L 4 KR 157/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 32/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 157/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 17/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 9. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung des sog. Krankengeldspitzbetrags für den Aufenthalt des Klägers in einer medizinischen Rehabilitationseinrichtung auf Kosten des Rentenversicherungsträgers in der Zeit vom 18.01.2007 bis 15.02.2007 in Höhe von 89,61 EUR streitig.

Der 1950 geborene Kläger war zuletzt als Verwaltungsangestellter im Prüfungsamt der Universität W. sozialversicherungspflichtig beschäftigt und ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.

Am 28.11.2005 war er arbeitsunfähig krank und bezog bis zum Beginn einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme, die ihm mit Bescheid vom 20.11.2006 vom Rentenversicherungsträger bewilligt worden war, Krankengeld in Höhe von Netto 33,18 EUR täglich.

Vom 18.01. bis 15.02.2007 unterzog sich der Kläger der stationären Reha-Maßnahme, während der er vom Rentenversicherungsträger Übergangsgeld in Höhe von 30,72 EUR täglich bezog. Ausweislich des Reha-Entlassungsberichts vom 08.02.2007 wurde der Kläger im Anschluss an die Reha-Maßnahme arbeitsunfähig entlassen. Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit bezog er bis 28.05.2007 Krankengeld von der Beklagten.

Obwohl die Parteien übereinstimmend auch während der Reha-Maßnahme vom Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit ausgingen und ausgehen, wurde Krankengeld für die Zeit vom 18.01. bis 15.02.2007 nicht, auch nicht zum Teil, ausbezahlt.

Mit Schreiben vom 12.08.2008 (Eingang bei der Beklagten 14.08.2008) beantragte der Kläger die Zahlung eines Krankengeldspitzbetrages. Nachdem vor und nach der Reha-Maßnahme durchgehend Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe, sei für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme der sog. Krankengeldspitzbetrag zu gewähren.

Mit streitigem Bescheid vom 22.08.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nachdem der Kläger von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRVB) während der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld erhalten habe, habe der Anspruch auf Krankengeld in voller Höhe geruht, auch wenn das Krankengeld höher sei. Das Ruhen des Krankengeldes sei in § 49 Abs.3 SGB V geregelt.

Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs wies der Kläger auf ein aktuelles Urteil des SG Würzburg vom 29.01.2008 - S 6 KR 112/07 - sowie auf Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14.07.2005 - L 4 KR 20/04 - und des LSG NRW vom 23.01.2001 - L 5 KR 66/99 - hin. Es lägen gleichgelagerte Sachverhalte vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und bestätigte damit ihren Ausgangsbescheid.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 22.01.2009 hat der Kläger am 03.02.2009 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erheben lassen, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Auf Aufforderung des SG bezifferte der Kläger die von ihm geltend gemachte Forderung für die Zeit vom 18.01. bis 15.02.2007 auf insgesamt 89,61 EUR (29 Tage x täglich 3,09 EUR = Unterschied vom Übergangsgeld von täglich 30,72 EUR zum Krankengeld von täglich 33,81 EUR). Zudem legte er den Bewilligungsbescheid der DRVB vom 25.01.2007 vor. Die Beklagte ihrerseits legte eine Mitteilung über die Krankengeldhöhe vom 01.11.2006 bis 17.01.2007 vor. Des Weiteren verwies sie auf ein Schreiben des Bundesversicherungsamtes vom 04.07.2001.

