Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 KR 568/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
&8195; Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten aus 1,11 EUR ab de, 04.06.2010 sowie aus je 1,96 EUR ab dem 06.05.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten. Die Streitwertfestsetzung bleibt einem gesonderten Beschluss vorbehalten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Vergütung für verschiedene Krankentransporte, die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie eine Verurteilung der Beklagten, künftige Vergütungsansprüche nicht von einer Vorabgenehmigung nach § 60 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) abhängig zu machen.
Der Kläger betreibt als Einzelkaufmann ein zum Krankentransport zugelassenes Unternehmen und hat in der Zeit seit März 2010 u.a. zehn verschiedene Versicherte der Beklagten einmal oder mehrmals zu ambulanten Behandlungen befördert. Die Beklagte verweigerte - bis auf zwei Fälle, in dem sie nur die geltend gemachten Verzugszinsen nicht bezahlte - die Vergütung im Wesentlichen unter Hinweis auf fehlende Vorabgenehmigungen nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
Am 26.05.2011 hat der Kläger Klage erhoben.
Die Beklagte hat die Verzugszinsen hinsichtlich dreier Transporte (der Versicherten L. am 31.03.2010 und 01.04.2010 und des Versicherten K. am 01.05.2010) anerkannt.
Der Kläger verweist hinsichtlich der Unabhängigkeit der Vergütungsansprüche von einer Vorabgenehmigung auf Urteile des Hessischen LSG (vom 16.02.2012, L 8 KR 243/11), des SG Hamburg (vom 16.04.2010, S 34 KR 1458/08) und des SG Trier (vom 16.02.2011, S 5 KR 147/09). Auch stelle eine fehlende Versichertenquittung keinen Grund zur Leistungsverweigerung dar. Der Vertrag über die die Durchführung und Vergütung von Krankentransportleistungen zwischen u.a. der Beklagten und dem Verband der privaten Krankenbeförderungsunternehmen e.V. (i.F.: Vertrag nach § 133 SGB V) regele in § 6 Abs. 3 abschließend die Fälle, in denen die Vergütung verweigert werden dürfe. Eine fehlende Versichertenquittung gehöre nicht dazu. Überdies seien die per Krankentransport beförderten Versicherten regelmäßig so krank, dass ihnen eine Unterschrift nicht abverlangt werden dürfe. Jedenfalls in der Vergangenheit sei es üblich gewesen, auf derartige Quittungen zu verzichten. Schließlich missachte die Beklagte ein rechtskräftiges Urteil des SG Hamburg. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen seien derzeit nicht möglich. Auch habe das SG Berlin (mit Urteil vom 02.09.2011, S 81 KR 372/11) die AOK N. zur Unterlassung der Behauptung verurteilt, Einsätze mit dem Krankentransportwagen müssten vorab genehmigt werden. Auf eine Veranlassung des Landesverbandes der privaten Krankenbeförderungsunternehmen zu einer Verbandsklage aufgrund von § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V i.V.m. § 33 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) habe er bislang verzichtet.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.689,70 EUR zuzüglich bis zum 23.05.2011 berechneter Verzugszinsen in Höhe von 90,46 EUR zuzüglich weiterer Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 24.05.2011 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Rechtsanwaltskosten in Höhe von 315,59 EUR zuzüglich hierauf seit dem 08.05.2010 bis zum 23.05.2011 berechneter Verzugszinsen in Höhe von 20,93 EUR zuzüglich weiterer Verzugszinsen ab dem 24.05.2011 in Höhe von 8 Prozentpunkten zu zahlen,
3. hilfsweise für den Fall, dass der Klageantrag zu 1. abgewiesen wird, die Beklagte zu verurteilen, es künftig zu unterlassen, die Zahlung des Entgelts für einen vertragsärztlich verordneten Krankentransport wegen einer angeblich vorher einzuholenden Genehmigung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu verweigern.
&8195; Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V spreche unmissverständlich vom Erfordernis einer Vorabgenehmigung. Das LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 13.04.2011, L 9 KR 189/08), das SG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.10.2010, S 18 KR 47/08) und zuletzt auch das SG Düsseldorf (Urteil vom 07.03.2012, S 34 KR 227/09) hätten diese Auslegung bestätigt. Auch habe das zuständige Bundesministerium die aufgrund der §§ 60 Abs. 1 Satz 3, 92 Abs. 1 Satz 3 Nr. 12 SGB V vom Gemeinsamen Bundeausschuss beschlossenen Richtlinien nicht beanstandet. Aus der Rechtsprechung des BSG zum Anspruch der Versicherten auf die Beförderung in einem Krankenkraftwagen (Urteil vom 29.11.1995, BSGE 77, 119) ergebe sich, dass diese Sachleistung einem Genehmigungsvorbehalt unterliege. Für die Vergütungsansprüche des Leistungserbringers müsse dies ebenfalls gelten. Weiterhin habe das BSG betont, dass Vergütungsregelungen im Allgemeinen streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregelungen auszulegen seien (Urteil vom 03.08.2006, B 3 KR 7/05 R). Was die Versichertenquittung angehe, sei diese aufgrund § 1 Abs. 3 des Vertrages nach § 133 SGB V verbindlich vorgesehen. Der Vortrag des Klägers zu Unzumutbarkeit einer Unterschriftsleistung durch die Versicherten sei nicht substantiiert. Im Übrigen habe es auch keinen Fall gegeben, in dem die Beklagte eine Vergütung einzig wegen einer fehlenden Quittung abgelehnt habe. Schließlich habe das vom Kläger angeführte Urteil des SG Hamburg, dem die Beklagte nachgekommen sei, allein Wirkung im Einzelfall und zwischen den Beteiligten entfaltet, zumal der Kläger unerwähnt lasse, dass ein Feststellungsantrag derzeit abgewiesen worden sei.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
&8195;
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist weit überwiegend unbegründet.
