S 12 KA 166/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 166/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 26/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Neuregelung der Kostenpauschale nach Nr. 40100 EBM durch die Partner des Bundesmantelvertrags ab dem Quartal II/09, wonach diese in den Fällen, in denen auch Gebührenordnungspositionen der Abschnitte 32.2.1 bis 32.2.7 EBM (Allgemeinlabor) abgerechnet werden, nicht mehr angesetzt werden kann, ist nicht zu beanstanden.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars im Quartal II/09 und hierbei um die Absetzung der Kostenpauschale nach Nr. 40100 EBM in den Fällen, in denen auch Gebührenordnungspositionen der Abschnitte 32.2.1 bis 32.2.7 EBM abgerechnet wurden.

Die Klägerin ist ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform einer GmbH. Das MVZ besteht seit 01.01.2006. Im MVZ sind zunächst sechs, seit dem Quartal III/08 sieben, seit dem Quartal IV/08 acht und seit dem Quartal III/09 wieder sieben Ärzte tätig, alles Fachärzte für Laboratoriumsmedizin mit Ausnahme eines, von Anfang an angestellten und an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes (Herr Dr. D.). Von den Fachärzten für Laboratoriumsmedizin war Herr Dr. E lediglich vom 01.01.2006 bis 04.06.2009 und sind Frau Dr. F. erst seit dem 01.07.2008 und Frau Dr. G. seit dem 01.10.2008 angestellt. Die Übrigen (Herr Dr. A., Herr Dr. H., Frau Dr. I., Frau Dr. F.) sind von Anfang an im MVZ tätig. Mit Ausnahme von Herrn Dr. A. sind bzw. waren alle Ärzte im MVZ angestellt.

Im Quartal II/09 nahm die Beklagte mit Honorarbescheid folgende Festsetzungen vor:

Quartal II/09
Honorarbescheid vom 11.10.2009
Widerspruch eingelegt am 14.12.2009
Nettohonorar gesamt in EUR 3.616.079,49
Bruttohonorar PK + EK in EUR 3.711.121,49
Fallzahl PK + EK 158.974
Honorar Regelleistungsvolumen in EUR 2.767,65
Honorar quotiertes Regelleistungsvolumen in EUR 0,00
Fallwertzuschläge zu Regelleistungsvolumen in EUR 0,00
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) in EUR 3.570.616,06
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV 137.737,78

Hiergegen legte die Klägerin am 14.12.2009 Widerspruch unter allen rechtlichen Gesichtspunkten ein, den sie aber nicht weiter begründete.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2011 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß den gesetzlichen Vorgaben habe sie mit Bescheid vom 26.02.2009 für Herrn Dr. D. das praxisbezogene Regelleistungsvolumen zutreffend festgesetzt. Hiergegen habe die Klägerin keinen Widerspruch erhoben, so dass die Berechnungsgrundlage bestandskräftig geworden sei. Von daher sei der Honorarbescheid für das Quartal II/09 rechtmäßig. Das von Herrn Dr. D. angeforderte Honorar in Höhe von 2.840,49 EUR sei vollständig vergütet worden.

