Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 10 KR 169/08
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 53/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bedarf ein Risikopatient stationärer Untersuchungsbedingungen, um jederzeit eine Akutintervention zu ermöglichen, steht dem Vergütungsanspruch eines Krankenhauses wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung nicht die ambulante Abrechnungsbefugnis entgegen.
2. Ist aufgrund der Krankenvorgeschichte des Versicherten die Annahme berechtigt, an eine Herzkatheteruntersuchung werde sich unmittelbar eine Gefäßdilatation oder Stentimplantation anschließen, kann das Krankenhaus hinsichtlich des geltend gemachten Vergütungsanspruchs wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung auch nicht auf eine vorstationäre Behandlungsalternative nach § 115 a Abs. 1 Nr. 1 SGB V verwiesen werden.
2. Ist aufgrund der Krankenvorgeschichte des Versicherten die Annahme berechtigt, an eine Herzkatheteruntersuchung werde sich unmittelbar eine Gefäßdilatation oder Stentimplantation anschließen, kann das Krankenhaus hinsichtlich des geltend gemachten Vergütungsanspruchs wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung auch nicht auf eine vorstationäre Behandlungsalternative nach § 115 a Abs. 1 Nr. 1 SGB V verwiesen werden.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 31. März 2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.060,67 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Vergütungsanspruch der Klägerin.
Die Klägerin behandelte den 1955 geborenen und bei der Beklagten Versicherten M. G. (Versicherter) vom 16. bis 17. Januar 2007 auf stationäre Einweisung der Internisten Dr. D., nachdem das ambulante fahrradergometrische Belastungs-EKG bei 100 Watt ST-Streckensenkungen in den der linksventrikulären Seitenwand zuzuordnenden Ableitungen ohne eine dabei auftretende Beschwerdesymptomatik gezeigt hatte. Der Versicherte hatte bereits im Dezember 1999 einen Herzhinterwandinfarkt erlitten, der einen fortbestehenden Verschluss der rechten Herzkranzarterie im mittleren Drittel mit einer nachgeschalteten Narbenzone zur Folge hatte. Auf der Verordnung von Krankenhausbehandlung vom 11. Januar 2007 war vermerkt: "Kontrolle bei patholog. BelastungsEKG; Z.n. HW-Infarkt 99". Nach vorstationärer Behandlung am 15. Januar 2007, die die Beklagte beglich, erfolgte am nächsten Tag eine arterielle Herzkatheteruntersuchung und Koronarangiographie. Dabei bestätigte sich der bereits bekannte Verschluss der rechten Kranzarterie. Hinsichtlich der darüber hinaus festgestellten Abgangsstenose des Ramus intermedius entschieden sich die Krankenhausärzte nach dem Entlassungsbericht vom 17. Ja¬nuar 2007 wegen des erhöhten periproceduralen Risikos und der fehlenden klinischen Symptomatik nach sorgfältiger Abwägung gegen eine Koronarangioplastie (PTCA) mit Implantantion einer Gefäßstütze (Stent). Der Kompressionsverband der arteriellen Punktionsstelle in der rechten Leiste wurde am 16. Januar 2007 um 23.00 Uhr entfernt.
Auf den mit Rechnung vom 24. Januar 2007 von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch in Höhe von 1.070,42 EUR leistete die Beklagte am 9. Februar 2007 zunächst eine Zahlung von 1.060,67 EUR unter Abzug des Abschlags für IV-Versorgung in Höhe von 9,75 EUR. Nach Eingang des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung NORD – Dr. K. (MDK) rechnete die Beklagte am 14. November 2007 mit einem vermeintlichen Rückzahlungsanspruch in Höhe der gezahlten Vergütung gegen eine weitere unstreitige Forderung der Klägerin auf. Die Beklagte vertrat die Auffassung, ihr stehe eine Erstattungsforderung zu. Bei der vollstationären Behandlung des Versicherten habe es sich um eine primäre Fehlbelegung gehandelt. Die diagnostische Konronarangiografie hätte ambulant oder vorstationär durchgeführt werden können.
Die Klägerin hat am 24. Juli 2008 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben und zur Begründung ausgeführt, sie habe Anspruch auf Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung des Versicherten gehabt. Im Hinblick auf den ambulant erhobenen Vorbefund habe von einem interventionsbedürftigen Koronarangio-grafiebefund ausgegangen werden müssen, der eine stationäre Behandlung erfordert habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.060,67 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15. November 2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf das Gutachten des MDK vom 31. Oktober 2007 verwiesen.
Das Sozialgericht hat das schriftliche Gutachten des Internisten Prof. Dr. H. vom 26. Oktober 2010 eingeholt.
