Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KN 136/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 178/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Polen führt zum endgültigen Erlöschen des Anspruchs auf Zahlung von auf polnischen Zeiten beruhenden Rentenanteilen einer in der Bundesrepublik Deutschland nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen vom 9. Oktober 1975 festgestellten Rente.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München
vom 12. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 5. Dezember 2011 wird
abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Altersrente.
Der 1937 in Polen geborene Kläger, nach seinen Angaben deutscher Staatsangehöriger, ist am 20. August 1984 aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen. Als Vertriebener oder Aussiedler ist er nicht anerkannt.
Der Kläger war in Polen - mit Unterbrechungen - von Dezember 1953 bis April 1962 im Bergbau als Arbeiter über Tage, Füller und Lehrbergmann sowie von Oktober 1964 bis Juni 1981 außerhalb des Bergbaus als Metallschmelzer und qualifizierter Arbeiter tätig. In Deutschland war er von März 1985 bis November 2002 in einer Recyclingfirma beschäftigt.
Am 9. Oktober 2002 begehrte der Kläger Regelaltersrente von der Beklagten. Als Adresse gab er die I.-Straße 89 in G. bei B-Stadt an. Mit Bescheid vom 12. März 2003 gewährte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab 1. Dezember 2002 als Vorschuss. Die Anrechnung von Zeiten und ihre Bewertung wurde vorläufig vorgenommen. Die endgültige Anrechnung und Ermittlung der Höhe der Rentenleistung sollte erfolgen, sobald alle zu berücksichtigenden Zeiten geklärt sind. Die endgültige Feststellung erfolgte dann mit Bescheid vom 23. September 2003. In diesen Bescheid ist der Hinweis enthalten, dass die nach dem Deutsch-Polnischen Rentenabkommen vom 9. Oktober 1975 (DPSVA 1975) festgestellte Rente mit Ablauf des Monats wegfalle, in dem der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland begründet werde. Es bestehe die gesetzliche Verpflichtung, der Beklagten die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in das Ausland mitzuteilen. Es werde empfohlen, rechtzeitig vor einer beabsichtigten Verlegung des Aufenthalts die Beklagte zu unterrichten, damit noch vorher geprüft und mitgeteilt werden könne, ob und in welcher Höhe die Rente auch nach der Aufenthaltsverlegung zu zahlen sei.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 teilte das Landratsamt D. mit, dass der Kläger nunmehr in der M.-Straße 7, K., wohnhaft sei. Die geänderte Adresse wurde in den Datenbestand der Beklagten übernommen.
Nachdem die Rentenanpassungsmitteilung Juli 2007 dem Kläger unter der Anschrift in K. nicht zugestellt werden konnte, teilte das Einwohnermeldeamt der Gemeinde K. auf Anfrage der Beklagten mit, dass sich der Kläger am 23. Mai 2005 nach Polen abgemeldet habe. Die Beklagte stellte daraufhin die Rentenzahlungen ab September 2007 ein.
Die Nichte des Klägers erkundigte sich im Oktober 2007 im Namen des Klägers nach dem Verbleib der Rentenzahlung. Sie teilte mit, der Kläger habe einen zweiten Wohnsitz in Polen (H. S. 79). Er würde sich überwiegend in Deutschland aufhalten. Bei der der Beklagten bekannten Anschrift handele es sich um ein M. Hotel mit einer zusätzlichen Zimmervermietung meist für ausländische Mitbürger. Die Zimmer verfügen nur über ein Bett, Tisch und Stühle, jedoch keinen Telefonanschluss. Ein separates Badezimmer stehe nicht zur Verfügung. Der Hotelbesitzer habe alle Mieter abgemeldet. Der Kläger sei aktuell bei der Tochter A. N., H-weg 2, H. gemeldet. Der Kläger bewohne in deren Haus ein Zimmer. Einen Mietvertrag sowie einen separaten Telefonanschluss gebe es nicht. Der Kläger habe sich auch seit 2002 dauerhaft in ärztlicher Behandlung bei Dr. H., D., befunden.
Ein ärztliches Attest von Dr. H. vom 9. Oktober 2007 wurde vorgelegt, wonach der Kläger seit 2002 dort in ärztlicher Behandlung sei. Nach einer Bestätigung der Gemeinde H. war der Kläger seit 5. Oktober 2007 in der mitgeteilten Adresse in H. gemeldet.
Eine Bekannte des Klägers erklärte, die Wohnung des Klägers in H. gehöre einem Herrn N ... Dieser sei ein Bekannter des Klägers. Der Kläger zahle keine feste Miete, sondern je nach Bedarf bar an Herrn N ... Für die Zeiträume, in denen sich der Kläger im Krankenhaus aufhalte, verlange Herr N. keine Miete. Der Kläger sei sehr oft im Krankenhaus, auch in Polen. Ab und zu sei er zu Besuchszwecken in Polen.
Die Beklagte hörte daraufhin den Kläger zu der beabsichtigten Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2003 mit Wirkung vom 1. Juni 2005 an. Mit der Verlegung des Wohnsitzes nach Polen fände das DPSVA 1975 keine Anwendung mehr. Aufgrund des nunmehr gültigen Art. 10 Abs. 1 EWG-Verordnung (EWG-VO) Nr. 1408/71 würde aufgrund der Gebietsgleichstellung die Rente bei einem Wohnsitz in Polen zwar grundsätzlich in gleicher Höhe gezahlt wie bei einem Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Dies gelte jedoch nicht für Zeiten, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach früherem Reichsrecht bzw. nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes anrechenbar seien. Da die Rente des Klägers auch aus Zeiten nach dem Fremdrentengesetz berechnet worden sei, könnten diese Zeiten nicht mehr entschädigt werden (Anhang VI Abschnitt D Nr. 1 der EWG-VO 1408/71 i.V.m. §§ 113, 114 SGB VI). Der Kläger habe die überzahlten Leistungen zu erstatten. Die Nachzahlung vom 1. September 2007 bis 31. Dezember 2007 werde mit der entstandenen Überzahlung verrechnet.
Der Kläger wies durch seine Bevollmächtigte darauf hin, §§ 113, 114 SGB VI fänden keine Anwendung, weil der Aufenthalt des Klägers im Ausland nur vorübergehend gewesen sei. Der Kläger habe - auch in der Vergangenheit - ohne zeitliche Unterbrechung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt. Hier wohne der Großteil seiner Familie (Ehemann, Schwester, Cousine, Schwiegermutter). Er habe vor der Rente ca. 15 Jahre lang in Deutschland gearbeitet und sich ein soziales Umfeld geschaffen. Die Besuche in Polen seien zeitlich begrenzt gewesen. Sie hätten ausschließlich Urlaubs- und Besuchszwecken gedient. Der Kläger habe das Inland nur für begrenzte Zeit verlassen, jedes Mal mit der Absicht der baldigen Rückkehr nach Deutschland. Aufgrund eines Missverständnisses sei es zu der Abmeldung beim Einwohnermeldeamt gekommen. Diese Unstimmigkeit sei durch die neue Anmeldung behoben worden. Im übrigen komme es auf die ordnungsbehördliche Meldung eines Wohnsitzes beim Einwohnermeldeamt nicht an.
Mit angefochtenem Bescheid vom 28. Dezember 2007, zur Post gegeben am selben Tag, hob die Beklagte den Bescheid vom 12. März 2003 über die Zuerkennung der Regelaltersrente hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit ab dem 1. Juni 2005 gemäß § 48 SGB X auf. Ab dem 1. Januar 2008 werde die Rente nur noch in Höhe von 397,98 Euro geleistet. Die Überzahlung in Höhe von 11.694,60 Euro für den Zeitraum 1. Juni 2005 bis 31. Dezember 2007 sei vom Kläger zu erstatten. Der Verzug nach Polen sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen. Auf das Anhörungsschreiben vom 13. Juni 2006 werde verwiesen. Durch die Hinweise im Rentenbescheid hätte dem Kläger klar sein müssen, dass ihm die Rente bei einem Verzug nach Polen nicht in der bisherigen Höhe zustehe. Die Einwendungen der Prozessbevollmächtigten seien gewürdigt worden. Von einer Bescheidaufhebung könne jedoch nicht abgesehen werden.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger durch seine Bevoll-mächtigte geltend, der EuGH habe in seinem Urteil vom 18. Dezember 2007 (C-396/05, C-419/05, C-450/05) festgestellt, dass die Bestimmungen des Anhangs VI Abschnitt D Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 mit dem innerhalb der EU geltenden Grundsatz der Freizügigkeit unvereinbar seien. Dem Kläger seien seine Rentenleistungen unter Bezugnahme hierauf gekürzt worden. Dies stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Freizügigkeit dar, was zur Folge habe, dass diese Bestimmungen nicht angewendet werden dürfen. Art. 10 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 würde also nicht verdrängt, so dass dem Kläger die Rentenleistungen unabhängig von seinem Aufenthaltsort zustünden. Auch habe der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland ohne zeitliche Unterbrechungen gehabt.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 zurückgewiesen. Das DPSVA 1975 gelte auch nach dem Beitritt Polens zur EU zum 1. Mai 2004 weiter (Anhang III Nr. 19 zur Verordnung (EWG) Nr. 1408/07). Eine unter Berücksichtigung der Zeiten im anderen Staat festgestellte Rente stehe dem Versicherten jedoch nur so lange zu, wie er sich gewöhnlich im Gebiet des ersten Staates aufhalte. Verlege ein Begünstigter seinen Wohnsitz in einen Drittstaat oder nach Polen zurück, gehe die durch einen Zuzug nach Deutschland vor dem 1. Januar 1991 erworbene Rechtsposition für immer verloren (Artikel 4 Abs. 3 DPSVA 1975). Deutschland und Polen hätten zu prüfen, welche Ansprüche der Berechtigte nach dem jeweiligen nationalen Recht habe. Die zitierte Rechtsprechung des EuGH sei nicht anwendbar. Reichsdeutsche Beiträge seien tatsächlich an einen deutschen Rentenversicherungsträger entrichtet worden. FRG-Zeiten seien unabhängig vom Aufenthaltsort des Berechtigten in die deutsche Versicherungslast übernommen worden. Die im Rahmen des DPSVA 1975 entschädigten polnischen Zeiten des Klägers seien weiterhin in die Versicherungslast Polens fallende Zeiten, die nur für die Dauer des Fortbestehens des Wohnsitzes vom Wohnsitzstaat entschädigt würden. Auch nach Art. 27 Abs. 2 des Deutsch-Polnischen Sozialversicherungsabkommen 1990 (DPSVA 1990) finde das Abkommen von 1975 nur solange Anwendung, solange diese Personen auch nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaates beibehalten. Mit der Übernahme dieser vertraglichen Regelungen sollten die im Vergleich zum EU-Recht günstigeren Rechtspositionen gewahrt bleiben, aber nicht darüber hinausgehende geschaffen werden. Der Kläger habe seine Pflicht zur Mitteilung der Verlagerung seines Wohnorts grob fahrlässig verletzt. Er sei im aufgehobenen Bescheid ausdrücklich auf diese Verpflichtung hingewiesen worden. Ein atypischer Fall liege nicht vor. Selbst wenn man einen solchen annehmen würde, wäre im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen, dass den Versicherungsträger an der Überzahlung kein Verschulden treffe. Auch die Zahlungsverpflichtung führe nicht zu dem Ergebnis, im Rahmen des Ermessens von einer Erstattungspflicht ganz oder teilweise abzusehen. Gesichtspunkte, die nicht im Rahmen des § 76 Abs. 2 SGB IV Berücksichtigung finden könnten, seien nicht ersichtlich.
