L 20 R 451/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 723/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 451/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Nachweis polnischer Beitragszeiten nach dem FRG (6/6 Anerkennung).
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.03.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Gründe:


I.
Streitig ist, ob bei der Klägerin die Zeit vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 als nachgewiesene Beitragszeit und somit mit 6/6 statt mit 5/6 zu bewerten ist.
Die 1968 geborene Klägerin ist am 23.11.1989 aus Polen in das Bundesgebiet gezogen und als Vertriebene anerkannt worden.
Mit Bescheid vom 15.04.1996 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf fest. Die Zeit vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 könne nur zu 5/6 angerechnet werden, weil diese Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit nicht nachgewiesen sondern nur glaubhaft gemacht sei. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Das Legitimationsbuch sei nicht am 16.10.1989, sondern bereits am 15.03.1987 ausgestellt worden, weil sie zu diesem Zeitpunkt das Beschäftigungsverhältnis aufgenommen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.1997 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Die Klägerin nahm zum 15.03.1987 in Polen eine Beschäftigung als Friseuse auf, am 05.10.1989 heiratete sie.
Am 29.05.2008 beantragte die Klägerin erneut, die Zeit vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 zu 6/6 anzurechnen. Durch die Heirat am 05.10.1989 habe sie den Namen geändert und ein neues Legitimationsbuch ausgestellt bekommen. Das alte Legitimationsbuch sei beim Arbeitgeber verblieben. Sie legte erneut den Arbeitsvertrag bezüglich der Aufnahme einer Tätigkeit als Friseuse zum 15.03.1987 vor sowie die Heiratsurkunde.
Mit Bescheid vom 05.08.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Da das entsprechende Legitimationsbuch nicht vorgelegt werden könne und keine Möglichkeit bestehe, dieses in Polen anzufordern, könne eine ungekürzte Anerkennung dieser Zeit nicht erfolgen. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und legte das Legitimationsbuch (ausgestellt am 16.10.1989), den Arbeitsvertrag und das Arbeitszeugnis im Original vor. Damit sei das Arbeitsverhältnis vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 lückenlos dokumentiert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das vorgelegte Legitimationsbuch sei erst am 16.10.1989 ausgestellt worden. Erst ab diesem Zeitpunkt seien Krankheits- und Fehltage im polnischen Arbeitsbuch eingetragen. Eine ungekürzte Anerkennung der polnischen Versicherungszeiten sei grundsätzlich ab 16.10.1989 möglich. Die Klägerin sei jedoch lediglich bis 30.09.1989 als Friseurin beschäftigt gewesen. Diese Zeit liege vor Ausstellung des polnischen Legitimationsbuches. Das vorgelegte Arbeitszeugnis sowie der Arbeitsvertrag bestätigten lediglich die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, nicht Krankheits- und Fehltage.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg, eingegangen am 10.11.2008, erhoben. Im Wesentlichen hat sie den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und auf den Arbeitsvertrag, das Arbeitszeugnis und das Legitimationsbuch verwiesen. Dort seien die Zeiten des Beschäftigungsverhältnisses vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 dokumentiert.
Die Beklagte hat auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren verwiesen.
Mit Urteil vom 15.03.2011 hat das SG die Klage abgewiesen.
Zu Recht habe die Beklagte den Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) abgelehnt, denn der Bescheid vom 15.04.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.1997 sei rechtmäßig, die Zeit vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 sei lediglich als glaubhaft anzusehen. Gemäß Art. 4 Abs 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 09.10.1975 (DPSVA 74), Art. 2 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 1975 und Art. 1 des Fremdrenten- und Auslandsneuregelungsgesetzes (FANG) fänden die Bestimmungen des Fremdrentengesetzes (FRG) Anwendung. Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 FRG stünden bei einem anerkannten Vertriebenen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt seien, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Für die Feststellung derartiger Beitragszeiten genüge es gemäß § 4 Abs 1 Satz 1 FRG grundsätzlich, dass sie glaubhaft gemacht würden. Gemäß § 22 Abs 3 FRG würden für Beitrags- und Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen seien, die ermittelten Entgeltpunkte um 1/6 gekürzt. Grund für diese pauschale Kürzung sei, dass bei einem fehlenden Nachweis von Beitragszeiten in diese Zeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder sonstiger Arbeitsunterbrechung fallen könnten, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten müsste. Die gesetzliche Regelung gehe hierbei von der Erfahrung aus, dass Beschäftigungszeiten im Durchschnitt nur zu 5/6 mit Beiträgen belegt seien. Eine Anrechnung zu 6/6 komme nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass das Gericht zu der Überzeugung gelange, dass im Einzelfall eine höhere Beitrags- oder Beschäftigungsdichte erreicht worden sei. Diese Feststellung lasse sich erst treffen, wenn konkrete und glaubwürdige Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten und die dazwischen liegenden Arbeitsunterbrechungen vorlägen und letztere keinen Umfang von 1/6 erreichten.
Dieser Nachweis sei vorliegend nicht erbracht. Aus dem vorgelegten Arbeitsvertrag und dem Arbeitszeugnis gehe lediglich hervor, dass die Klägerin vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Auch aus Seite 22 des vorgelegten Legitimationsbuches gehe lediglich hervor, dass die Klägerin eine Beschäftigung ausgeübt und eine gewisse Vergütung erhalten habe. Weder aus den vorgelegten Unterlagen noch aus sonstigen Erkenntnissen gehe hervor, dass tatsächlich vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 durchgehend Beiträge entrichtet worden seien und beispielsweise eine vorübergehende Unterbrechung, etwa durch Krankheit, nicht vorgelegen habe. Da das Nichtvorliegen derartiger Unterbrechungen nicht nachgewiesen sei, verbleibe es bei Anrechnung der strittigen Zeit zu 5/6.
Zur Begründung der hiergegen beim Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung, eingegangen am 06.05.2011 (Urteil des SG zugestellt am 16.04.2011), hat die Klägerin erneut auf den Arbeitsvertrag, das Arbeitszeugnis und das Legitimationsbuch verwiesen und angemerkt, damit sei die Beschäftigungszeit belegt.
Die Beklagte hat auf das ihrer Ansicht nach richtige Urteil des SG Würzburg verwiesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Würzburg vom 15.03.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 15.04.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.1997 abzuändern und die Zeit vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 als nachgewiesene Beitragszeit zu 6/6 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Würzburg vom 15.03.2011 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Mit Schreiben vom 02.02.2012 hat der Senat den Beteiligten mitgeteilt, dass eine Entscheidung durch Beschluss erwogen werde, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Der Senat hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen gegeben.

II.
Der Senat konnte durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden vorher gehört.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die Zeit vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 lediglich als glaubhaft gemachte Beitragszeit zu berücksichtigen ist. Der Senat verweist insoweit in vollem Umfang auf das Urteil des SG Würzburg gemäß § 153 Abs 2 SGG.
Ergänzend ist lediglich zu dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren auszuführen, dass eine Beitragszeit für ihr Beschäftigungsverhältnis vom 01.03.1987 bis 30.09.1989 durchaus anerkannt ist, lediglich die Bewertung erfolgt zu 5/6. Für die Frage, ob eine Beitragszeit zu 6/6 anzurechnen ist, kommt es auf den Nachweis an, dass diese Beschäftigungszeit nicht etwa durch Krankheitszeiten oder ähnliches unterbrochen worden ist. Dieser Nachweis wird lediglich durch die Angabe von Beginn und Ende eines Beschäftigungsverhältnisses jedoch nicht geführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1, 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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