. Es sei nicht auszuschließen, dass für manche Zeitarbeitnehmer einzelne Arbeitsbedingungen, die nach dem AMP/CGZP-Tarifvertrag zu gewähren seien, nicht aber nach den Arbeitsbedingungen im Ent¬leihbetrieb, attraktiver gewesen seien. Das habe vor allem für den Umstand gegolten, dass nach dem AMP/CGZP-Tarifvertrag das Arbeitszeitkonto bis zu 250 Stunden habe enthalten können. Machten diese Arbeitnehmer nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch, bleibe es bei dem gezahlten Entgelt und es verbiete sich ein Equal-Pay Anspruch. Damit entstünde dann auch kein Beitragsanspruch. Das Bundessozialgericht habe im Übrigen in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass für eine Änderung der Rechtsprechung, die für die Betroffenen wie eine Gesetzesänderung wirke, die gleichen Regelungen zu gelten hätten. Da es sich hier um eine echte Rückwirkung handele, wäre eine solche nur unter Einräumung einer längeren Übergangsfrist zulässig. Hinsichtlich der Verjährung sei darauf hinzuweisen, dass die Deutsche Rentenversicherung im Dezember 2010 zwar die genannte Rechtsauffassung geäußert habe, gleichzeitig aber für die Erstreckung des Beschlusses auf die Vergangenheit sich eine endgültige Meinung für die Zeit nach Vorliegen der schriftlichen Entscheidungsgründe vorbehalten habe. Im Übrigen dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Antragsgegnerin ebenfalls von der Gültigkeit der hier in Frage stehenden Tarifverträge ausgegangen sei. Die Bestandswirkung vorhergegangener Betriebsprüfung habe hier zur Folge, dass jenseits des 31. Dezember 2006 eine Prüfung nicht stattfinden dürfe, diese sich somit lediglich auf den Zeitraum 2007 bis 2009 zu beschränken habe. Auch die Antragstellerin macht für sich Rechtsprechung der Sozialgerichte und Ausführungen in der Literatur geltend.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht geht der beschließende Senat davon aus, dass aufgrund ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides die aufschiebende Wirkung der Klage gegen diesen Bescheid anzuordnen ist.
Wie das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausführt, orientiert sich die Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, an der Vorschrift des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Anfechtungsklage hat hier nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung, weil diese gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt. Der angefochtene Bescheid enthält nämlich eine Entscheidung über die Beitragspflicht sowie die Anforderung von Beiträgen.
Nach § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Zwar richten sich diese Voraussetzungen an die Herstellung der aufschiebenden Wirkung durch die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat. Sie finden jedoch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung auch auf die gerichtliche Entscheidung Anwendung (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 6. Februar 2012 – L 5 KR 7/12 B ER). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen nach ganz überwiegender Auffassung dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Hinsichtlich des dabei notwendigen Überzeugungsgrades bezüglich der zu klärenden Rechtsfragen ist dabei zu beachten, dass es nach Sinn und Zweck des Eilverfahrens grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte sein kann, schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine umfassende rechtliche Prüfung der Hauptsache vorzunehmen; denn damit würde die Effektivität dieses Verfahrens und damit das gerichtliche Rechtsschutzinteresse insgesamt geschwächt (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rz. 220). Dies gilt insbesondere bei einer unzureichenden Tatsachengrundlage oder bei schwierigen Rechtsfragen, bei denen eine abschließende rechtliche Prüfung in einem Eilverfahren gar nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund und der im Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers kann eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG nach Auffassung des beschließenden Senats auch dann erfolgen, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes von einer Mehrzahl von Voraussetzungen abhängt, deren Prüfung die Klärung schwieriger Rechtsfragen beinhaltet. Von einem solchen Fall geht der Senat hier aus mit dem Ergebnis, dass die Entscheidung des Sozialgerichts, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen, zu bestätigen ist.
Zutreffend weist das Sozialgericht auf das Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV als Bemessungsgrundlage für den vom Arbeitgeber geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeitrag hin. Zum Arbeitsentgelt gehören nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit dieser erzielt werden. Damit ist für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides zunächst die Höhe der Entgeltansprüche der Leiharbeitnehmer im hier streitigen Zeitraum maßgeblich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG betreibt. Nach § 10 Abs. 4 AÜG ist der Verleiher (hier die Antragstellerin) verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (sog. Equal-Pay/Equal-Treatment). Soweit ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft (§ 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG), hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren.