Am 8. Mai 2008 ging bei der Beklagten ein Schriftsatz der in Polen wohnhaften (H. S. 79) Ehefrau ein. Ihr Ehemann habe sich nur für kurze Zeit in Polen aufgehalten und sei dann nach Deutschland zurückgekehrt. Er sei zweimal im Jahr 2005/2006 in Polen im Krankenhaus gewesen, ebenso im August 2007. Im Februar 2008 sei er ins Krankenhaus nach P. gekommen, weil er in der Nacht eine Bauchspeicheldrüsenentzündung bekommen habe. Ansonsten sei er in Deutschland angemeldet gewesen, wo er operiert worden sei. In Polen erhalte ihr Ehemann keine Leistungen. Er sei sehr krank. Der Aufenthalt in Polen sei nur verlängert worden, wenn es für die Rettung seiner Gesundheit und seines Lebens nötig gewesen sei.
Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Der dauerhafte Schwerpunkt der Lebensverhältnisse des Klägers befinde sich in Deutschland. Hier habe er familiäre Bindungen. Er reise nur vorübergehend und gelegentlich nach Polen. Die Abmeldung durch das Einwohnermeldeamt am 23. Mai 2005 sei durch den damaligen Vermieter ohne Kenntnis des Klägers erfolgt. Die ordnungsbehördliche Meldung sei für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts auch irrelevant. Auch liege ein atypischer Fall vor. Grob fahrlässiges Verhalten in Bezug auf die Verletzung der Mitteilungspflicht bestehe nicht. Der Sorgfaltsmaßstab sei subjektiv zu bestimmen. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Klägers und seines schlechten Gesundheitszustand sowie der Tatsache, dass Deutsch nicht seine Muttersprache sei, seien insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen. Dem Kläger sei es nicht möglich gewesen, den Sachverhalt im Zusammenhang mit den Mitteilungspflichten zu erfassen. Er sei auch nie darauf hingewiesen worden, er werde seinen Rentenanspruch in der festgesetzten Höhe bei einem Verzug nach Polen endgültig und unumkehrbar verlieren. Auch hätte die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigen müssen, dass die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs eine vermehrte Sozialhilfebedürftigkeit beim Kläger herbeiführen werde. Die Beklagte habe kein Ermessen ausgeübt. Sie habe die beträchtliche Höhe des Erstattungsanspruchs und die finanzielle Lage des Klägers, der über kein sonstiges Vermögen verfüge, unberücksichtigt gelassen.
Die Gemeinde H. teilte mit, der Kläger sei am 4. Oktober 2007 von Polen
(H. S.) nach H. zugezogen. Dr. H. erklärte, der Kläger sei am 19. Juli, 16. September, 2. Dezember 2002, 14. Februar, 1. April, 20. Mai, 21. Mai, 28. Mai, 23. September, 10. November 2003, 18. Mai 2004, 18., 19. und 21. Juli 2005, 22. und 25. September 2006, 18. Dezember 2007, 16. April und 14. Oktober 2008 bei ihm persönlich zur Behandlung gewesen.
Der Hausmeister des Hotels H. erklärte im Rahmen eines Telefongesprächs vom 22. Dezember 2009 mit dem erkennenden Richter am SG, er könne sich an den Kläger erinnern. Der Kläger habe bestimmt schon seit 5 Jahren kein Zimmer mehr gemietet. Er sei schon lange vor der Abmeldung ausgezogen und selten da gewesen. Wohin er gezogen sei, könne er nicht sagen, vermutlich nach Polen. Die Gemeinde K. teilte telefonisch mit, der Kläger sei am 13. Mai 2005 von Amts wegen nach Polen abgemeldet worden. Zuvor habe der Vermieter (Hr. M. vom Hotel H., K.) mitgeteilt, dass der Kläger nicht mehr dort wohne. Herr M. erklärte schließlich mit Schreiben vom 2. Januar 2010, der Kläger sei bis zum 23. Mai 2005 im Hotel H. gewesen, danach definitiv nicht mehr.
In der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2010 hat das SG die Tochter des Klägers A. N., und die Schwester des Klägers, I. W., uneidlich einvernommen.
Das SG hat daraufhin mit Urteil vom 12. Januar 2010 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zumindest im Zeitraum 23. Mai 2005 bis 4. Oktober 2007 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I in Polen gehabt. Er sei regelmäßig und für längere Zeit in Polen gewesen und dort seit 19. August 1967 in H. S. gemeldet. Dort lebe auch seine Ehefrau. Er sei am 23. Mai 2005 von Amts wegen aus K. abgemeldet worden, weil der Vermieter mitgeteilt habe, dass er nicht mehr dort gewohnt habe. Es sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden, wo er unmittelbar anschließend seinen gewöhnlichen Aufenthalt genommen habe. Die Zeugin N. habe angegeben, dass er ungefähr vor zwei Jahren oder einem Jahr nach Deutschland zurückgekommen sei. Dies decke sich mit dem Auszug aus dem Melderegister der Gemeinde H., wonach er am 4. Oktober 2007 wieder in Deutschland gemeldet gewesen sei. Wenn der Kläger, wie er behaupte, direkt nach dem Auszug aus dem Hotel H. zu seiner Tochter in H. gezogen sei, hätte er unproblematisch einen Nachsendeantrag stellen können. Dann hätte auch die Rentenanpassungsmitteilung zugestellt werden können. Dies habe er jedoch nicht getan. Aus den Behandlungsdaten Dr. H. ergebe sich kein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland. Er sei danach nur dreimal im Juli 2005 und zweimal im September 2006 persönlich anwesend gewesen. Aus dem Melderegisterauszug der Gemeinde H. vom 8. Januar 2009 ergebe sich schließlich, dass der Kläger aus H. S. nach Deutschland zugezogen sei. Im Übrigen verwies das SG auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Zur Begründung der hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung erklärte der Kläger, alle Zeugen hätten ausgesagt, dass sich der Kläger sowohl in Polen als auch in Deutschland aufgehalten habe. Er sei immer wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Jedenfalls stünden dem Kläger ab dem 4. Oktober 2007 wieder Leistungen zu. Mit seiner Ehefrau habe er eine Ehe auf dem Papier geführt. Der Aufenthalt in Deutschland sei nie auf dessen Beendigung ausgelegt gewesen. Der Kläger habe im streitgegenständlichen Zeitraum mehrere Krankenhausaufenthalte in Polen durchlaufen müssen. Bestätigungen über Krankenhausaufenthalte des Klägers in Polen vom 8. bis 15. Februar 2005, 15. bis 19. Dezember 2005, 31. Januar bis 6. Februar 2007, 2. August bis 14. August 2007, 22. Januar bis 5. Februar 2008 sowie Kontoauszüge für die Jahre 2002 bis 2008 wurden vorgelegt.