Hiergegen hat die Klägerin am 25.02.2011 die Klage erhoben. Sie hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.04.2011 die Klage auf die sachlich-rechnerische Berichtigung der Nr. 40100 EBM beschränkt.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, mit Wirkung zum 01.04.2009 sei die Leistungslegende der Nr. 40100 EBM durch die Partner des Bundesmantelvertrages geändert worden. Die Kostenpauschale nach Nr. 40100 EBM könne nur noch für Auftragsleistungen des Abschnitts 32.3 berechnet werden. Durch die Aufnahme einer Anmerkung sei festgelegt worden, dass die Kostenpauschale nicht neben Gebührenordnungspositionen der Abschnitte 32.2.1 bis 32.2.7, d. h. der allgemeinen Laboruntersuchungen berechnungsfähig sei. Diese einen Vergütungsausschluss anordnende Regelung verstoße gegen höherrangiges Recht und sei nichtig. Sie betreibe ein medizinisches Labor, das seit 1982 bestehe. Es seien dort insgesamt ca. 200 ärztliche und nicht ärztliche Mitarbeiter beschäftigt. Die Änderung der Nr. 40100 EBM führe dazu, dass der vom Fachlabor zu organisierende und finanzierende Versandvorgang in drei Grundkonstellationen anders als zuvor nicht mehr bezahlt werde, nämlich wenn zusätzlich zu den speziellen Untersuchungen mit dem Untersuchungsauftrag auch nur eine einzige allgemeine Laboratoriumsuntersuchung angefordert werde, beispielsweise wenn der einsendende Arzt zusätzlich zu einer speziellen Untersuchung auch ein "kleines Blutbild" anfordere (sog. Mischaufträge), ferner wenn nur eine allgemeine Laboratoriumsuntersuchung im Überweisungsauftrag angefordert werde und drittens, wenn im jeweiligen Quartal neben einem reinen, an sich erstattungsfähigen Auftrag mit ausschließlich speziellen Untersuchungen zu einem anderen Zeitpunkt mit einer gesonderten Probe auch noch eine allgemeine Laboratoriumsuntersuchung in Auftrag gegeben werde. Nach den Informationen über die wesentlichen Änderungen in der Abrechnung für das Quartal II/09 sei die Nr. 40100 bei ihr durch die Beklagte in 103.357 Fällen abgesetzt worden. Es handle sich zu einem großen Teil um Untersuchungsfälle mit einem an sich erstattungsfähigen Versandvorgang. In allen diesen Fällen habe sie die Kosten aus anderen Einnahmen tragen müssen. Sie habe keinen Einfluss darauf, ob ihre Einsender auch allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen bei ihr anforderten. Es hänge allein an dem Überweisungsverhalten der Ärzte ab, ob die Fachlaboratorien überhaupt noch eine Kostenerstattung für ihre Versandvorgänge bekämen. Die Kosten für den aufwändigen Spezialtransport der Proben für spezielle Untersuchungen seien gänzlich unabhängig davon, ob zusätzlich im selben Quartal für denselben Patienten noch allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen angefordert würden. Die Kosten für die allgemeinen Laboratoriumsuntersuchungen lägen im Cent-Bereich. Der durchschnittliche Fallwert aller allgemeinen Laborfälle liege bei ihr zwischen 2 EUR und 3 EUR. Die Neureglung führe zu einer negativen Vergütung für allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen und wirke damit wie ein Verbot der Erbringung dieser Leistungen für einen Teil der Leistungserbringer, namentlich für Fachärzte für Laboratoriumsmedizin. Bei den genannten Fallwerten zahle sie die Differenz nach Wegfall der Transportkostenpauschale in Höher von 2,60 EUR. Facharztlabore würden ohne sachlichen Grund gleich behandelt wie Laborgemeinschaften, obwohl zwischen beiden Gruppen wesentliche Unterschiede bestünden. Innerhalb der Laborgemeinschaften sei die Berechnung der Kostenpauschale zu recht ausgeschlossen, weil hier der beziehende Arzt selbst die Laborleistungen erbringe und abrechne. Es handle sich systematisch um einen praxisinternen Vorgang, weil die Gemeinschaftseinrichtung der Laborgemeinschaft gleichsam ausgelagerte Praxiseinrichtung des behandelnden und abrechnenden Arztes sei. Demgegenüber handle es sich bei der Überweisung an Fachlaboratorien um eine Überweisung von Arzt zu Arzt. Das Fachlaboratorium sei kein verlängerter Arm des überweisenden Arztes. Eine Überweisung ziehe Transportkosten nach sich. Diese Transportkosten entstünden größtenteils unabhängig davon, ob eine allgemeine Laboratoriumsuntersuchung oder eine spezielle Untersuchung überwiesen worden sei. Eine Begründung für die Änderung sei nicht veröffentlicht worden. Die Änderung sei willkürlich. Sie verletzte § 87 Abs. 2 SGB V, das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) und die Pflicht zur sachgerechten Leistungsbewertung. Die Änderung erweise sich zudem als unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), weil die Regelung systematisch in einer Vielzahl von Fällen zur einer per se negativen Vergütung für allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen führe, die vom Laborarzt bei gemischten Untersuchungsfällen erbracht würden. Zudem liege in der Änderung ein Verstoß gegen das Verbot sachfremder Leistungslenkung im EBM nach Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG vor. Die Neuregelung greife in den vertragsärztlichen Status ein, indem sie die Erbringung von allgemeinen Laboratoriumsuntersuchungen sanktioniere und so wirtschaftlich faktisch ausschließe. Hilfsweise mache sie geltend, ersatzweise sei die Leistung nach Nr. 40120 EBM zur vergüten. Sie habe den Ansatz dieser Leistung wegen des Abrechnungsausschlusses nicht angesetzt. Die Nr. 40120 EBM könne für die Fälle nicht berechnet werden, in denen die Kostenpauschalen nach der Nr. 40100 EBM abgerechnet worden sei. Es spreche viel dafür, dass auch Streichungen aus anderen Gründen erfolgt seien, da die Nr. 40100 EBM in 84.293 vergütet und in 103.357 Fällen abgesetzt worden sei, insgesamt es aber nur 157.997 Behandlungsfälle gegeben habe. Auch wenn in Leistungen nach Abschnitt 32.2 EBM "Logistikkosten" bereits enthalten seien, vermöge dies nicht zu rechtfertigen, warum hierdurch auch bereits die Transportkosten aus anderen Leistungen mit abgegolten sein sollten.