A.) Begründet ist sie nur hinsichtlich der Verzugszinsen wegen der Transporte der Versicherten L. am 31.03.2010 und 01.04.2010 und des Versicherten K. am 01.05.2010, wie die Beklagte im Übrigen auch selbst eingeräumt hat. Insoweit schuldet die Beklagte auch Verzugs- und Prozesszinsen.
B.) Darüber hinaus kann der Kläger von der Beklagten nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) weder Vergütung der Transporte der ungenehmigten (dazu I) oder nicht quittierten (dazu II) Transporte verlangen noch hat er Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten (dazu C) oder – was er im Hilfsantrag geltend gemacht hat – auf Verurteilung der Beklagten zu einem zukünftigen Unterlassen (dazu D).
I.) Ein Vergütungsanspruch (§§ 133, 60 SGB V i.V.m. dem aufgrund § 133 SGB V geschlossenen Vertrag und dem Dienstleistungsanspruch des Versicherten) besteht weiterhin in all denjenigen Fällen nicht, in denen die erforderliche Vorabgenehmigung der Beklagte gefehlt hat.
1.) a) Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 der Vorschrift die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall, § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung (unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages) nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat, § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
b) Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse die Fahrkosten in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages 1. bei Leistungen, die stationär erbracht werden; dies gilt bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus nur, wenn die Verlegung aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist, oder bei einer mit Einwilligung der Krankenkasse erfolgten Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus, 2. bei Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist, 3. bei anderen Fahrten von Versicherten, die während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen dies auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist (Krankentransport), 4. bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a SGB V oder § 115b SGB V, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung.
2.) Aus § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V ergibt sich ausdrücklich, dass die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung nur nach vorheriger Genehmigung übernimmt. Zwar gilt diese Vorschrift primär nur gegenüber dem Versicherten, allerdings schlägt dies auf den akzessorischen Anspruch des Leistungserbringers durch. Insbesondere ist § 60 Abs. 1 und 2 SGB V auch nicht etwa so auszulegen, dass das Genehmigungserfordernis aus § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Fall eines sog. qualifizierten Krankentransports im Sinne der Klammerdefinition des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V (im Gegensatz zu "einfachen Krankenfahrten" zur ambulanten Behandlung, die mit Taxi, Mietwagen etc. erfolgen können) durch § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V verdrängt würde (so aber SG Berlin, Urteil vom 02.09.2011, S 81 KR 372/11, juris). Eine solche Auslegung widerspricht dem Wortlaut der Vorschrift (dazu a) und erscheint auch nicht aus systematischen Gründen geboten (dazu b). Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht nicht mit hinreichender Sicherheit für die vom Kläger vertretene Auslegung (dazu c). Auch in teleologischer Hinsicht erscheint es nicht zwingend, Krankentransporte i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V vom Erfordernis des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V auszunehmen (dazu d). Im Übrigen erscheint dieses Ergebnis auch nicht deswegen unpraktikabel, weil dem Kläger als Leistungserbringer allgemein keine Zeit zur Einholung der Genehmigung bliebe. Es ist nicht erkennbar, wieso es strukturell unmöglich sein sollte, insbesondere den verordnenden Arzt entsprechend in das Prozedere der Antragstellung einzubinden, was im Übrigen auch der akzessorischen Natur des Vergütungsanspruchs gegenüber dem Leistungsanspruch des Versicherten Rechnung trägt.
a) Der Wortlaut von § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V lässt keine Beschränkung auf "einfache Krankenfahrten" erkennen, sondern spricht allgemein von "Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung". In ihrer Formulierung entspricht die Vorschrift der üblichen Regelungsweise von Genehmigungserfordernissen. Auch der Wortlaut von § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V spricht nicht für die Auslegung beider Vorschriften als Abgrenzungsregeln zwischen genehmigungspflichtigen und nicht genehmigungspflichtigen Tatbeständen (so aber SG Berlin, a.a.O). Vielmehr enthält diese Vorschrift materielles Leistungsrecht (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.04.2011, L 9 KR 189/08; zumindest ähnlich - Beschreibung des Leistungsinhalts - auch Höfler, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherung, § 60 SGB V, Rn. 3).
