S 6 KR 1214/09

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 KR 1214/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.289,54 Euro nebst 4 Prozent Zinsen aus 8.808,92 Euro seit dem 06.11.2009, aus 507,16 Euro seit dem 01.10.2009 aus 490,80 Euro seit dem 01.11.2009 aus 507,16 Euro seit dem 01.12.2009 aus 507,16 Euro seit dem 01.01.2010 aus 449,90 Euro seit dem 01.02.2010 aus 507,16 Euro seit dem 01.03.2010 aus 490,80 Euro seit dem 01.04.2010 aus 474,44 Euro seit dem 01.05.2010 aus 482,62 Euro seit dem 01.06.2010 aus 507,16 Euro seit dem 01.07.2010 aus 507,16 Euro seit dem 01.08.2010 aus 490,80 Euro seit dem 01.09.2010 aus 507,16 Euro seit dem 01.10.2010 aus 490,80 Euro seit dem 01.11.2010 aus 490,80 Euro seit dem 01.12.2010 aus 490,80 Euro seit dem 01.01.2011 aus 229,04 Euro seit dem 01.02.2011 aus 409,00 Euro seit dem 01.03.2011 aus 441,72 Euro seit dem 01.04.2011 aus 498,98 Euro seit dem 01.05.2011 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten. Der Streitwert wird auf 18.289,54 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Aufwendungen für die häusliche Krankenpflege eines Versicherten der Beklagten in der Zeit von Oktober 2008 bis einschließlich Mai 2011 i.H.v. 18.289,54 Euro nebst Zinsen.

Die Klägerin brachte den am XXXXX1956 geborenen und bei der Beklagten krankenversicherten Herrn R.R. (i.F.: Versicherter) am 20.10.2008 aus Mitteln der Sozialhilfe in dem von der Heilsarmee betriebenen J.-Haus unter. Hierbei schlossen der Versicherte und die Heilsarmee als Trägerin der Einrichtung unter Benutzung der von der Trägerin vorgehaltenen Vertragsformulare einen Nutzungs- sowie einen Beratungs- und Betreuungsvertrag, wobei sich die Trägerin (neben der Übergabe eines Zimmers sowie bestimmter beweglicher Gegenstände und der Zulassung der Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen) dazu verpflichtete, den Versicherten zu verpflegen und ihm nach Maßgabe des Beratungs- und Betreuungsvertrags "persönliche Hilfe" in Form von sozialpädagogischer Betreuung zur Verfügung zu stellen. Es besteht weiterhin zwischen der Trägerin der Einrichtung und der Klägerin ein Vertrag nach § 75 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII).

Auf ärztliche Verordnungen hin erhielt der Versicherte im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der häuslichen Krankenpflege im J.-Haus. Eine Erstattung der Kosten lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, sie sei für diese Leistungen nicht zuständig.

Die Klägerin hat am 06.11.2009 Klage erhoben.

Sie führt aus, jedenfalls handele es sich beim J.-Haus um einen sonst geeigneten Ort i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 1 3.Alt Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), wie sich aus der Zielsetzung der Vorschrift ergebe, die ausweislich der Gesetzesbegründung vorschnelle stationäre Einweisungen verhindern solle. Auch spreche es für das Vorliegen eines geeigneten Ortes, wenn die Einrichtung keine medizinische Behandlungspflege schulde. Schließlich sei das J.-Haus dem in § 37 Abs. 2 Satz 1 3. Alt SGB V ausdrücklich genannten betreuten Wohnen so ähnlich, dass es sogar als eine Sonderform dessen angesehen werden könne.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.289,54 EUR nebst Zinsen nach Maßgabe von § 108 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet bereits einen Anspruch des Versicherten auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege: Aus § 37 Abs. 2 Satz 7 SGB V ergebe sich im Gegenschluss, dass jedenfalls Versicherte, die auf Dauer in Einrichtungen der Eingliederungshilfe ohne eigenständige wirtschaftliche Haushaltsführung untergebracht seien, von Leistungen der häuslichen Krankenpflege ausgeschlossen seien. Das J.-Haus sei ausweislich der Leistungsbeschreibung (Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII) als vollstationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe gem. § 71 Abs. 4 SGB XI keine Pflegeeinrichtung. Insbesondere handele es sich auch nicht um eine betreute Wohnform. Der Versicherte sei dort auch auf Dauer untergebracht gewesen, wie die tatsächliche Entwicklung des Falles gezeigt habe. Die wiederkehrenden Befristungen stünden dieser Annahme nicht entgegen, vielmehr sprächen gerade § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V und § 14 SGB V dafür, dass einer Unterbringung für sechs Monate auf Dauer erfolge. Anhaltspunkte für ein eigenständiges Wirtschaften des Versicherten (unter Zugrundelegung der einschlägigen BSG-Rechtsprechung) gebe es nicht.