Die Klägerin beantragt,
die Absetzung der Nr. 40100 EBM in denjenigen Behandlungsfällen, in denen auch eine Leistung des Kapitels 32.2.1 bis 32.2.7 berechnet worden war, im Honorarbescheid vom 11.10.2009 für das Quartal II/09 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 aufzuheben und die abgesetzten Leistungen nach zu vergüten,
hilfsweise
unter Aufhebung der Honorarberichtigung die Beklagte zu verpflichten, in den berichtigten Behandlungsfällen der Klägerin die Leistung nach Nr. 40120 EBM zu vergüten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, sie habe die Berichtigung aufgrund der Änderung der Nr. 40100 EBM vorgenommen. Der Honorarbescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie verfüge über keinerlei Möglichkeiten, eine von den Vorgaben des EBM abweichende Abrechnung vorzunehmen. Sie habe keine Normverwerfungskompetenz. Auch der Hilfsantrag sei abzuweisen. Ein Leistungserbringer sei verpflichtet, die Abrechnung an Hand der jeweils gültigen Abrechnungsgrundlagen vorzunehmen. Dass die Klägerin trotz der eindeutigen Regelung des EMB ab dem Quartal II/09 dennoch die Nr. 40100 abgerechnet habe, gehe somit zu ihren Lasten. Eine Abrechnung der Nr. 40120 sei nicht erfolgt und könne daher auch im Nachhinein nicht mehr geltend gemacht werden. Die Auskunft der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zeige, dass die Einschränkung der Berechnungsfähigkeit der Nr. 40100 EBM nicht auf Willkür beruhe.

Auf Anfrage der Kammer haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung unter Datum vom 20.01.2012 und der Spitzenverband der Krankenkassen unter Datum vom 13.02.2012 die Gründe für die Einschränkung der Berechnungsfähigkeit der Nr. 40100 EBM zum 01.04.2009 dargelegt, worauf Im Einzelnen verwiesen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Die angefochtene Absetzung der Nr. 40100 EBM in 103.357 Behandlungsfällen, in denen auch eine Leistung des Kapitels 32.2.1 bis 32.2.7 berechnet worden war, im Honorarbescheid von 11.10.2009 für das Quartal II/09 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 ist rechtmäßig. Sie war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Absetzung der Nr. 40100 EBM und Nachvergütung der Kostenpauschale in den strittigen Behandlungsfällen und auch nicht darauf, in den berichtigten Behandlungsfällen ihr die Leistung nach Nr. 40120 EBM zu vergüten. Die Klage war daher im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V, eingefügt durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl. I 2003, 2190, mit Wirkung zum 01.01.2004).

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 01.07.1998 – B 6 KA 48/97 R - SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 = Breith 1999, 659 = USK 98163, zitiert nach juris, Rdnr. 15 m.w.N.).