Mit Urteil vom 31. März 2011 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Vergütungsanspruch der Klägerin leite sich in Höhe der geltend gemachten Hauptforderung aus § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit der entsprechenden Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten ab. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiere mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Er setze voraus, dass eine Krankenhausbehandlung tatsächlich durchgeführt und auch erforderlich gewesen sei. Diese Voraussetzungen lägen vor. Der Versicherte habe sich über Nacht im Krankenhaus befunden, deshalb habe unstreitig eine stationäre Krankenhausbehandlung stattgefunden. Sie sei erforderlich gewesen, weil das Behandlungsziel nicht durch vorstationäre oder ambulante Behandlungsalternativen habe erreicht werden können. Ob eine stationäre Behandlung objektiv notwendig sei, beurteile sich im Wege einer Vorausschau, bei der auf den im Behandlungszeitraum verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des aufnehmenden bzw. des behandelnden Krankenhausarztes abzustellen sei. Maßgeblich sei daher, ob es unter medizinischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar gewesen sei, dass der einweisende oder behandelnde Krankenhausarzt in seiner vorausschauenden Betrachtung die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung angenommen habe. Dies sei hier zu bejahen, denn aufgrund der Krankenvorgeschichte des Versicherten und des pathologischen EKG-Befundes sei von der Erforderlichkeit eines gefäßerweiternden Eingriffs auszugehen gewesen, der nicht ambulant hätte vorgenommen werden können.
Gegen dieses ihr am 21. April 2011 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die am 19. Mai 2011 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung stützt sie sich auf die Stellungnahme des MDK Nord (Dr. Ga.) vom 19. Mai 2011, in der ausgeführt wird: Das Urteil sei medizinisch nicht nachvollziehbar. Der Behandlungsplan habe zunächst eine diagnostische Herzkatheterunter¬suchung vorgesehen, die eine ambulant durchführbare Intervention sei und als solche geplant werden könne. Träten Sachverhalte ein, die eine stationäre Aufnahme erforderlich machten (z. B. PTCA), könne diese immer noch erfolgen. Eine PTCA sei hier zunächst nicht geplant gewesen. Bei der frühzeitigen Herzkatheteruntersuchung des Versicherten am 16. Januar 2007 wäre eine ambulante Vorgehensweise möglich gewesen.
Nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits durch von der Klägerin am 23. Februar 2012 angenommenes Anerkenntnis der Beklagten, den ambulant abrechenbaren Betrag in Höhe von 329,27 EUR zu zahlen,
beantragt die Beklagte,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 31. März 2011 mit Ausnahme des anerkannten Betrages aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Sozialgericht habe gestützt auf die Aussage von Prof. Dr. H. die stationäre Behandlungsbedürftigkeit des Versicherten wegen der risikobehafteten medizinischen Vorgeschichte und der Erwartung eines interventionsbedürftigen Befundes bejaht. Eine Koronarangioplastie hätte im unmittelbaren Anschluss an die Herzkatheteruntersuchung durchgeführt werden müssen. Diese Umstände habe der MDK in seiner Stellungnahme vom 19. Mai 2011 nicht berücksichtigt. Sie sei daher nicht geeignet, das Gutachten von Prof. Dr. H. zu erschüttern.
Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. H. vom 29. Dezember 2011 eingeholt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Krankenakte des Versicherten und die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin Anspruch auf Zahlung des nach dem angenommenen Teilanerkenntis im Berufungsverfahren nur noch streitigen Betrages von 731,40 EUR hat. Richtigzustellen ist insoweit aber, dass streitbefangen nicht der Vergütungsanspruch der Klägerin wegen der Behandlung des Versicherten ist. Die Beklagte hat den geltend gemachten Vergütungsanspruch zunächst aufgrund der Rechnungsstellung der Klägerin beglichen. Streitig ist vielmehr, ob die Beklagte berechtigt war, gegen eine weitere unstreitige Forderung der Klägerin nachträglich mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 731,40 EUR aufzurechnen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung des stationären Aufenthaltes des Versicherten besaß und deshalb zu Unrecht bereichert war.
Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt, denn sie begehrt die Verurteilung der Beklagten zu einer Leistung, auf die grundsätzlich bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil sich die Klägerin als Krankenhausträgerin und die Beklagte als Krankenkasse gleichgeordnet gegenüber stehen (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 14/07 R m.w.N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten. Seitens der Klägerin ist auch die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs (vgl. BSGE 83, 254, 263) erfolgt.
Der Beklagten stand keine Erstattungsforderung in Höhe von 731,40 EUR zu, mit der sie gegenüber einem unstreitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aufrechnen konnte. Rechtsgrundlage der von der Klägerin geltend gemachten und von der Beklagten zunächst auch beglichenen Vergütungsforderung für die stationäre Behandlung des Versicherten im streitbefangenen Zeitraum war § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz und der Anlage 1 der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2007. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung tatsächlich durchgeführt und die Höhe der hierfür grundsätzlich zu beanspruchenden Vergütung von der Klägerin zutreffend ermittelt worden ist. Sie streiten lediglich darüber, ob beim Versicherten die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der entsprechenden Leistungen gegeben waren, d. h. eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Sinne des § 39 SGB V bestanden hat.
Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich ausschließlich nach medizinischen Erfordernissen, die das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen hat (Beschluss des Großen Senats (GS) des BSG vom 25. September 2007 – GS 1/06, veröffentlicht in juris). Krankenbehandlung, die nicht der besonderen Mittel eines Krankenhauses bedarf, ist grundsätzlich ambulant durchzuführen; insbesondere die vollstationäre Krankenhausbehandlung ist nachrangig gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V; vgl. auch BSG, Urteil vom 10. April 2008 – B 3 KR 19/05 R, veröffentlicht in juris). Ob die notwendige medizinische Versorgung nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses durchgeführt werden kann, ist immer an Hand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen; es kommt auf die Art und Schwere der Krankheit im Einzelfall an und ob dafür die medizinische Versorgung eines Versicherten gerade im Krankenhaus notwendig ist. Da für die ärztliche Entscheidung, Behandlungsverfahren ambulant oder stationär durchzuführen, vor allem Risikoabwägungen ausschlaggebend sind, lässt sich die Frage, ob ambulante oder stationäre Behandlung angezeigt ist, nicht immer eindeutig allein nach der beabsichtigten Diagnostik und dem angestrebten Behandlungsziel beantworten. Wesentlich kommt es vielmehr auch auf den Gesundheitszustand des Versicherten an. Andere Faktoren können ebenfalls eine Rolle spielen, denn eine medizinische Versorgung, die als solche nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse in der Regel ambulant vorgenommen werden kann, kann gleichwohl auf Grund besonderer Gegebenheiten des Einzelfalls eine stationäre Krankenhausbehandlung erfordern (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 1997, SozR 3-2500 § 107 Nr. 1 S. 7). Bei der Beurteilung dieser Gegebenheiten ist von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen, dem eine Einschätzungsprärogative nicht zukommt (Beschluss des GS, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war die vollstationäre Behandlung des Versicherten im streitbefangenen Zeitraum erforderlich. Den Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil ist zuzustimmen, dass eine ambulante Herzkatheterunter¬suchung und Koronarangiografie aufgrund der Krankenvorgeschichte des Versicherten und der bei stationärer Aufnahme noch zu erwartenden Erforderlichkeit einer PTCA medizinisch nicht vertretbar war. Auch eine vorstationäre Behandlung stand als Behandlungsalternative nicht zur Verfügung.
Der Versicherte hatte im Jahr 1999 einen Herzhinterwandinfarkt erlitten. Bei ihm war eine koronare Zweigefäßkrankheit mit Verschluss der rechten Herzkranzarterie im mittleren Drittel und nachgeschalteter Narbenzone bekannt. Das ambulante fahrradergometrische Belastungs-EKG hatte bei 100 Watt ST-Streckensenkungen in den der linksventrikulären Seitenwand zuzuordnenden Ableitungen gezeigt, die Anzeichen für eine erneute Herzminderdurchblutung waren. Vor dem Hintergrund dieser Befunde war bereits das ohnehin bestehende Risiko bei der beabsichtigten Diagnostik erhöht. Deshalb war es erforderlich, dass die arterielle Herzkatheteruntersuchung und Koronarangiografie in einem Krankenhaus mit der Möglichkeit der Akutintervention erfolgte. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. H. – dem der Senat insoweit uneingeschränkt folgt - auf Nachfrage in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. Dezember 2011 nochmals ausdrücklich bestätigt. Für einen Risikopatienten wie den Versicherten hätte eine ambulante Diagnostik nicht dem medizinischen Erfordernis Rechnung getragen, im Bedarfsfall sofort die besonderen personellen und sächlichen Mittel eines Krankenhauses zur Verfügung stellen zu können.
Der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei berechtigt, ambulante Herzkatheteruntersuchungen abzurechnen, sie hätte somit bei Komplikationen jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Behandlung in den stationären Bereich zu verlagern, greift nicht durch. Die Frage der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit eines Versicherten ist unabhängig von der Abrechnungsbefugnis des Krankenhauses zu beurteilen. Bedarf ein Versicherter bei einer Untersuchung stationärer Bedingungen, damit ihm im Notfall die personellen und sächlichen Mittel eines Krankenhauses tatsächlich zur Verfügung stehen, ist dies bei der Behandlungsplanung zu berücksichtigen. In diesem Fall ist die stationäre Aufnahme selbst dann nicht zu beanstanden, wenn die Untersuchung – wie hier – grundsätzlich ambulant durchführbar ist, eine Abrechnungsbefugnis für ambulante Leistungen vorliegt und im Hintergrund die besonderen Mittel eines Krankenhauses bereit stehen. Die Beklagte verkennt, dass der Klägerin bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art andernfalls zugemutet würde, die besonderen Mittel eines Krankenhauses bereit halten zu müssen, ohne die Gewissheit haben zu können, ob ihr dies später auch vergütet wird. Dadurch würde sie zu Unrecht gegenüber Krankenhäusern benachteiligt, denen es von vornherein nicht erlaubt ist, ambulante Leistungen abzurechnen.
Auch eine vorstationäre Behandlung des Versicherten nach § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V kam hier als Behandlungsalternative nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann das Krankenhaus bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären (Alternative 1) oder die vollstationäre Behandlung vorzubereiten (Alternative 2). Zweck der Vorschrift ist es, vollstationäre Krankenhausbehandlungen nach Möglichkeit zu vermeiden oder zu verkürzen und dadurch zum Abbau von Krankenhausbetten und allgemein zu Kosteneinsparungen im Krankenhaus beizutragen (BT-Drucks. 12/3608 Seite 102).
