Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 20 SO 166/11 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 14. Juni 2011 gegen den Rückforderungs- und Aufrechnungsbescheid vom 25. Mai 2011 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung mit Wirkung ab 25. Juli 2011 unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, bewilligt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen die Rückforderung und Aufrechnung von Grundsicherungsleistungen.
Die in Moskau geborenen Antragsteller erhalten von der Antragsgegnerin Leistungen der Grundsicherung seit 01.01.2003 nach dem Grundsicherungsgesetz, seit dem 01.01.2005 nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs, 12. Buch – SGB XII -. Mit Bescheid vom 12.04.2011 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.05.2011 bis 30.04.2012 in Höhe von monatlich 1.115,14 EUR (Regelbedarf und Kosten der Unterkunft). Auf mehrfache Nachfrage der Antragsgegnerin legten die Antragsteller im Mai 2011 Nachweise über den Bezug russischer Rentenleistungen vor, aufgrund derer die Antragsgegnerin nach Umrechnung von Rubel in Euro aufgrund einzusetzenden Einkommens einen Überzahlbetrag der bewilligten Grundsicherung ermittelte mit der Feststellung eines Rückzahlungsbetrages in Höhe von 2.201,62 EUR.
Mit Bescheid vom 25.05.2011 (nach Angaben der Antragsteller, in der Verwaltungsakte befindlich auf Blatt 285 f. mit Bescheiddatum 22.06.2011) erklärte die Antragsgegnerin die Rücknahme der "Bewilligungsbescheide vom 01.01.2011" mit Wirkung ab 01.07.2006 teilweise gemäß § 48 Sozialgesetzbuch, 10. Buch – SGB X -; die zuviel erbrachten Grundsicherungsleistungen im Zeitraum Januar 2011 bis Mai 2011 in Höhe von 2.201,62 EUR seien gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Es werde darauf hingewiesen, dass noch Rentenbescheide bzw. die Zahlungen von 2008, 2009 und 2010 berechnet würden. Der Rückforderungsbetrag werde gemäß § 26 SGB XII mit den zukünftigen Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 50,- EUR aufgerechnet, wozu der sofortige Vollzug angeordnet werde. Zur Begründung führte sie an, die Verhältnisse, die unmittelbar Einfluss auf den Umfang des Leistungsanspruchs hätten, hätten sich nachweislich verändert, weswegen zumindest für die Zukunft auszuschließen sei, dass weiter zu Unrecht Leistungen gezahlt würden; dadurch sei auch ausgeschlossen, dass die Antragstellerin Rückzahlungsforderungen in entsprechendem Umfang ausgesetzt würde. Ihr mögliches Interesse an einer unveränderten Weitergewährung der Grundsicherungsleistungen habe gegenüber dem besonderen öffentlichen Interesse an einer gesetzmäßigen Gewährung von steuerfinanzierten Sozialleistungen zurückzutreten.
Die Antragsteller erhoben durch ihren Bevollmächtigten am 14.06.2011 Widerspruch sowohl gegen die Rückforderung als auch gegen die Aufrechnung. Es bestehe kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug. Im Übrigen sei anzugeben, welcher monatlichen Zufluss russischer Rente zu welchem Rubelkurs die Antragsgegnerin zugrunde gelegt habe. Auch seien Bankgebühren in Höhe von mindestens 30,- EUR monatlich für den Transfer zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 20.07.2011 berechnete die Antragsgegnerin die Grundsicherung für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 neu in Höhe monatlich 680,67 EUR unter Anrechnung ausländischer Rente für die Antragstellerin zu 1. in Höhe von 249,33 EUR und für den Antragsteller zu 2. in Höhe von 199,24 EUR. Mit Bescheid vom 21. Juli 2011 nahm die Antragsgegnerin die Bewilligungsbescheide vom 01.01.2008 bis 31.12.2010 mit sofortiger Wirkung gemäß § 48 SGB X und forderte unter Darlegung einzelner Beträge insgesamt 10.234,68 EUR von den Antragstellern zurück mit der Maßgabe monatlicher Aufrechnung in Höhe von 50,- EUR mit den zukünftigen Grundsicherungsleistungen, wozu der Sofortvollzug angeordnet wurde. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die Antragsteller seien verpflichtet gewesen, den Bezug der russischen Rente anzugeben; das Verschweigen erfülle den Tatbestand des Sozialhilfebetruges. Die Antragsteller hätten sich bereits in der Vergangenheit um eine Überweisung der Renten – ggfs. durch eine Privatperson – kümmern müssen. Im Übrigen wiederholte sie die bereits gegebene Begründung im Bescheid vom 25.05.2011. Mit Schreiben vom gleichen Tag forderte die Antragsgegnerin die Antragsteller zur Mitteilung und Nachweis auf, seit wann und in welcher Höhe die russischen Rentenleistungen bezogen würden – bezogen auf den Zeitraum seit 01.07.2006. Gegen den Bescheid vom 20.07.2011 wurde am 27.07.2011, gegen den Bescheid vom 21.07.2011 wurde am 29.08.2011 Widerspruch erhoben.