Die Beteiligten sind an die Geltung der Kostenpauschale Nr. 40100 EBM gebunden. Nr. 40100 EBM lautet:
"Kostenpauschale für Versandmaterial, Versandgefäße usw. sowie für die Versendung bzw. den Transport von Untersuchungsmaterial, ggf. auch von infektiösem Untersuchungsmaterial, einschl. der Kosten für die Übermittlung von Untersuchungsergebnissen der
- Laboratoriumsdiagnostik, ggf. einschl. der Kosten für die Übermittlung der Gebührenordnungspositionen und der Höhe der Kosten überwiesener kurativ-ambulanter Auftragsleistungen des Abschnitts 32.3
- Histologie
- Zytologie
- Zytogenetik und Molekulargenetik
einmal im Behandlungsfall, 2,60 EUR.
Die Kostenpauschale 40100 ist in demselben Behandlungsfall nicht neben Gebührenordnungspositionen der Abschnitte 32.2.1 bis 32.2.7 berechnungsfähig."

Die Beklagte hat Kostenpauschale Nr. 40100 EBM abgesetzt, soweit in demselben Behandlungsfall eine Leistung nach den Abschnitten 32.2.1 bis 32.2.7 EBM angefallen ist. Soweit die Klägerin andeutet, es spreche viel dafür, dass auch Streichungen aus anderen Gründen erfolgt seien, da die Nr. 40100 EBM in 84.293 vergütet und in 103.357 Fällen abgesetzt worden sei, insgesamt es aber nur 157.997 Behandlungsfälle gegeben habe, ist der Vortrag unsubstantiiert. Die Beklagte hat im Honorarbescheid in den "Informationen über die wesentlichen Änderungen in der Abrechnung" im Einzelnen aufgelistet, welche Abrechnungspositionen sie aus welchen Gründen abgesetzt hat. Dabei hat sie die Nr. 40100 auch aus anderen Gründen abgesetzt. Von daher ist der Kammer nicht ersichtlich, dass die hier streitbefangenen Absetzungen aus anderen Gründen erfolgt sein sollen als ausschließlich wegen einer Leistung nach den Abschnitten 32.2.1 bis 32.2.7 EBM.

Die Einschränkung der Berechnungsfähigkeit der Nr. 40100 EBM zum 01.04.2009 war von der Kammer nicht zu beanstanden.

Bei der Nr. 40100 EBM handelt es sich nicht um einen Teil des einheitlichen Bewertungsmaßstabs nach § 87 Abs. 2 SGB V. Den einheitlichen Bewertungsmaßstab bestimmt danach der Bewertungsausschuss. Dieser betrifft auch nur den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis und nicht reine Kostenpauschalen. Solche Kostenpauschalen können von den Partnern der Bundesmandelverträge auf der Grundlage der §§ 82 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGB V vereinbart werden (vgl. allgemein zur Befugnis der Bundesmantelvertragspartner, ergänzende Bestimmungen zum einheitlichen Bewertungsmaßstab zu vereinbaren, Klückmann, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. 6/11, § 82, Rdnr. 15 vierter Spiegelstrich). Eine solche Vereinbarung der Partner der Bundesmantelverträge ist ebenso wie der eigentliche EBM (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V) Teil des Bundesmandelvertrags, an den die Beteiligten gebunden sind (§ 81 Abs. 3 Nr. 1 SGB V). Als Normsetzungsvertrag ist die Neufassung der Nr. 40100 auch veröffentlicht worden (DÄ 2008, A-2421).

Die Übertragung zur Regelung der Kostenpauschale auf die Bundesmantelvertragsparteien ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urt. v. 08.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = BSGE 94, 50 = GesR 2005, 307 = MedR 2005, 538 = Breith 2005, 817 = USK 2004-144, zitiert nach juris Rdnr. 74 ff.; BSG, Urt. v. 08.12.2004 - B 6 KA 40/03 R - USK 2004-145, zitiert nach juris Rdnr. 72 ff., jeweils m.w.N.;