Die vorstationäre Behandlung eines Versicherten nach § 115a SGB V ist gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V zwar Teil der Krankenhausbehandlung. Da bei der vorstationären Behandlung nur medizinische Leistungen des Krankenhauses erbracht werden, nicht aber Unterkunft und Verpflegung (§ 115a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V), handelt es sich der Sache nach aber um eine Sonderform der ambulanten Versorgung des Versicherten, die allerdings nur bei vertragsärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung erbracht werden darf und im Vorfeld zu einer vollstationären Krankenhausbehandlung stattfinden muss (§ 115a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 SGB V). Insoweit geht es bei der vorstationären Behandlung um eine "Leistungserbringung eigener Art" als "Annex" zur vollstationären Versorgung im Krankenhaus und somit um "stationäre" Behandlung im weiteren Sinne (BSG, Urteil vom 10. März 2010, B 3 KR 15/08 R, Rdn. 10 m.w.N.), die in § 115a Abs. 3 SGB V über eine eigenständige Vergütungsregelung verfügt. Von dieser hatte die Klägerin hinsichtlich der erforderlichen Voruntersuchungen am 15. Januar 2007 (Labor, EKG) zur Vorbereitung der geplanten vollstationären Behandlung Gebrauch gemacht.
Die Entscheidung der Krankenhausärzte, die arterielle Herz-katheteruntersuchung nicht unter vorstationären Bedingungen durchzuführen, ist in diesem konkreten Einzelfall rechtlich nicht zu beanstanden. Es lag kein medizinisch geeigneter Fall im Sinne des § 115a Abs. 1 SGB V vor.
Der unbestimmte Rechtsbegriff "medizinisch geeignete Fälle" wird konkretisiert durch die beiden gesetzlich genannten Varianten der vorstationären Krankenhausbehandlung (Nr. 1), nämlich Abklärung ihrer Erforderlichkeit (Alternative 1) oder ihrer Vorbereitung (Alternative 2) und nachstationären (Nr. 2) Krankenhausbehandlung. Zu den Fallkonstellationen liefert § 115a Abs. 1 Satz 1 SGB V die entsprechende Legaldefinition, wobei es im hier strittigen Fall allein um Frage geht, ob als Alternative zur vollstationären eine vorstationäre Behandlung im Sinne von § 115a Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 SGB V in Betracht kam, die auf die Abklärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung gerichtet ist. Hinsichtlich der Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung des Versicherten gab es aber nach dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes der Klägerin zu Recht keinen Zweifel. Wegen der bereits erfolgten vorstationären Behandlung am 15. Januar 2007 war sie auch ausreichend vorbereitet.
Aufgrund der Krankenvorgeschichte und des pathologischen Belastungs-EKGs konnte im maßgeblichen Behandlungszeitpunkt der stationären Aufnahme von einem interventionsbedürftigen Befund am Herzkranzgefäßsystem ausgegangen werden. Der Senat stützt sich insoweit auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H., der es in seinem Gutachten vom 26. Oktober 2011 sogar als überraschend bezeichnet hat, dass eine Koro¬narangioplastie nicht erforderlich war. Die berechtigte Annahme, eine Aufdehnung von Engstellen der Herzkranzgefäße könne erforderlich werden, rechtfertigt hier aber bereits die Entscheidung, die Herzkatheteruntersuchung nicht ambulant, sondern vollstationär durchzuführen. Eine Katheterintervention mit Gefäßdilatation und eventueller Stentimplantation hätte direkt im Anschluss an die Angiographie in gleicher Sitzung unter Nutzung des bereits liegenden arteriellen Zugangs und der aktuell dargestellten Gefäßmorphologie stattfinden müssen. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. Dezember 2011 auf Nachfrage des Senats ausdrücklich bestätigt. Eine PTCA hat aber grundsätzlich unter vollstationären Bedingungen zu erfolgen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung letztlich auch nicht. Sie macht unter Hinweis auf die Stellungnahme des MDK vom 19. Mai 2011 lediglich geltend, der Behandlungsplan habe zunächst nur eine diagnostische Herzkatheteruntersuchung und keine Koronarangioplastie vorgesehen. Dies kann der Dokumentation in der Krankenakte aber gerade nicht entnommen werden. Sie belegt vielmehr, dass die verantwortlichen Ärzte der Klägerin aufgrund der bekannten Vorbefunde durchaus erwarteten, einen interventionsbedürftigen Befund vorzufinden und gegebenenfalls auch beabsichtigten, in derselben Sitzung eine Koronarangioplastie vorzunehmen. Der Behandlungsplan war auf die stationäre Behandlung gerichtet. Deshalb wurde der Versicherte vor dem Eingriff auch über die Risiken und Erfolgsaussichten einer PTCA und der Implantation einer Gefäßstütze umfassend aufgeklärt und seine schriftliche Einwilligung für die Behandlung eingeholt. Bei dieser Sachlage kann den Krankenhausärzten nicht unterstellt werden, sie hätten von vornherein nur eine Diagnostik beabsichtigt. Schließlich ist auch dem Entlassungsbericht vom 17. Januar 2011 zu entnehmen, dass von einer PTCA und Stentversorgung erst während der Herzkatheter¬untersuchung nach "sorgfältiger Abwägung des Vorgehens" Abstand genommen wurde. Auch in dem Fall, in dem sich das ursprünglich berechtigterweise erwartete Behandlungserfordernis aufgrund der Diagnostik nicht bestätigt, ist die in nicht zu beanstandender Weise als vollstationär geplante und durchgeführte Krankenhausbehandlung als solche zu vergüten (BSG, Urteil vom 17. März 2005, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Hintergrund sind weitere Entscheidungen des Senats vom gleichen Tag (L 5 KR 49/11) und vom 9. Februar 2012 (L 5 KR 52/11), in denen sich der Senat ebenfalls mit der Abgrenzung von ambulanter, vorstationärer und vollstationärer Behandlung befasst hat.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
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Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Vergütungsanspruch der Klägerin.