b) In systematischer Hinsicht lässt sich aus der Tatsache, dass das Erfordernis einer Vorabgenehmigung im Fall des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V (Rettungsfahrten) untunlich erscheint, nicht der Schluss ziehen, § 60 Abs. 2 SGB V stelle insgesamt eine Sonderregelung gegenüber Absatz 1 der Vorschrift dar (so aber insbesondere Hessisches LSG, Urteil vom 16.02.2012, L 8 KR 243/11, Bl. 11 f. des Umdrucks; weiterhin auch SG Neubrandenburg, Urteil vom 30.11.2006, S 4 KR 25/06). Das Ergebnis einer Ausnahme der Rettungsfahrten (sowie eines Teiles der unter § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V fallenden Fahrten) vom Erfordernis der Vorabgenehmigung lässt sich unter Heranziehung anerkannter juristischer Auslegungsmethoden (insbesondere der teleologischen Reduktion oder auch einer Heranziehung allgemeiner Erwägungen zur Gefahr im Verzug) auch losgelöst vom allgemeinen Verhältnis der beiden ersten Absätze des § 60 SGB V gewinnen, wobei eine solche Lösung sogar stärker auf die Besonderheiten der jeweils erfassten Fallkonstellation abstellt (vgl. in diesem Zusammenhang die Erwägungen des SG Neubrandenburg, a.a.O, juris, Rn. 44, wonach jedenfalls nicht in allen Fällen von § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V eine Vorabgenehmigung nicht sinnvoll einzuholen wäre).
&8195; c) Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht nicht mit hinreichender Sicherheit für die vom Kläger vertretene Auslegung.
aa) Soweit das SG Berlin (a.a.O., juris, Rn. 90 ff.) aus zwei Sätzen in der Begründung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz, GMG, BT-Drs. 15/1525, S. 94, rechte Spalte zu Nr. 37 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb) den Schluss zieht, der Gesetzgeber habe lediglich die damals geltende Härtefallregelung für einfache Krankenfahrten abändern wollen, ist bereits fraglich, ob die Gesetzesbegründung im Rahmen der historischen Auslegung einer solch minutiösen Auslegung unterzogen werden darf, als wäre sie bereits das später vom Bundestag beschlossene Gesetz. Sie reicht aber nicht aus, um von einem eindeutigen Willen des Gesetzgebers zu sprechen, nur einfache Krankenfahrten genehmigungspflichtig zu machen. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, so hätte er sich der in derlei Fällen üblichen Regelungstechnik von Regel- und Ausnahmefall bedient (was im Rahmen von § 60 Abs. 2 SGB V ein Leichtes gewesen wäre, denn es hätte lediglich eine entsprechende Parenthese zu Anfang von Satz 1 eingeschoben werden müssen).
bb) Der weiterhin vom SG Berlin zitierte Passus zur Eigenverantwortung der Versicherten auf Seite 77, linke Spalte, erster Spiegelstrich, der Gesetzesbegründung (a.a.O.) nimmt nicht auf Krankenfahrten oder -transporte Bezug, sondern auf Sterbegeld, Entbindungsgeld sowie bestimmte Leistungen zur Sterilisation und ist somit im vorliegenden Zusammenhang wenig ergiebig. Soweit sich im fünften Spiegelstrich eine Äußerung zu Fahrtkosten bei der Benutzung von Taxi und Mietwagen findet, lässt das "Schweigen" der Gesetzesbegründung zu qualifizierten Krankentransporten nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen, der Gesetzgeber habe diese von dem - wohlgemerkt mit demselben Gesetz eingeführten - allgemeinen Genehmigungsvorbehalt ausnehmen wollen.
d) Schließlich erscheint es auch in teleologischer Hinsicht nicht zwingend, Krankentransporte i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V vom Erfordernis des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V auszunehmen.
aa) Der Normzweck der Gesamtregelung in § 60 SGB V liegt darin, dass nur die Kosten für medizinisch notwendige Fahrten als akzessorische Nebenleistung zur Krankenbehandlung von der Krankenkasse übernommen werden sollen, wobei angesichts eines hohen Grades an Motorisierung, eines gut ausgebauten Nahverkehrsnetzes und auch angesichts einer generell für unkritisch befundenen Verordnungspraxis ein enger Maßstab geboten ist (vgl. Höfler, a.a.O., Rn. 2 f.). Hierzu passt es, wenn nicht nur einfache Krankenfahrten, sondern auch qualifizierte Krankentransporte unter einem Genehmigungsvorbehalt stehen. Dass in anderen Fällen (insbesondere in denen des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V) gerade aus teleologischen Gründen eine Einschränkung von § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V erforderlich erscheint, ändert hieran nichts (siehe hierzu bereits oben unter b).