Die Klägerin repliziert hierauf, das J.-Haus sei eine stationäre Einrichtung der Wohnungslosenhilfe, nicht aber der Behindertenhilfe. Wie sich aus der Leistungsbeschreibung ergebe, habe der Versicherte dort keinen Anspruch auf Behandlungspflege durch den Träger, weswegen diese Leistungen auch unter Einschaltung eines externen Pflegedienstes erbracht würden.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg. Sie ist als Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz, SGG) statthaft, auch sonst zulässig und auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen für die dem Versicherten erbrachte häusliche Krankenpflege nebst Zinsen.

A.) Der Anspruch beruht auf § 104 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X.

B.) Im vorliegenden Fall war die Beklagte vorrangig leistungspflichtig i.S.d. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

I.) Die erforderliche Systemsubsidiarität (zum Begriff Böttiger, in: LPK-SGB X, 3. Aufl., 2010, § 104, Rn. 10) zwischen Sozialhilfe und Krankenversicherung ist zu bejahen, denn Leistungen der Sozialhilfe sind dem Grundsatz nach gegenüber Leistungen der Krankenversicherung nachrangig (vgl. nur Kater, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherung, § 104 SGB X, Rn. 73).

II.) Im vorliegenden Fall hatte und hat der Versicherte auch vorrangig einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen die Beklagte gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 3. Alt SGB V.

1.) Gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der seit dem 01.04.2007 geltenden Fassung) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.

2.) Da im vorliegenden Fall jedenfalls die dritte Tatbestandsalternative ("geeigneter Ort") erfüllt ist, braucht das Gericht nicht zu untersuchen, ob der Versicherte im J.-Haus einen eigenen Haushalt im Sinne der ersten Tatbestandsalternative führt. Jedenfalls scheitert ein Anspruch der Klägerin nicht daran, dass der Versicherte auf Dauer in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe ohne eigenständige wirtschaftliche Haushaltsführung untergebracht wäre.

a) Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass das BSG (Urteil vom 01.09.2005, B 3 KR 19/04 R, SozR 4-2500 § 37 Nr. 5) bei der Prüfung von § 37 SGB V in der bis zum 31.03.2007 geltenden Fassung (a.F.) entscheidend darauf abgestellt hat, ob dem Betroffenen ein eigener Haushalt (im Sinne einer eigenverantwortlichen Wirtschaftsführung) zur Verfügung gestanden hatte (BSG, a.a.O., juris, Rn. 17), und dass ein fehlender (vertraglicher) Anspruch auf medizinische Betreuung gegen den Heimträger allein keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege auslösen konnte (vgl. BSG, a.a.O., juris, Rn. 15 a.E.). Ob die Umstände der Unterbringung im J.-Haus eine eigenverantwortliche Wirtschaftsführung zulassen, erscheint zumindest zweifelhaft. Dies besagt aber noch nicht, dass der Versicherte keinen Leistungs- und damit die Klägerin keinen Erstattungsanspruch hätte:

b) Bei dem J.-Haus handelt es sich um einen geeigneten Ort i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 1 3. Alt SGB V.