Die Klägerin behandelte den 1955 geborenen und bei der Beklagten Versicherten M. G. (Versicherter) vom 16. bis 17. Januar 2007 auf stationäre Einweisung der Internisten Dr. D., nachdem das ambulante fahrradergometrische Belastungs-EKG bei 100 Watt ST-Streckensenkungen in den der linksventrikulären Seitenwand zuzuordnenden Ableitungen ohne eine dabei auftretende Beschwerdesymptomatik gezeigt hatte. Der Versicherte hatte bereits im Dezember 1999 einen Herzhinterwandinfarkt erlitten, der einen fortbestehenden Verschluss der rechten Herzkranzarterie im mittleren Drittel mit einer nachgeschalteten Narbenzone zur Folge hatte. Auf der Verordnung von Krankenhausbehandlung vom 11. Januar 2007 war vermerkt: "Kontrolle bei patholog. BelastungsEKG; Z.n. HW-Infarkt 99". Nach vorstationärer Behandlung am 15. Januar 2007, die die Beklagte beglich, erfolgte am nächsten Tag eine arterielle Herzkatheteruntersuchung und Koronarangiographie. Dabei bestätigte sich der bereits bekannte Verschluss der rechten Kranzarterie. Hinsichtlich der darüber hinaus festgestellten Abgangsstenose des Ramus intermedius entschieden sich die Krankenhausärzte nach dem Entlassungsbericht vom 17. Ja¬nuar 2007 wegen des erhöhten periproceduralen Risikos und der fehlenden klinischen Symptomatik nach sorgfältiger Abwägung gegen eine Koronarangioplastie (PTCA) mit Implantantion einer Gefäßstütze (Stent). Der Kompressionsverband der arteriellen Punktionsstelle in der rechten Leiste wurde am 16. Januar 2007 um 23.00 Uhr entfernt.
Auf den mit Rechnung vom 24. Januar 2007 von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch in Höhe von 1.070,42 EUR leistete die Beklagte am 9. Februar 2007 zunächst eine Zahlung von 1.060,67 EUR unter Abzug des Abschlags für IV-Versorgung in Höhe von 9,75 EUR. Nach Eingang des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung NORD – Dr. K. (MDK) rechnete die Beklagte am 14. November 2007 mit einem vermeintlichen Rückzahlungsanspruch in Höhe der gezahlten Vergütung gegen eine weitere unstreitige Forderung der Klägerin auf. Die Beklagte vertrat die Auffassung, ihr stehe eine Erstattungsforderung zu. Bei der vollstationären Behandlung des Versicherten habe es sich um eine primäre Fehlbelegung gehandelt. Die diagnostische Konronarangiografie hätte ambulant oder vorstationär durchgeführt werden können.
Die Klägerin hat am 24. Juli 2008 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben und zur Begründung ausgeführt, sie habe Anspruch auf Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung des Versicherten gehabt. Im Hinblick auf den ambulant erhobenen Vorbefund habe von einem interventionsbedürftigen Koronarangio-grafiebefund ausgegangen werden müssen, der eine stationäre Behandlung erfordert habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.060,67 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15. November 2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf das Gutachten des MDK vom 31. Oktober 2007 verwiesen.
Das Sozialgericht hat das schriftliche Gutachten des Internisten Prof. Dr. H. vom 26. Oktober 2010 eingeholt.
Mit Urteil vom 31. März 2011 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Vergütungsanspruch der Klägerin leite sich in Höhe der geltend gemachten Hauptforderung aus § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit der entsprechenden Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten ab. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiere mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Er setze voraus, dass eine Krankenhausbehandlung tatsächlich durchgeführt und auch erforderlich gewesen sei. Diese Voraussetzungen lägen vor. Der Versicherte habe sich über Nacht im Krankenhaus befunden, deshalb habe unstreitig eine stationäre Krankenhausbehandlung stattgefunden. Sie sei erforderlich gewesen, weil das Behandlungsziel nicht durch vorstationäre oder ambulante Behandlungsalternativen habe erreicht werden können. Ob eine stationäre Behandlung objektiv notwendig sei, beurteile sich im Wege einer Vorausschau, bei der auf den im Behandlungszeitraum verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des aufnehmenden bzw. des behandelnden Krankenhausarztes abzustellen sei. Maßgeblich sei daher, ob es unter medizinischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar gewesen sei, dass der einweisende oder behandelnde Krankenhausarzt in seiner vorausschauenden Betrachtung die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung angenommen habe. Dies sei hier zu bejahen, denn aufgrund der Krankenvorgeschichte des Versicherten und des pathologischen EKG-Befundes sei von der Erforderlichkeit eines gefäßerweiternden Eingriffs auszugehen gewesen, der nicht ambulant hätte vorgenommen werden können.