Die Beklagte übersandte eine Bestätigung des Gemeindeamts J. P., wonach der Kläger seit 19. August 1967 dort unter der Adresse H. S. 79 gemeldet sei. Am 1. Januar 2010 wurde der Kläger durch den Vermieter aus H. nach Polen abgemeldet. Auf richterliche Anfrage hin zahlte die Beklagte ausweislich der Zwischenmitteilung vom 5. Dezember 2011 die zunächst einbehaltenen Rentenbeträge für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 1.591,92 Euro unter dem "Vorbehalt des Ausgangs des Streitverfahrens" wieder aus. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2011 wurde festgestellt, dass die Überzahlung nun 13.286,53 Euro beträgt. Der Bescheid wurde zum Gegenstand des laufenden Berufungsverfahrens erklärt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Januar 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 sowie den Bescheid vom 5. Dezember 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten der Beklagten und des SG verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 zu Recht abgewiesen. Auch der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Bescheid vom 5. Dezember 2011 ist nicht zu beanstanden. Die hiergegen im Berufungsverfahren erhobene Klage war abzuweisen.
Die Beklagte hat mit angefochtenem, dem Kläger am 31. Dezember 2007 als bekannt gegeben geltenden (vgl. § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X) Bescheid vom 28. Dezember 2007 auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X zu Recht die Rente des Klägers für die Zukunft und damit ab 1. Januar 2008 unter ausschließlicher Berücksichtigung der in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten berechnet und dem Kläger ab diesem Zeitpunkt nur noch 397,98 Euro gezahlt.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Zunächst ist darauf zu verweisen, dass in dem angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2007 der aufgrund der wesentlichen Änderung in den Verhältnissen aufzuhebende Verwaltungsakt falsch bezeichnet worden ist. Die Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes ist notwendiger Inhalt eines Bescheids nach § 48 Abs. 1 SGB X. Aus der nicht zutreffenden Bezeichnung des Ursprungsbescheids folgt jedoch nicht dessen Rechts-widrigkeit. Hier wurde der Ursprungsbescheid falsch bezeichnet, da der Bescheid vom 12. März 2003 aufgehoben wurde. Hierbei handelte es sich jedoch um einen bloßen Vorschussbescheid nach § 42 SGB I. Dieser ist ein eigenständiger Verwaltungsakt, der aber nur für einen begrenzten Zeitraum bis zum Wirksamwerden des endgültigen Bescheids Bindungswirkungen entfaltet. Mit dem Erlass des endgültigen Bescheids verliert er seine Wirkung (vgl. KassKomm, SGB I, § 42 Rn. 7). In dem von der Beklagten benannten Bescheid ist also keine wirksame Feststellung der polnischen Zeiten und der Rentenhöhe enthalten, die durch den angefochtenen Bescheid aufgehoben werden könnte. Aus dem angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2007 geht jedoch der Wille der Beklagten eindeutig hervor, die im ursprünglichen Bescheid vom 23. September 2003, mit dem die Rente endgültig festgestellt wurde, enthaltene bindende Feststellung der polnischen Zeiten als Grundlage für die Rentenberechnung aufzuheben. Dies ist als ausreichend anzusehen (KassKomm, SGB X, § 48 Rn. 21).
Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen liegt in der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers nach Polen im Mai 2005. Dies führt zum endgültigen Erlöschen des Anspruchs auf Zahlung von auf polnischen Zeiten beruhenden Rentenanteilen. Als Rechtsgrundlage für die Zahlung von Rente auch aus den in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten kommt allein das DPSVA 1975 in Betracht. Das Fremdrentengesetz (FRG) kommt nicht zur Anwendung, da der Kläger nicht zum berechtigten Personenkreis gemäß § 1 FRG zählt. Gemäß Art. 4 Abs. 3 DPSVA 1975 steht dem Berechtigten eine unter Berücksichtigung der Zeiten im anderen Staat festgestellte Rente nur so lange zu, wie der Berechtigte im Gebiet des Staates wohnt, dessen Versicherungsträger die Rente festgestellt hat. Unter dem Begriff "Wohnen" ist dabei gemäß Artikel 1 Nr. 2 DPSVA 1975 der gewöhnliche Aufenthalt zu verstehen. Bei Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes nach Polen geht diese Rechtsposition für immer verloren. Entgegen der Ansicht des Klägers entsteht der Anspruch auf Entschädigung auch der polnischen Versicherungszeiten durch die Rückverlagerung des Wohnsitzes in 2007 nicht neu. Denn im Falle des erneuten Zuzugs eines Versicherten aus Polen in das Bundesgebiet spätestens nach dem 30. Juni 1991 findet für die Rentenberechnung nicht mehr das DPSVA 1975 Anwendung, sondern zunächst nur noch das DPSVA 1990 (vgl. Art. 27 Abs. 2-4 DPSVA 1990), ab dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 daneben die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, seit 1. Mai 2010 die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Diese Rechtsgrundlagen sind jedoch im Gegensatz zum DPSVA 1975 von dem Grundsatz geprägt, dass jeder Vertragsstaat die bei ihm zurückgelegten Versicherungszeiten zu entschädigen hat (vgl. Art. 44 ff. Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Art. 15 ff. Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Damit entfällt die Verpflichtung der Beklagten, Rentenanteile auch aus den polnischen Versicherungszeiten des Klägers zu bezahlen.
Der Senat verweist insoweit im Übrigen auf die zutreffenden und ausführlichen Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, denen er sich anschließt. Ergänzend weist er darauf hin, dass sich durch das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zum 1. Mai 2010 insoweit keine Änderungen in der Rechtslage ergeben haben. Nach dem Beitritt Polens zur EU zum 1. Mai 2004 galten Art. 4 Abs. 3 DPSVA 1975, Art. 27 Abs. 2 DPSVA 1990 zunächst gemäß Anhang III Nr. 19 zur VO (EWG) Nr. 1408/07 weiter. Seit 1. Mai 2010 ist dies gemäß Art. 8 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in Verbindung mit Anhang II dieser Verordnung der Fall.
Für den Senat steht fest, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers jedenfalls ab Mai 2005 nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland war. Der Senat folgt zunächst den Ausführungen des SG im Urteil vom 12. Januar 2010 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Zum Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren weist er ergänzend auf folgendes hin:
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Die vom SG eingeholten Zeugenaussagen und Auskünfte sprechen sehr deutlich dafür, dass der Kläger ab Mai 2005 faktisch den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse in Polen hatte. Es gibt keinen Ort in Deutschland, bei dem erkennbar wäre, dass der Kläger ab Mai 2005 bis Oktober 2007 dort nicht nur vorübergehend verweilt hätte.
Die Zeugin N., Tochter des Klägers, hat angegeben, der Kläger habe zunächst in G. gewohnt. Als er Rente erhalten habe, habe er umziehen müssen. Er habe dann im Hotel H. in K. gewohnt. Er sei dann oft nach Polen gefahren. Dort sei ein Unfall passiert, bei dem der Kläger zwei Fingerkuppen verloren habe. Nach seinem Unfall sei er bei der Mutter der Zeugin in Polen zuhause gewesen. Wegen der Behandlung von Magensteinen sei er in Polen erneut ins Krankenhaus gekommen. Ungefähr vor zwei Jahren oder einem Jahr sei ihr Vater dann nach Deutschland zurückgekommen. Er habe Krebs gehabt und sich in Deutschland behandeln lassen. In Polen habe es keinen passenden Arzt gegeben und er habe keine Versicherung gehabt. In Deutschland sei er in die Wohnung ihres Mannes eingezogen. Dort habe sie auch gewohnt. Die Rezepte von Dr. H. habe normalerweise ihr Vater abgeholt, einmal vielleicht ihr Schwager. Die genauen Zeiträume, in denen sich ihr Vater in Polen aufgehalten habe, kenne sie nicht.
Gerade die Aussage, der Kläger sei ungefähr vor zwei Jahren oder einem Jahr nach Deutschland zurückgekommen, ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass er zuvor seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnsitz nicht mehr in Deutschland hatte. Grund für seine Rückkehr war wohl die Krebserkrankung des Klägers, die sich in Polen nicht zureichend behandeln ließ. Die Tochter des Klägers hat damit gerade nicht die Angaben des Klägers bestätigt, dass dieser bereits vor seiner Rückkehr seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei ihr hatte. Vielmehr ist der Kläger erst am 4. Oktober 2007 wieder in Deutschland unter der Anschrift der Tochter und ihres Ehemannes angemeldet worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem dem Kläger infolge der Einstellung der Rentenzahlungen durch die Beklagte und der darauf folgenden telefonischen Erkundigungen die mit dem Verzug nach Polen verbundene Problematik bewusst gewesen sein muss. Der Kläger hat auch nicht - wie mit der Berufung behauptet - im Hotel H. gewohnt. Dies ergibt sich eindeutig aus der Erklärung des Herrn M. im Schreiben vom 2. Januar 2010, der Kläger sei bis zum 23. Mai 2005 im Hotel H. gewesen, danach definitiv nicht mehr. Auch der Hausmeister des Hotels hat telefonisch gegenüber dem Vorsitzenden des SG erklärt, der Kläger sei bereits lange vor der Abmeldung ausgezogen.
Die Zeugin W. gab an, sie könne nicht sagen, wo der ständige Aufenthalt ihres Bruders seit 2005 gewesen sei. Er habe sie, wenn er aus Polen gekommen sei, in den letzten fünf Jahren zwei- bis dreimal besucht. Ob der Kläger nach Rentenbezug mehr in Polen oder Deutschland war, wisse sie nicht. Ihrer Kenntnis nach sei die Beziehung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau gut. Die Aussage, der Kläger habe sie besucht, wenn er aus Polen gekommen sei, spricht ebenfalls eher für einen überwiegenden Aufenthalt des Klägers in Polen als für einen solchen in Deutschland. Denn der Hinweis auf - sehr vereinzelte - Besuche der Zeugin bei einer Anreise des Klägers aus Polen ist dann nicht nachvollziehbar, wenn sich der Kläger überwiegend in Deutschland aufgehalten hat. Auch die Anmerkung der Zeugin, die Beziehung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau sei gut, lässt es plausibel erscheinen, dass der Kläger sich in Polen jedenfalls ab 2005 unter seiner Meldeadresse bei seiner Ehefrau gewöhnlich aufgehalten hat.