bb) Soweit das SG Berlin (a.a.O., juris, Rn. 101) auf der Basis seiner normgeschichtlichen Auslegung die Abgrenzung zwischen dem Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten und dem der Gesamtverantwortung der Versichertengemeinschaft als Regelungszweck von § 60 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 SGB V identifiziert, erscheint es der Kammer bereits sehr zweifelhaft, ob im Rahmen einer teleologischen Auslegung allein auf die Funktion der Vorschrift als Abgrenzung abgestellt werden darf. Letztlich vermag die Kammer dem SG Berlin allerdings - wie dargestellt - auch insoweit nicht zu folgen, dass es sich überhaupt um Abgrenzungsregeln handelt. Vielmehr enthält § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Wesentliche eine formelle Voraussetzung (nebst einer Regelung dazu, wann sie zu erteilen ist), während Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift den Leistungsinhalt beschreibt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.04.2011, L 9 KR 189/08; Höfler, a.a.O., Rn. 3).
II.) Weiterhin besteht auch kein Anspruch auf Vergütung derjenigen Fahrten, die der jeweilige Versicherte nicht quittiert hat. Das Gericht hat keine Bedenken dagegen, Ansprüche auf Vergütung von Krankentransporten i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V von einem Nachweis abhängig zu machen, dass diese Leistungen nicht nur medizinisch notwendig waren, sondern auch tatsächlich erbracht worden sind. Hierfür bietet sich - abgesehen von Fällen, in denen der Versicherte nachweisbar zur Unterschrift nicht in der Lage ist - eine Quittung des Versicherten an, wie sie auch in Anlage 1 des Vertrags nach § 133 SGB V vorgesehen ist. Bestätigungen des Leistungserbringers sind hierfür kein gleichwertiger Ersatz. Dass die Versicherten im vorliegenden Fall außer Stande gewesen wären, die Unterschrift zu leisten, ist weder dargetan noch auch nur ansatzweise ersichtlich.
&8195; C.) Auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten besteht schon deswegen nicht, weil der Anspruch auf die mit anwaltlicher Hilfe geltend gemachte Forderung nicht besteht. Vor diesem Hintergrund braucht das Gericht auch nicht zu untersuchen, ob es sich um einen einfachen Fall vorgerichtlicher Geltendmachung im Sinne der einschlägigen BSG-Rechtsprechung (Urteil vom 15.11.2007, B 3 KR 1/07 R, SozR 4-2500 § 69 Nr. 3; BSG, Urteil vom 27.01.2009, B 1 KR 76/08 B) gehandelt hat. Soweit der Kläger hinsichtlich der Verzugszinsen für drei Transporte (der Versicherten L. am 31.03.2010 und 01.04.2010 und des Versicherten K. am 01.05.2010) obsiegt hat, hat jedenfalls nur ein einfacher Fall in diesem Sinne vorgelegen, denn es ging insoweit allein um die Tatsache des Verzugs.
D.) Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf einen Ausspruch, wonach die Beklagte es zukünftig zu unterlassen habe, die Vergütung für Krankentransporte von einer Vorabgenehmigung abhängig zu machen. Auch dies ergibt sich zunächst schon aus der vom Gericht gefundenen Auslegung von § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V (siehe dazu oben unter A I 2). Weiterhin sieht das Gericht sich allerdings zu folgenden Hinweisen veranlasst: Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind dazu berufen, im jeweiligen Einzelfall über einen konkret-individuellen Streitgegenstand (bestehend aus einem individuellen Lebenssachverhalt und einem konkreten Klageantrag) zu entscheiden. Der vom Kläger begehrte Ausspruch, mit dem der Beklagten ein zukünftiges Handeln in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen untersagt werden soll, überschreitet die Kompetenz des Gerichts. Eine allgemeine Verhaltenssteuerung der - obendrein mit Selbstverwaltungsrecht ausgestatteten - Sozialversicherungsträger obliegt nicht ihm, sondern der eigens hierzu berufenen und vor allem ermächtigten Aufsichtsbehörde (die im Übrigen auch "lediglich" zu prüfen hat, ob die Entscheidungen eines Sozialversicherungsträgers vertretbar sind und auf sachgerechten Überlegungen beruhen, vgl. BSG, Urteil vom 24.4.2002 – B 7 A 1/01 R, SozR 3-2400 § 87 Nr. 1). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V i.V.m. § 20 Abs. 3 GWB bzw. der Auslegung der letztgenannten Vorschrift durch das SG Berlin (a.a.O.): Das SG Berlin hat der dortigen Beklagten ein individualisiertes und vor allem aktuelles Verhalten (Äußerungen gegenüber Leistungserbringern) untersagt. Dergleichen hat der Kläger im vorliegenden Fall allerdings weder beantragt noch dargetan. Vielmehr läuft sein Antrag der Sache nach auf die vorweggenommene Feststellung eines Elements im Rahmen zukünftiger (und derzeit nicht einmal ansatzweise individualisierbarer) Vergütungsansprüche hinaus. Ein Bedürfnis hierfür besteht jedoch gerade nicht, denn dem Kläger erscheint es zumutbar, zukünftige Vergütungsansprüche einzuklagen, wenn diese individualisierbar und - seiner Auffassung nach - entstanden sind.