Mit Urteil vom 09.02.2010 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom "22.08.2009" (richtig: 22.08.2008) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 18.01.2007 bis 15.02.2007 den Krangengeldspitzbetrag in Höhe von 89,61 EUR zu bezahlen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf den Krankengeldspitzbetrag in Höhe von 89,61 EUR für den Zeitraum vom 18.01.2007 bis 15.02.2007, weil er arbeitsunfähig war und der Anspruch insoweit nicht geruht habe. Denn während des Bezugs von Übergangsgeld ruhe der Anspruch auf Krankengeld nach § 49 Abs.1 Nr.3 SGB V nur in der Höhe des Bezugs von Übergangsgeld, so dass sich ein Anspruch auf den Krankengeldspitzbetrag ergebe, wenn das Übergangsgeld geringer als das Krankengeld sei. Der Anspruch auf den Krankengeldspitzbetrag folge bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Im Gegensatz zur Formulierung der Nummern 2, 3a und 5 des § 49 Abs.1 SGB V, in denen jeweils nur das Tatbestandsmerkmal "solange" genannt ist, würden die Nummern 1, 3, 4 und 6 des § 49 Abs.1 SGB V mit den Tatbestandsmerkmalen "soweit und solange" nicht nur eine Begrenzung der Ruhensdauer, sondern durch das Wort "soweit" auch eine Einschränkung nach der Leistungshöhe mit der Folge enthalten, dass bei höherem Krankengeld der Unterschiedsbetrag zwischen dieser Leistung und der niedrigeren anderen Sozialleistung, das heißt, der sog. Spitzbetrag, zu zahlen sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass mit dem Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25.09.1996 (BGBl.I S.1461) die Prozentsätze, aus denen sich das Übergangsgeld - ausgehend von der Berechnungsgrundlage - berechnet, gesenkt worden seien, nämlich im Fall der medizinischen Rehabilitation für den vorliegend nicht einschlägigen schutzbedürftigeren Kreis von 90 % auf 75 und für die übrigen Versicherten, worunter auch der Kläger falle, von 75 auf 68 %. Das SG hat des Weiteren im angefochtenen Urteil vom 09.02.2010 die Berufung und die Sprungrevision zugelassen. Die Streitsache habe eine bisher obergerichtlich nicht geklärte Rechtsfrage aufgeworfen, deren Klärung im Allgemeininteresse liege, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (§ 144 Abs.2 Nr.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Gegen das Urteil des SG vom 09.02.2010 richtet sich die Berufung der Beklagten. Unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber in § 49 Abs.1 SGB V zum Ausdruck gebrachten Wertentscheidung sei § 49 Abs.3 SGB V nach ihrer Auffassung so auszulegen, dass Arbeitnehmer kein Spitzbetrag erhalten, da Übergangsgeld und Krankengeld die gleiche Zweckrichtung, nämlich die Sicherung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage, haben und die jeweiligen Berechnungsgrundlagen wirtschaftlich vergleichbar seien. § 49 Abs.3 SGB V bestimme, dass die auf Grund gesetzlicher Bestimmungen gesenkte Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen bei der Anwendung von § 49 Abs.1 SGB V nicht aufgestockt werden dürfen. Insoweit werde auf die Gesetzesbegründung zu § 49 Abs.3 SGB V (AusBerBT Drucks.13/5099 S.17, zu Art.2 Nr.14a) verwiesen. Ein Krankengeldspitzbetrag könne lediglich für in der Rentenversicherung freiwillig Versicherte in Betracht kommen, da hier nicht das tatsächlich vor der Leistung bezogene Einkommen, sondern die der individuellen Beitragsleistung zu Grunde liegende Beitragsbemessungsgrundlage die Ausgangsbasis für die Berechnung bilde. Die daraus möglicherweise resultierende Schlechterstellung werde vom Normzweck des § 49 Abs.3 SGB V nicht beabsichtigt. Dies wäre nämlich der Fall, wenn freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte, denen gegenüber ihrer Krankenkasse im Falle der Arbeitsunfähigkeit ein Krankengeldanspruch dem Grunde nach zustünde, lediglich das wesentlich geringere, vom Rentenversicherungsträger auszuzahlende Übergangsgeld zugestanden würde. Im Ergebnis würde dies zu einer gravierenden Schlechterstellung eines Personenkreises führen, der auf freiwilliger Basis Beiträge leiste, um eine Besserung der Absicherung im Alter zu erhalten, damit aber auch einen Anspruch auf Übergangsgeld erwirke, der jedoch in den meisten Fällen sehr gering sei. Zudem würde der dem freiwillig Versicherten im Falle einer Arbeitsunfähigkeit zustehende Krankengeldanspruch, auf den der Versicherte durch Leistung eigener Beiträge Anwartschaften erworben habe, durch eine lediglich am Wortlaut orientierte Auslegung des § 49 Abs.3 SGB V zum Teil vernichtet, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund erkennbar sei. Nach § 49 Abs.1 Nr.3 SGB V ruhe der Anspruch auf Krankengeld soweit und solange Versicherte Übergangsgeld beziehen. Durch die Formulierung "soweit" werde deutlich, dass der Gesetzgeber zwar die Zahlung eines Krankengeldspitzbetrages bei Bezug eines im Verhältnis zum Krankengeld niedrigeren Übergangsgeldes dem Grunde nach ermöglichen wollte, was aber, wie bereits ausgeführt, nur für in der Rentenversicherung freiwillig Versicherte gelten könne. Auch habe er die Kumulation sozialpolitisch unerwünschter Doppelleistungen, welche die gleiche Zweckrichtung (Sicherung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage des Versicherten) hätten, ausschließen und damit eine Überversorgung des Versicherten vermeiden wollen. Das bedeute, dass die umfassende Anwendung der Ruhensvorschrift beim Übergangsgeld nur in Betracht komme, wenn die Berechnungsgrundlagen wirtschaftlich vergleichbar seien. Dies sei bei Arbeitnehmern wie dem Kläger der Fall.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.02.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Des Weiteren beantragt die Vertreterin der Beklagten,
die Revision zuzulassen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Nachdem das SG im Urteil vom 10.12.2008 die Berufung nach § 144 Abs.2 Nr.1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, ist die Berufung der Beklagten zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Nach § 44 Abs.1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Allerdings ruht der Anspruch auf Krankengeld nach § 49 Abs.1 Nr.3 SGB V, soweit und solange Versicherte Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld beziehen. Demgegenüber sieht § 49 Abs.1 Nr.3a SGB V ein Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld vor, solange Versicherte Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld beziehen oder der Anspruch wegen einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ruht. Nach § 49 Abs.3 SGB V dürfen auf Grund gesetzlicher Bestimmungen gesenkte Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen bei der Anwendung des Abs.1 nicht aufgestockt werden. Regelungen zur Höhe des Krankengeldes sind in den §§ 47 bis 47b SGB V enthalten. Nach § 20 Nr.1 SGB VI haben Anspruch auf Übergangsgeld Versicherte, die von einem Träger der Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder sonstige Leistungen zur Teilhabe erhalten. Regelungen zur Höhe des Übergangsgeldes enthalten die §§ 21 SGB VI i.V.m. 46 ff. SGB IX.