Auch der Umstand, dass der Kläger in Deutschland nicht polizeilich gemeldet war, hingegen in Polen, ist ein weiteres, allerdings nicht ausschlaggebendes Indiz dafür, dass kein gewöhnlicher Aufenthalt des Klägers in Deutschland vorgelegen hat. In der von der Berufung angegebenen Entscheidung des BSG vom 28. Mai 1997, Az. 14/10 RKg 14/94, hat das BSG festgestellt, dass die ordnungsbehördliche Meldung eines Wohnsitzes beim Einwohnermeldeamt für die Bestimmung, wo der Wohnsitz des Betreffenden ist, unerheblich ist. Hier steht aber nicht in Rede, wo der Wohnsitz des Klägers war, sondern sein gewöhnlicher Aufenthalt. Insoweit ist der Senat der Auffassung, dass sich aus dem Meldeverhalten des Klägers und hierbei insbesondere von dem auch vom SG im Vordergrund gestellten Umstand, dass der Kläger ausweislich der Auskunft aus dem Melderegister der Gemeinde H. vom 8. Januar 2009 einen Zuzug aus H. S., Polen, gemeldet hat, durchaus Rückschlüsse auf seinen gewöhnlichen Aufenthalt ziehen lassen können. Allein aus der fehlenden polizeilichen Meldung in Deutschland lässt sich sicher nicht schließen, dass der Kläger nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Die Meldung gegenüber der Gemeinde H., am 4. Oktober 2007 aus Polen nach Deutschland zugezogen zu sein, ist aber durchaus ein verwertbares Indiz dafür, dass sich der Kläger vor diesem Zeitpunkt auch tatsächlich in Polen gewöhnlich aufgehalten hat.
Wieso aus der Tatsache, dass der Kläger sich in Polen diversen Krankenhausbehandlungen unterzogen hat, folgen soll, dass sein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland war, erschließt sich dem Senat nicht. Auffallenderweise wird in einigen übersandten Bescheinigungen der selbstständigen öffentlichen Gesundheitsanstalt in P. erneut die polnische Wohnadresse des Klägers in H. S. 79 angegeben. Ein triftiger Grund, warum sich der Kläger nicht in Deutschland in Behandlung gegeben hat, wenn auch sein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland ist, ist nicht ersichtlich.
Schließlich lässt sich auch aus den nur lückenhaft vorgelegten Kontoauszügen nicht entnehmen, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum stets in der Bundesrepublik Deutschland Abhebungen getätigt hätte. Vielmehr ergibt sich hier eine regelmäßige EC-Karten-Benut-zung in Polen. Auch wurde der Kläger als Kontoinhaber bis 30. Juni 2005 beim Kreditinstitut unter einer bundesdeutschen Anschrift geführt und anschließend unter der bekannten polnischen Anschrift H. S. 79.
Aus einer Gesamtbewertung sämtlicher Umstände steht für den Senat damit fest, dass der Kläger jedenfalls ab Mai 2005 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Polen hatte. Damit liegt eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X mit der Folge vor, dass die Aufhebung des Rentenbescheids für die Zukunft ab 1. Januar 2008 rechtmäßig ist.
Auch die Aufhebung für die Vergangenheit begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nach-teiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Der Kläger hat die für ihn nachteilige Änderung der Verhältnisse in Form der Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Polen entgegen § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB X nicht der Beklagten mitgeteilt. Dies geschah auch aufgrund grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers. In dem Rentenbescheid ist der ausführliche und einfach zu verstehende Hinweis enthalten, dass die nach dem DPSVA 1975 festgestellte Rente mit Ablauf des Monats wegfalle, in dem der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland begründet werde. Es bestehe die gesetzliche Verpflichtung, der Beklagten die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in das Ausland mitzuteilen. Es werde empfohlen, rechtzeitig vor einer beabsichtigten Verlegung des Aufenthalts die Beklagte zu unterrichten, damit noch vorher geprüft und mitgeteilt werden könne, ob und in welcher Höhe die Rente auch nach der Aufenthaltsverlegung zu zahlen sei. Entgegen der Ansicht des Klägers wurde er also eingehend von der Beklagten über die Konsequenzen einer Verlagerung seines gewöhnlichen Aufenthaltsortes nach Polen informiert.
Die mitgeteilten somatischen Erkrankungen des Klägers (Gallensteine, Verlust von zwei Fingerkuppen, Krebserkrankung zu einem späteren Zeitpunkt) stellen keinen nachvollziehbaren Grund dar, warum der Kläger diese Ausführungen im Rentenbescheid nicht hätte verstehen und beachten können. Mangelnde Sprachkenntnisse können den Kläger nicht entlasten. Wenn er diese einfachen Hinweise im Bescheid tatsächlich aufgrund fehlender Sprachkenntnisse - trotz angeblicher deutscher Staatsangehörigkeit und 15jähri-gem Aufenthalt in Deutschland - nicht verstanden haben sollte, wäre er verpflichtet gewesen, sich den Bescheid übersetzen zu lassen. Dass er dies unterlassen hat, ist als grob fahrlässig anzusehen.
Der Bescheid ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil die Beklagte kein Ermessen bzw. ihr zustehendes Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Im Rahmen des Anhörungs- und des Widerspruchsverfahrens wurden keinerlei Umstände vorgetragen, die die Beklagte bei der von ihr trotz der Annahme, dass kein atypischer Fall vorliegt, hilfsweise vorgenommenen Ausübung ihres Ermessens hätte einbeziehen müssen. Hinweise auf schlechte Vermögensverhältnisse des Klägers bzw. das Entstehen von Sozialhilfebedürftigkeit wurden erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids gegeben. Die Beklagte ist aber nur verpflichtet, Ermessenserwägungen im Hinblick auf Umstände anzustellen, die ihr mitgeteilt werden oder bekannt sind.
Darüber hinaus wäre dem Kläger aufgrund seines Aufenthalts in Polen kein Sozialhilfeanspruch zugestanden. Nach dem seit 1. Januar 2004 gültigen § 24 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. Hiervon kann nach S. 2 dieser Bestimmung nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweislich ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist:
1. Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss,
2. längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit oder
3. hoheitliche Gewalt.
Es bestehen schon Zweifel, ob der Kläger im fraglichen Zeitraum Deutscher war, da er laut der Meldebescheinigung vom 8. Januar 2009 bei seiner Anmeldung im Oktober 2007 als polnischer Staatsangehöriger registriert worden ist. Dies kann aber dahinstehen, da auch keine der in den Ziffern 1.-3. genannten Fallgestaltungen beim Kläger vorliegt. So war der Kläger vor allem nicht längerfristig, sondern immer nur kurzfristig in einer stationären Einrichtung in Polen im fraglichen Zeitraum. Der Kläger hätte also keine Sozialhilfeansprüche in Deutschland gehabt, die ihm entgangen sein könnten. Allein der Umstand, dass einem Versicherten unwiederbringlich Sozialhilfeansprüche entgangen sind, haben jedoch das BSG dazu bewogen, teilweise sogar eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen, wenn durch eine rückwirkende Erstattungsforderung nachträglich Sozialhilfebedürftigkeit eintritt (jedenfalls in Fällen der Anwendung des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X; vgl. BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 42).
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob eventuell entgangene polnische Rentenansprüche einen atypischen Fall mit der Verpflichtung der Beklagten darstellen, Ermessen auszuüben. Auch hier gilt, dass derartiges der Beklagten nicht vor Erlass des Widerspruchsbescheids zur Kenntnis gebracht wurde, so dass sie nicht verpflichtet war, diesen Umstand zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat die Beklagte jedenfalls im Widerspruchsbescheid Ermessen ausgeübt. Sie hat zu Recht darauf verwiesen, dass die Beklagte keinerlei Verschulden an der Überzahlung trifft. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem eine grobe Pflichtwidrigkeit des Versicherten in Form der mangelnden Meldung
seines Wegzugs aus Deutschland die Überzahlung verursacht, kann dieser Umstand keine Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinne begründen, dass die Beklagte aufgrund des Verlustes von polnischen Rentenansprüchen verpflichtet wäre, von der Rückforderung abzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Juli 1991, Az. 9b RAr 2/90, in juris). Der Kläger ist gehalten, seine polnischen Rentenansprüche in Polen geltend zu machen und ggf. durchzusetzen. Soweit solche aufgrund einer verspäteten Antragstellung erst für die Zukunft gewährt werden können, ist dies kein Umstand, für den die Beklagte einstehen müsste.
Die von der Beklagten geltend gemachte Rückforderung ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Insgesamt hat der Kläger 13.286,52 Euro zu erstatten. Einwendungen gegen die angefochtenen Bescheide vom 28. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 einschließlich des Bescheids vom 5. Dezember 2011 wurden insoweit nicht erhoben. Fehler bei der Berechnung des Rückforderungsbetrages sind für den Senat auch nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass der Kläger im Berufungsverfahren ganz überwiegend erfolglos geblieben ist. Die geringfügige Quote zu Gunsten des Klägers ergibt sich aus dem Umstand, dass die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung unzulässig gewesen ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
vom 12. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 5. Dezember 2011 wird
abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Altersrente.
