L 20 R 590/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 4126/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 590/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wenn der Beteiligte aufgrund der Terminierung des Rechtsstreits erkennen muss, dass das Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen betreibt, muss der Antrag nach § 109 Abs 1 SGG innerhalb angemessener Frist gestellt werden (hier: 2 Monate).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.06.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der 1961 geborene Kläger hat nach seinen Angaben zunächst den Beruf eines Industriekaufmanns und später die Berufe eines Winzers sowie eines ländlichen Hauswirtschafters erlernt. Zuletzt war er versicherungspflichtig bis November 2005 bei der Firma S. B. T. beschäftigt gewesen.

Am 05.10.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Bei ihm liege seit Juni 2004 wegen eines Fatigue-Syndroms Arbeitsunfähigkeit vor. Der Rentenantrag erfolgte, nachdem der Kläger am 30.08.2005 durch den Betriebs- und Sozialmediziner Dr.E. auf Veranlassung eines privaten Krankenversicherungsunternehmens begutachtet worden war. Dieser hatte ein Fatigue-Syndrom mit körperlicher Leistungsschwäche, vermehrter Müdigkeit und Abgeschlagenheit angenommen und den dringenden Verdacht auf den chronischen Verlauf einer Neuro-Borreliose geäußert. Für die Tätigkeit als Datenmigrator mit Reisetätigkeit sei der Kläger berufsunfähig, aktuell sei seine Leistungsfähigkeit auf 1 bis 3 Stunden pro Tag herabgesunken.

Am 07.11.2005 wurde der Kläger durch die Internistin B. R. begutachtet, die bei ihm einen essentiellen Hypertonus ohne wesentliche Zeichen für anderweitige Organmanifestation und eine gemischte Hyperlipoproteinämie sowie eine laborchemisch ermittelte Hyperurikämie feststellte. Der Kläger müsse schwerste und schwere körperliche Arbeiten meiden, könne aber mittelschwere Tätigkeiten und auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Datenmigrator weiter ausüben. Am 21.11.2005 wurde der Kläger außerdem durch den Neurologen und Psychiater Prof.Dr.Dr.N. untersucht, der eine Anpassungsstörung diagnostizierte. Der Kläger könne bei Vermeidung besonderer Stressbelastung leichte und mittelschwere Arbeiten 6 Stunden täglich und mehr ausüben. Der beratende Arzt der Beklagten, Herr Dr.L., sah aufgrund der Unterlagen und Untersuchungen folgende Gesundheitsstörungen beim Kläger gegeben:
1. Leichte depressive Störung.
2. Bluthochdruck ohne leistungsmindernde Folgekrankheiten.
3. Stoffwechselstörungen bei Übergewicht; Leberzellschaden.

Mit Bescheid vom 13.12.2005 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab, da der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne zeitliche Einschränkung einsatzfähig sei.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 30.12.2005 Widerspruch ein. Er sei am 19.12.2005 aus einer stationären Rehabilitationsbehandlung arbeitsunfähig entlassen worden. Außerdem sei das diagnostizierte Fatigue-Syndrom nicht hinreichend berücksichtigt worden.

In einem Rehabilitationsentlassungsbericht des M.P. Bad R. vom 22.12.2005 sind folgende Diagnosen aufgeführt:
1. Chronic-Fatigue-Syndrom.
2. Zustand nach Neuro-Borreliose.
3. Arterielle Hypertonie.
4. Hyperurikämie.
Beim Kläger bestehe eine Einschränkung der länger andauernden körperlichen und kognitiven Belastbarkeit bei vorzeitiger Ermüdung und vermehrtem Schlafbedürfnis, sodass die Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge bzw. auch länger anhaltende Autofahrten z.B. über 1 1/2 Stunden ohne Pause eingeschränkt seien. Der Kläger sei aktuell arbeitsunfähig. Er könne ansonsten 6 Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.

Die Beklagte zog noch einen Bericht der Augenärztin Dr.Sch. bei, wonach der Kläger hypertone Netzhautveränderungen hat und eine Exophorie aufweist. Die beratende Ärztin der Beklagten K.H. und der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.S. sahen durch die vorliegenden Unterlagen eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers nicht als belegt an. Insbesondere hätten im Rahmen der Rehabilitation vorzeitige oder rasche Ermüdungserscheinungen nicht objektiviert werden können.

Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2006 den Widerspruch zurück und verwies den Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Mit Schreiben vom 18.04.2006 hat der Kläger am 19.04.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben. In parallelen Rechtsstreitigkeiten mit der Bundesagentur für Arbeit (SG B-Stadt Az. S 10 AL 309/06 und SG F-Stadt Az. S 13 AL 727/06) wurde ein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld verneint, da er für die Arbeitsverwaltung auf Grund der - trotz eines gegenteiligen Gutachtens - weiterhin geltend gemachten und von den behandelnden Ärzten bescheinigten Erkrankung nicht zur Verfügung gestanden habe.

Das SG hat im Rentenrechtsstreit Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr.E., Dr.Sch., Dr.R. sowie von der Universitätsklinik B-Stadt eingeholt.

Eine Arbeitgeberauskunft der Firma S. B. T. hat angegeben, dass der Kläger seit 1979 in der Anwender- und Anwendungsbetreuung beschäftigt gewesen sei und es sich hierbei um eine Tätigkeit gehandelt habe, für die üblicherweise 3 Jahre Vorbildung benötigt werde. Sie sei im einschlägigen Tarifvertrag in die höchste Lohnstufe H eingeordnet und der Kläger sei konkret nach H III entlohnt worden.

Daraufhin hat das SG ein Gutachten bei der Internistin, Kardiologin und Sozialmedizinerin Dr.H. eingeholt, das diese vor dem Verhandlungstermin am 28.11.2006 erstellte. Folgende Gesundheitsstörungen haben beim Kläger vorgelegen:
1. Chronisches Fatigue-Syndrom.
2. Anamnestisch vorbeschriebene, serologisch gesicherte Borreliose (nicht gesicherte Neuro-Borreliose).
3. Schwer einstellbare arterielle Hypertonie mit Linksherz-Hypertrophie bei noch erhaltener Pumpleistung des linken Herzens.
4. Nephrosklerose mit Proteinurie.
5. Enzymatischer Leberschaden.
6. Impingement-Syndrom Schulter beidseits mit endgradiger Funktionseinschränkung.
7. Diätetisch eingestellter Diabetes mellitus ohne Folgeschäden.
Der Kläger könne noch überwiegend leichte Arbeiten im Sitzen, im Stehen oder in wechselnder Stellung möglichst in geschlossenen Räumen in einem Umfang von mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Vermieden werden sollten Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord-, Fließbandarbeiten und Nachtschicht, Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, Überkopfarbeiten, ungünstige äußere Bedingungen mit häufigen Einflüssen von Kälte, Nässe, Zugluft und starken Temperaturschwankungen.

Auf Antrag des Klägers ist im Folgenden ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Arzt für Sozial- und Betriebsmedizin Dr.E. eingeholt worden, der seinerseits die Erstellung eines Zusatzgutachtens nach Aktenlage durch PD Dr.N. angeregt hat. Dr.E. ist in seinem Gutachten vom 18.01.2007 zum Ergebnis gekommen, dass beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen vorliegen würden:
1. Chronisches Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom (Fatigue-Syndrom) ursächlich bisher ungeklärt.
2. Zustand nach serologisch gesicherter Borreliose ohne sicheren Nachweis einer Neuro-Borreliose.
3. Arterielle Hypertonie, derzeit unter angegebener 6-fach bzw. 7-fach antihypertensiver Medikation unbefriedigend eingestellt; echokardiographisch grenzwertig großes linkes Atrium linker Ventrikel ohne wesentliche Linkshypertrophiezeichen und ohne Kontraktilitätsstörung.
4. Obstruktive Ventilationsstörung; derzeit ohne medikamentöse antiobstruktive Therapie.
5. Nephrosklerose mit Proteinurie.
6. Nutritiv-toxischer Leberparenchymschaden.
7. Hypercholesterinämie bei extremer Hypertriglyzeridämie.
8. Zustand nach Impingement-Syndrom der Schultergelenke beidseits mit derzeit endgradiger Funktionseinschränkung.
9. Anamnestisch diätpflichtiger Diabetes mellitus, derzeit HBA1C-Wert im Normbereich.
10. Leichtgradige Schwerhörigkeit rechts, mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit links bei Zustand nach Tympanoplastik links 1997. Zustand nach Otitis media links, Verdacht auf Cholistiatom-Rezidiv links.
Die schwankende Leistungsfähigkeit des Klägers, wie sie aus seinen Angaben zu entnehmen sei, könne gutachterlich nicht sicher nachvollzogen werden. Angeregt werde eine weitere diagnostische Aufklärung, insbesondere eine internistisch-kardiologische Begutachtung und eine neurologische Begutachtung. Das ursprünglich vorgesehene Zusatzgutachten durch Dr.N. sei nicht eingeholt worden, da sich dieser als befangen gesehen habe.