Gegen dieses ihr am 21. April 2011 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die am 19. Mai 2011 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung stützt sie sich auf die Stellungnahme des MDK Nord (Dr. Ga.) vom 19. Mai 2011, in der ausgeführt wird: Das Urteil sei medizinisch nicht nachvollziehbar. Der Behandlungsplan habe zunächst eine diagnostische Herzkatheterunter¬suchung vorgesehen, die eine ambulant durchführbare Intervention sei und als solche geplant werden könne. Träten Sachverhalte ein, die eine stationäre Aufnahme erforderlich machten (z. B. PTCA), könne diese immer noch erfolgen. Eine PTCA sei hier zunächst nicht geplant gewesen. Bei der frühzeitigen Herzkatheteruntersuchung des Versicherten am 16. Januar 2007 wäre eine ambulante Vorgehensweise möglich gewesen.
Nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits durch von der Klägerin am 23. Februar 2012 angenommenes Anerkenntnis der Beklagten, den ambulant abrechenbaren Betrag in Höhe von 329,27 EUR zu zahlen,
beantragt die Beklagte,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 31. März 2011 mit Ausnahme des anerkannten Betrages aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Sozialgericht habe gestützt auf die Aussage von Prof. Dr. H. die stationäre Behandlungsbedürftigkeit des Versicherten wegen der risikobehafteten medizinischen Vorgeschichte und der Erwartung eines interventionsbedürftigen Befundes bejaht. Eine Koronarangioplastie hätte im unmittelbaren Anschluss an die Herzkatheteruntersuchung durchgeführt werden müssen. Diese Umstände habe der MDK in seiner Stellungnahme vom 19. Mai 2011 nicht berücksichtigt. Sie sei daher nicht geeignet, das Gutachten von Prof. Dr. H. zu erschüttern.
Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. H. vom 29. Dezember 2011 eingeholt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Krankenakte des Versicherten und die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin Anspruch auf Zahlung des nach dem angenommenen Teilanerkenntis im Berufungsverfahren nur noch streitigen Betrages von 731,40 EUR hat. Richtigzustellen ist insoweit aber, dass streitbefangen nicht der Vergütungsanspruch der Klägerin wegen der Behandlung des Versicherten ist. Die Beklagte hat den geltend gemachten Vergütungsanspruch zunächst aufgrund der Rechnungsstellung der Klägerin beglichen. Streitig ist vielmehr, ob die Beklagte berechtigt war, gegen eine weitere unstreitige Forderung der Klägerin nachträglich mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 731,40 EUR aufzurechnen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung des stationären Aufenthaltes des Versicherten besaß und deshalb zu Unrecht bereichert war.
Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt, denn sie begehrt die Verurteilung der Beklagten zu einer Leistung, auf die grundsätzlich bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil sich die Klägerin als Krankenhausträgerin und die Beklagte als Krankenkasse gleichgeordnet gegenüber stehen (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 14/07 R m.w.N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten. Seitens der Klägerin ist auch die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs (vgl. BSGE 83, 254, 263) erfolgt.
Der Beklagten stand keine Erstattungsforderung in Höhe von 731,40 EUR zu, mit der sie gegenüber einem unstreitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aufrechnen konnte. Rechtsgrundlage der von der Klägerin geltend gemachten und von der Beklagten zunächst auch beglichenen Vergütungsforderung für die stationäre Behandlung des Versicherten im streitbefangenen Zeitraum war § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz und der Anlage 1 der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2007. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung tatsächlich durchgeführt und die Höhe der hierfür grundsätzlich zu beanspruchenden Vergütung von der Klägerin zutreffend ermittelt worden ist. Sie streiten lediglich darüber, ob beim Versicherten die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der entsprechenden Leistungen gegeben waren, d. h. eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Sinne des § 39 SGB V bestanden hat.
Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich ausschließlich nach medizinischen Erfordernissen, die das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen hat (Beschluss des Großen Senats (GS) des BSG vom 25. September 2007 – GS 1/06, veröffentlicht in juris). Krankenbehandlung, die nicht der besonderen Mittel eines Krankenhauses bedarf, ist grundsätzlich ambulant durchzuführen; insbesondere die vollstationäre Krankenhausbehandlung ist nachrangig gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V; vgl. auch BSG, Urteil vom 10. April 2008 – B 3 KR 19/05 R, veröffentlicht in juris). Ob die notwendige medizinische Versorgung nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses durchgeführt werden kann, ist immer an Hand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen; es kommt auf die Art und Schwere der Krankheit im Einzelfall an und ob dafür die medizinische Versorgung eines Versicherten gerade im Krankenhaus notwendig ist. Da für die ärztliche Entscheidung, Behandlungsverfahren ambulant oder stationär durchzuführen, vor allem Risikoabwägungen ausschlaggebend sind, lässt sich die Frage, ob ambulante oder stationäre Behandlung angezeigt ist, nicht immer eindeutig allein nach der beabsichtigten Diagnostik und dem angestrebten Behandlungsziel beantworten. Wesentlich kommt es vielmehr auch auf den Gesundheitszustand des Versicherten an. Andere Faktoren können ebenfalls eine Rolle spielen, denn eine medizinische Versorgung, die als solche nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse in der Regel ambulant vorgenommen werden kann, kann gleichwohl auf Grund besonderer Gegebenheiten des Einzelfalls eine stationäre Krankenhausbehandlung erfordern (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 1997, SozR 3-2500 § 107 Nr. 1 S. 7). Bei der Beurteilung dieser Gegebenheiten ist von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen, dem eine Einschätzungsprärogative nicht zukommt (Beschluss des GS, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war die vollstationäre Behandlung des Versicherten im streitbefangenen Zeitraum erforderlich. Den Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil ist zuzustimmen, dass eine ambulante Herzkatheterunter¬suchung und Koronarangiografie aufgrund der Krankenvorgeschichte des Versicherten und der bei stationärer Aufnahme noch zu erwartenden Erforderlichkeit einer PTCA medizinisch nicht vertretbar war. Auch eine vorstationäre Behandlung stand als Behandlungsalternative nicht zur Verfügung.
Der Versicherte hatte im Jahr 1999 einen Herzhinterwandinfarkt erlitten. Bei ihm war eine koronare Zweigefäßkrankheit mit Verschluss der rechten Herzkranzarterie im mittleren Drittel und nachgeschalteter Narbenzone bekannt. Das ambulante fahrradergometrische Belastungs-EKG hatte bei 100 Watt ST-Streckensenkungen in den der linksventrikulären Seitenwand zuzuordnenden Ableitungen gezeigt, die Anzeichen für eine erneute Herzminderdurchblutung waren. Vor dem Hintergrund dieser Befunde war bereits das ohnehin bestehende Risiko bei der beabsichtigten Diagnostik erhöht. Deshalb war es erforderlich, dass die arterielle Herzkatheteruntersuchung und Koronarangiografie in einem Krankenhaus mit der Möglichkeit der Akutintervention erfolgte. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. H. – dem der Senat insoweit uneingeschränkt folgt - auf Nachfrage in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. Dezember 2011 nochmals ausdrücklich bestätigt. Für einen Risikopatienten wie den Versicherten hätte eine ambulante Diagnostik nicht dem medizinischen Erfordernis Rechnung getragen, im Bedarfsfall sofort die besonderen personellen und sächlichen Mittel eines Krankenhauses zur Verfügung stellen zu können.
Der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei berechtigt, ambulante Herzkatheteruntersuchungen abzurechnen, sie hätte somit bei Komplikationen jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Behandlung in den stationären Bereich zu verlagern, greift nicht durch. Die Frage der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit eines Versicherten ist unabhängig von der Abrechnungsbefugnis des Krankenhauses zu beurteilen. Bedarf ein Versicherter bei einer Untersuchung stationärer Bedingungen, damit ihm im Notfall die personellen und sächlichen Mittel eines Krankenhauses tatsächlich zur Verfügung stehen, ist dies bei der Behandlungsplanung zu berücksichtigen. In diesem Fall ist die stationäre Aufnahme selbst dann nicht zu beanstanden, wenn die Untersuchung – wie hier – grundsätzlich ambulant durchführbar ist, eine Abrechnungsbefugnis für ambulante Leistungen vorliegt und im Hintergrund die besonderen Mittel eines Krankenhauses bereit stehen. Die Beklagte verkennt, dass der Klägerin bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art andernfalls zugemutet würde, die besonderen Mittel eines Krankenhauses bereit halten zu müssen, ohne die Gewissheit haben zu können, ob ihr dies später auch vergütet wird. Dadurch würde sie zu Unrecht gegenüber Krankenhäusern benachteiligt, denen es von vornherein nicht erlaubt ist, ambulante Leistungen abzurechnen.
Auch eine vorstationäre Behandlung des Versicherten nach § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V kam hier als Behandlungsalternative nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann das Krankenhaus bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären (Alternative 1) oder die vollstationäre Behandlung vorzubereiten (Alternative 2). Zweck der Vorschrift ist es, vollstationäre Krankenhausbehandlungen nach Möglichkeit zu vermeiden oder zu verkürzen und dadurch zum Abbau von Krankenhausbetten und allgemein zu Kosteneinsparungen im Krankenhaus beizutragen (BT-Drucks. 12/3608 Seite 102).
Die vorstationäre Behandlung eines Versicherten nach § 115a SGB V ist gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V zwar Teil der Krankenhausbehandlung. Da bei der vorstationären Behandlung nur medizinische Leistungen des Krankenhauses erbracht werden, nicht aber Unterkunft und Verpflegung (§ 115a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V), handelt es sich der Sache nach aber um eine Sonderform der ambulanten Versorgung des Versicherten, die allerdings nur bei vertragsärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung erbracht werden darf und im Vorfeld zu einer vollstationären Krankenhausbehandlung stattfinden muss (§ 115a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 SGB V). Insoweit geht es bei der vorstationären Behandlung um eine "Leistungserbringung eigener Art" als "Annex" zur vollstationären Versorgung im Krankenhaus und somit um "stationäre" Behandlung im weiteren Sinne (BSG, Urteil vom 10. März 2010, B 3 KR 15/08 R, Rdn. 10 m.w.N.), die in § 115a Abs. 3 SGB V über eine eigenständige Vergütungsregelung verfügt. Von dieser hatte die Klägerin hinsichtlich der erforderlichen Voruntersuchungen am 15. Januar 2007 (Labor, EKG) zur Vorbereitung der geplanten vollstationären Behandlung Gebrauch gemacht.