Am 25.07.2011 haben die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz begehrt und dazu auf eine frühere Entscheidung des Gerichts durch Beschluss vom 06.04.2010 (Az.: S 20 SO 243/10 ER) verwiesen.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 14. Juni 2011 gegen den Rückforderungs- und Aufrechnungsbescheid vom 25. Mai 2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, der Sofortvollzug liege im öffentlichen Interesse. Die monatliche Rate von 50,- EUR entspreche weniger als 14 % des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes und sei daher angemessen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung sind.
II.
Der Antrag ist zulässig und auch sachlich begründet. Die aufschiebende Wirkung des am 14.06.2011 erhobenen Widerspruchs gegen den Rückforderungs- und Aufrechnungsbescheid vom 25.05.2011 war wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Grundsätzlich haben zwar Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG), so dass vorliegend allein schon die Einlegung des Widerspruchs mit Schriftsatz vom 27. Mai 2011 die Wirkung des letzten, soweit vorhandenen, Bewilligungsbescheides hätte aufleben lassen können. Die aufschiebende Wirkung entfällt indes unter anderem in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG). Eine solche Anordnung liegt mit dem Bescheid vom 25. Mai 2011 vor.
Das Gericht der Hauptsache kann sodann auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs, der keine aufschiebende Wirkung hat, gemäß § 86b Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGG anordnen. Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Dies ist in entsprechender Anwendung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 86a Rdnr.27). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens findet eine Abwägung der Folgen statt, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung nicht erginge, der Widerspruch/die Klage aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage/dem Widerspruch aber der Erfolg zu versagen wäre (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 86a Rdnr.12e).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 25. Mai 2011 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, denn an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen jedenfalls ernsthafte Zweifel, was die Begründung der Anordnung zum Sofortvollzug gemäß § 86a Abs.2 Nr. 5 SGG angeht. Der Widerspruch der Antragsteller vom 14.06.2011 ist zulässig, insbesondere fristgemäß binnen Monatsfrist erhoben (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfordert formell gemäß §86a Abs.2 Nr. 5 SGG die schriftliche Begründung dafür, warum das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes im konkreten Einzelfall entgegen der gesetzlichen Grundregel ausnahmsweise überwiegt. Als Ausfluss der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs.4 Satz 1 Grundgesetz – GG – soll die Begründungspflicht gewährleisten, dass die Behörde sich selbst kontrolliert und eine Übersicht über die Interessengegensätze gewinnt, und dabei Transparenz und Rechtsklarheit für den Betroffenen schaffen und ihm die Möglichkeit eröffnen, den Rechtsweg zu beschreiten (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 29.12.2008 – L 7 SO 62/08 B ER – verfügbar in juris). Die schriftliche Begründung muss daher sämtliche Gesichtspunkte enthalten, die für die Behörde entscheidungsrelevant waren, und darlegen, inwieweit die Anordnung der sofortigen Vollziehung im konkreten Fall dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. Hess. LSG a. a. O. mit weiteren Nachweisen).