Nach Durchführung weiterer diagnostischer Maßnahmen in der Universitätsklinik B-Stadt und im Borreliose-Zentrum A. hat Dr.E. am 27.10.2007 ergänzend Stellung genommen: Als zusätzliche Gesundheitsstörung hat er eine rezidivierende Diarrhoe unklarer Genese genannt. Insgesamt ist er zum Ergebnis gekommen, dass dem Kläger eine weniger als 6-stündige, aber mehr als 3-stündige Tätigkeit bei überwiegend leichten Arbeiten überwiegend im Sitzen, gelegentlich stehend und gehend zumutbar sei. Vermieden werden sollten Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord- und Fließbandarbeit, Wechsel- oder Nachtschicht oder Arbeit an laufenden Maschinen, ferner Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen auf Treppen, Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr sowie Tätigkeiten mit vermehrter Alkoholexposition. Beim Gutachter seien erhebliche Zweifel hinsichtlich einer vollständigen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, d.h. eines Leistungsvermögens von weniger als 3 Stunden täglich verblieben. Schließlich sei die fahrradergometrische Belastbarkeit bei der Untersuchung bei Dr.S. im März 2007 als ausreichend beurteilt worden. Es fehle auch an einem wissenschaftlichen Nachweis der angegebenen physisch-psychischen Leistungsschwächen. Bei Einnahme einer medikamentösen antihypertensiven 7-fach-Therapie könne andererseits die körperliche Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit beeinträchtigt sein - eine regelmäßige Einnahme der Medikation vorausgesetzt. Es werde eine Heilbehandlung in einer überwiegend internistisch-kardiologischen Klinik empfohlen, die dann auch die zukünftige Leistungsbeurteilung erlaube.

Die Beklagte hat entgegnet, dass eine Rehabilitationsmaßnahme während eines laufenden Rentenverfahrens nicht sinnvoll sei und der Gutachter sich nach wie vor nicht festgelegt habe.

Am 13.03.2008 ist Dr.S. vom ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit in B-Stadt nach Aktenlage zum Ergebnis gekommen, dass das Leistungsvermögen des Klägers so eingeschränkt sei, dass er eine regelmäßige Tätigkeit von nennenswertem Umfang auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wohl nicht verrichten könne.

Das SG hat abschließend eine ergänzende Stellungnahme bei der Vorgutachterin Dr.H. erstellen lassen. Diese hat zunächst - wie von Dr.E. angeregt - als weitere Untersuchungen ein sog. Stressecho und eine Spiroergometrie durchführen lassen. Im Ergebnis hat die Gutachterin nach den eingeholten Befunden am 14.03.2008 festgestellt, dass eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers weiterhin nicht zu begründen sei.

Mit Urteil vom 16.06.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Aus den sozialmedizinischen Darlegungen der Dr.H. ergebe sich, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne zeitliche Einschränkung an geeigneten Arbeitsplätzen einsatzfähig sei. Die gegenläufige Auffassung des Dr.E. sei für das Gericht nicht maßgeblich gewesen, da sie noch vor der abschließenden Untersuchung mit der Fahrradstressechokardiographie und der Spiroergometrie durchgeführt worden sei.

Mit Schreiben vom 05.08.2008 hat der Kläger am 06.08.2008 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er sei allenfalls in der Lage, 1 bis 2 Stunden täglich einer sinnvollen Arbeit nachzugehen, da bei ihm aufgrund der erlittenen Borrelioseerkrankung ein extremes Müdigkeitssyndrom bestehe. Dies äußere sich in einer deutlich vermehrten Tagesmüdigkeit mit vermehrtem Schlafbedürfnis und einer verminderten körperlichen Belastbarkeit sowie einem körperlichen Leistungsmangel.

