L 13 AS 1800/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AS 3058/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1800/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Februar 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) II für die Zeit vom 8. bis 31. Mai 2009 und die Erstattung für diesen Zeitraum gewährter Leistungen in Höhe von 336,96 EUR.

Die 1981 geborene Klägerin war seit 15. Februar 2008 als selbständige Verkäuferin von Backwaren tätig. Von der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezog sie einen zuletzt bis 14. Mai 2009 bewilligten Gründungszuschuss (Weiterbewilligungsbescheid vom 6. Oktober 2008). Am 7. Mai 2009 meldete die Klägerin ihr Gewerbe ab; am Folgetag (8. Mai 2009) meldete sie sich bei der Agentur für Arbeit Karlsruhe (AA) arbeitslos und beantragte Alg I. Am selben Tag beantragte sie bei der damals noch in getrennter Trägerschaft auch für die Gewährung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts zuständigen BA (zuständig seit 1. Januar 2011: Jobcenter Karlsruhe; im Folgenden: Beklagter) Alg II.

Die für die Gewährung des Alg I zuständige Stelle der BA hob daraufhin die Bewilligung des Gründungszuschusses mit Wirkung ab 8. Mai 2009 auf. Eine Entscheidung über die Bewilligung von Alg I erging zunächst nicht. Die für die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zuständige Stelle der BA bewilligte mit Bescheid vom 13. Mai 2009 (Regel-) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 336,96 Euro für die Zeit vom 8. bis zum 31. Mai 2009 (Regelleistung: 280,80 EUR; Mehrbedarfe für kostenaufwendige Ernährung: 56,16 EUR) sowie in Höhe von 421,20 Euro monatlich für die Zeit vorn 1. Juni bis 31. Oktober 2009. Mit an ihre Alg I-Stelle gerichtetem Schreiben vom selben Tag zeigte sie die Zahlung von Leistungen nach dem SGB II an und machte "vorsorglich" einen Erstattungsanspruch nach § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend.

Nachdem die Klägerin die Antragsunterlagen zurückgereicht hatte, gewährte die Alg I-Stelle der Klägerin am 26. Mai 2009 einen Vorschuss in Höhe von 470,16 EUR. Dieser wurde am 29. Mai 2009 auf dem Konto der Klägerin gutgeschrieben. Mit Bescheid vom 9. Juni 2009 bewilligte die BA ab 8. Mai 2009 Alg I in Höhe von kalendertäglich 19,59 EUR für die Dauer von 45 Tagen. Die Alg II-Stelle hob daraufhin den Bescheid vom 13. Mai 2009 für die Zeit vom 8. bis 31. Mai 2009 auf und forderte von der Klägerin Erstattung der für diesen Zeitraum gezahlten Leistungen in Höhe von 336,96 EUR (Bescheid vom 9. Juni 2009). Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 15. Juni 2009 Widerspruch. Sie habe die bewilligten Leistungen für ihren Lebensunterhalt benötigt und verbraucht; er stehe ihr für eine Rückzahlung nicht zur Verfügung.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2009 hob die Alg II-Stelle der BA den Bewilligungsbescheid vom 13. Mai 2009 auch für die Zeit vom 1. bis 30. Juni 2009 auf und forderte von der Klägerin insoweit Erstattung von 381,39 EUR. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 29. Juni 2009 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2009 wies die Widerspruchsstelle der AA den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 9. Juni 2009 zurück, mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2009 denjenigen gegen den Bescheid vom 16. Juni 2009.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2009 hat die Klägerin am 14. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, ihr sei von den zuständigen Sachbearbeitern der BA versichert worden, dass sie für die Dauer von 45 Tagen sowohl Anspruch auf Alg I als auch Anspruch auf Alg II habe. Auf ihre Rückfrage, weshalb ihr beide Leistungen zustünden, sei ihr erklärt worden, dies habe seine Richtigkeit. Die BA ist der Klage entgegengetreten. Mit Urteil vom 22. Februar 2010 hat das SG den Bescheid vom 9. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2009 aufgehoben. Die streitgegenständliche Aufhebungsentscheidung könne weder auf § 48 SGB X noch auf § 45 SGB X gestützt werden. § 48 SGB X (i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II [in der bis 31. März 2011 geltenden Fassung] und § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]) finde keine Anwendung, da der Bewilligungsbescheid vom 13. Mai 2009 bereits von Anfang an rechtswidrig gewesen sei; angesichts des offenkundig bestehenden Anspruchs auf Alg I habe die Klägerin Alg II nicht beanspruchen können. Auch auf § 45 SGB X (i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III) könne die Aufhebung der Bewilligung von Alg II nicht gestützt werden; die Klägerin habe die Leistungen verbraucht und könne sich gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen. Das SG hat die Berufung zugelassen.

