L 5 R 76/11

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 7 R 135/09
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 76/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine rentenberechtigende Übergangszeit im Sinne des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b SGB VI setzt voraus, dass der sich daran anschließende Ausbildungsabschnitt anspruchsbegründend ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 2. Mai 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Berufungsverfahren noch Halbwaisenrente für August und September 2008. Zwischen den Beteiligten ist insbesondere streitig, ob eine rentenberechtigende Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten nach § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) voraussetzt, dass der sich hieran anschließende Ausbildungsabschnitt selbst anspruchsbegründend ist.

Der Kläger ist am geboren und Sohn der am geborenen und am verstorbenen Versicherten T. S ... Die Beklagte gewährte dem Kläger zunächst für die Zeit seiner Schulausbildung von Oktober 1991 bis Juni 2001 Halbwaisenrente. Danach leistete der Kläger bis zum 31. März 2002 den gesetzlichen Wehrdienst. Mit Bescheid vom 13. Juni 2002 gewährte die Beklagte ihm wegen der Aufnahme eines Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität K. ab 1. April 2002 erneut Halbwaisenrente, die sie zunächst bis zum 30. April 2005 befristete. Mit Schreiben vom 12. August 2004, 31. August 2005 und 21. März 2006 teilte sie dem Kläger jeweils mit, dass die Voraussetzungen für den Bezug der Waisenrente wegen der Fortdauer des Studiums weiterhin gegeben seien und befristete die Bewilligung zuletzt bis 31. März 2007. Nachdem der Kläger am 25. Januar 2007 sein Studium erfolgreich mit dem Ersten juristischen Staatsexamen abgeschlossen hatte, nahm die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Februar 2007 den Bescheid vom 13. Juni 2002 ab 1. Februar 2007 zurück. Im Hinblick auf ein Aufbaustudium in den V. Sa. bewilligte sie dem Kläger mit Bescheid vom 30. April 2007 abermals Waisenrente, die sie bis zum 31. Juli 2008 befristete. Nachdem der Kläger im Oktober 2007 mitgeteilt hatte, dass die Ausbildung voraussichtlich im Juni 2008 ende, befristete die Beklagte die Bewilligung bis 30. Juni 2008 (Bescheid vom 4. März 2008) und stellte danach die Rentenzahlung mit Ablauf des Monats Juli 2008 ein. Das Aufbaustudium zum Master of Law schloss der Kläger am 18. Mai 2008 ab. Im selben Monat beantragte er beim Oberlandesgericht Celle die Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst zum 1. September 2008. Dies lehnte der Präsident des Oberlandesgerichts Celle mit Schreiben vom 3. Juli 2008 unter Hinweis auf die Rangfolge vorrangig zu berücksichtigender Bewerber ab. Gleichzeitig teilte er dem Kläger mit, dass er möglicherweise noch im Nachrückverfahren eingestellt werden könne. Insoweit solle er sich auf eine kurzfristige Nachricht – gegebenenfalls auch fernmündlich – bis einschließlich 28. August 2008 einrichten. Daraufhin beantragte der Kläger mit Schreiben vom 7. Juli 2008 die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst zum Einstellungsdurchgang 1. Oktober 2008 beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht. Diesem Antrag wurde mit schriftlicher Einstellungszusage vom 8. Septem¬ber 2008 entsprochen.

Mit Bescheid vom 17. September 2008 hob die Beklagte den Bescheid vom 13. Juni 2002 mit Wirkung ab 1. Juni 2008 nach § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) auf und forderte den vermeintlich überzahlten Betrag von 412,48 EUR für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Juli 2008 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 26. September 2008 Widerspruch, den er damit begründete, dass das Prüfungsergebnis des Aufbaustudiums ihm erst im Juni 2008 bekannt gegeben worden sei. Die Zeit bis zum Beginn des Referendariats stelle eine anspruchsbegründende Übergangszeit im Sinne des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI dar, so dass ihm Halbwaisenrente bis 30. September 2008 zu gewähren sei. Erst danach sei die wegen der Ableistung des Wehrdienstes verlängerte Altershöchstgrenze erreicht.