Der Neurologe und Pharmakologe Prof.Dr.G. hat den Kläger ab Sommer 2008 behandelt. Er ist zum Ergebnis gekommen, dass ein nach wie vor florider Entzündungsprozess vorliegen würde und es primär erforderlich sei, eine mehrmonatige immunstimulierende Behandlung durchzuführen, ehe mit der Antibiose begonnen werden könne.

Während des Berufungsverfahrens hat sich Dr.S. am 05.02.2009 erneut gutachterlich geäußert und ist bei seiner Auffassung verblieben, dass beim Kläger ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit nicht vorliege.

Der Senat hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr.E., Dr.B. und Dr.Sch. angefordert. In den Befundberichten ist geäußert worden, dass sich nun Folgeschäden der Hypertonie zeigen würden, während der Neuro-Borreliosekomplex kaum verändert sei.

Der Senat hat sodann ein Gutachten beim Internisten, Kardiologen und Pneumologen Dr.C. eingeholt, der in seinem Gutachten vom 10.07.2009 ausgeführt hat, dass beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen vorliegen würden:
1. Zustand nach Verbrennung linker Unterarm mit nachfolgender notwendiger Hauttransplantation ohne Bewegungseinschränkung im Bereich des verbrannten Armes links sowie der Hautentnahmestelle am linken Oberschenkel.
2. Vordiagnostizierte kombinierte Schwerhörigkeit links bei Zustand nach Tympanoplastik links 1997.
3. Verdacht auf Cholesteatom-Rezidiv links (übernommen), Zustand nach Operation eines Tubustumors links am linken Gehörgang sowie Zustand nach Kiefernhöhlenoperation 1979.
4. Schwere arterielle Hypertonie mit konsekutiv leichter Linksherzhypertrophie und diastolischer linksventrikulärer Dysfunktion, hypertensiven Netzhautveränderungen, Proteinurie, Verdacht auf hypertensive Nephropathie.
5. Diskrete Hyperurikämie.
6. Vordiagnostiziertes obstruktives Schnarchen, leichtgradige Schlafapnoe nicht auszuschließen.
7. Dyslipidämie.
8. Hypertriglyceridämie.
9. Erhöhte Serum-Gamma-GT-Konzentration ohne sonomorphologisches Korrelat und ohne Hinweis für Leberentgiftungs- oder Synthesestörung.
10. Vordiagnostiziertes Impingementsyndrom beider Schultern mit aktuell leichtgradiger Funktionseinschränkung.
11. Vordiagnostizierte Veränderungen der Rotatorenmanschette.
12. Anamnestisch: Chronische Diarrhoe.
13. Vordiagnostiziertes Chronic-Fatigue-Syndrom, möglicherweise Folge einer Borreliose.
Aus internistischer Sicht könne der Kläger noch eine mindestens 6-stündige Tätigkeit ausüben, wobei dies jedenfalls für leichte Tätigkeiten im Sitzen, im Stehen oder in wechselnder Stellung gelten würde. Gemieden werden müssten besondere Anforderungen an das Gehör, Tätigkeit mit Stressbelastung wie Nachtschicht und Wechselschicht, Überkopfarbeiten und der Umgang mit hepatotoxischen Substanzen. Aus internistischer Sicht sei auch nicht anzunehmen, dass sich auf streng neurologischem Fachgebiet eine Befundlage ergeben würde, die eine andere Einschätzung der Belastbarkeit erwarten lassen würde. Gleichwohl werde eine zusätzliche neurologische Begutachtung empfohlen, da die unklare Diagnose einer Neuro-Borreliose im Raum stehe.

Daraufhin ist ein Gutachten beim Nervenarzt Dr.F. eingeholt worden, das dieser am 21.09.2009 vorgelegt hat. Aus Sicht des neurologischen Fachgebietes seien keine Gesundheitsstörungen festzustellen und seitens des psychiatrischen Fachgebietes sei ein primäres Chronic-Fatigue-Syndrom genannt, das jedoch besser als Neurasthenie einzuordnen sei. Kognitive oder exekutiv-planerische Defizite hätten nicht festgestellt werden können. Es habe sich seit der Begutachtung durch Prof.Dr.Dr.N. im Jahre 2005 keine neue Situation ergeben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund der schweren arteriellen Hypertonie sei zu beachten; aus Sicht des nervenärztlichen Fachgebietes würden sich keine zusätzlichen Einschränkungen ergeben.