Der 1937 in Polen geborene Kläger, nach seinen Angaben deutscher Staatsangehöriger, ist am 20. August 1984 aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen. Als Vertriebener oder Aussiedler ist er nicht anerkannt.
Der Kläger war in Polen - mit Unterbrechungen - von Dezember 1953 bis April 1962 im Bergbau als Arbeiter über Tage, Füller und Lehrbergmann sowie von Oktober 1964 bis Juni 1981 außerhalb des Bergbaus als Metallschmelzer und qualifizierter Arbeiter tätig. In Deutschland war er von März 1985 bis November 2002 in einer Recyclingfirma beschäftigt.
Am 9. Oktober 2002 begehrte der Kläger Regelaltersrente von der Beklagten. Als Adresse gab er die I.-Straße 89 in G. bei B-Stadt an. Mit Bescheid vom 12. März 2003 gewährte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab 1. Dezember 2002 als Vorschuss. Die Anrechnung von Zeiten und ihre Bewertung wurde vorläufig vorgenommen. Die endgültige Anrechnung und Ermittlung der Höhe der Rentenleistung sollte erfolgen, sobald alle zu berücksichtigenden Zeiten geklärt sind. Die endgültige Feststellung erfolgte dann mit Bescheid vom 23. September 2003. In diesen Bescheid ist der Hinweis enthalten, dass die nach dem Deutsch-Polnischen Rentenabkommen vom 9. Oktober 1975 (DPSVA 1975) festgestellte Rente mit Ablauf des Monats wegfalle, in dem der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland begründet werde. Es bestehe die gesetzliche Verpflichtung, der Beklagten die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in das Ausland mitzuteilen. Es werde empfohlen, rechtzeitig vor einer beabsichtigten Verlegung des Aufenthalts die Beklagte zu unterrichten, damit noch vorher geprüft und mitgeteilt werden könne, ob und in welcher Höhe die Rente auch nach der Aufenthaltsverlegung zu zahlen sei.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 teilte das Landratsamt D. mit, dass der Kläger nunmehr in der M.-Straße 7, K., wohnhaft sei. Die geänderte Adresse wurde in den Datenbestand der Beklagten übernommen.
Nachdem die Rentenanpassungsmitteilung Juli 2007 dem Kläger unter der Anschrift in K. nicht zugestellt werden konnte, teilte das Einwohnermeldeamt der Gemeinde K. auf Anfrage der Beklagten mit, dass sich der Kläger am 23. Mai 2005 nach Polen abgemeldet habe. Die Beklagte stellte daraufhin die Rentenzahlungen ab September 2007 ein.
Die Nichte des Klägers erkundigte sich im Oktober 2007 im Namen des Klägers nach dem Verbleib der Rentenzahlung. Sie teilte mit, der Kläger habe einen zweiten Wohnsitz in Polen (H. S. 79). Er würde sich überwiegend in Deutschland aufhalten. Bei der der Beklagten bekannten Anschrift handele es sich um ein M. Hotel mit einer zusätzlichen Zimmervermietung meist für ausländische Mitbürger. Die Zimmer verfügen nur über ein Bett, Tisch und Stühle, jedoch keinen Telefonanschluss. Ein separates Badezimmer stehe nicht zur Verfügung. Der Hotelbesitzer habe alle Mieter abgemeldet. Der Kläger sei aktuell bei der Tochter A. N., H-weg 2, H. gemeldet. Der Kläger bewohne in deren Haus ein Zimmer. Einen Mietvertrag sowie einen separaten Telefonanschluss gebe es nicht. Der Kläger habe sich auch seit 2002 dauerhaft in ärztlicher Behandlung bei Dr. H., D., befunden.
Ein ärztliches Attest von Dr. H. vom 9. Oktober 2007 wurde vorgelegt, wonach der Kläger seit 2002 dort in ärztlicher Behandlung sei. Nach einer Bestätigung der Gemeinde H. war der Kläger seit 5. Oktober 2007 in der mitgeteilten Adresse in H. gemeldet.
Eine Bekannte des Klägers erklärte, die Wohnung des Klägers in H. gehöre einem Herrn N ... Dieser sei ein Bekannter des Klägers. Der Kläger zahle keine feste Miete, sondern je nach Bedarf bar an Herrn N ... Für die Zeiträume, in denen sich der Kläger im Krankenhaus aufhalte, verlange Herr N. keine Miete. Der Kläger sei sehr oft im Krankenhaus, auch in Polen. Ab und zu sei er zu Besuchszwecken in Polen.
Die Beklagte hörte daraufhin den Kläger zu der beabsichtigten Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2003 mit Wirkung vom 1. Juni 2005 an. Mit der Verlegung des Wohnsitzes nach Polen fände das DPSVA 1975 keine Anwendung mehr. Aufgrund des nunmehr gültigen Art. 10 Abs. 1 EWG-Verordnung (EWG-VO) Nr. 1408/71 würde aufgrund der Gebietsgleichstellung die Rente bei einem Wohnsitz in Polen zwar grundsätzlich in gleicher Höhe gezahlt wie bei einem Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Dies gelte jedoch nicht für Zeiten, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach früherem Reichsrecht bzw. nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes anrechenbar seien. Da die Rente des Klägers auch aus Zeiten nach dem Fremdrentengesetz berechnet worden sei, könnten diese Zeiten nicht mehr entschädigt werden (Anhang VI Abschnitt D Nr. 1 der EWG-VO 1408/71 i.V.m. §§ 113, 114 SGB VI). Der Kläger habe die überzahlten Leistungen zu erstatten. Die Nachzahlung vom 1. September 2007 bis 31. Dezember 2007 werde mit der entstandenen Überzahlung verrechnet.
Der Kläger wies durch seine Bevollmächtigte darauf hin, §§ 113, 114 SGB VI fänden keine Anwendung, weil der Aufenthalt des Klägers im Ausland nur vorübergehend gewesen sei. Der Kläger habe - auch in der Vergangenheit - ohne zeitliche Unterbrechung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt. Hier wohne der Großteil seiner Familie (Ehemann, Schwester, Cousine, Schwiegermutter). Er habe vor der Rente ca. 15 Jahre lang in Deutschland gearbeitet und sich ein soziales Umfeld geschaffen. Die Besuche in Polen seien zeitlich begrenzt gewesen. Sie hätten ausschließlich Urlaubs- und Besuchszwecken gedient. Der Kläger habe das Inland nur für begrenzte Zeit verlassen, jedes Mal mit der Absicht der baldigen Rückkehr nach Deutschland. Aufgrund eines Missverständnisses sei es zu der Abmeldung beim Einwohnermeldeamt gekommen. Diese Unstimmigkeit sei durch die neue Anmeldung behoben worden. Im übrigen komme es auf die ordnungsbehördliche Meldung eines Wohnsitzes beim Einwohnermeldeamt nicht an.
Mit angefochtenem Bescheid vom 28. Dezember 2007, zur Post gegeben am selben Tag, hob die Beklagte den Bescheid vom 12. März 2003 über die Zuerkennung der Regelaltersrente hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit ab dem 1. Juni 2005 gemäß § 48 SGB X auf. Ab dem 1. Januar 2008 werde die Rente nur noch in Höhe von 397,98 Euro geleistet. Die Überzahlung in Höhe von 11.694,60 Euro für den Zeitraum 1. Juni 2005 bis 31. Dezember 2007 sei vom Kläger zu erstatten. Der Verzug nach Polen sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen. Auf das Anhörungsschreiben vom 13. Juni 2006 werde verwiesen. Durch die Hinweise im Rentenbescheid hätte dem Kläger klar sein müssen, dass ihm die Rente bei einem Verzug nach Polen nicht in der bisherigen Höhe zustehe. Die Einwendungen der Prozessbevollmächtigten seien gewürdigt worden. Von einer Bescheidaufhebung könne jedoch nicht abgesehen werden.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger durch seine Bevoll-mächtigte geltend, der EuGH habe in seinem Urteil vom 18. Dezember 2007 (C-396/05, C-419/05, C-450/05) festgestellt, dass die Bestimmungen des Anhangs VI Abschnitt D Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 mit dem innerhalb der EU geltenden Grundsatz der Freizügigkeit unvereinbar seien. Dem Kläger seien seine Rentenleistungen unter Bezugnahme hierauf gekürzt worden. Dies stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Freizügigkeit dar, was zur Folge habe, dass diese Bestimmungen nicht angewendet werden dürfen. Art. 10 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 würde also nicht verdrängt, so dass dem Kläger die Rentenleistungen unabhängig von seinem Aufenthaltsort zustünden. Auch habe der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland ohne zeitliche Unterbrechungen gehabt.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 zurückgewiesen. Das DPSVA 1975 gelte auch nach dem Beitritt Polens zur EU zum 1. Mai 2004 weiter (Anhang III Nr. 19 zur Verordnung (EWG) Nr. 1408/07). Eine unter Berücksichtigung der Zeiten im anderen Staat festgestellte Rente stehe dem Versicherten jedoch nur so lange zu, wie er sich gewöhnlich im Gebiet des ersten Staates aufhalte. Verlege ein Begünstigter seinen Wohnsitz in einen Drittstaat oder nach Polen zurück, gehe die durch einen Zuzug nach Deutschland vor dem 1. Januar 1991 erworbene Rechtsposition für immer verloren (Artikel 4 Abs. 3 DPSVA 1975). Deutschland und Polen hätten zu prüfen, welche Ansprüche der Berechtigte nach dem jeweiligen nationalen Recht habe. Die zitierte Rechtsprechung des EuGH sei nicht anwendbar. Reichsdeutsche Beiträge seien tatsächlich an einen deutschen Rentenversicherungsträger entrichtet worden. FRG-Zeiten seien unabhängig vom Aufenthaltsort des Berechtigten in die deutsche Versicherungslast übernommen worden. Die im Rahmen des DPSVA 1975 entschädigten polnischen Zeiten des Klägers seien weiterhin in die Versicherungslast Polens fallende Zeiten, die nur für die Dauer des Fortbestehens des Wohnsitzes vom Wohnsitzstaat entschädigt würden. Auch nach Art. 27 Abs. 2 des Deutsch-Polnischen Sozialversicherungsabkommen 1990 (DPSVA 1990) finde das Abkommen von 1975 nur solange Anwendung, solange diese Personen auch nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaates beibehalten. Mit der Übernahme dieser vertraglichen Regelungen sollten die im Vergleich zum EU-Recht günstigeren Rechtspositionen gewahrt bleiben, aber nicht darüber hinausgehende geschaffen werden. Der Kläger habe seine Pflicht zur Mitteilung der Verlagerung seines Wohnorts grob fahrlässig verletzt. Er sei im aufgehobenen Bescheid ausdrücklich auf diese Verpflichtung hingewiesen worden. Ein atypischer Fall liege nicht vor. Selbst wenn man einen solchen annehmen würde, wäre im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen, dass den Versicherungsträger an der Überzahlung kein Verschulden treffe. Auch die Zahlungsverpflichtung führe nicht zu dem Ergebnis, im Rahmen des Ermessens von einer Erstattungspflicht ganz oder teilweise abzusehen. Gesichtspunkte, die nicht im Rahmen des § 76 Abs. 2 SGB IV Berücksichtigung finden könnten, seien nicht ersichtlich.