Diesen Anforderungen genügt die vorliegend für die Anordnung des Sofortvollzuges gegebene Begründung nicht. Diese beschränkt sich nämlich allein auf die Darlegung der Annahme, dass zumindest für die Zukunft die weitere Auszahlung der nach Auffassung der Antragsgegnerin unberechtigten Leistungen an die Antragstellerin vermieden werden müsse – auch in deren eigenem Interesse, um (weiteren) Rückzahlungsforderungen zu entgehen. Begründet wird damit allenfalls, dass die Anrechnung der Rentenzahlung aus Russland für zukünftige Leistungszeiträume sofort vorzunehmen sei mit der Folge eines geringeren Leistungsbetrages. Mit keinem Wort bezieht die Antragsgegnerin sich dabei in ihrer Begründung jedoch auf die verfügte sofortige Durchsetzung der ausgesprochenen Rückzahlungsforderung durch Aufrechnung mit einem monatlichen Betrag in Höhe von 14 % des Regelsatzes. Warum auch bezüglich der Rückabwicklung angenommener fehlgeschlagener Leistungen eine Abwägung zugunsten des öffentlichen Interesses ausgefallen sein soll, ist in keiner Weise erkennbar; vielmehr erscheint fraglich, ob die gebotene Abwägung diesbezüglich unter Beachtung der Einzelfallumstände überhaupt stattgefunden hat, wozu Überlegungen oder Argumente nicht dargelegt sind, insbesondere nicht zu der Frage, ob die angerechneten russischen Rentenzahlungen der Antragsteller tatsächlich zur Verfügung standen bzw. stehen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist damit rechtswidrig und verletzt die Antragsteller in ihren Rechten, sodass bereits aus diesem Grund die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen war mit der Folge, dass den Antragstellern - jedenfalls was die erklärte Rückforderung und Aufrechnung gemäß Bescheid vom 25.05.2011 angeht - die gemäß dem letzten Bewilligungsbescheid zugesprochenen Leistungen in vollem Umfang aus- und nachzuzahlen sind. Die weiter ergangenen und angefochtenen Bescheide vom 20.07.2011 und 21.07.2011 sind weder ausdrücklich noch rechtschutzzielrelevant erkennbar Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens geworden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung mit Wirkung ab 25. Juli 2011 unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, bewilligt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen die Rückforderung und Aufrechnung von Grundsicherungsleistungen.
Die in Moskau geborenen Antragsteller erhalten von der Antragsgegnerin Leistungen der Grundsicherung seit 01.01.2003 nach dem Grundsicherungsgesetz, seit dem 01.01.2005 nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs, 12. Buch – SGB XII -. Mit Bescheid vom 12.04.2011 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.05.2011 bis 30.04.2012 in Höhe von monatlich 1.115,14 EUR (Regelbedarf und Kosten der Unterkunft). Auf mehrfache Nachfrage der Antragsgegnerin legten die Antragsteller im Mai 2011 Nachweise über den Bezug russischer Rentenleistungen vor, aufgrund derer die Antragsgegnerin nach Umrechnung von Rubel in Euro aufgrund einzusetzenden Einkommens einen Überzahlbetrag der bewilligten Grundsicherung ermittelte mit der Feststellung eines Rückzahlungsbetrages in Höhe von 2.201,62 EUR.
Mit Bescheid vom 25.05.2011 (nach Angaben der Antragsteller, in der Verwaltungsakte befindlich auf Blatt 285 f. mit Bescheiddatum 22.06.2011) erklärte die Antragsgegnerin die Rücknahme der "Bewilligungsbescheide vom 01.01.2011" mit Wirkung ab 01.07.2006 teilweise gemäß § 48 Sozialgesetzbuch, 10. Buch – SGB X -; die zuviel erbrachten Grundsicherungsleistungen im Zeitraum Januar 2011 bis Mai 2011 in Höhe von 2.201,62 EUR seien gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Es werde darauf hingewiesen, dass noch Rentenbescheide bzw. die Zahlungen von 2008, 2009 und 2010 berechnet würden. Der Rückforderungsbetrag werde gemäß § 26 SGB XII mit den zukünftigen Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 50,- EUR aufgerechnet, wozu der sofortige Vollzug angeordnet werde. Zur Begründung führte sie an, die Verhältnisse, die unmittelbar Einfluss auf den Umfang des Leistungsanspruchs hätten, hätten sich nachweislich verändert, weswegen zumindest für die Zukunft auszuschließen sei, dass weiter zu Unrecht Leistungen gezahlt würden; dadurch sei auch ausgeschlossen, dass die Antragstellerin Rückzahlungsforderungen in entsprechendem Umfang ausgesetzt würde. Ihr mögliches Interesse an einer unveränderten Weitergewährung der Grundsicherungsleistungen habe gegenüber dem besonderen öffentlichen Interesse an einer gesetzmäßigen Gewährung von steuerfinanzierten Sozialleistungen zurückzutreten.