Der Kläger hat selbst umfangreich zu dem Gutachten Stellung genommen und verschiedene Textpassagen aus seiner Sicht korrigiert. Er hat außerdem eine weitere spezialisierte Untersuchung für erforderlich gehalten, um die Auswirkungen des Chronic-Fatigue-Syndroms näher einschätzen zu können.

Daraufhin hat der Senat ein Gutachten bei Prof.Dr.D. von der Abteilung für psychosomatische Medizin am eingeholt. Dieses Gutachten ist am 14.04.2011 erstellt worden und hat auf einer ausführlichen psychosomatischen Exploration am 16.08.2010 beruht. Es ist zum Ergebnis gekommen, dass aktuell beim Kläger eine Somatisierungsstörung, eine Neurasthenie und eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen sowie eine arterielle Hypertonie, eine Steatosis hepatis, eine Diarrhoe und ein Verdacht auf schädlichen Gebrauch von Alkohol vorliegen würden. Es handele sich hierbei um echte psychische Krankheitsbilder, die allerdings mit ärztlicher Hilfe in absehbarer Zeit zu überwinden seien. Dem Kläger sei eine mindestens 6-stündige leichte bis mittelschwere Tätigkeit noch zumutbar. Der Kläger sei auch noch in der Lage, sich auf berufliche Tätigkeiten umzustellen, die nicht von einfachster Art seien. Das Leistungsvermögen des Klägers habe sich im Laufe des Verfahrens nicht wesentlich verändert. Empfohlen werde ein stationärer psychosomatischer Aufenthalt von mindestens 8 bis 10 Wochen Dauer.

Der beratende Arzt der Beklagten, Dr.Sch., hat sich am 10.05.2011 dahingehend geäußert, dass auch dieses Gutachten ein ausreichendes Leistungsvermögen beim Kläger bestätigt habe, sodass eine quantitative Einschränkung der Erwerbsfähigkeit nicht gegeben sei.

Der Kläger hat vorbringen lassen, dass die Untersuchung bei Prof.Dr.D. nicht als ausführliche Exploration einzuordnen gewesen sei, sondern hierfür ein stationärer Aufenthalt habe dienen sollen, der dann jedoch nie anberaumt worden sei. Es seien auch einzelne Untersuchungsergebnisse nicht oder nicht richtig wiedergegeben worden. So seien unzutreffende Aussagen zum Vorliegen der Diarrhoe, der Zeckenbisse und des Borrelioseausschlusses gemacht worden. Der Kläger befinde sich seit Jahren in fachärztlicher Behandlung und biete seine ganze Willenskraft zur Genesung auf, ohne dass die Behandlung bisher Erfolg gehabt habe. Die empfohlenen Maßnahmen, etwa alle Blutdruckmedikamente abzusetzen, seien bereits versucht worden, hätten jedoch zu einer gefährlichen Blutdruckentgleisung geführt.

Es werde beantragt, ein weiteres Gutachten von Amts wegen auf dem Fachgebiet der Psychiatrie und psychosomatischen Medizin einzuholen. Im Übrigen ergebe sich bereits nach den Vorstellungen des Sachverständigen Erwerbsunfähigkeit, da mit dem beschriebenen Leistungsvermögen der Kläger nicht mehr in der Lage sei 3 bis 6 Stunden täglich zu arbeiten. Am 05.11.2011 hat der Kläger erklärt, dass er das Gutachten des Universitätsklinikums D-Stadt - d.h. von Prof.Dr.D. - für unschlüssig ansehe und den Antrag auf Einholung eines weiteren psychiatrischen und psychosomatischen Gutachtens von Amtswegen wiederhole.

Der Kläger beantragt,
die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet, da der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. D. sich nicht hinreichend mit dem beim Kläger vorliegenden Chronic-Fatigue-Syndrom auseinandergesetzt habe,
hilfsweise wird die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG ebenfalls auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet beantragt, wobei für die Benennung des Sachverständigen um eine Frist von vier Wochen gebeten werde,
hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.06.2008 und den Bescheid vom 13.12.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung, hilfsweise der teilweisen Erwerbsminderung ab Antragsstellung festzustellen und die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.06.2008 zurückzuweisen.

Sie hält an dem angefochtenen Urteil fest. Beim Kläger bestehe ein noch mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen.

Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 30.01.2012 (zugestellt an die Beteiligten am 19.11.2011) hat die Beklagte einen aktuellen Versicherungsverlauf vom 12.01.2012 vorgelegt. Der Verlauf weist letztmals für Februar 2006 rentenrechtlich relevante Zeiten beim Kläger aus.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Beklagtenakte und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente hat.

Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt nach § 43 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) voraus, dass ein Versicherter voll erwerbsgemindert ist, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufzuweisen hat und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 2 S 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs 1 SGB VI unterscheiden sich nur insoweit, als dort teilweise Erwerbsminderung gefordert wird, die bereits dann gegeben ist, wenn Versicherte nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig sind. Ergänzend führt § 43 Abs 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Leistungsfähigkeit des Klägers stellt sich folgendermaßen dar: Er ist noch in der Lage, 6 Stunden täglich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, wobei sich der Arbeitsplatz in einem geschlossenen, temperierten Raum befinden sollte. Der Kläger kann in Tag- und ggf. Spätschicht, aber nicht in Wechselschicht eingesetzt werden. Auch andere besondere Stressbelastungen und eine Exposition zu hepatotoxischen Substanzen sind zu vermeiden. Die Tätigkeiten sollten keine Lärmbelastung aufweisen, keine erhöhten Anforderungen an das Gehör stellen und nicht Überkopfarbeiten abfordern.

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit stützt sich der Senat wesentlich auf das Gutachten des Dr.C., der die somatischen Einschränkungen des Klägers umfassend ermittelt hat und diese sozialmedizinisch in eine Gesamtwürdigung mit den Feststellungen auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet zusammenfasst. Gegen dieses Gutachten sind auch keine dezidierten Einwände vorgetragen worden.

Weiter zeigen die Gutachten des Dr.F. und des Prof.Dr.D., dass die Gesundheitsstörungen des Klägers auf psychiatrischem und psychosomatischem Fachgebiet sich gegenüber dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung nicht wesentlich geändert haben. Dem scheint insoweit auch die Klägerseite zu folgen - jedoch unter Zugrundelegung ihrer anders gelagerten sozialmedizinischen Auffassung.

Die von der Klägerseite angenommene Unschlüssigkeit des Gutachtens des Prof.Dr. D. ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den aufgezählten Unstimmigkeiten nicht. Zwar können Ungenauigkeiten in der Faktenerhebung die Bedeutung der darauf aufbauenden Wertungen mindern oder im Extremfall entkräften. Im vorliegenden Fall sind Angaben z.B. zu den Erkrankungen im familiären Umfeld nach den Angaben des Klägers fehlerhaft; andererseits sind sie in gleicher Weise bereits anderweitig Akteninhalt, ist ein eindeutiger Gegenbeleg nicht vorhanden und die Bedeutung für die sozialmedizinische Wertung eher gering, weil hier eine mögliche Behandlungschance nicht im Zentrum der bedeutungserheblichen Fragestellungen stand. Ebenso stellen die vom Kläger gerügten Ausführungen zur sinnvollen Weiterbehandlung auf keine für die berufungsgerichtliche Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte ab. Die Beklagte hat den Kläger nicht zu irgendwelchen Behandlungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten aufgefordert gehabt.