E.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Kostenstreitwerts bleibt gesondertem Beschluss vorbehalten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Vergütung für verschiedene Krankentransporte, die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie eine Verurteilung der Beklagten, künftige Vergütungsansprüche nicht von einer Vorabgenehmigung nach § 60 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) abhängig zu machen.
Der Kläger betreibt als Einzelkaufmann ein zum Krankentransport zugelassenes Unternehmen und hat in der Zeit seit März 2010 u.a. zehn verschiedene Versicherte der Beklagten einmal oder mehrmals zu ambulanten Behandlungen befördert. Die Beklagte verweigerte - bis auf zwei Fälle, in dem sie nur die geltend gemachten Verzugszinsen nicht bezahlte - die Vergütung im Wesentlichen unter Hinweis auf fehlende Vorabgenehmigungen nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
Am 26.05.2011 hat der Kläger Klage erhoben.
Die Beklagte hat die Verzugszinsen hinsichtlich dreier Transporte (der Versicherten L. am 31.03.2010 und 01.04.2010 und des Versicherten K. am 01.05.2010) anerkannt.
Der Kläger verweist hinsichtlich der Unabhängigkeit der Vergütungsansprüche von einer Vorabgenehmigung auf Urteile des Hessischen LSG (vom 16.02.2012, L 8 KR 243/11), des SG Hamburg (vom 16.04.2010, S 34 KR 1458/08) und des SG Trier (vom 16.02.2011, S 5 KR 147/09). Auch stelle eine fehlende Versichertenquittung keinen Grund zur Leistungsverweigerung dar. Der Vertrag über die die Durchführung und Vergütung von Krankentransportleistungen zwischen u.a. der Beklagten und dem Verband der privaten Krankenbeförderungsunternehmen e.V. (i.F.: Vertrag nach § 133 SGB V) regele in § 6 Abs. 3 abschließend die Fälle, in denen die Vergütung verweigert werden dürfe. Eine fehlende Versichertenquittung gehöre nicht dazu. Überdies seien die per Krankentransport beförderten Versicherten regelmäßig so krank, dass ihnen eine Unterschrift nicht abverlangt werden dürfe. Jedenfalls in der Vergangenheit sei es üblich gewesen, auf derartige Quittungen zu verzichten. Schließlich missachte die Beklagte ein rechtskräftiges Urteil des SG Hamburg. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen seien derzeit nicht möglich. Auch habe das SG Berlin (mit Urteil vom 02.09.2011, S 81 KR 372/11) die AOK N. zur Unterlassung der Behauptung verurteilt, Einsätze mit dem Krankentransportwagen müssten vorab genehmigt werden. Auf eine Veranlassung des Landesverbandes der privaten Krankenbeförderungsunternehmen zu einer Verbandsklage aufgrund von § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V i.V.m. § 33 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) habe er bislang verzichtet.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.689,70 EUR zuzüglich bis zum 23.05.2011 berechneter Verzugszinsen in Höhe von 90,46 EUR zuzüglich weiterer Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 24.05.2011 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Rechtsanwaltskosten in Höhe von 315,59 EUR zuzüglich hierauf seit dem 08.05.2010 bis zum 23.05.2011 berechneter Verzugszinsen in Höhe von 20,93 EUR zuzüglich weiterer Verzugszinsen ab dem 24.05.2011 in Höhe von 8 Prozentpunkten zu zahlen,
3. hilfsweise für den Fall, dass der Klageantrag zu 1. abgewiesen wird, die Beklagte zu verurteilen, es künftig zu unterlassen, die Zahlung des Entgelts für einen vertragsärztlich verordneten Krankentransport wegen einer angeblich vorher einzuholenden Genehmigung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu verweigern.
&8195; Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V spreche unmissverständlich vom Erfordernis einer Vorabgenehmigung. Das LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 13.04.2011, L 9 KR 189/08), das SG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.10.2010, S 18 KR 47/08) und zuletzt auch das SG Düsseldorf (Urteil vom 07.03.2012, S 34 KR 227/09) hätten diese Auslegung bestätigt. Auch habe das zuständige Bundesministerium die aufgrund der §§ 60 Abs. 1 Satz 3, 92 Abs. 1 Satz 3 Nr. 12 SGB V vom Gemeinsamen Bundeausschuss beschlossenen Richtlinien nicht beanstandet. Aus der Rechtsprechung des BSG zum Anspruch der Versicherten auf die Beförderung in einem Krankenkraftwagen (Urteil vom 29.11.1995, BSGE 77, 119) ergebe sich, dass diese Sachleistung einem Genehmigungsvorbehalt unterliege. Für die Vergütungsansprüche des Leistungserbringers müsse dies ebenfalls gelten. Weiterhin habe das BSG betont, dass Vergütungsregelungen im Allgemeinen streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregelungen auszulegen seien (Urteil vom 03.08.2006, B 3 KR 7/05 R). Was die Versichertenquittung angehe, sei diese aufgrund § 1 Abs. 3 des Vertrages nach § 133 SGB V verbindlich vorgesehen. Der Vortrag des Klägers zu Unzumutbarkeit einer Unterschriftsleistung durch die Versicherten sei nicht substantiiert. Im Übrigen habe es auch keinen Fall gegeben, in dem die Beklagte eine Vergütung einzig wegen einer fehlenden Quittung abgelehnt habe. Schließlich habe das vom Kläger angeführte Urteil des SG Hamburg, dem die Beklagte nachgekommen sei, allein Wirkung im Einzelfall und zwischen den Beteiligten entfaltet, zumal der Kläger unerwähnt lasse, dass ein Feststellungsantrag derzeit abgewiesen worden sei.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
&8195;
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist weit überwiegend unbegründet.