Die Bundesmantelvertragsparteien haben den ihnen zukommenden Gestaltungsspielraum bei der Einschränkung der Berechnungsfähigkeit der Nr. 40100 EBM sachgerecht ausgeübt.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der sich der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unter Datum vom 13.02.2012 angeschlossen hat, hat unter Datum vom 20.01.2012 die Gründe für die Neuregelung im Einzelnen dargelegt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, Gründe für die Einschränkung seien einerseits die Berücksichtigung der in den Vergütungen bereits enthaltenen Logistikkosten und andererseits die mit den bundesweit zu beobachtenden und erwarteten Folgen der Einführung der Direktabrechnung von Laborgemeinschaften. Damit verbunden sei eine zusätzliche Berechnungsfähigkeit der Labor-Grundpauschale sowie der Kostenpauschale 40120 für die Befundübermittlung, was eine Leistungsausweitung verursacht habe, die in der Summe der Effekte hatte vergütungsneutral gestaltet werden sollen. Leistungen des Allgemeinlabors nach Abschnitt 32.2 EBM würden dem beziehenden Vertragsarzt direkt vergütet. Für die Durchführung könnten sich Vertragsärzte in Laborgemeinschaften zusammenschließen. Diese würden in der Regel von einem fachärztlich geführten Labor in Logistik und Analytik betreut werden. Die der Laborgemeinschaft entstehenden Kosten einschl. der Logistik würden von den beziehenden Ärzten getragen werden. Die durchschnittlichen Kosten für die Leistungen des Abschnitts 32.2 EBM seien im Jahr 1998 mit 69 Pfennig je Analyse einschl. eines Logistikanteils in Höhe von 8 Pfennigen kalkuliert worden. Auf dieser Grundlage seien die Bewertungen der Leistungen des Abschnitts 32.2 EBM von den Partnern der Bundesmantelverträge festgelegt worden. Die Kosten für die Logistik seien demnach hierin enthalten und mit der Berechnung der Gebührenordnungspositionen abgegolten. Die Partner der Bundesmantelverträge hätten im März 2008 die Direktabrechnung der Laborgemeinschaften vereinbart. Sie hätten bestimmt, dass die Abrechnungen der Laborgemeinschaften nur nach Nachweis der Kosten, höchstens jedoch nach den Kostensätzen des Anhangs zum Kapitel 32.2 (Allgemeinlabor) erfolgen müssten. Anlass hierfür sei gewesen, sachfremde und mengenausweitende Vergütungsanreize im Allgemeinlabor zu mindern. Die laborärztlichen Betreiber der Laborgemeinschaften hätten die Leistungen zunehmend trotz fehlender Kostendeckung des Allgemeinlabors erbracht. Ziel der Direktabrechnung sei, die erstatteten Kosten des Abschnitts 32.2 in voller Höhe für die Erbringung der Laborleistungen einzusetzen und sachfremde Mengenanreize zu minimieren. Es gehe um den Schutz der Fachlaborärzte im Rahmen der Erbringung von Leistungen im Kern ihres Fachgebietes. Folge des Beschlusses sei, da der wirtschaftliche Anreiz für die veranlassenden Ärzte entfalle, dass sich in wesentlich größerem Umfang als erwartet Laborgemeinschaften aufgelöst bzw. in rein privatärztliche Laborgemeinschaften umgewandelt hätten. Es seien weitere Maßnahmen getroffen worden. Im Ergebnis seien vermehrt Leistungen des Allgemeinlabors an Labor-Facharztpraxen überwiesen worden, für die nach den bisher geltenden Abrechnungsbestimmungen die Kostenpauschale 40100 berechnungsfähig gewesen sei. Die Kostenpauschale 40100 enthalte die Logistikkosten, Kosten für das Entnahmematerial und die Kosten für die Befundübermittlung. Damit würden bei der Erhaltung der bisherigen Abrechnungsbestimmungen die Logistikkosten für eine Probensendung sowohl als Bestandteil der Bewertung der Kostenpauschalen des Abschnitts 32.2 EBM als auch als Kostenpauschale 40100 mehrfach vergütet werden. Verbunden mit der Einführung der Direktabrechnung von Laborgemeinschaften seien Fallzahlausweitungen zu beobachten gewesen, die sich retrospektiv mit einem Anstieg von 32,3 auf 47,8 Mio. Behandlungsfällen (+47 %) bestätigt hätten. Die sich abzeichnende Fallzahlausweitung hätten die Partner der Bundesmantelverträge veranlasst, die Berechnungsfähigkeit der Kostenpauschale 40100 zu beschränken, um den Anreiz aus der doppelten Abrechnung der Logistik zu verhindern. Ungeachtet der auf Behandlungsfälle des Abschnitts 32.3 EBM eingeschränkten Berechnungsfähigkeit der Kostenpauschale 40100 seien die Laborfacharztpraxen nun berechtigt, für die Befundübermittlung der exkludierten Behandlungsfälle die Kostenpauschale 40120 je Leistungsfall zu berechnen. Die Auflösung der Laborgemeinschaften habe nach dem 01.10.2008 zu einer massiven Zunahme der Überweisungsaufträge an Laborfachärzte und einer damit einhergehenden Ausweitung der Abrechnungshäufigkeit der Gebührenordnungsposition 40100 für Transportleistungen im Zusammenhang mit der Veranlassung von Laboruntersuchungen aus dem Abschnitt 32.2 geführt. Die Zunahme des Leistungsbedarfs der Transportkostenpauschale in den Quartalen IV/08 und I/09 seien direktes Ergebnis der Auflösung von Laborgemeinschaften gewesen. Für die Untersuchungen des Allgemeinlabors seien die Aufwendungen für den Probentransport bereits in den vereinbarten Euro-Beträgen des Abschnitts 32.2 enthalten. Leistungen aus dem Abschnitt 32.2 würden wesentlich häufiger als Leistungen aus dem Abschnitt 32.3 erbracht werden. Die hieraus folgende Mehrfachvergütung sei nicht zu vernachlässigen gewesen. Deshalb sei die Berechnungsfähigkeit der Nr. 40100 zum 01.04.2009 bei Erbringung auch von Leistungen der Unterabschnitte 32.2.1 bis 32.2.7 im Behandlungsfall ausgeschlossen worden. Es könne nunmehr zusätzlich die Nr. 40120 berechnet werden. Diese sei auch grundsätzlich mehrfach im Behandlungsfall möglich.