Die Entscheidung der Krankenhausärzte, die arterielle Herz-katheteruntersuchung nicht unter vorstationären Bedingungen durchzuführen, ist in diesem konkreten Einzelfall rechtlich nicht zu beanstanden. Es lag kein medizinisch geeigneter Fall im Sinne des § 115a Abs. 1 SGB V vor.
Der unbestimmte Rechtsbegriff "medizinisch geeignete Fälle" wird konkretisiert durch die beiden gesetzlich genannten Varianten der vorstationären Krankenhausbehandlung (Nr. 1), nämlich Abklärung ihrer Erforderlichkeit (Alternative 1) oder ihrer Vorbereitung (Alternative 2) und nachstationären (Nr. 2) Krankenhausbehandlung. Zu den Fallkonstellationen liefert § 115a Abs. 1 Satz 1 SGB V die entsprechende Legaldefinition, wobei es im hier strittigen Fall allein um Frage geht, ob als Alternative zur vollstationären eine vorstationäre Behandlung im Sinne von § 115a Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 SGB V in Betracht kam, die auf die Abklärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung gerichtet ist. Hinsichtlich der Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung des Versicherten gab es aber nach dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes der Klägerin zu Recht keinen Zweifel. Wegen der bereits erfolgten vorstationären Behandlung am 15. Januar 2007 war sie auch ausreichend vorbereitet.
Aufgrund der Krankenvorgeschichte und des pathologischen Belastungs-EKGs konnte im maßgeblichen Behandlungszeitpunkt der stationären Aufnahme von einem interventionsbedürftigen Befund am Herzkranzgefäßsystem ausgegangen werden. Der Senat stützt sich insoweit auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H., der es in seinem Gutachten vom 26. Oktober 2011 sogar als überraschend bezeichnet hat, dass eine Koro¬narangioplastie nicht erforderlich war. Die berechtigte Annahme, eine Aufdehnung von Engstellen der Herzkranzgefäße könne erforderlich werden, rechtfertigt hier aber bereits die Entscheidung, die Herzkatheteruntersuchung nicht ambulant, sondern vollstationär durchzuführen. Eine Katheterintervention mit Gefäßdilatation und eventueller Stentimplantation hätte direkt im Anschluss an die Angiographie in gleicher Sitzung unter Nutzung des bereits liegenden arteriellen Zugangs und der aktuell dargestellten Gefäßmorphologie stattfinden müssen. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. Dezember 2011 auf Nachfrage des Senats ausdrücklich bestätigt. Eine PTCA hat aber grundsätzlich unter vollstationären Bedingungen zu erfolgen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung letztlich auch nicht. Sie macht unter Hinweis auf die Stellungnahme des MDK vom 19. Mai 2011 lediglich geltend, der Behandlungsplan habe zunächst nur eine diagnostische Herzkatheteruntersuchung und keine Koronarangioplastie vorgesehen. Dies kann der Dokumentation in der Krankenakte aber gerade nicht entnommen werden. Sie belegt vielmehr, dass die verantwortlichen Ärzte der Klägerin aufgrund der bekannten Vorbefunde durchaus erwarteten, einen interventionsbedürftigen Befund vorzufinden und gegebenenfalls auch beabsichtigten, in derselben Sitzung eine Koronarangioplastie vorzunehmen. Der Behandlungsplan war auf die stationäre Behandlung gerichtet. Deshalb wurde der Versicherte vor dem Eingriff auch über die Risiken und Erfolgsaussichten einer PTCA und der Implantation einer Gefäßstütze umfassend aufgeklärt und seine schriftliche Einwilligung für die Behandlung eingeholt. Bei dieser Sachlage kann den Krankenhausärzten nicht unterstellt werden, sie hätten von vornherein nur eine Diagnostik beabsichtigt. Schließlich ist auch dem Entlassungsbericht vom 17. Januar 2011 zu entnehmen, dass von einer PTCA und Stentversorgung erst während der Herzkatheter¬untersuchung nach "sorgfältiger Abwägung des Vorgehens" Abstand genommen wurde. Auch in dem Fall, in dem sich das ursprünglich berechtigterweise erwartete Behandlungserfordernis aufgrund der Diagnostik nicht bestätigt, ist die in nicht zu beanstandender Weise als vollstationär geplante und durchgeführte Krankenhausbehandlung als solche zu vergüten (BSG, Urteil vom 17. März 2005, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Hintergrund sind weitere Entscheidungen des Senats vom gleichen Tag (L 5 KR 49/11) und vom 9. Februar 2012 (L 5 KR 52/11), in denen sich der Senat ebenfalls mit der Abgrenzung von ambulanter, vorstationärer und vollstationärer Behandlung befasst hat.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
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