Im hier maßgeblichen Zeitraum erfolgte die Entlohnung der Arbeitnehmer der Antragstellerin auf der Basis eines Tarifvertrages mit der CGZP und dem AMP/BVD. Allerdings hat das BAG mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 die CGZP für tarifunfähig erklärt mit der Folge, dass die von ihr geschlossenen Tarifverträge unwirksam sind. Weitere Folge dieser Unwirksamkeit ist, dass Leiharbeitnehmer, die bisher auf der Basis eines solchen Tarifvertrages beschäftigt waren, fortan nach dem Equal-Pay Grundsatz zu entlohnen sind. Dabei hat das BAG der CGZP die Eigenschaft als tariffähige Arbeitnehmervereinigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) abgesprochen und die Eigenschaft als tariffähige Spitzenorganisation gemäß § 2 Abs. 3 TVG verneint. Allerdings hat das BAG, worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist, in dem Beschluss nur festgestellt, dass die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig ist. Es hat sich dabei ausdrücklich an dem Antrag der Beteiligten orientiert und diese ausdrücklich als nichtvergangenheitsbezogen angesehen (BAG a.a.O.Rz. 33). In diesem Sinne geht auch die überwiegende Auffassung der Landesarbeitsgerichte davon aus, dass die Entscheidung des BAG keine ex tunc-Wirkung hat (hinsichtlich der Nachweise s. Seite 6 des angefochtenen Beschlusses; anderer Ansicht: LAG Berlin-Bran¬denburg, 20. September 2011 – 7 SA 1318/11 – und LAG Sachsen-Anhalt, 2. November 2011 – 4 TA 130/11). Zwar wird vor dem Hintergrund, dass die maßgebende Satzungsbestimmung der CGZP sich bereits in der Satzung aus dem Jahre 2005 findet und dem Umstand, dass im sozialgerichtlichen Eilverfahren zur Entscheidung über den Sofortvollzug von Beitragsnachforderungen die rechtskräftige Feststellung der Tarifunfähigkeit für den Zeitraum vor der Entscheidung des BAG nicht abzuwarten ist, die Auffassung vertreten, dass der Gegenwartsbezug in der BAG-Entscheidung der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit davor nicht entgegenstehe (Bayerisches LSG, 22. März 2012 – L 5 R 138/12 B ER; SG Stralsund, 5. März 2012 – S 3 R 80/12 ER; SG Dortmund, 23. Januar 2012 – S 25 R 2507/11 ER; SG Hamburg, 9. Januar 2012 – S 11 R 1354/11 ER). Andere Sozialgerichte schließen sich allerdings der überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte an und gehen bei der Entscheidung des BAG von einer Feststellung einer nur gegenwartsbezogenen Tarifunfähigkeit der CGZP aus, wie es auch das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss getan hat (SG Hamburg, 18. November 2011 – S 51 R 1149/11 ER; SG Duisburg, 18. November 2012 – S 21 R 1564/11 ER; SG Stade, 7. Februar 2012 – S 1 KR 279/11 ER; s. a. Friemel, NZS 2011, 851).
Insbesondere in der Literatur wird eine Wirkung des BAG-Be-schlusses für die zurückliegende Zeit mit unterschiedlichen dogmatischen Ansätzen verneint. So setzt ein Teil der Literatur (Plagemann/Brandt, NJW 1022, 1488 ff.; Tuengerthal, BB 2011, 2939 ff.; Rieble/Vielmeier, ZIP 2011, 1 ff.) daran an, dass bei "Equal-Pay" Ansprüchen, die bis zur Entscheidung des BAG noch nicht entstanden seien, nicht das grundsätzlich für den Beitragsanspruch geltende Entstehungsprinzip des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV gelte, sondern das nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestimmte Zuflussprinzip.