A.) Begründet ist sie nur hinsichtlich der Verzugszinsen wegen der Transporte der Versicherten L. am 31.03.2010 und 01.04.2010 und des Versicherten K. am 01.05.2010, wie die Beklagte im Übrigen auch selbst eingeräumt hat. Insoweit schuldet die Beklagte auch Verzugs- und Prozesszinsen.
B.) Darüber hinaus kann der Kläger von der Beklagten nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) weder Vergütung der Transporte der ungenehmigten (dazu I) oder nicht quittierten (dazu II) Transporte verlangen noch hat er Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten (dazu C) oder – was er im Hilfsantrag geltend gemacht hat – auf Verurteilung der Beklagten zu einem zukünftigen Unterlassen (dazu D).
I.) Ein Vergütungsanspruch (§§ 133, 60 SGB V i.V.m. dem aufgrund § 133 SGB V geschlossenen Vertrag und dem Dienstleistungsanspruch des Versicherten) besteht weiterhin in all denjenigen Fällen nicht, in denen die erforderliche Vorabgenehmigung der Beklagte gefehlt hat.
1.) a) Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 der Vorschrift die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall, § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung (unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages) nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat, § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
b) Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse die Fahrkosten in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages 1. bei Leistungen, die stationär erbracht werden; dies gilt bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus nur, wenn die Verlegung aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist, oder bei einer mit Einwilligung der Krankenkasse erfolgten Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus, 2. bei Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist, 3. bei anderen Fahrten von Versicherten, die während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen dies auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist (Krankentransport), 4. bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a SGB V oder § 115b SGB V, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung.
2.) Aus § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V ergibt sich ausdrücklich, dass die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung nur nach vorheriger Genehmigung übernimmt. Zwar gilt diese Vorschrift primär nur gegenüber dem Versicherten, allerdings schlägt dies auf den akzessorischen Anspruch des Leistungserbringers durch. Insbesondere ist § 60 Abs. 1 und 2 SGB V auch nicht etwa so auszulegen, dass das Genehmigungserfordernis aus § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Fall eines sog. qualifizierten Krankentransports im Sinne der Klammerdefinition des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V (im Gegensatz zu "einfachen Krankenfahrten" zur ambulanten Behandlung, die mit Taxi, Mietwagen etc. erfolgen können) durch § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V verdrängt würde (so aber SG Berlin, Urteil vom 02.09.2011, S 81 KR 372/11, juris). Eine solche Auslegung widerspricht dem Wortlaut der Vorschrift (dazu a) und erscheint auch nicht aus systematischen Gründen geboten (dazu b). Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht nicht mit hinreichender Sicherheit für die vom Kläger vertretene Auslegung (dazu c). Auch in teleologischer Hinsicht erscheint es nicht zwingend, Krankentransporte i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V vom Erfordernis des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V auszunehmen (dazu d). Im Übrigen erscheint dieses Ergebnis auch nicht deswegen unpraktikabel, weil dem Kläger als Leistungserbringer allgemein keine Zeit zur Einholung der Genehmigung bliebe. Es ist nicht erkennbar, wieso es strukturell unmöglich sein sollte, insbesondere den verordnenden Arzt entsprechend in das Prozedere der Antragstellung einzubinden, was im Übrigen auch der akzessorischen Natur des Vergütungsanspruchs gegenüber dem Leistungsanspruch des Versicherten Rechnung trägt.
a) Der Wortlaut von § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V lässt keine Beschränkung auf "einfache Krankenfahrten" erkennen, sondern spricht allgemein von "Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung". In ihrer Formulierung entspricht die Vorschrift der üblichen Regelungsweise von Genehmigungserfordernissen. Auch der Wortlaut von § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V spricht nicht für die Auslegung beider Vorschriften als Abgrenzungsregeln zwischen genehmigungspflichtigen und nicht genehmigungspflichtigen Tatbeständen (so aber SG Berlin, a.a.O). Vielmehr enthält diese Vorschrift materielles Leistungsrecht (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.04.2011, L 9 KR 189/08; zumindest ähnlich - Beschreibung des Leistungsinhalts - auch Höfler, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherung, § 60 SGB V, Rn. 3).