Entscheidend ist die von den Sachverständigen mehrfach gestützte Bewertung der Leistungseinschränkungen und des zeitlichen Leistungsvermögens. Nach § 43 Abs 2 S 2 bzw. Abs 1 S 2 SGB VI ist für die medizinischen Voraussetzungen einer rentenbedeutsamen Erwerbsminderung erforderlich, dass die Einsatzfähigkeit eines Versicherten auf weniger als 3 bzw. 6 Stunden täglich herabgesunken ist. Beim Kläger ist nach den überzeugenden ärztlichen Feststellungen an geeigneten Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes weder eine zeitliche Einschränkung auf weniger als 3 Stunden, noch auf weniger als 6 Stunden festzustellen, so dass die medizinischen Voraussetzungen für keinen der Hilfsanträge des Klägers auf Rentengewährung unmittelbar erfüllt sind. Dr.H. beschreibt im Wesentlichen einen Bluthochdruck bei normaler Pumpfunktion des Herzens. Bei altersgemäßer durchschnittlicher Belastbarkeit waren kardiale Funktionseinschränkungen nicht festzustellen. Zudem seien die berichteten neurologischen Untersuchungen völlig unauffällig gewesen (Gutachten vom 28.11.2006/14.03.2008). Bei gleichen Diagnosen kommt Dr.E. mit der ergänzenden Stellungnahme vom 27.10.2007 nicht überzeugend zu einem unter 6-stündigen Leistungsvermögen. Er räumt schon selbst ein, dass aus seiner Sicht die Frage der Einschätzung der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Klägers nicht nachweislich evident sei. Bei der antihypertensiven Medikation könne aber eine Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit unterstellt werden. Die angegebenen physisch-psychischen Leistungsschwächen seien jedoch wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Hingegen weist Dr.C. zwar auf eine schwere arterielle Hypertonie hin, stellt aber fest, dass bisherige und aktuelle Belastungsuntersuchungen eine ausreichende Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten mehr als 6-stündig täglich zeigen (Gutachten vom 10.07.2009). Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit konnte auch auf dem psychiatrischen Gebiet nicht festgestellt werden. Mit Gutachten vom 21.09.2009 bestätigt Dr.F. ein Chronic-Fatigue-Syndrom (besser: Neurasthenie), allerdings ohne mentale, kognitive oder exekutiv-planerische Defizite zu finden. Krankhafte Befunde hätten auch weder durch neurologische, neuroradiologische noch neurophysiologische Untersuchungen festgestellt werden können. Auch Prof.Dr.L. geht von einer Neurasthenie und von einer mindestens 6-stündigen Leistungsfähigkeit aus (Gutachten vom 14.04.2011). Aufgrund des langjährigen Verlaufes nimmt er zusätzlich eine Somatisierungsstörung als eigenständiges psychisches Krankheitsbild an, ohne dass dies aber eine relevante zeitliche Einschränkung der täglichen Leistungsfähigkeit bedeuten würde. Zudem wäre - ohne dass es bei dem von Prof.Dr.D. beschriebenen sozialmedizinischen Leistungsbild noch darauf ankäme - das psychische Krankheitsgeschehen auch mit eigener zumutbarer Willensanstrengung und ärztlicher Hilfe in absehbarer Zeit überwindbar, wenn anders als bisher eine adäquate Therapie durchgeführt würde. Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw. psychiatrischem Gebiet noch nicht versucht bzw. noch nicht ausgeschöpft wurden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung nicht auf diese psychische Erkrankung gestützt werden (vgl. BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils veröffentlicht bei juris; Urteile des Bayer. Landessozialgerichts vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08, Urteil vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08, Urteil vom 18.01.2012 - L 20 R 979/09).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann zwar in einigen speziellen Fällen (sogenannten Katalogfällen) auch bei einer an sich 6-stündigen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine volle Erwerbsminderung vorliegen (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 43 SGB VI Rn. 37 m.w.N.). Ein derartiger Fall liegt beim Kläger jedoch nicht vor. Insbesondere ist keine Summierung von ungewöhnlichen Einschränkungen zu beobachten gewesen. Zu der Beschränkung auf körperlich leichte Tätigkeiten treten im Wesentlichen die Forderungen hinzu, dass die Tätigkeit in geschlossenen Räumen und nicht unter besonderen Stressbedingungen zu erfolgen habe. Dies stellt jedoch keine so weitgehende zusätzliche Beschränkung dar, dass aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt so viele weitere wesentliche Einsatzbereiche herausfallen würden, dass deswegen eine konkrete Verweisungstätigkeit anzugeben gewesen wäre. Ebenso wenig ergibt sich dies aus der zusätzlichen Einschränkung, dass keine besonderen Anforderungen an das Gehör zu stellen seien.

Dementsprechend sind weder die Voraussetzungen für volle noch für teilweise Erwerbsminderung nach § 43 Abs 1 und 2 SGB VI erfüllt, weil beim Kläger nach allen Gutachten - trotz gegenteiligen unmittelbaren Wortlauts bei Dr.E. - noch das Bestehen eines mindestens 6-stündiges Einsatzvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzunehmen ist und keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden musste.

Eine aktuelle Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des Klägers seit der letzten Begutachtung ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht. Sie wäre aber auch ohne Belang für einen Erfolg der Berufung, da der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen aktuellen medizinischen Leistungsfall nicht mehr erfüllt. Nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf wäre letztmals bei einem im März 2008 eingetretenen medizinischen Leistungsfall die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen möglich gewesen. Die Anwendung von § 241 Abs 2 SGB VI scheitert daran, dass der Kläger vor dem 01.01.1984 noch nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt gehabt hatte. Insofern sind weitere Ermittlungen zur aktuellen gesundheitlichen Situation des Klägers auch nicht erforderlich.