Die Antragsteller erhoben durch ihren Bevollmächtigten am 14.06.2011 Widerspruch sowohl gegen die Rückforderung als auch gegen die Aufrechnung. Es bestehe kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug. Im Übrigen sei anzugeben, welcher monatlichen Zufluss russischer Rente zu welchem Rubelkurs die Antragsgegnerin zugrunde gelegt habe. Auch seien Bankgebühren in Höhe von mindestens 30,- EUR monatlich für den Transfer zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 20.07.2011 berechnete die Antragsgegnerin die Grundsicherung für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 neu in Höhe monatlich 680,67 EUR unter Anrechnung ausländischer Rente für die Antragstellerin zu 1. in Höhe von 249,33 EUR und für den Antragsteller zu 2. in Höhe von 199,24 EUR. Mit Bescheid vom 21. Juli 2011 nahm die Antragsgegnerin die Bewilligungsbescheide vom 01.01.2008 bis 31.12.2010 mit sofortiger Wirkung gemäß § 48 SGB X und forderte unter Darlegung einzelner Beträge insgesamt 10.234,68 EUR von den Antragstellern zurück mit der Maßgabe monatlicher Aufrechnung in Höhe von 50,- EUR mit den zukünftigen Grundsicherungsleistungen, wozu der Sofortvollzug angeordnet wurde. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die Antragsteller seien verpflichtet gewesen, den Bezug der russischen Rente anzugeben; das Verschweigen erfülle den Tatbestand des Sozialhilfebetruges. Die Antragsteller hätten sich bereits in der Vergangenheit um eine Überweisung der Renten – ggfs. durch eine Privatperson – kümmern müssen. Im Übrigen wiederholte sie die bereits gegebene Begründung im Bescheid vom 25.05.2011. Mit Schreiben vom gleichen Tag forderte die Antragsgegnerin die Antragsteller zur Mitteilung und Nachweis auf, seit wann und in welcher Höhe die russischen Rentenleistungen bezogen würden – bezogen auf den Zeitraum seit 01.07.2006. Gegen den Bescheid vom 20.07.2011 wurde am 27.07.2011, gegen den Bescheid vom 21.07.2011 wurde am 29.08.2011 Widerspruch erhoben.
Am 25.07.2011 haben die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz begehrt und dazu auf eine frühere Entscheidung des Gerichts durch Beschluss vom 06.04.2010 (Az.: S 20 SO 243/10 ER) verwiesen.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 14. Juni 2011 gegen den Rückforderungs- und Aufrechnungsbescheid vom 25. Mai 2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, der Sofortvollzug liege im öffentlichen Interesse. Die monatliche Rate von 50,- EUR entspreche weniger als 14 % des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes und sei daher angemessen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung sind.
II.
Der Antrag ist zulässig und auch sachlich begründet. Die aufschiebende Wirkung des am 14.06.2011 erhobenen Widerspruchs gegen den Rückforderungs- und Aufrechnungsbescheid vom 25.05.2011 war wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Grundsätzlich haben zwar Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG), so dass vorliegend allein schon die Einlegung des Widerspruchs mit Schriftsatz vom 27. Mai 2011 die Wirkung des letzten, soweit vorhandenen, Bewilligungsbescheides hätte aufleben lassen können. Die aufschiebende Wirkung entfällt indes unter anderem in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG). Eine solche Anordnung liegt mit dem Bescheid vom 25. Mai 2011 vor.