b) In systematischer Hinsicht lässt sich aus der Tatsache, dass das Erfordernis einer Vorabgenehmigung im Fall des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V (Rettungsfahrten) untunlich erscheint, nicht der Schluss ziehen, § 60 Abs. 2 SGB V stelle insgesamt eine Sonderregelung gegenüber Absatz 1 der Vorschrift dar (so aber insbesondere Hessisches LSG, Urteil vom 16.02.2012, L 8 KR 243/11, Bl. 11 f. des Umdrucks; weiterhin auch SG Neubrandenburg, Urteil vom 30.11.2006, S 4 KR 25/06). Das Ergebnis einer Ausnahme der Rettungsfahrten (sowie eines Teiles der unter § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V fallenden Fahrten) vom Erfordernis der Vorabgenehmigung lässt sich unter Heranziehung anerkannter juristischer Auslegungsmethoden (insbesondere der teleologischen Reduktion oder auch einer Heranziehung allgemeiner Erwägungen zur Gefahr im Verzug) auch losgelöst vom allgemeinen Verhältnis der beiden ersten Absätze des § 60 SGB V gewinnen, wobei eine solche Lösung sogar stärker auf die Besonderheiten der jeweils erfassten Fallkonstellation abstellt (vgl. in diesem Zusammenhang die Erwägungen des SG Neubrandenburg, a.a.O, juris, Rn. 44, wonach jedenfalls nicht in allen Fällen von § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V eine Vorabgenehmigung nicht sinnvoll einzuholen wäre).
&8195; c) Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht nicht mit hinreichender Sicherheit für die vom Kläger vertretene Auslegung.
aa) Soweit das SG Berlin (a.a.O., juris, Rn. 90 ff.) aus zwei Sätzen in der Begründung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz, GMG, BT-Drs. 15/1525, S. 94, rechte Spalte zu Nr. 37 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb) den Schluss zieht, der Gesetzgeber habe lediglich die damals geltende Härtefallregelung für einfache Krankenfahrten abändern wollen, ist bereits fraglich, ob die Gesetzesbegründung im Rahmen der historischen Auslegung einer solch minutiösen Auslegung unterzogen werden darf, als wäre sie bereits das später vom Bundestag beschlossene Gesetz. Sie reicht aber nicht aus, um von einem eindeutigen Willen des Gesetzgebers zu sprechen, nur einfache Krankenfahrten genehmigungspflichtig zu machen. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, so hätte er sich der in derlei Fällen üblichen Regelungstechnik von Regel- und Ausnahmefall bedient (was im Rahmen von § 60 Abs. 2 SGB V ein Leichtes gewesen wäre, denn es hätte lediglich eine entsprechende Parenthese zu Anfang von Satz 1 eingeschoben werden müssen).
bb) Der weiterhin vom SG Berlin zitierte Passus zur Eigenverantwortung der Versicherten auf Seite 77, linke Spalte, erster Spiegelstrich, der Gesetzesbegründung (a.a.O.) nimmt nicht auf Krankenfahrten oder -transporte Bezug, sondern auf Sterbegeld, Entbindungsgeld sowie bestimmte Leistungen zur Sterilisation und ist somit im vorliegenden Zusammenhang wenig ergiebig. Soweit sich im fünften Spiegelstrich eine Äußerung zu Fahrtkosten bei der Benutzung von Taxi und Mietwagen findet, lässt das "Schweigen" der Gesetzesbegründung zu qualifizierten Krankentransporten nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen, der Gesetzgeber habe diese von dem - wohlgemerkt mit demselben Gesetz eingeführten - allgemeinen Genehmigungsvorbehalt ausnehmen wollen.
d) Schließlich erscheint es auch in teleologischer Hinsicht nicht zwingend, Krankentransporte i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V vom Erfordernis des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V auszunehmen.
aa) Der Normzweck der Gesamtregelung in § 60 SGB V liegt darin, dass nur die Kosten für medizinisch notwendige Fahrten als akzessorische Nebenleistung zur Krankenbehandlung von der Krankenkasse übernommen werden sollen, wobei angesichts eines hohen Grades an Motorisierung, eines gut ausgebauten Nahverkehrsnetzes und auch angesichts einer generell für unkritisch befundenen Verordnungspraxis ein enger Maßstab geboten ist (vgl. Höfler, a.a.O., Rn. 2 f.). Hierzu passt es, wenn nicht nur einfache Krankenfahrten, sondern auch qualifizierte Krankentransporte unter einem Genehmigungsvorbehalt stehen. Dass in anderen Fällen (insbesondere in denen des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V) gerade aus teleologischen Gründen eine Einschränkung von § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V erforderlich erscheint, ändert hieran nichts (siehe hierzu bereits oben unter b).
bb) Soweit das SG Berlin (a.a.O., juris, Rn. 101) auf der Basis seiner normgeschichtlichen Auslegung die Abgrenzung zwischen dem Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten und dem der Gesamtverantwortung der Versichertengemeinschaft als Regelungszweck von § 60 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 SGB V identifiziert, erscheint es der Kammer bereits sehr zweifelhaft, ob im Rahmen einer teleologischen Auslegung allein auf die Funktion der Vorschrift als Abgrenzung abgestellt werden darf. Letztlich vermag die Kammer dem SG Berlin allerdings - wie dargestellt - auch insoweit nicht zu folgen, dass es sich überhaupt um Abgrenzungsregeln handelt. Vielmehr enthält § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Wesentliche eine formelle Voraussetzung (nebst einer Regelung dazu, wann sie zu erteilen ist), während Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift den Leistungsinhalt beschreibt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.04.2011, L 9 KR 189/08; Höfler, a.a.O., Rn. 3).