Weitere Ermittlungen des Senats waren auch nicht veranlasst. Die Ermittlungen auf ärztlichem Gebiet haben zunächst das internistische und neurologisch-psychiatrische Fachgebiet durch Gutachten abgedeckt und sind vom Senat durch Einholung eines weiteren Gutachtens auf psychosomatischem Gebiet zusammenfassend erweitert worden. Der insbesondere auf psychosomatischem Gebiet tätige Gutachter Prof.Dr.D. ist in seinem Gutachten auch darauf eingegangen, dass in den Vorgutachten von einem Chronic-Fatigue-Syndrom beim Kläger die Rede war; er hat die beim Kläger feststellbaren Müdigkeitssymptome und die körperliche und geistige Schwäche jedoch besser in der Diagnose der Neurasthenie abgebildet gesehen. Entscheidend für die sozialmedizinische Beurteilung ist jedoch nicht die Diagnose, sondern die Auswirkung gesundheitlicher Einschränkungen auf das Erwerbsleben. Prof.Dr.D. hat diese Einschränkungen umfassend ermittelt, dargestellt und überzeugend beurteilt. Weitere Ermittlungen hat er aus seiner ärztlichen Sicht nicht für erforderlich angesehen. Dafür dass er gegenüber dem Kläger eine stationäre Untersuchung als notwendig angesehen habe, gibt es keine Belege. Für den Senat ergaben sich aus den vorliegenden Gutachtensergebnissen unter Einbeziehung der Feststellungen des Prof.Dr.D. ausreichende Beweisergebnisse für eine darauf aufbauende Anwendung der rentenrechtlichen Vorschriften. Weitere Ermittlungen von Amts wegen (§§ 103, 106 SGG) - insbesondere durch stationäre Untersuchungen - erschienen dementsprechend nicht geboten. Zudem lag auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet auch noch das Gutachten des Dr.F. vor. Dem Antrag der Klägerseite auf eine weitere Gutachtenseinholung von Amts wegen war daher nicht zu entsprechen.

Der Senat sah sich auch nicht gehalten, der hilfsweisen Benennung eines Sachverständigen nach § 109 SGG nachzukommen. § 109 Abs 1 S 1 SGG bestimmt zwar, dass auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden muss. Vorliegend war aber der Antrag abzulehnen, da durch seine Zulassung und die Gutachtenseinholung der Rechtsstreit verzögert worden wäre (§ 109 Abs 2 SGG). Nach der Überzeugung des Senats hätte der Antrag vorher vorgebracht können und auch müssen (§ 109 Abs 2 Alt 2 SGG). Da der Senat von der Entscheidungsreife ausging und damit das Verfahren noch an diesem Verhandlungstag zum Abschluss hätte gebracht werden können, ist eine Verzögerung der Erledigung durch eine Vertagung und die Einholung eines weiteren Gutachtens offensichtlich. Der Rechtstreit war zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden, nachdem sich die Beteiligten zuvor nicht mit einer vom Senat für möglich angesehenen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatten. Die mündliche Verhandlung war trotz eines ausdrücklich aufrechterhaltenen Antrags auf Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen terminiert worden, wobei die Ladung mehr als zwei Monate vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung erfolgte. Hieraus hätte ersehen werden müssen, dass ein Gutachten von Amts wegen vom Senat nicht beabsichtigt ist. Insbesondere aufgrund der Zeitdauer bis zur Verhandlung wäre es einleuchtend gewesen, den Antrag nach § 109 SGG nicht erst in der mündlichen Verhandlung zu stellen. Der Senat kam daher nach reiflicher Abwägung der Belange zum Ergebnis, dem Antrag nicht zu entsprechen.

Die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 1 und 2 SGB VI kommt daher nicht in Betracht. Der Kläger hat die erforderlichen medizinischen Voraussetzungen und ab April 2008 zusätzlich auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Da der Kläger nicht zu dem von § 240 Abs 1 Nr 1 SGB VI erfassten Personenkreis gehört - er ist nach dem 01.01.1961 geboren -, kommt es ferner nicht darauf an, ob er berufsunfähig im Sinne dieser Vorschrift ist oder nicht.

Die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils sind im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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