Damit lagen sachliche Gründe zur strittigen Einschränkung der Berechnungsfähigkeit der Nr. 40100 EBM vor. Auch wenn der Leistungsanteil für die Logistik in den Leistungen des Allgemeinlabors mit ca. 4 Cent nur einen ganz geringen Anteil im Hinblick auf die Vergütung von 2,60 EUR für die Kostenpauschale nach Nr. 40100 ausmacht, so ist aber zunächst davon auszugehen, dass im Durchschnitt mindestens vier bis fünf Leistungen des Allgemeinlabors, nach Auffassung der mit zwei Vertragsärzten besetzten Kammer eher mehr, anfallen. Hinzu kommt aber eine weitgehende Kompensation durch Abrechnung der Nr. 40100. Dies hat eine verifizierende, überschlägige Berechnung der Kammer in der mündlichen Verhandlung ergeben. Hierfür ist zunächst von einem Absetzungsvolumen von 268.728,20 EUR für die insgesamt 103.357 abgesetzten Leistungen nach Nr. 40100 auszugehen. Dieses Absetzungsvolumen ist um den Teil zu reduzieren, der aus anderen Gründen als die hier strittigen Gründen erfolgt ist. So wird die Nr. 40100 z. T. mehrfach im Behandlungsfall angesetzt, da z. B. beim ersten Ansatz nicht ersichtlich ist, ob noch eine weitere Anforderung eingeht oder ein Allgemeinlabor angefordert wird. Im Ergebnis bedeutet dies, dass nicht alle Streichungen zwingend die hier strittige Rechtsfrage betreffen. Die Klägerin selbst hat das strittige Absetzungsvolumen in der mündlichen Verhandlung mit ca. 180.000 EUR angegeben. Die entspricht einem strittigen Leistungsvolumen von ca. 69.231 Leistungen nach Nr. 40100. Im Quartal II/09 erfolgte kein Ansatz der Nr. 40120, im Quartal III/09 aber z. B. 203.224 mal (132 mal auf 100 Behandlungsfälle), im Quartal IV/09 aber 207.703 mal (131 mal auf 100 Behandlungsfälle) und im Quartal I/10 221.850 mal (133 mal auf 100 Behandlungsfälle). Für das Quartal II/09 würde sich bei 132 Ansätzen der Nr. 40120 auf 100 Behandlungsfälle bei insgesamt 158.974 Behandlungsfällen ein Abrechnungsvolumen von 209.845,7 Leistungen bzw. 115.415 EUR ergeben. Aufgrund des in den Leistungen des Allgemeinlabors enthalten Logistikanteils sind rechnerisch ca. weitere 13.846 EUR (69.231 x 0,20 EUR) zu berücksichtigen, insgesamt ca. 130.000 EUR. Damit dürfte bereits von daher eine Kompensation von über 70 % eingetreten sein. Hinzu kommt, dass die Laborreform tendenziell den Umfang der Leistungen bei den Laborärzten vermehrt hat und gerade die Vergütung der Leistungen des Allgemeinlabors auf eine wirtschaftlich eindeutigere Grundlage gestellt hat. So weist die KBV für die Vergangenheit darauf hin, die laborärztlichen Betreiber der Laborgemeinschaften hätten die Leistungen zunehmend trotz fehlender Kostendeckung des Allgemeinlabors erbracht. Im Ergebnis ist daher durch das Gesamtreformpaket von einer weitgehenden Kompensation bzgl. der Änderungen der Nr. 40100 auszugehen.