II.) Weiterhin besteht auch kein Anspruch auf Vergütung derjenigen Fahrten, die der jeweilige Versicherte nicht quittiert hat. Das Gericht hat keine Bedenken dagegen, Ansprüche auf Vergütung von Krankentransporten i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V von einem Nachweis abhängig zu machen, dass diese Leistungen nicht nur medizinisch notwendig waren, sondern auch tatsächlich erbracht worden sind. Hierfür bietet sich - abgesehen von Fällen, in denen der Versicherte nachweisbar zur Unterschrift nicht in der Lage ist - eine Quittung des Versicherten an, wie sie auch in Anlage 1 des Vertrags nach § 133 SGB V vorgesehen ist. Bestätigungen des Leistungserbringers sind hierfür kein gleichwertiger Ersatz. Dass die Versicherten im vorliegenden Fall außer Stande gewesen wären, die Unterschrift zu leisten, ist weder dargetan noch auch nur ansatzweise ersichtlich.
&8195; C.) Auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten besteht schon deswegen nicht, weil der Anspruch auf die mit anwaltlicher Hilfe geltend gemachte Forderung nicht besteht. Vor diesem Hintergrund braucht das Gericht auch nicht zu untersuchen, ob es sich um einen einfachen Fall vorgerichtlicher Geltendmachung im Sinne der einschlägigen BSG-Rechtsprechung (Urteil vom 15.11.2007, B 3 KR 1/07 R, SozR 4-2500 § 69 Nr. 3; BSG, Urteil vom 27.01.2009, B 1 KR 76/08 B) gehandelt hat. Soweit der Kläger hinsichtlich der Verzugszinsen für drei Transporte (der Versicherten L. am 31.03.2010 und 01.04.2010 und des Versicherten K. am 01.05.2010) obsiegt hat, hat jedenfalls nur ein einfacher Fall in diesem Sinne vorgelegen, denn es ging insoweit allein um die Tatsache des Verzugs.
D.) Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf einen Ausspruch, wonach die Beklagte es zukünftig zu unterlassen habe, die Vergütung für Krankentransporte von einer Vorabgenehmigung abhängig zu machen. Auch dies ergibt sich zunächst schon aus der vom Gericht gefundenen Auslegung von § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V (siehe dazu oben unter A I 2). Weiterhin sieht das Gericht sich allerdings zu folgenden Hinweisen veranlasst: Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind dazu berufen, im jeweiligen Einzelfall über einen konkret-individuellen Streitgegenstand (bestehend aus einem individuellen Lebenssachverhalt und einem konkreten Klageantrag) zu entscheiden. Der vom Kläger begehrte Ausspruch, mit dem der Beklagten ein zukünftiges Handeln in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen untersagt werden soll, überschreitet die Kompetenz des Gerichts. Eine allgemeine Verhaltenssteuerung der - obendrein mit Selbstverwaltungsrecht ausgestatteten - Sozialversicherungsträger obliegt nicht ihm, sondern der eigens hierzu berufenen und vor allem ermächtigten Aufsichtsbehörde (die im Übrigen auch "lediglich" zu prüfen hat, ob die Entscheidungen eines Sozialversicherungsträgers vertretbar sind und auf sachgerechten Überlegungen beruhen, vgl. BSG, Urteil vom 24.4.2002 – B 7 A 1/01 R, SozR 3-2400 § 87 Nr. 1). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V i.V.m. § 20 Abs. 3 GWB bzw. der Auslegung der letztgenannten Vorschrift durch das SG Berlin (a.a.O.): Das SG Berlin hat der dortigen Beklagten ein individualisiertes und vor allem aktuelles Verhalten (Äußerungen gegenüber Leistungserbringern) untersagt. Dergleichen hat der Kläger im vorliegenden Fall allerdings weder beantragt noch dargetan. Vielmehr läuft sein Antrag der Sache nach auf die vorweggenommene Feststellung eines Elements im Rahmen zukünftiger (und derzeit nicht einmal ansatzweise individualisierbarer) Vergütungsansprüche hinaus. Ein Bedürfnis hierfür besteht jedoch gerade nicht, denn dem Kläger erscheint es zumutbar, zukünftige Vergütungsansprüche einzuklagen, wenn diese individualisierbar und - seiner Auffassung nach - entstanden sind.
E.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Kostenstreitwerts bleibt gesondertem Beschluss vorbehalten.
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