Dem Widerspruch des Klägers half die Beklagte mit Bescheid vom 3. Dezember 2008 insoweit ab, als sie Halbwaisenrente für Juni 2008 gewährte. Gleichzeitig lehnte sie den darüber hinaus geltend gemachten Anspruch des Klägers bis einschließlich September 2008 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2009 zurück. Zur Begründung führte sie aus, für den Zeitraum ab Juli 2008 sei ein Anspruch auf Halbwaisenrente nicht mehr gegeben, weil die Wartezeit bis zum Beginn des juristischen Vorbereitungsdienstes am 1. Oktober 2008 keine rentenberechtigende Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten im Sinne des Gesetzes sei. Wegen des Erreichens der verlängerten Altersgrenze sei der Ausbildungsabschnitt ab 1. Oktober 2008 selbst nicht mehr anspruchsbegründend.

Der Kläger hat am 9. Februar 2009 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben, die mit Beschluss vom 16. April 2009 an das örtlich zuständige Sozialgericht Kiel verwiesen worden ist. Mit seiner Klage hat sich der Kläger weiterhin gegen die Rückerstattung der für Juli 2008 gewährten Halbwaisenrente gewandt und Halbwaisenrente bis 30. September 2008 begehrt. Zur Begründung hat er vorgebracht, er habe sich frühzeitig um eine Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst zum 1. September 2008 bemüht. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Halbwaisenrente noch vorgelegen. Es könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass seine Bemühungen erfolglos geblieben seien. Ihm sei auch Kindergeld bis einschließlich September 2008 bewilligt worden. Insoweit seien die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten identisch. Rechtlich komme es nicht darauf an, ob der der Übergangszeit nachfolgende Ausbildungsabschnitt selbst noch anspruchsbegründend sei. Maßgeblich sei allein, dass die Anspruchsvoraussetzungen bis 30. September 2008 vorgelegen hätten. Das Sozialgericht ist im angefochtenen Urteil davon ausgegangen,

der Kläger habe schriftsätzlich beantragt,

dass der Widerspruchsbescheid aufgehoben wird, dass keine Rückzahlung der bereits gezahlten Julirente zu erfolgen habe und dass die Halbwaisenrente bis zum 30. September 2008 gewährt werde.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, eine rentenberechtigende Übergangszeit im Sinne des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI setze voraus, dass der nachfolgende Ausbildungsabschnitt ebenfalls dem Grunde nach anspruchsbegründend für die Gewährung von Halbwaisenrente sei.

Das Sozialgericht hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden. Mit Urteil vom 2. Mai 2011, in dem es die Berufung zugelassen hat, hat es den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2009 hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung von Halbwaisenrente für den Monat Juli 2008 und der Erstattungsforderung von 207,42 EUR aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger zwar keinen Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente für den streitbefangenen Zeitraum von Juli bis September 2008 habe, weil die Wartezeit bis zur Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst keine anspruchsbegründende Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten im Sinne des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI sei. Dennoch habe der Kläger die Rentenzahlung für Juli 2008 nicht zu erstatten, weil die Voraussetzungen einer Aufhebung des Bescheides vom 13. Juni 2002 nach § 48 SGB X nicht vorgelegen hätten. Das Sozialgericht hat die Rechtsauffassung der Beklagten zur Auslegung des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI geteilt. Hierzu hat es ausgeführt:

"Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist der Terminus Übergangszeit dahingehend auszulegen, dass sich ein zweiter Rentengewährungsabschnitt anschließen muss. Erst dann liegt eine Übergangszeit zwischen zwei (anspruchsbegründenden) Ausbildungsabschnitten vor. Die Regelung des § 48 Abs. 4 Nr. 2b SGB VI und damit die Anerkennung von unvermeidbaren Zwischenzeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten als anspruchsbegründende Phase war aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes entstanden und nachträglich als gesetzliche Regelung aufgenommen – vgl. Artikel 1 Nr. 6a des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21. Juli 2004, Bundesgesetzblatt Teil I 2004, Nr. 38, S. 1791 – 1805. Dabei wurde in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Voraussetzungen für das Vorliegen einer Ausbildung die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu Anrechnungszeiten gilt. Nach dieser Rechtsprechung sind unvermeidbare Zwischenzeiten als den Schul- und Semesterferien gleichstehend erachtet worden, wenn sie zwischen zwei rentenrechtlich erheblichen Ausbildungsabschnitten liegen, generell unvermeidbar und organisationsbedingt typisch sind und dementsprechend häufig vorkommen und ferner nicht länger als vier Monate andauern (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 16.12.1997, Aktenzeichen 4 RA 67/97, Rdnr. 21, zitiert nach juris). Die Berücksichtigung dieser Zwischenphase zwischen zwei rentenrechtlich erheblichen Ausbildungsabschnitten gilt insbesondere für die Zeit zwischen Schulabschluss und Beginn eines Hochschul- bzw. Fachschulstudiums sowie für die sich an den Schulbesuch nicht nahtlos anschließende versicherungspflichtige Lehre bzw. für das an den Fachschulbesuch nicht nahtlos anschließende versicherungspflichtige Praktikum. Diese "Zwischenzeiten" stellen sich typischerweise als einheitliche, notwendig zusammenhängende Ausbildung dar. Die Rentengewährung in diesen Zwischenzeiten soll dazu dienen, dass regelmäßig unvermeidliche, nicht zu lange Zwischenzeiten, finanziell überbrückt werden. Es soll einem grundsätzlich rentenanspruchsberechtigten Waisen nicht zugemutet werden, innerhalb einer kurzen Ausbildungszwangspause eine Beschäftigung aufzunehmen oder sich nach erfolgloser Arbeitssuche für diese Zeitspanne auf Grundsicherung verweisen zu lassen. Die Waise soll sich nicht darauf einstellen müssen, sich für einen kurzen unvermeidbaren Zwischenzeitraum selbst zu unterhalten (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 68. EL, § 48 Abs. 4 SGB VI, Rdnr. 2c). Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung begründet § 48 Abs. 4 Nr. 2b SGB VI keinen Anspruch auf Gewährung einer Halbwaisenrente, wenn während des zweiten Ausbildungsabschnittes kein Anspruch auf Gewährung einer Halbwaisenrente mehr besteht. Dann kommt es nicht zu einer Überbrückung von zwei rentenrechtlich erheblichen Ausbildungsabschnitten. Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, aus welchen Gründen in der zweiten Ausbildungsphase kein Anspruch auf Rentengewährungen mehr besteht."

Gegen das ihm am 3. Juni 2011 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 9. Juni 2011 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Der Kläger macht geltend, der Wortlaut der Norm stütze die Rechtsauffassung des Sozialgerichts nicht. § 48 Abs. 4 Nr. 2b SGB VI knüpfe lediglich an zwei Voraussetzungen an. Danach müsse die Ausbildung fortgesetzt werden und der Zeitraum zwischen den Ausbildungsabschnitten dürfe vier Monate nicht überschreiten. Diese Voraussetzungen seien in seinem Fall erfüllt.

Der Kläger beantragt ausweislich seines schriftsätzlichen Vorbringens sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 2. Mai 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm – dem Kläger – für die Zeit vom 1. August bis 30. September 2008 Halbwaisenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt ausweislich ihres schriftlichen Vorbringens,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt (Berufungsschriftsatz des Klägers vom 6. Juni 2011, Schriftsatz der Beklagten vom 24. Ok¬tober 2011). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet gemäß § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die aufgrund der Zulassung durch das Sozialgericht, an die der Senat gemäß § 144 Abs. 3 SGG gebunden ist, statthafte und insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Halbwaisenrente vom 1. August bis 30. Sep-tember 2008 hat. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2009 ist rechtmäßig, soweit er für diesen Zeitraum die Rentengewährung versagt.

Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Halbwaisenrente ist § 48 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b und Satz 2 SGB VI in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes (RVNG – vom 21. Juli 2004, BGBl I 1791). Danach haben Kinder nach dem Tod eines Elternteils Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist, und sofern der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

Die Dauer des Anspruchs auf Halbwaisenrente ist je nach Alter der Waise unterschiedlich. Der Anspruch besteht ohne weitere Voraussetzungen uneingeschränkt bis zur Vollendung des 18. Le-bensjahres (§ 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), darüber hinaus jedoch nur dann, wenn einer der Tatbestände des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 – gegebenenfalls in Verbindung mit Abs. 5 – SGB VI vorliegt (vgl. BSG, Urteile vom 31. August 2000 – B 4 RA 5/00 R = SozR 3-2600 § 48 Nr. 4 S. 21 und vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 37/02 R = SozR 4-2600 § 48 Nr. 2).

Der Kläger, der im streitbefangenen Zeitraum bereits sein 27. Lebensjahr vollendet hatte, erfüllte ab August 2008 keinen der gesetzlichen Tatbestände, die einen weiteren Bezug von Halbwaisenrente ermöglichen. In Betracht kommt insoweit nur § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b SGB VI. Danach besteht längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres Anspruch auf Halb- oder Vollwaisenrente, wenn sich die Waise in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstabens c liegt. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht gegeben. Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass eine Übergangszeit im Sinne dieser Norm nur vorliegt, wenn der sich daran anschließende Ausbildungsabschnitt einer Berufsausbildung – die hier unstreitig ab 1. Oktober 2008 fortgesetzt wurde – einen Anspruch auf Halbwaisenrente begründet. Insoweit macht der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen davon Gebrauch, auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils gemäß § 153 Abs. 1 SGG Bezug zu nehmen. Der anschließende Ausbildungsabschnitt begründete im Fall des Klägers unstreitig keinen Anspruch auf Halbwaisenrente, da die mögliche Bezugsdauer überschritten war.

Deshalb kann der Senat auch dahingestellt lassen, ob ein Anspruch nach § 48 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI bereits daran scheitert, dass der Kläger in dem hier streitigen Zeitraum die maßgebliche Altersgrenze überschritten hatte und sich wegen des von ihm zuvor geleisteten Wehrdienstes und der dadurch bedingten Ausbildungsverzögerung nicht auf den Verlängerungszeittatbestand des Abs. 5 der Norm berufen kann. Dieser nimmt seinem Wortlaut nach nur Fälle des Absatzes 4 Nr. 2 Buchst. a) in Bezug, der Waisen erfasst, die sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden. Der Kläger befand sich im August und September 2008 jedoch nicht in einer Ausbildungs-, sondern in einer Wartephase zwischen zwei Ausbildungsabschnitten. Da diese aber bereits rechtlich nicht als Übergangszeit im Sinne des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI zu qualifizieren ist, ist nicht entscheidungserheblich, ob der Verlängerungszeittatbestand des Abs. 5 nur in tatsächlichen Ausbildungsphasen erfüllt sein kann oder auch für Übergangszeiten gilt.

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren enthält keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, die zu einer vom Sozialgericht abweichenden Entscheidung Anlass geben könnten. Soweit sich der Kläger auf den bloßen Wortlaut der Norm stützt, verkennt er, dass eine waisenrentenunschädliche Übergangszeit im Sinne des Gesetzes begriffsnotwendig nur dann vorliegen kann, wenn sie zwei Anspruchszeiträume verbindet. Eine anspruchsbegründende Übergangszeit setzt voraus, dass sie die Zeit zwischen zwei rentenberechtigenden Ausbildungsabschnitten überbrückt.