Am 8. Mai 2008 ging bei der Beklagten ein Schriftsatz der in Polen wohnhaften (H. S. 79) Ehefrau ein. Ihr Ehemann habe sich nur für kurze Zeit in Polen aufgehalten und sei dann nach Deutschland zurückgekehrt. Er sei zweimal im Jahr 2005/2006 in Polen im Krankenhaus gewesen, ebenso im August 2007. Im Februar 2008 sei er ins Krankenhaus nach P. gekommen, weil er in der Nacht eine Bauchspeicheldrüsenentzündung bekommen habe. Ansonsten sei er in Deutschland angemeldet gewesen, wo er operiert worden sei. In Polen erhalte ihr Ehemann keine Leistungen. Er sei sehr krank. Der Aufenthalt in Polen sei nur verlängert worden, wenn es für die Rettung seiner Gesundheit und seines Lebens nötig gewesen sei.
Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Der dauerhafte Schwerpunkt der Lebensverhältnisse des Klägers befinde sich in Deutschland. Hier habe er familiäre Bindungen. Er reise nur vorübergehend und gelegentlich nach Polen. Die Abmeldung durch das Einwohnermeldeamt am 23. Mai 2005 sei durch den damaligen Vermieter ohne Kenntnis des Klägers erfolgt. Die ordnungsbehördliche Meldung sei für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts auch irrelevant. Auch liege ein atypischer Fall vor. Grob fahrlässiges Verhalten in Bezug auf die Verletzung der Mitteilungspflicht bestehe nicht. Der Sorgfaltsmaßstab sei subjektiv zu bestimmen. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Klägers und seines schlechten Gesundheitszustand sowie der Tatsache, dass Deutsch nicht seine Muttersprache sei, seien insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen. Dem Kläger sei es nicht möglich gewesen, den Sachverhalt im Zusammenhang mit den Mitteilungspflichten zu erfassen. Er sei auch nie darauf hingewiesen worden, er werde seinen Rentenanspruch in der festgesetzten Höhe bei einem Verzug nach Polen endgültig und unumkehrbar verlieren. Auch hätte die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigen müssen, dass die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs eine vermehrte Sozialhilfebedürftigkeit beim Kläger herbeiführen werde. Die Beklagte habe kein Ermessen ausgeübt. Sie habe die beträchtliche Höhe des Erstattungsanspruchs und die finanzielle Lage des Klägers, der über kein sonstiges Vermögen verfüge, unberücksichtigt gelassen.
Die Gemeinde H. teilte mit, der Kläger sei am 4. Oktober 2007 von Polen
(H. S.) nach H. zugezogen. Dr. H. erklärte, der Kläger sei am 19. Juli, 16. September, 2. Dezember 2002, 14. Februar, 1. April, 20. Mai, 21. Mai, 28. Mai, 23. September, 10. November 2003, 18. Mai 2004, 18., 19. und 21. Juli 2005, 22. und 25. September 2006, 18. Dezember 2007, 16. April und 14. Oktober 2008 bei ihm persönlich zur Behandlung gewesen.
Der Hausmeister des Hotels H. erklärte im Rahmen eines Telefongesprächs vom 22. Dezember 2009 mit dem erkennenden Richter am SG, er könne sich an den Kläger erinnern. Der Kläger habe bestimmt schon seit 5 Jahren kein Zimmer mehr gemietet. Er sei schon lange vor der Abmeldung ausgezogen und selten da gewesen. Wohin er gezogen sei, könne er nicht sagen, vermutlich nach Polen. Die Gemeinde K. teilte telefonisch mit, der Kläger sei am 13. Mai 2005 von Amts wegen nach Polen abgemeldet worden. Zuvor habe der Vermieter (Hr. M. vom Hotel H., K.) mitgeteilt, dass der Kläger nicht mehr dort wohne. Herr M. erklärte schließlich mit Schreiben vom 2. Januar 2010, der Kläger sei bis zum 23. Mai 2005 im Hotel H. gewesen, danach definitiv nicht mehr.
In der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2010 hat das SG die Tochter des Klägers A. N., und die Schwester des Klägers, I. W., uneidlich einvernommen.
Das SG hat daraufhin mit Urteil vom 12. Januar 2010 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zumindest im Zeitraum 23. Mai 2005 bis 4. Oktober 2007 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I in Polen gehabt. Er sei regelmäßig und für längere Zeit in Polen gewesen und dort seit 19. August 1967 in H. S. gemeldet. Dort lebe auch seine Ehefrau. Er sei am 23. Mai 2005 von Amts wegen aus K. abgemeldet worden, weil der Vermieter mitgeteilt habe, dass er nicht mehr dort gewohnt habe. Es sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden, wo er unmittelbar anschließend seinen gewöhnlichen Aufenthalt genommen habe. Die Zeugin N. habe angegeben, dass er ungefähr vor zwei Jahren oder einem Jahr nach Deutschland zurückgekommen sei. Dies decke sich mit dem Auszug aus dem Melderegister der Gemeinde H., wonach er am 4. Oktober 2007 wieder in Deutschland gemeldet gewesen sei. Wenn der Kläger, wie er behaupte, direkt nach dem Auszug aus dem Hotel H. zu seiner Tochter in H. gezogen sei, hätte er unproblematisch einen Nachsendeantrag stellen können. Dann hätte auch die Rentenanpassungsmitteilung zugestellt werden können. Dies habe er jedoch nicht getan. Aus den Behandlungsdaten Dr. H. ergebe sich kein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland. Er sei danach nur dreimal im Juli 2005 und zweimal im September 2006 persönlich anwesend gewesen. Aus dem Melderegisterauszug der Gemeinde H. vom 8. Januar 2009 ergebe sich schließlich, dass der Kläger aus H. S. nach Deutschland zugezogen sei. Im Übrigen verwies das SG auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Zur Begründung der hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung erklärte der Kläger, alle Zeugen hätten ausgesagt, dass sich der Kläger sowohl in Polen als auch in Deutschland aufgehalten habe. Er sei immer wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Jedenfalls stünden dem Kläger ab dem 4. Oktober 2007 wieder Leistungen zu. Mit seiner Ehefrau habe er eine Ehe auf dem Papier geführt. Der Aufenthalt in Deutschland sei nie auf dessen Beendigung ausgelegt gewesen. Der Kläger habe im streitgegenständlichen Zeitraum mehrere Krankenhausaufenthalte in Polen durchlaufen müssen. Bestätigungen über Krankenhausaufenthalte des Klägers in Polen vom 8. bis 15. Februar 2005, 15. bis 19. Dezember 2005, 31. Januar bis 6. Februar 2007, 2. August bis 14. August 2007, 22. Januar bis 5. Februar 2008 sowie Kontoauszüge für die Jahre 2002 bis 2008 wurden vorgelegt.
Die Beklagte übersandte eine Bestätigung des Gemeindeamts J. P., wonach der Kläger seit 19. August 1967 dort unter der Adresse H. S. 79 gemeldet sei. Am 1. Januar 2010 wurde der Kläger durch den Vermieter aus H. nach Polen abgemeldet. Auf richterliche Anfrage hin zahlte die Beklagte ausweislich der Zwischenmitteilung vom 5. Dezember 2011 die zunächst einbehaltenen Rentenbeträge für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 1.591,92 Euro unter dem "Vorbehalt des Ausgangs des Streitverfahrens" wieder aus. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2011 wurde festgestellt, dass die Überzahlung nun 13.286,53 Euro beträgt. Der Bescheid wurde zum Gegenstand des laufenden Berufungsverfahrens erklärt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Januar 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 sowie den Bescheid vom 5. Dezember 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten der Beklagten und des SG verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 zu Recht abgewiesen. Auch der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Bescheid vom 5. Dezember 2011 ist nicht zu beanstanden. Die hiergegen im Berufungsverfahren erhobene Klage war abzuweisen.