Gegen das ihr am 22. März 2010 zugestellte Urteil hat die BA am 16. April 2011 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Entgegen der Ansicht des SG sei die mit Bescheid vom 13. Mai 2009 verfügte Bewilligungsentscheidung nicht von Anfang an rechtswidrig gewesen. Eine Bewilligung von Alg I habe zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen; die Klägerin sei deshalb hilfebedürftig i.S.d. § 9 SGB II gewesen und habe auch die übrigen Voraussetzungen für den Bezug von Alg II erfüllt. Die getroffene Aufhebungsentscheidung sei deshalb an § 48 SGB X zu messen und erweise sich, da der Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vorliege, als rechtmäßig.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten (0009231-BG-631-08), die beigezogene Leistungsakte der Bundesagentur für Arbeit (xxxxxx), die Klageakte des SG (S 16 AS 3058/09) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AS 1800/10) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die Berufung des Beklagten, der als Rechtsnachfolger an die Stelle der BA getreten ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr. 5 = NJW 2011, 2538), hat Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 2 und 3 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet, das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Gegenstand der isolierten Anfechtungsklage ist der Bescheid vom 9. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2009, mit dem der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 13. Mai 2009 für die Zeit vom 8. bis 31. Mai 2009 teilweise aufgehoben und von der Klägerin Erstattung der für diesen Zeitraum geleisteten Zahlung in Höhe von 336,96 EUR gefordert hat. Dieser Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die (teilweise) Aufhebung des der Klägerin Alg II (u.a.) für die Zeit vom 8. bis 31. Mai 2009 bewilligenden Bescheids vom 13. Mai 2009 ist § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II (in der bis 31. März 2011 geltenden Fassung) in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Abs. 1 Satz 1). Dies soll - rückwirkend - ab dem Zeitpunkt der Änderung erfolgen, soweit u. a. (Abs. 1 Satz 2 Nr. 3) nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Insoweit ist entgegen § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ("soll") nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III auch in atypischen Fällen keine Ermessensausübung geboten. Entgegen der Ansicht des SG erweist sich der Bewilligungsbescheid vom 13. Mai 2009 auch die Zeit betreffend, für die später mit Bescheid vom 9. Juni 2009 Alg I bewilligt worden ist, nicht als von Anfang an rechtswidrig. Allein das Bestehen eines entsprechenden Stammrechts, sei es auch noch so offenkundig, lässt den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II jedenfalls dann nicht entfallen, wenn die zu erwartenden Leistungen noch nicht als bereite Mittel zur Verfügung stehen. Es liegt im Wesen nachrangig zu gewährender existenzsichernder Sozialleistungen, dass sie (rechtmäßig) auch in Fällen zu gewähren sind, in denen vorrangige Leistungen zwar in Betracht kommen, deren Bewilligung aber nicht so zeitnah erfolgen kann, wie es die aktuelle Bedarfslage im Hinblick auf die existenzsichernde Funktion der begehrten Leistungen erfordert. Gerade weil den nachrangig zu gewährenden Leistungen wie dem Alg II bereits strukturell auch eine solche Funktion als "Übergangsleistung" zukommt, erweisen sich entsprechende Bewilligungsentscheidungen - so auch hier - als (zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe) rechtmäßig. Vor diesem Hintergrund bleibt für eine Anwendung des § 45 SGB X kein Raum.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X liegen indes vor. Mit dem Zufluss des den Bedarf der Klägerin übersteigenden von der BA am 26. Mai 2009 gewährten und auf dem Konto der Klägerin am 29. Mai 2009 gutgeschriebenen Vorschusses auf das noch zu bewilligende Alg I ist die Bedürftigkeit der Klägerin und damit ihr Anspruch auf Alg II entfallen. Dieser Vorschuss erfüllt den Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X; der Beklagte war damit berechtigt und verpflichtet die Bewilligung von Alg II ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ab 8. Mai 2009 aufzuheben. Letztlich sind die gemäß § 45 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltenden Fristen gewahrt.

Die Klägerin hatte jedenfalls in der hier nur streitgegenständlichen Zeit vom 8. bis 31. Mai 2009 keinen Anspruch auf Alg II. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Nach den §§ 19 ff. SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese Leistungen sind in § 20 (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts), § 21 (Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt) und - hier nicht betroffen - § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) näher ausgestaltet.

Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei ist Einkommen i.S. des § 11 Abs. 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (vgl u. a. BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15, Rdnr. 18). Bei dem hier geleisteten Vorschuss auf das der Klägerin zu gewährende Alg I nach §§ 117 ff. SGB III (Bewilligungsbescheid vom 9. Juni 2009) handelt es sich damit im Grundsatz um laufendes Einkommen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23. August 2011 - B 14 AS 165/10 R - veröffentlicht in Juris), das gemäß § 2 Abs. 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in der hier maßgeblichen ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung für den Monat zu berücksichtigen ist, in dem es zugeflossen ist. Nachdem der hier gewährte Vorschuss in Höhe von 470,16 EUR am 29. Mai 2009 auf dem Konto der Klägerin gutgeschrieben wurde und den Bedarf der Klägerin für den Monat Mai (8. bis 31.) in Höhe von 336,96 EUR überstiegen hat, lag Bedürftigkeit i.S.d. §§ 7 Abs.1 Nr. 3 und 9 Abs. 1 SGB II für diesen Monat insgesamt nicht (mehr) vor. Mit dem Zufluss des Alg I ist dementsprechend eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten, die bei Bekanntgabe der Bewilligungsentscheidung vom 13. Mai 2009 noch nicht vorgelegen hat.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist für die Qualifizierung der zugeflossenen Leistung als Einkommen ohne Bedeutung, dass es sich um eine Entgeltersatz- und Sozialleistung nach vorangegangener versicherungspflichtiger Beschäftigung handelt. Der Zweck des Alg I als Entgeltersatzleistung bei Arbeitslosigkeit verleiht diesem nicht den Charakter einer nicht zu berücksichtigende zweckbestimmte Einnahme i.S. des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II. Mit der Gewährung der Leistung wird den Leistungsempfängern ein bestimmter "Verwendungszweck" nicht auferlegt. Daraus folgt zugleich, dass mit der materiell rechtswidrigen Zahlung von Alg I ein nach dem SGB II beachtlicher Zweck dieser Leistung nicht verfehlt wird (BSG a.a.O.).

Dass der Vorschuss auf das zu gewährende Alg I in Höhe der bereits bewilligten und ausgezahlten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen der gemäß § 107 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetretenen Erfüllungswirkung an die Klägerin nicht mehr hätte ausgezahlt werden dürfen, ändert an der Berücksichtigung dieser Zahlung als Einkommen ebenfalls nichts. Nach der Rechtsprechung des BSG sind zwar nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen i.S. des § 11 Abs. 1 SGB II anzusehen, die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt (BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30, Rdnr 16). Entscheidend für die Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist nach dieser Rechtsprechung aber, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für den sie berücksichtigt werden soll, besteht die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, die Leistung als "bereite Mittel" in dem Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen. Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein, die Leistungsempfänger in Bezug auf möglicherweise eintretende, im Zeitpunkt des Zuflusses aber noch ungewisse, künftige Zahlungsverpflichtungen vornehmen (BSG, Urteil vom 23. August 2011 - B 14 AS 165/10 R - veröffentlicht in Juris). Nachdem eine wirksame Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin jedenfalls bis zum Ablauf des Monats Mai 2009 nicht bestanden hat, verbleibt es bei der Berücksichtigung des in diesem Monat zugeflossenen Vorschusses auf das Alg I, ohne dass es darauf ankommt, ob die von der BA geleistete Zahlung später zurückgefordert wurde bzw. noch zurückgefordert werden kann. Der Umstand dass die Zahlung zunächst als Vorschuss i.S.d. § 42 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gewährt worden ist, steht dem nicht entgegen. Auch bei der Zahlung von Vorschüssen, entsteht eine Erstattungspflicht erst durch eine den Vorschuss unterschreitende (endgültige) Leistungsgewährung durch Verwaltungsakt (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I). Hier ist eine solche Erstattungspflicht nicht entstanden; der Vorschuss hat die endgültige Leistungsbewilligung nicht überstiegen; im Übrigen ist die Bewilligung von Alg I erst durch Bescheid vom 9. Juni 2009, also nach Ende des Monats, in dem die maßgebliche Zahlung zugeflossen ist, erfolgt.

Da somit die Aufhebung der Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 8. bis 31. Mai 2009 zu Recht erfolgt ist, hat die Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 SGB X die für diese Zeit bereits gezahlten Leistungen in Höhe von 336,96 EUR zu erstatten. Etwaige Mängel bei der nach § 24 SGB X durchzuführenden Anhörung sind dadurch geheilt worden, dass der angegriffene Bescheid alle für die Aufhebung und Erstattung erforderlichen Tatsachen enthalten hat und damit die Anhörung jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgeholt wurde (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben, im Berufungsverfahren obsiegt hat und die Rechtsverfolgung der Klägerin insgesamt ohne Erfolg geblieben ist.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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