aa) Eine allgemeine Definition des "geeigneten Ortes" im Sinne der Vorschrift gibt es nicht. Allerdings lässt sich der Systematik der Vorschrift und der Intention des Gesetzgebers entnehmen, dass § 37 Abs. 2 Satz 1 3. Alt SGB V gerade nicht das Vorliegen eines Haushalts im Sinne der ersten Alternative voraussetzt, denn andernfalls wäre diese dritte Alternative, mit deren Einführung (nach der zitierten BSG-Entscheidung) der Gesetzgeber ausdrücklich eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs zugunsten neuer Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutem Wohnen bezweckt hat (BT-Drs. 16/3100 S. 104) überflüssig. Weiterhin nennt § 37 Abs. 2 Satz 1 3.Alt SGB V denn auch bespielhaft ("insbesondere") betreute Wohnformen als Beispiel für einen geeigneten Ort, obwohl es dort regelmäßig gerade infolge der Betreuung an einem Haushalt i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 1 1. Alt SGB V fehlen wird. Diesem Ergebnis steht auch die zu § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der bis zum 31.03.2007 geltenden Fassung ergangene Rechtsprechung des BSG naturgemäß nicht entgegen (vgl. auch den Hinweis von Nolte, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherung, § 37 SGB V, Rn. 14), zumal das Urteil deutlich vor der Änderung der Vorschrift ergangen ist.

bb) Wenn zugleich in Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3100 S. 104), Rechtsprechung (LSG Hamburg, Beschluss vom 12.11.2009, L 1 B 202/09 ER KR; LSG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse vom 22.11.2011, L 10 KR 32/11 B ER, und vom 26.08.2010, L 8 SO 4/10 B ER) sowie in den aufgrund von § 37 Abs. 6 SGB V erlassenen Richtlinien (§ 1 Abs. 6 Satz 1 Krankenpflege-RL) betont wird, dass eine Einrichtung dann kein geeigneter Ort ist, wenn der Betroffene gegenüber ihrem Träger einen Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege hat (Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Hospize und Pflegeheime), so bleibt festzustellen, dass als geeignete Orte i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 1 3. Alt SGB V jedenfalls solche Einrichtungen in Betracht kommen, deren Leistungsumfang sich nicht auf eine medizinische Betreuung der Bewohner erstreckt (anders gewendet: deren Zielsetzung auf andere als die gesundheitlichen Belange der Bewohner abstellt).

cc) Eine solche Auslegung trägt der Intention des Gesetzgebers Rechnung, vorschnelle stationäre Einweisungen zu verhindern (BT-Drs. 16/3100 S. 104) und sie berücksichtigt - gerade vor dem Hintergrund der zum 01.04.2007 in Kraft getretenen Neuregelungen im Bereich des SGB V ("Bürgerversicherung") - die Aufgabenverteilung zwischen Sozialhilfeträger und Krankenversicherungsträger. Während das BSG in seinem Urteil zu § 37 SGB V a.F. (vom 01.09.2005, B 3 KR 19/04 R, SozR 4-2500 § 37 Nr. 5) angesichts von Versorgungslücken, die bei einer engen Auslegung des Haushaltsbegriffs drohten, noch auf die subsidiäre Eintrittspflicht der Sozialhilfeträger verweisen konnte, wäre es nach neuem Recht (d.h. angesichts der weitreichenden Einbeziehung von Empfängern steuerfinanzierter Fürsorgeleistungen in die gesetzliche Krankenversicherung) inkonsequent, Krankenversicherte, die aus anderen als gesundheitlichen Gründen nicht in einem eigenen Haushalt leben (können), auf Sozialhilfeleistung zur Deckung eines genuin in den Bereich der Krankenversicherung fallenden Bedarfs zu verweisen.

dd) Hiervon ausgehend lässt sich die Eigenschaft des J.-Haus als geeigneter Ort i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 1 3. Alt SGB V bejahen. Aus dem Nutzungsvertrag und dem damit gekoppelten Beratungs- und Betreuungsvertrag ergibt sich, dass die Unterbringung dort nicht auf medizinische Betreuung, sondern auf die Überwindung der Obdachlosigkeit und insbesondere die Integration in den Wohnungsmarkt gerichtet war. Während insbesondere der Beratungs- und Betreuungsvertrag hierzu detaillierte Regelungen enthält, finden sich weder irgendwelche vertraglichen Regelungen über Hilfen medizinischer oder pflegerischer Art noch ließen die Verträge oder die Hausordnung erkennen, dass derartige Hilfemöglichkeiten dort überhaupt vorgehalten würden. Weiterhin war die erforderliche Eignung auch insoweit sichergestellt, als die Pflege im J.-Haus unter hinreichenden hygienischen Umständen möglich war. Dies wird bereits dadurch indiziert, dass der Leistungserbringer sie dort über mehrere Jahre hat leisten können.