Von nicht unerheblichem Gewicht bei der Gesamtabwägung ist die Auffassung, die aus Vertrauensgesichtspunkten eine rückwirkende Aufhebung eines Tarifvertrages ausschließt (s. dazu Friemel, a.a.O.; SG Duisburg, a.a.O.; SG Stade, a. a. O.). Zwar wird dem Vertrauensgesichtspunkt von der Gegenauffassung die Entscheidung des BAG vom 15. November 2006 (10 AZR 665/05) entgegengehalten. Fraglich ist jedoch bereits, ob diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall Anwendung findet (s. dazu SG Hamburg, 18. November 2011, a.a.O., Rz. 9). Darüber hinaus werden von der einen Vertrauensschutz befürwortenden Meinung verschiedene dogmatische Ansatzpunkte als Grundlage vertreten. So weisen die Sozialgerichte Duisburg (a.a.O.) und Köln (15. Februar 2012 – S 7 R 1921/11 ER) darauf hin, dass den Neuerungen in der BAG-Entscheidung vom 14. De¬zember 2010 gesetzesgleiche Wirkung in Form einer Änderung des Rechts zukomme mit der weiteren Einschränkung, dass insoweit eine Rückwirkung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Andere (Friemel, a.a.O.) leiten den Vertrauensschutz daraus ab, dass, solange einer Organisation die Tariffähigkeit nicht gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 des Arbeitsgerichtgesetzes rechtskräftig abgesprochen worden sei, das Vertrauen in die Tariffähigkeit schutzwürdig sei (so unter Hinweis auf Schöne, DB 2004, 136/137). Anderenfalls hätte dies eine massive Verunsicherung des Rechtverkehrs zur Folge, die die Bildung von Koalitionen behindern und das Vertrauen an die Tarifparteien insgesamt nachhaltig beschädigten.
In diesem Zusammenhang wird eine rückwirkende Unwirksamkeit des Tarifvertrages auch unter entsprechender Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsvertrages bzw. von der fehlerhaften Gesellschaft verneint (sog. fehlerhafter Tarifvertrag). Diese in der Rechtsprechung entwickelten Instrumentarien dienen dazu, Rückabwicklungsschwierigkeiten in einem Dauerschuldverhältnis weitestgehend zu vermeiden. Für eine entsprechende Anwendung auf Tarifverträge sprechen Vertrauens- und Verkehrsschutz, letzterer insbesondere im Hinblick auf die Normqualität der Tarifverträge, Rückabwicklungsschwierigkeiten insbesondere bei enger Regelungsdichte und Schutz der Vertragsparteien, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Tarifverträge, an denen sie regelmäßig selbst nicht beteiligt sind, verlassen haben. Insoweit stimmen die Interessenlagen beim fehlerhaften Arbeitsverhältnis und der fehlerhaften Gesellschaft mit denen beim Tarifvertag überein. In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, dass eine Anwendung der Lehre des fehlerhaften Vertrages auf Tarifverträge grundsätzlich beiden Vertagsparteien dient. Regelmäßig beinhalten Tarifverträge eine Besserstellung des Arbeitnehmers. Bei einer Nichtigkeit ex tunc würde diese Besserstellung rückwirkend mit der Folge wegfallen, dass vom Arbeitnehmer Leistungen an den Arbeitgeber zurückzugewähren wären. Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Auffassung, dass gute Gründe dafür sprechen, das Instrument des fehlerhaften Tarifvertrages ähnlich der Rechtsprechung zu dem fehlerhaften Arbeitsvertrag und der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden.
Neben insbesondere arbeitsrechtlichen Bedenken an einer rückwirkenden Erhöhung des Lohnes als Grundlage einer rückwirkenden Beitragserhöhung bestehen auch nicht unerhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Beitragsforderung aus sozialrechtlichen Vorschriften. Solche Bedenken ergeben sich insbesondere aus dem Vorgehen der Antragsgegnerin nach § 28f Abs. 2 SGB IV. Zum einen ist dem Beitragsbescheid keine auf die einzelnen Arbeitnehmer bezogene Nachberechnung zu entnehmen. Zum anderen beruft sich die Antragsgegnerin ausdrücklich auf eine Schätzung zur Ermittlung des nachträglich höheren Lohnanspruchs und damit gleichzeitig zur Ermittlung der Beitragsnachforderung. Sie begründet dies damit, dass vorliegend die personenbezogenen Ermittlungen der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte – wenn überhaupt – nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich sei. Grund sei die hohe Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse (472), die in großer Anzahl bis zu drei Monaten gedauert hätten und die Überlassung zudem an diverse Entleiher erfolgt sei. Grundvoraussetzung eines Vorgehens nach § 28f Abs. 2 SGB IV ist jedoch, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Diese Voraussetzung der Verletzung der Aufzeichnungspflicht gilt nicht nur für den in Satz 1 der Vorschrift bestimmten so genannten Lohnsummenbescheid, sondern ist auch Voraussetzung für die Schätzungsbefugnis des Satzes 3 (LSG Baden-Württemberg, 18. Mai 2011 – L 4 KR 4448/99 = NZS 2002, 96; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, § 28f SGB IV Rz. 13; Seewald in Kasseler Kommentar, § 28f Rz. 10; Rieble/Vielmeyer a.a.O. S. 15f.). So soll die Schätzungsbefugnis die Pflichtverletzung des Arbeitgebers kompensieren, der entgegen § 28f Abs. 1 SGB IV keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen geführt hat. Hat also der Arbeitgeber ordnungsgemäße Aufzeichnungen geführt, fehlt es an der grundlegenden Voraussetzung eines Vorgehens nach § 28f Abs. 2 SGB IV.