Die Beklagte hat mit angefochtenem, dem Kläger am 31. Dezember 2007 als bekannt gegeben geltenden (vgl. § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X) Bescheid vom 28. Dezember 2007 auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X zu Recht die Rente des Klägers für die Zukunft und damit ab 1. Januar 2008 unter ausschließlicher Berücksichtigung der in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten berechnet und dem Kläger ab diesem Zeitpunkt nur noch 397,98 Euro gezahlt.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Zunächst ist darauf zu verweisen, dass in dem angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2007 der aufgrund der wesentlichen Änderung in den Verhältnissen aufzuhebende Verwaltungsakt falsch bezeichnet worden ist. Die Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes ist notwendiger Inhalt eines Bescheids nach § 48 Abs. 1 SGB X. Aus der nicht zutreffenden Bezeichnung des Ursprungsbescheids folgt jedoch nicht dessen Rechts-widrigkeit. Hier wurde der Ursprungsbescheid falsch bezeichnet, da der Bescheid vom 12. März 2003 aufgehoben wurde. Hierbei handelte es sich jedoch um einen bloßen Vorschussbescheid nach § 42 SGB I. Dieser ist ein eigenständiger Verwaltungsakt, der aber nur für einen begrenzten Zeitraum bis zum Wirksamwerden des endgültigen Bescheids Bindungswirkungen entfaltet. Mit dem Erlass des endgültigen Bescheids verliert er seine Wirkung (vgl. KassKomm, SGB I, § 42 Rn. 7). In dem von der Beklagten benannten Bescheid ist also keine wirksame Feststellung der polnischen Zeiten und der Rentenhöhe enthalten, die durch den angefochtenen Bescheid aufgehoben werden könnte. Aus dem angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2007 geht jedoch der Wille der Beklagten eindeutig hervor, die im ursprünglichen Bescheid vom 23. September 2003, mit dem die Rente endgültig festgestellt wurde, enthaltene bindende Feststellung der polnischen Zeiten als Grundlage für die Rentenberechnung aufzuheben. Dies ist als ausreichend anzusehen (KassKomm, SGB X, § 48 Rn. 21).
Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen liegt in der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers nach Polen im Mai 2005. Dies führt zum endgültigen Erlöschen des Anspruchs auf Zahlung von auf polnischen Zeiten beruhenden Rentenanteilen. Als Rechtsgrundlage für die Zahlung von Rente auch aus den in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten kommt allein das DPSVA 1975 in Betracht. Das Fremdrentengesetz (FRG) kommt nicht zur Anwendung, da der Kläger nicht zum berechtigten Personenkreis gemäß § 1 FRG zählt. Gemäß Art. 4 Abs. 3 DPSVA 1975 steht dem Berechtigten eine unter Berücksichtigung der Zeiten im anderen Staat festgestellte Rente nur so lange zu, wie der Berechtigte im Gebiet des Staates wohnt, dessen Versicherungsträger die Rente festgestellt hat. Unter dem Begriff "Wohnen" ist dabei gemäß Artikel 1 Nr. 2 DPSVA 1975 der gewöhnliche Aufenthalt zu verstehen. Bei Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes nach Polen geht diese Rechtsposition für immer verloren. Entgegen der Ansicht des Klägers entsteht der Anspruch auf Entschädigung auch der polnischen Versicherungszeiten durch die Rückverlagerung des Wohnsitzes in 2007 nicht neu. Denn im Falle des erneuten Zuzugs eines Versicherten aus Polen in das Bundesgebiet spätestens nach dem 30. Juni 1991 findet für die Rentenberechnung nicht mehr das DPSVA 1975 Anwendung, sondern zunächst nur noch das DPSVA 1990 (vgl. Art. 27 Abs. 2-4 DPSVA 1990), ab dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 daneben die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, seit 1. Mai 2010 die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Diese Rechtsgrundlagen sind jedoch im Gegensatz zum DPSVA 1975 von dem Grundsatz geprägt, dass jeder Vertragsstaat die bei ihm zurückgelegten Versicherungszeiten zu entschädigen hat (vgl. Art. 44 ff. Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Art. 15 ff. Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Damit entfällt die Verpflichtung der Beklagten, Rentenanteile auch aus den polnischen Versicherungszeiten des Klägers zu bezahlen.
Der Senat verweist insoweit im Übrigen auf die zutreffenden und ausführlichen Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, denen er sich anschließt. Ergänzend weist er darauf hin, dass sich durch das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zum 1. Mai 2010 insoweit keine Änderungen in der Rechtslage ergeben haben. Nach dem Beitritt Polens zur EU zum 1. Mai 2004 galten Art. 4 Abs. 3 DPSVA 1975, Art. 27 Abs. 2 DPSVA 1990 zunächst gemäß Anhang III Nr. 19 zur VO (EWG) Nr. 1408/07 weiter. Seit 1. Mai 2010 ist dies gemäß Art. 8 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in Verbindung mit Anhang II dieser Verordnung der Fall.
Für den Senat steht fest, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers jedenfalls ab Mai 2005 nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland war. Der Senat folgt zunächst den Ausführungen des SG im Urteil vom 12. Januar 2010 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Zum Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren weist er ergänzend auf folgendes hin:
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Die vom SG eingeholten Zeugenaussagen und Auskünfte sprechen sehr deutlich dafür, dass der Kläger ab Mai 2005 faktisch den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse in Polen hatte. Es gibt keinen Ort in Deutschland, bei dem erkennbar wäre, dass der Kläger ab Mai 2005 bis Oktober 2007 dort nicht nur vorübergehend verweilt hätte.
Die Zeugin N., Tochter des Klägers, hat angegeben, der Kläger habe zunächst in G. gewohnt. Als er Rente erhalten habe, habe er umziehen müssen. Er habe dann im Hotel H. in K. gewohnt. Er sei dann oft nach Polen gefahren. Dort sei ein Unfall passiert, bei dem der Kläger zwei Fingerkuppen verloren habe. Nach seinem Unfall sei er bei der Mutter der Zeugin in Polen zuhause gewesen. Wegen der Behandlung von Magensteinen sei er in Polen erneut ins Krankenhaus gekommen. Ungefähr vor zwei Jahren oder einem Jahr sei ihr Vater dann nach Deutschland zurückgekommen. Er habe Krebs gehabt und sich in Deutschland behandeln lassen. In Polen habe es keinen passenden Arzt gegeben und er habe keine Versicherung gehabt. In Deutschland sei er in die Wohnung ihres Mannes eingezogen. Dort habe sie auch gewohnt. Die Rezepte von Dr. H. habe normalerweise ihr Vater abgeholt, einmal vielleicht ihr Schwager. Die genauen Zeiträume, in denen sich ihr Vater in Polen aufgehalten habe, kenne sie nicht.
Gerade die Aussage, der Kläger sei ungefähr vor zwei Jahren oder einem Jahr nach Deutschland zurückgekommen, ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass er zuvor seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnsitz nicht mehr in Deutschland hatte. Grund für seine Rückkehr war wohl die Krebserkrankung des Klägers, die sich in Polen nicht zureichend behandeln ließ. Die Tochter des Klägers hat damit gerade nicht die Angaben des Klägers bestätigt, dass dieser bereits vor seiner Rückkehr seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei ihr hatte. Vielmehr ist der Kläger erst am 4. Oktober 2007 wieder in Deutschland unter der Anschrift der Tochter und ihres Ehemannes angemeldet worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem dem Kläger infolge der Einstellung der Rentenzahlungen durch die Beklagte und der darauf folgenden telefonischen Erkundigungen die mit dem Verzug nach Polen verbundene Problematik bewusst gewesen sein muss. Der Kläger hat auch nicht - wie mit der Berufung behauptet - im Hotel H. gewohnt. Dies ergibt sich eindeutig aus der Erklärung des Herrn M. im Schreiben vom 2. Januar 2010, der Kläger sei bis zum 23. Mai 2005 im Hotel H. gewesen, danach definitiv nicht mehr. Auch der Hausmeister des Hotels hat telefonisch gegenüber dem Vorsitzenden des SG erklärt, der Kläger sei bereits lange vor der Abmeldung ausgezogen.
Die Zeugin W. gab an, sie könne nicht sagen, wo der ständige Aufenthalt ihres Bruders seit 2005 gewesen sei. Er habe sie, wenn er aus Polen gekommen sei, in den letzten fünf Jahren zwei- bis dreimal besucht. Ob der Kläger nach Rentenbezug mehr in Polen oder Deutschland war, wisse sie nicht. Ihrer Kenntnis nach sei die Beziehung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau gut. Die Aussage, der Kläger habe sie besucht, wenn er aus Polen gekommen sei, spricht ebenfalls eher für einen überwiegenden Aufenthalt des Klägers in Polen als für einen solchen in Deutschland. Denn der Hinweis auf - sehr vereinzelte - Besuche der Zeugin bei einer Anreise des Klägers aus Polen ist dann nicht nachvollziehbar, wenn sich der Kläger überwiegend in Deutschland aufgehalten hat. Auch die Anmerkung der Zeugin, die Beziehung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau sei gut, lässt es plausibel erscheinen, dass der Kläger sich in Polen jedenfalls ab 2005 unter seiner Meldeadresse bei seiner Ehefrau gewöhnlich aufgehalten hat.