&8195; 3.) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 37 Abs. 2 Satz 7 SGB V berufen.

a) Nach dieser Vorschrift erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen nach § 37 Abs. 2 Sätze 1, 4 und 6 SGB V auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird.

b) Der Vorschrift lässt sich kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts entnehmen, die dauerhafte Aufnahme in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe ohne eigenständige wirtschaftliche Haushaltsführung lasse den Anspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V entfallen. Zweck dieser (mit Wirkung zum 01.01.2004 und somit vor der Erweiterung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V um seine dritte Alternative eingeführten) Regelung ist es, wohnungslose, aber krankenversicherte Personen in die ambulante Versorgung zurückzuführen und kostentreibende stationäre Behandlungen zu verhindern (vgl. BT-Drucks 15/1525 S. 90). § 37 Abs. 2 Satz 7 SGB V zielt somit nicht auf eine Einschränkung, sondern auf eine Ausweitung des Anspruchs auf Behandlungspflege ab: Die Vorschrift will gerade Behandlungspflege ein Einrichtungen, die wohnungslose Menschen aufnehmen, als Leistung der Krankenversicherung möglich machen (so auch Adelt, in: LPK-SGB V, 3. Aufl., 2009, § 37, Rn. 53). Mit der Bezugnahme auf § 71 Abs. 2 und 4 SGB XI werden lediglich diejenigen wohnungslosen Krankenversicherten von der Ausnahmeregelung des § 37 Abs. 2 Satz 7 SGB V ausgenommen, die sich dauerhaft in stationären Pflegeeinrichtungen befinden (Nolte, a.a.O., Rn. 16c) und daher für die vom Gesetzgeber angestrebte Rückführung in das ambulante Regelversorgungssystem nicht in Betracht kommen.

c) Nach alledem lässt bereits der Ausnahmecharakter von § 37 Abs. 2 Satz 7 SGB V eine Auslegung dieser Vorschrift als allgemeiner Ausschlusstatbestand für den Fall einer dauerhaften Unterbringung in "irgendeiner" Einrichtung nicht zu. Hätte der Gesetzgeber dies gerade angesichts der zum 01.04.2007 vorgenommenen Ausdehnung beabsichtigt, so hätte er einen entsprechend kategorisch formulierten Tatbestand geschaffen.

&8195; III.) Auch an der weiterhin erforderlichen Kongruenz zwischen den von der Kläger erbrachten Leistungen der Hilfe bei Krankheit einerseits und den eigentlich zu erbringenden Leistungen der häuslichen Krankenpflege hat das Gericht schon deswegen keinen Zweifel, weil § 48 Satz 1 SGB XII als Grundlage des Anspruchs auf Hilfe bei Krankheit für den Leistungsumfang auf die §§ 37 bis 43b SGB V verweist. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin mehr als dort vorgesehen geleistet hätte, hat das Gericht nicht. Nichts ersichtlich ist auch dafür, dass die Beklagte selbst bereits vor Kenntnis der Leistung durch die Klägerin geleistet hätte (vgl. § 104 Abs. 1 Satz 1 a.E. SGB X).

IV.) Der Anspruch besteht auch in dem von der Klägerin geltend gemachten Umfang.

1.) Eine "generelle" Kürzung aufgrund divergierender betragsmäßiger Zuständigkeiten (§ 104 Abs. 3 SGB X) kommt angesichts der Natur der in Rede stehenden Sozialleistungen als (gem. § 108 Abs. 1 SGB X in Geld zu erstattende) Dienstleistungen (i.S.d. § 11 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB I) nicht in Betracht.