Im Rahmen der Pauschalierung von Vergütungsbestimmungen bzw. Kostenpauschalen ist es auch unerheblich, ob in jedem Einzelfall eine kostendeckende Erstattung erzielt werden kann. Insofern handelt es sich auch bei Kostenpauschalen um pauschalierende Bestandteile des vertragsärztlichen Honorars. So besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Unkosten in die einzelne Leistungslegende bzw. bei der Bewertung der einzelnen Leistung einzurechnen oder aber als gesonderte Tatbestände auszuweisen. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin, wie sie vorträgt, keinen Einfluss darauf habe, ob ihre Einsender auch allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen bei ihr anforderten. Bei der vertragsärztlichen Vergütung handelt es sich letztlich um eine Mischkalkulation. Der klägerische Vortrag berücksichtigt im Übrigen nicht hinreichend, dass nunmehr die Nr. 40120 EBM auch mehrfach im Behandlungsfall abgerechnet werden kann, was im Grundsatz die Honorarminderung aufgrund der Einschränkung der Berechnungsfähigkeit der Nr. 40100 EBM kompensiert. Dass die Neureglung der Nr. 40100 EBM insgesamt zu einer unzureichenden Vergütung laborärztlicher Leistungen der Fachgruppe der Laborärzte führen würde, ist nicht ersichtlich und hat der Kläger auch nicht dargetan.

Nach allem war die Klage im Hauptantrag abzuweisen.

Die Klage war auch im Hilfsantrag abzuweisen.

Die Nr. 40120 EBM lautet:
"Kostenpauschale für die Versendung bzw. den Transport von Briefen und/oder schriftlichen Unterlagen bis 20 g (z.B. im Postdienst Standardbrief) oder für die Übermittlung eines Telefax, 0,55 EUR.
Kosten für die Versendung, den Transport bzw. die Übermittlung laboratoriumsdiagnostischer, histologischer, zytologischer, zytogenetischer oder molekulargenetischer Untersuchungsergebnisse an den auftragserteilenden Arzt können für die Fälle nicht berechnet werden, in denen die Kostenpauschale nach der Nr. 40100 abgerechnet worden ist."

Die Beklagte weist zurecht darauf hin, dass die Klägerin in den strittigen Behandlungsfällen die Nr. 40120 EBM nicht abgerechnet hat. Dies muss sie sich grundsätzlich selbst zurechnen lassen. Die Richtigkeit der vorgenommenen Abrechnung hat jeder vertragsärztliche Leistungserbringer mit Abgabe der Honorarabrechnung zu bestätigen. Eine kassenärztliche Vereinigung ist zur Umdeutung einer fehlerhaften Abrechnung in eine andere Leistung aufgrund der Garantiefunktion der Sammelerklärung nicht verpflichtet (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 19.05.2010 - L 4 KA 100/08 - juris Rdnr. 43, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 08.12.2010 - B 6 KA 37/10 B -).

Im Ergebnis war die Klage daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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