S 6 KR 1338/09

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 KR 1338/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten. 3. Der Streitwert wird auf 1.904,83 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vergütung für eine stationäre Behandlung.

Die Klägerin behandelte in einem von ihr betriebenen Krankenhaus die bei der Beklagten krankenversicherte Frau K.K. (geb. XXXXX1948, i.F.: Patientin) in der Zeit vom 22.11.2005 bis zum 08.12.2005 stationär und forderte von der Beklagten hierfür mit Rechnung vom 13.12.2005 einen Betrag i.H.v. 5.344.- Euro. Mit Schreiben vom 29.12.2005 hielt die Beklagte entgegen, es lägen die Voraussetzungen der (von der Klägerin angesetzten) Codierung des OPS 8-55.1 nicht vor und bat um eine korrigierte Rechnung. Nachdem eine solche nicht vorgelegt wurde, zahlte die Beklagte im Februar 2006 nur einen Betrag i.H.v. 3439,17 Euro.

Mit der korrigierten Rechnung vom 26.06.2007 forderte die Klägerin von der Beklagten sodann die restlichen 1.904,83 Euro. Die Beklagte verwies demgegenüber auf ihr Schreiben vom 29.12.2005. Nachdem die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 04.09.2008 - dessen Zugang die Beklagte bestreitet - gemahnt hatte, hat sie am 16.12.2009 Klage erhoben.

Die Klägerin führt aus, es gebe keine Frist für die Bearbeitung von Abrechnungsvorschlägen oder Änderungswünschen. Insbesondere habe es sich auch nicht um eine Nachforderung gehandelt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.904,83 Euro nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 20.07.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, zunächst komme eine geriatrische Behandlung bei einem erst 57-jährigen Patienten nicht in Betracht. Weiterhin mache die Klägerin die Klageforderung unter Verstoß gegen § 11 Abs. 2 des Vertrages Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (i.F.: Hamburger Vertrag) verspätet geltend. Jedenfalls sei die Geltendmachung angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit als treuwidrig anzusehen.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte sowie die beigezogenen Krankenakte der Klägerin verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die als Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz, SGG) statthafte und auch sonst zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung (gem. § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch - fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung, SGB V, i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten).

Dies ergibt sich allerdings nicht daraus, dass die Klägerin die Frist aus § 11 Abs. 2 Satz 2 des Hamburger Vertrages nicht eingehalten hätte, denn diese gilt - wie auch das LSG Hamburg entschieden hat (Urteil vom 12.07.2011, L 1 KR 10/09) - nur für eine nachträglich geltend gemachte Forderungen, die über die ursprüngliche Forderung betragsmäßig hinausgehen.

Allerdings folgt aus dem Umstand, dass es sich bei der "inhaltlichen" Berichtigung einer Rechnung ohne Erhöhung der ursprünglichen Forderung nicht um eine Nachforderung i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 des Hamburger Vertrages handelt, nicht, dass eine solche berichtigte Begründung im Streit um die Höhe der Forderung uneingeschränkt (bzw. nur in den Grenzen der Verjährung) möglich wäre. Vielmehr gilt das "allgemeine" Beschleunigungsgebot im Verhältnis zwischen Krankenhaus(träger) und Krankenkasse, das sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 69 Satz 3 SGB V aF bzw. § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V jeweils i.V.m. § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches, BGB) und hier insbesondere aus der Verpflichtung zu gegenseitiger Rücksichtnahme ergibt, auch für derartige Berichtigungen. Die Gründe, mit denen das BSG "echte" Nachforderungen einer Kontrolle nach Treu und Glauben unterzogen hat (hierzu BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 11/09 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 12/08 R) gelten ebenso für bloße Nachbesserungen der Begründung. Insbesondere gilt der im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zugunsten der Krankenkasse zu berücksichtigende Umstand, dass diese aufgrund des laufenden Ausgabenvolumens die Höhe ihrer Beiträge - grundsätzlich bezogen auf das Kalenderjahr - kalkulieren müssen, auch insoweit.

Mit der vom BSG (Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.) betonten Waffengleichheit wäre es unvereinbar, wenn die Krankenkasse Rechnungen der Krankenhäuser nur binnen einer vergleichsweise engen zeitlichen Frist (die der seit dem 01.04.2007 geltende § 275 Abs. 1c SGB V nunmehr konkretisiert hat) beanstanden könnten, während der Krankenhausträger die Möglichkeit haben soll, neue Begründungen für die Höhe seiner Vergütungsforderung noch lange nach der erstmaligen Auseinandersetzung nachzuschieben. Dies muss zumindest dann gelten, wenn die Krankenkasse Grund zur Annahmen hatte, die Diskussion sei mit der Zahlung der von ihr für richtig erachteten Vergütung beendet.

Unter Zugrundelegung dessen war die Geltendmachung der "Restforderung" durch die Rechnung vom 26.06.2007 als treuwidrig anzusehen. Das Gericht kann hierbei offenlassen, welche Bedeutung dem Ablauf des betreffenden Haushaltsjahres (in dem die Zahlung der Vergütung nach regelmäßigem Gang der Dinge hätte erfolgen müssen) zukommt (gegen eine Betonung des Haushaltsjahres bei der Abwägung LSG Schleswig-Holstein, 10.11.2011, L 5 KR 89/10). Als treuwidrig erscheint das von der Klägerin vorgenommene "Nachschieben von Gründen" deswegen, weil es bereits eine Auseinandersetzung um die Höhe der Vergütung gegeben hatte und die Klägerin auf die Aufforderung der Beklagten, sie möge ihre Rechnung korrigieren, erst anderthalb Jahre später reagiert hat. Den Standpunkt der Beklagten kannte die Klägerin seit Anfang Januar 2006 und auch die unter Zugrundelegung dieses Standpunkts zu leistende Zahlung war jedenfalls im Frühjahr 2006 (offenbar Ende Februar) erbracht worden. Dennoch hat es bis – unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin – beinahe sechzehn Monate gedauert, bis die Klägerin ihre korrigierte Rechnung erstellt (d.h. in der Sache auf die Einwendungen der Beklagten erwidert) und der Beklagten übermittelt hat. Insbesondere muss sich die Beklagte – anders als in dem vom LSG Hamburg (Urteil vom 12.07.2011, L 1 KR 10/09, S. 7 des Umdrucks) entschiedenen Fall – gerade nicht entgegenhalten lassen, auch sie habe das Verfahren verzögert. Die Beklagte hatte ihren Standpunkt mit Schreiben vom 29.12.2005, d.h. noch im Monat der Krankenhausbehandlung kundgetan und - nachdem die Klägerin keine Rechnungskorrektur vorgenommen hatte - die Vergütung auf der Basis ihrer eigenen Auffassung gezahlt. Aus Sicht der Beklagten hat somit zu keinem Zeitpunkt des vorgerichtlichen Zeitraums Anlass zu weiterem Tätigwerden bestanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

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Rechtskraft
Aus
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