Das Gericht der Hauptsache kann sodann auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs, der keine aufschiebende Wirkung hat, gemäß § 86b Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGG anordnen. Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Dies ist in entsprechender Anwendung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 86a Rdnr.27). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens findet eine Abwägung der Folgen statt, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung nicht erginge, der Widerspruch/die Klage aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage/dem Widerspruch aber der Erfolg zu versagen wäre (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 86a Rdnr.12e).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 25. Mai 2011 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, denn an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen jedenfalls ernsthafte Zweifel, was die Begründung der Anordnung zum Sofortvollzug gemäß § 86a Abs.2 Nr. 5 SGG angeht. Der Widerspruch der Antragsteller vom 14.06.2011 ist zulässig, insbesondere fristgemäß binnen Monatsfrist erhoben (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfordert formell gemäß §86a Abs.2 Nr. 5 SGG die schriftliche Begründung dafür, warum das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes im konkreten Einzelfall entgegen der gesetzlichen Grundregel ausnahmsweise überwiegt. Als Ausfluss der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs.4 Satz 1 Grundgesetz – GG – soll die Begründungspflicht gewährleisten, dass die Behörde sich selbst kontrolliert und eine Übersicht über die Interessengegensätze gewinnt, und dabei Transparenz und Rechtsklarheit für den Betroffenen schaffen und ihm die Möglichkeit eröffnen, den Rechtsweg zu beschreiten (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 29.12.2008 – L 7 SO 62/08 B ER – verfügbar in juris). Die schriftliche Begründung muss daher sämtliche Gesichtspunkte enthalten, die für die Behörde entscheidungsrelevant waren, und darlegen, inwieweit die Anordnung der sofortigen Vollziehung im konkreten Fall dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. Hess. LSG a. a. O. mit weiteren Nachweisen).
Diesen Anforderungen genügt die vorliegend für die Anordnung des Sofortvollzuges gegebene Begründung nicht. Diese beschränkt sich nämlich allein auf die Darlegung der Annahme, dass zumindest für die Zukunft die weitere Auszahlung der nach Auffassung der Antragsgegnerin unberechtigten Leistungen an die Antragstellerin vermieden werden müsse – auch in deren eigenem Interesse, um (weiteren) Rückzahlungsforderungen zu entgehen. Begründet wird damit allenfalls, dass die Anrechnung der Rentenzahlung aus Russland für zukünftige Leistungszeiträume sofort vorzunehmen sei mit der Folge eines geringeren Leistungsbetrages. Mit keinem Wort bezieht die Antragsgegnerin sich dabei in ihrer Begründung jedoch auf die verfügte sofortige Durchsetzung der ausgesprochenen Rückzahlungsforderung durch Aufrechnung mit einem monatlichen Betrag in Höhe von 14 % des Regelsatzes. Warum auch bezüglich der Rückabwicklung angenommener fehlgeschlagener Leistungen eine Abwägung zugunsten des öffentlichen Interesses ausgefallen sein soll, ist in keiner Weise erkennbar; vielmehr erscheint fraglich, ob die gebotene Abwägung diesbezüglich unter Beachtung der Einzelfallumstände überhaupt stattgefunden hat, wozu Überlegungen oder Argumente nicht dargelegt sind, insbesondere nicht zu der Frage, ob die angerechneten russischen Rentenzahlungen der Antragsteller tatsächlich zur Verfügung standen bzw. stehen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist damit rechtswidrig und verletzt die Antragsteller in ihren Rechten, sodass bereits aus diesem Grund die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen war mit der Folge, dass den Antragstellern - jedenfalls was die erklärte Rückforderung und Aufrechnung gemäß Bescheid vom 25.05.2011 angeht - die gemäß dem letzten Bewilligungsbescheid zugesprochenen Leistungen in vollem Umfang aus- und nachzuzahlen sind. Die weiter ergangenen und angefochtenen Bescheide vom 20.07.2011 und 21.07.2011 sind weder ausdrücklich noch rechtschutzzielrelevant erkennbar Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens geworden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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