Eine solche Verletzung der Aufzeichnungspflicht wirft die Antragsgegnerin dem Antragsteller jedoch nicht vor. Sie ist vorliegend auch nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht erkennbar. Für die Antragstellerin bestand als Arbeitgeberin kein Anlass dafür, personenbezogen die jeweiligen vergleichbaren Lohnansprüche der festangestellten Arbeitnehmer aufzuzeigen. Jedenfalls bis zu der Entscheidung des BAG am 14. Dezem¬ber 2010 bestand insoweit keine Veranlassung für die Verleiher von Leiharbeitnehmern und damit auch hier für die Antragstel¬lerin.
Die Nachforderung von Beiträgen für einen Zeitraum, der zuvor Gegenstand einer früheren Betriebsprüfung gewesen war, kann nach Auffassung des LSG Bayern (18. Januar 2011 – L 5 R 752/08) nur nach § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) erfolgen (so auch SG Dortmund, a.a.O.). Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand vermag der Senat nicht zu erkennen, ob eine entsprechende Prüfung bei der Antragstellerin für den hier streitigen Zeitraum erfolgte und ob daher eine Auseinandersetzung mit der Auffassung des LSG Bayern zu erfolgen hat. Insoweit verweist die Antragstelle¬rin zwar auf die Entscheidung des LSG Bayern, legt allerdings keinen entsprechenden Prüfbescheid vor, sondern weist lediglich in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 2012 darauf hin, dass jenseits des 31. Dezember 2006 eine Prüfung nicht stattfinden dürfe, sie somit lediglich auf den Zeitraum 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 zu beschränken sei. Hier wird im Hauptsacheverfahren eine Klärung zu erfolgen haben.
Weiterhin wird zu klären sein, ob die Antragsgegnerin lediglich die Zeit berücksichtigt hat, in denen ein Leihverhältnis bestand oder ob der gesamte Zeitraum berücksichtigt wurde.
Hinsichtlich einer teilweisen Verjährung (hier des Jahres 2006) wird vertreten, dass eine Verlängerung der vierjährigen Verjährungsfrist vor 2011 nicht eingetreten sei. Diese setze nämlich zumindest bedingten Vorsatz voraus, der frühestens, wenn überhaupt, bei Vorliegen der Entscheidungsgründe der BAG-Entscheidung vom 14. Dezember 2010 im Jahre 2011 eingesetzt habe.
Vor diesem Hintergrund der außerordentlich komplexen (arbeits- und sozialrechtlichen) und schwierigen Rechtslage, die sich auch in der weitestgehend identischen Anzahl der die jeweiligen Aussetzungsanträge entsprechenden und ablehnenden sozialgerichtlichen Entscheidungen widerspiegelt (nach Lambrich vom 19. März 2012 – in www.haufe.de/personal, dort unter "CGZP: Vertrauensschutz ist das wichtigste Argument" - existierten zum damaligen Zeitpunkt 18 sozialgerichtliche Entscheidungen, "der Zwischenstand ist unentschieden 9: 9"), sieht der Senat eine abschließende rechtliche Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht für möglich an und bestätigt im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung wegen der zahlreichen Argumente gegen eine Rechtmäßigkeit der hier vorgenommenen rückwirkenden Beitragserhebung die Entscheidung des Sozialgerichts, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der beschließende Senat nimmt bei Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz bei der Bemessung des Streitwertes regelmäßig einen Abschlag vor, und zwar im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung auf ein Drittel des im Hauptsacheverfahren streitigen Betrages (vgl. etwa Beschluss vom 27. März 2012 – L 5 KR 27/12 B ER). Bei diesem Betrag ist von den im streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin geforderten 38.416,22 EUR auszugehen. Daraus folgt ein Streitwert von 12.805,41 EUR.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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