Für die vom Senat für zutreffend erachtete Auslegung des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI spricht nicht nur die bereits vom Sozialgericht dargestellte Gesetzeshistorie der Norm. Sie berücksichtigt auch den Sinn und Zweck der Gewährung von Waisenrente an Erwachsene. Die Waisenrente hat Unterhaltsersatzfunktion. Der Anspruch auf Waisenrente nach Vollendung des 18. Le¬bensjahres ersetzt in den Fällen des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a und b SGB VI in stark pauschalierender Weise und typisierend den Ausbildungsunterhalt, den der Versicherte gemäß §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1610 Bürgerliches Gesetzbuch hätte gewähren müssen, wenn er nicht verstorben wäre (vgl. BSG, Urteile vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 37/02 R = SozR 4-2600 § 48 Nr. 2 Rdnr. 17; vom 17. April 2007 – B 5 R 62/06 R = SozR 4-2600 § 58 Nr. 8; vom 17. April 2008 – B 13/4 R 49/06 R = BSGE 100, 210). Die Rechtsprechung der Zivilgerichte billigt aber einer Volljährigen bereits hinsichtlich des Zeitraums zwischen dem Abschluss eines Berufskollegs und dem Beginn eines unbezahlten Praktikums, das erforderlich ist, um den erstrebten Ausbildungsplatz zu erhalten, keinen Unterhaltsanspruch mehr zu. Weil für die Betroffene erkennbar war, dass sie nach dem Schulabschluss nicht nahtlos in ein Ausbildungsverhältnis wechseln konnte, ist sie als verpflichtet angesehen worden, in dem Übergangszeitraum ihren Unterhaltsbedarf mit Hilfe einer Aushilfstätigkeit selbst sicherzustellen (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10. April 2006 – 1 UF 80/05, veröffentlicht in juris). Auch in der Wartezeit bis zum Beginn eines Studiums muss ein volljähriges Kind grundsätzlich selbst für seinen Unterhalt sorgen (OLG Zweibrücken, Urteil vom 29. März 1994 – 5 UF 210/91NJW-RR 1994, 1225 m.w.N.; OLG Naumburg, Beschluss vom 10. Mai 2007 – 4 UF 94/07, FamRZ 2008, 86); eine Ausnahme wird insoweit nur für kurze Übergangszeiten unter dem Gesichtspunkt einer zuzubilligenden "Erholungsphase" sowie einer "angemessenen Orientierungs- und Vorbereitungszeit" gemacht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. De¬zember 2005 – 11 UF 218/05NJW-RR 2006, 509 – betreffend einen Zeitraum von der Abiturprüfung im Juli bis zum Studienbeginn im Oktober). Steht jedoch wie hier fest, dass die Unterhaltsersatzfunktion für den Ausbildungsabschnitt nach der Wartezeit aufgrund Erreichens der Altersbegrenzung nicht mehr zum Tragen kommen kann, ist es nicht gerechtfertigt, die Zeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten noch anspruchsbegründend für Halbwaisenrente zu erachten.

Die Systematik des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI trägt der Unterhaltsersatzfunktion ebenfalls Rechnung. Die Norm ist Bestandteil des Katalogs von Sachverhalten, bei deren Vorliegen Waisenrente abweichend von dem Grundsatz in § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB VI über die Vollendung des 18. Lebensjahres der Waise hinaus zu zahlen ist. Selbst wenn es sich insoweit nicht um Ausnahmevorschriften im eigentlichen Sinne handelt, die eng ausgelegt werden müssen, ist doch die Grundentscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass volljährige Waisen ihren Lebensunterhalt selbst – ohne Rückgriff auf die von der Versichertengemeinschaft aufgebrachten Mittel – bestreiten müssen, wenn keiner der in § 48 Abs. 4 SGB VI enumerativ aufgezählten Sachverhalte vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 B 13 R 86/09 R – zur erweiternden Auslegung des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB V bei einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten, veröffentlicht in juris). Der Sachverhalt des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI rechtfertigt eine Verlängerung der Rentengewährung nur, wenn die Zeit zwischen zwei anspruchsbegründenden Ausbildungsabschnitten überbrückt werden muss, denn nur diese sind unterhaltsrechtlich relevant.