2.) Auch die Voraussetzungen von § 108 Abs. 1 SGB X sind erfüllt. Dienstleistungen sind regelmäßig mit dem Betrag zu erstatten, der hierfür (orts-) üblich oder angemessen ist (Böttiger, a.a.O., § 108, Rn. 6). Hinweise auf eine insoweit überhöhte Klageforderung hat das Gericht nicht. Die von der Beklagten zuletzt vermisste ärztliche Verordnung (erstes Quartal 2010) hat die Kläger zuletzt nachgereicht. Die genaue Berechnung der Forderung ergibt sich aus den von der Klägerin eingereichten Rechnungen: Jahr Monat Betrag 2008 Oktober 317,76 November 370,72 Dezember 820,88 2009 Januar 507,16 Februar 722,40 März 961,74 April 985,80 Mai 1004,10 Juni 985,80 Juli 820,88 August 820,88 September 490,80 Oktober 507,16 November 490,80 Dezember 507,16 2010 Januar 507,16 Februar 449,90 März 507,16 April 490,80 Mai 474,44 Juni 482,62 Juli 507,16 August 507,16 September 490,80 Oktober 507,16 November 490,80 Dezember 490,80 2011 Januar 490,80 Februar 229,04 März 409,00 April 441,72 Mai 498,98

C.) Die Verzinsung ergibt sich aus § 108 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB X. Hiernach sind Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung auf Antrag mit vier vom Hundert zu verzinsen.

I.) Die Verzinsung beginnt für den bei Klageerhebung bereits entstanden und bezifferten Erstattungsanspruch (8.808,92 Euro) mit Anhängigkeit der Klage (§ 94 SGG), denn erst dann hatte die Klägerin den nach § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB X letzter Satzteil erforderlichen Antrag gestellt. Ihre monatlichen Zahlungsaufforderungen an die Beklagte stellten keine solchen Anträge dar, da sich aus ihnen das Erstattungs,- nicht aber das Verzinsungsverlangen ergeben hat (zu diesem Erfordernis Kater, a.a.O., § 108 SGB X, Rn. 11). Im Übrigen wirkt der "verspätete" (insbesondere nach Ablauf des in § 108 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB X bezeichneten Zeitraums) gestellte Antrag auch nicht auf bereits verstrichene Zeiträume zurück, in denen die Voraussetzungen der Verzinsung vorgelegen haben. Dies ergibt sich zunächst aus dem Grundsatz, dass eine (verfahrens- oder materiell-rechtliche) Rückwirkung einer besonderen gesetzlichen Anordnung bedarf. Speziell im Fall des § 108 Abs. 2 Satz 1 letzter Satzteil SGB X kommt hinzu, dass die unmittelbar vorausgehende Regelung des Verzinsungszeitraums in § 108 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB X ebenfalls auf den Zugang eines Antrags (hier: des Erstattungsantrags) abstellt (so dürfte der Hinweis von Roller, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., 2010, § 108, Rn. 10, zu verstehen sein).

II.) Die nach Klageerhebung entstandenen und bezifferten Erstattungsbeträge sind ab dem Beginn des jeweiligen Erstattungszeitraums zu verzinsen, § 108 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB X. Da die Beklagte ab Klageerhebung wusste, dass die Klägerin sie auch auf die Erstattung der laufend entstehenden Aufwendungen für häusliche Krankenpflege in Anspruch nimmt und diese auch verzinst wissen möchte, bedurfte es eigener Erstattungsanträge i.S.d § 108 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB X fortan nicht mehr und auch das Zusammenspiel beider Nummern der Vorschrift führt zu keinen Verzinsungslücken (allgemein zu solchen Lücken Böttiger, a.a.O., Rn. 9).

III.) Keine Beschränkung der Verzinsung ergibt sich im vorliegenden Fall aus § 108 Abs. 2 Satz 2 SGB X, wonach die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages des Leistungsberechtigten beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrages nach Ablauf eines Kalendermonats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung, beginnt. Auch der Beklagten als dem zuständigen Leistungsträger i.S.d. § 108 Abs. 2 Satz 2 SGB X war (lange bevor die Verzinsung erstmals eingesetzt hat) bekannt, dass der Versicherte häuslicher Krankenpflege bedurfte. Jedenfalls war ihr bekannt, dass die Klägerin deswegen laufend Leistungen erbrachte. Der Umstand, dass die Klägerin ihre Leistungen offenbar nicht dauerhaft (sondern offenbar aufgrund monatlicher Entscheidungen) erbracht hat, ändert hieran nichts.

D.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Über eine Zulassung der Berufung war wegen Überschreitung der Wertgrenze aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht zu entscheiden.
Rechtskraft
Aus
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