Auch der Umstand, dass der Kläger in Deutschland nicht polizeilich gemeldet war, hingegen in Polen, ist ein weiteres, allerdings nicht ausschlaggebendes Indiz dafür, dass kein gewöhnlicher Aufenthalt des Klägers in Deutschland vorgelegen hat. In der von der Berufung angegebenen Entscheidung des BSG vom 28. Mai 1997, Az. 14/10 RKg 14/94, hat das BSG festgestellt, dass die ordnungsbehördliche Meldung eines Wohnsitzes beim Einwohnermeldeamt für die Bestimmung, wo der Wohnsitz des Betreffenden ist, unerheblich ist. Hier steht aber nicht in Rede, wo der Wohnsitz des Klägers war, sondern sein gewöhnlicher Aufenthalt. Insoweit ist der Senat der Auffassung, dass sich aus dem Meldeverhalten des Klägers und hierbei insbesondere von dem auch vom SG im Vordergrund gestellten Umstand, dass der Kläger ausweislich der Auskunft aus dem Melderegister der Gemeinde H. vom 8. Januar 2009 einen Zuzug aus H. S., Polen, gemeldet hat, durchaus Rückschlüsse auf seinen gewöhnlichen Aufenthalt ziehen lassen können. Allein aus der fehlenden polizeilichen Meldung in Deutschland lässt sich sicher nicht schließen, dass der Kläger nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Die Meldung gegenüber der Gemeinde H., am 4. Oktober 2007 aus Polen nach Deutschland zugezogen zu sein, ist aber durchaus ein verwertbares Indiz dafür, dass sich der Kläger vor diesem Zeitpunkt auch tatsächlich in Polen gewöhnlich aufgehalten hat.
Wieso aus der Tatsache, dass der Kläger sich in Polen diversen Krankenhausbehandlungen unterzogen hat, folgen soll, dass sein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland war, erschließt sich dem Senat nicht. Auffallenderweise wird in einigen übersandten Bescheinigungen der selbstständigen öffentlichen Gesundheitsanstalt in P. erneut die polnische Wohnadresse des Klägers in H. S. 79 angegeben. Ein triftiger Grund, warum sich der Kläger nicht in Deutschland in Behandlung gegeben hat, wenn auch sein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland ist, ist nicht ersichtlich.
Schließlich lässt sich auch aus den nur lückenhaft vorgelegten Kontoauszügen nicht entnehmen, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum stets in der Bundesrepublik Deutschland Abhebungen getätigt hätte. Vielmehr ergibt sich hier eine regelmäßige EC-Karten-Benut-zung in Polen. Auch wurde der Kläger als Kontoinhaber bis 30. Juni 2005 beim Kreditinstitut unter einer bundesdeutschen Anschrift geführt und anschließend unter der bekannten polnischen Anschrift H. S. 79.
Aus einer Gesamtbewertung sämtlicher Umstände steht für den Senat damit fest, dass der Kläger jedenfalls ab Mai 2005 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Polen hatte. Damit liegt eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X mit der Folge vor, dass die Aufhebung des Rentenbescheids für die Zukunft ab 1. Januar 2008 rechtmäßig ist.
Auch die Aufhebung für die Vergangenheit begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nach-teiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Der Kläger hat die für ihn nachteilige Änderung der Verhältnisse in Form der Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Polen entgegen § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB X nicht der Beklagten mitgeteilt. Dies geschah auch aufgrund grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers. In dem Rentenbescheid ist der ausführliche und einfach zu verstehende Hinweis enthalten, dass die nach dem DPSVA 1975 festgestellte Rente mit Ablauf des Monats wegfalle, in dem der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland begründet werde. Es bestehe die gesetzliche Verpflichtung, der Beklagten die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in das Ausland mitzuteilen. Es werde empfohlen, rechtzeitig vor einer beabsichtigten Verlegung des Aufenthalts die Beklagte zu unterrichten, damit noch vorher geprüft und mitgeteilt werden könne, ob und in welcher Höhe die Rente auch nach der Aufenthaltsverlegung zu zahlen sei. Entgegen der Ansicht des Klägers wurde er also eingehend von der Beklagten über die Konsequenzen einer Verlagerung seines gewöhnlichen Aufenthaltsortes nach Polen informiert.
Die mitgeteilten somatischen Erkrankungen des Klägers (Gallensteine, Verlust von zwei Fingerkuppen, Krebserkrankung zu einem späteren Zeitpunkt) stellen keinen nachvollziehbaren Grund dar, warum der Kläger diese Ausführungen im Rentenbescheid nicht hätte verstehen und beachten können. Mangelnde Sprachkenntnisse können den Kläger nicht entlasten. Wenn er diese einfachen Hinweise im Bescheid tatsächlich aufgrund fehlender Sprachkenntnisse - trotz angeblicher deutscher Staatsangehörigkeit und 15jähri-gem Aufenthalt in Deutschland - nicht verstanden haben sollte, wäre er verpflichtet gewesen, sich den Bescheid übersetzen zu lassen. Dass er dies unterlassen hat, ist als grob fahrlässig anzusehen.
Der Bescheid ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil die Beklagte kein Ermessen bzw. ihr zustehendes Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Im Rahmen des Anhörungs- und des Widerspruchsverfahrens wurden keinerlei Umstände vorgetragen, die die Beklagte bei der von ihr trotz der Annahme, dass kein atypischer Fall vorliegt, hilfsweise vorgenommenen Ausübung ihres Ermessens hätte einbeziehen müssen. Hinweise auf schlechte Vermögensverhältnisse des Klägers bzw. das Entstehen von Sozialhilfebedürftigkeit wurden erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids gegeben. Die Beklagte ist aber nur verpflichtet, Ermessenserwägungen im Hinblick auf Umstände anzustellen, die ihr mitgeteilt werden oder bekannt sind.
Darüber hinaus wäre dem Kläger aufgrund seines Aufenthalts in Polen kein Sozialhilfeanspruch zugestanden. Nach dem seit 1. Januar 2004 gültigen § 24 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. Hiervon kann nach S. 2 dieser Bestimmung nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweislich ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist:
1. Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss,
2. längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit oder
3. hoheitliche Gewalt.
Es bestehen schon Zweifel, ob der Kläger im fraglichen Zeitraum Deutscher war, da er laut der Meldebescheinigung vom 8. Januar 2009 bei seiner Anmeldung im Oktober 2007 als polnischer Staatsangehöriger registriert worden ist. Dies kann aber dahinstehen, da auch keine der in den Ziffern 1.-3. genannten Fallgestaltungen beim Kläger vorliegt. So war der Kläger vor allem nicht längerfristig, sondern immer nur kurzfristig in einer stationären Einrichtung in Polen im fraglichen Zeitraum. Der Kläger hätte also keine Sozialhilfeansprüche in Deutschland gehabt, die ihm entgangen sein könnten. Allein der Umstand, dass einem Versicherten unwiederbringlich Sozialhilfeansprüche entgangen sind, haben jedoch das BSG dazu bewogen, teilweise sogar eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen, wenn durch eine rückwirkende Erstattungsforderung nachträglich Sozialhilfebedürftigkeit eintritt (jedenfalls in Fällen der Anwendung des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X; vgl. BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 42).
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob eventuell entgangene polnische Rentenansprüche einen atypischen Fall mit der Verpflichtung der Beklagten darstellen, Ermessen auszuüben. Auch hier gilt, dass derartiges der Beklagten nicht vor Erlass des Widerspruchsbescheids zur Kenntnis gebracht wurde, so dass sie nicht verpflichtet war, diesen Umstand zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat die Beklagte jedenfalls im Widerspruchsbescheid Ermessen ausgeübt. Sie hat zu Recht darauf verwiesen, dass die Beklagte keinerlei Verschulden an der Überzahlung trifft. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem eine grobe Pflichtwidrigkeit des Versicherten in Form der mangelnden Meldung
seines Wegzugs aus Deutschland die Überzahlung verursacht, kann dieser Umstand keine Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinne begründen, dass die Beklagte aufgrund des Verlustes von polnischen Rentenansprüchen verpflichtet wäre, von der Rückforderung abzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Juli 1991, Az. 9b RAr 2/90, in juris). Der Kläger ist gehalten, seine polnischen Rentenansprüche in Polen geltend zu machen und ggf. durchzusetzen. Soweit solche aufgrund einer verspäteten Antragstellung erst für die Zukunft gewährt werden können, ist dies kein Umstand, für den die Beklagte einstehen müsste.
Die von der Beklagten geltend gemachte Rückforderung ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Insgesamt hat der Kläger 13.286,52 Euro zu erstatten. Einwendungen gegen die angefochtenen Bescheide vom 28. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 einschließlich des Bescheids vom 5. Dezember 2011 wurden insoweit nicht erhoben. Fehler bei der Berechnung des Rückforderungsbetrages sind für den Senat auch nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass der Kläger im Berufungsverfahren ganz überwiegend erfolglos geblieben ist. Die geringfügige Quote zu Gunsten des Klägers ergibt sich aus dem Umstand, dass die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung unzulässig gewesen ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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