Zwar kann es für die Zahlung der Waisenrente in der unvermeidbaren Zwangspause zwischen zwei Ausbildungsabschnitten ausreichen, wenn die Aufnahme der weiteren Ausbildung bis zum ersten Werktag des fünften Kalendermonats hinreichend wahrscheinlich ist. Denn ein Abwarten auf die tatsächliche Aufnahme der weiteren Ausbildung entspricht nicht dem Sinn und Zweck der Waisenrente, die zur Sicherung des laufenden Lebensunterhalts der Waise gedacht ist. War die Bewerbung um einen Ausbildungsplatz aber erfolglos, endet der Anspruch auf Waisenrente in der "Zwischenzeit" mit Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung erkennbar ist, spätestens wenn sie bekanntgegeben wird (vgl. W. Lilge in Lilge SGB VI, Gesetzliche Rentenversicherung, Stand Lfg. 3/08-IV/08, § 48 Rdnr. 16.3).

Gemessen an diesen Grundsätzen hätte dem Kläger entgegen der Auffassung des Sozialgerichts daher auch für Juli 2008 ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Halbwaisenrente zustehen können, wenn unterstellt wird, dass der Verlängerungszeittatbestand des § 48 Abs. 5 SGB VI nicht nur in tatsächlichen Ausbildungsphasen erfüllt sein kann. Halbwaisenrente für diesen Monat ist im Berufungsverfahren aber nicht mehr im Streit. Für den nur noch streitbefangenen Zeitraum vom 1. August bis 30. September 2008 kann der Kläger aus einer noch offenen Bewerbungssituation bereits deshalb keinen Anspruch auf Halbwaisenrente herleiten, weil ihm aufgrund des Schreibens des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Juli 2008 bereits vor August 2008 bekannt war, dass seinem Antrag auf Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst zum 1. September 2008 nicht entsprochen worden war. Deshalb hat er sich auch mit Schreiben vom 7. Juli 2008 bei der Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts für eine Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst zum Einstellungstermin 1. Ok¬tober 2008 beworben. Zu diesem Zeitpunkt lag jedoch aufgrund des Alters des Klägers und des bereits ausgeschöpften Verlängerungszeittatbestandes unstreitig ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Waisenrente nicht mehr vor. Der Umstand, dass dem Kläger im Ablehnungsschreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Juli 2008 mitgeteilt worden war, er könne möglicherweise noch im Nachrückverfahren eingestellt werden und solle sich insoweit auf eine kurzfristige Nachricht bis einschließlich 28. August 2008 einrichten, kann unabhängig von der Altersbegrenzung über den Monat Juli 2008 keinen Anspruch auf Zahlung der von ihm begehrten Leistung begründen. Denn zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass er aufgrund der zu berücksichtigenden Rangfolge der Bewerber nicht mehr regulär zum 1. September 2008 in den juristischen Vorbereitungsdienst eingestellt werden würde. Die vage Aussicht, im Nachrückverfahren eingestellt zu werden, vermag den Halbwaisenrentenanspruch in der Wartezeit nicht zu begründen. Der Beginn des Referendariats zum 1. September 2008 war aufgrund der erteilten Absage des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle ab Zugang dessen Schreibens im Juli 2008 für den Kläger nicht mehr hinreichend wahrscheinlich, weil zu diesem Zeitpunkt mehr gegen eine Einstellung sprach als dafür. Dass der Kläger auch selbst nicht ernsthaft darauf vertraut hat, im Nachrückverfahren noch berücksichtigt zu werden, belegt schließlich auch sein Bewerbungsschreiben an die Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 7. Juli 2008. Bei dieser Sachlage endete der Anspruch auf Halbwaisenrente in der Wartezeit bis zur Aufnahme des Vorbereitungsdienstes spätestens mit Ablauf des Monats Juli 2008.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Rechtskraft
Aus
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