Der Kläger hat Anspruch auf den Krankengeldspitzbetrag in Höhe von 89,61 EUR für die Zeit vom 18.01.2007 bis 15.02.2007, weil er arbeitsunfähig war und der Anspruch in Höhe von 3,09 EUR nicht ruhte.

Für den streitigen Zeitraum hat der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs.1 SGB V. Der Anspruch auf Krankengeld ergibt sich nicht bereits daraus, dass der Kläger stationär in einer Rehabilitationsklinik behandelt wurde. Denn nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 44 Abs.1 2. Fall SGB V ist erforderlich, dass die Behandlung "auf Kosten der Krankenkasse" erfolgt. Hier wurde der Kläger aber "auf Kosten" des Rentenversicherungsträgers dort behandelt, weshalb die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Abs.1 2. Fall SGB V nicht gegeben sind.

Der Kläger hat aber nach § 44 Abs.1 1. Fall SGB V auch für den streitigen Zeitraum grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld. Denn er war auch in dem Zeitraum vom 18.01. bis 15.02.2007, in dem er zu Lasten des Rentenversicherungsträgers Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten hat, arbeitsunfähig, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Im Übrigen ist die Arbeitsunfähigkeit auch offensichtlich, weil der Kläger sowohl vor wie auch nach der Maßnahme arbeitsunfähig war. Auch blieb die Mitgliedschaft des Klägers als Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach § 192 Abs.1 Nr.3 SGB V erhalten, weil der Kläger im streitigen Zeitraum Übergangsgeld bezogen hat.

Nach § 49 Abs.1 Nr.3 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld während des Bezugs von Übergangsgeld nur in der Höhe des Bezugs von Übergangsgeld, so dass sich ein Anspruch auf den Krankengeldspitzbetrag ergibt, wenn das Übergangsgeld geringer als das Krankengeld ist.

Der Senat stimmt mit dem SG ausdrücklich darin überein, dass der Anspruch auf den Krankengeldspitzbetrag bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes folgt. Im Gegensatz nämlich zur Formulierung der Nrn.2, 3a und 5 des § 49 Abs.1 SGB V, in denen jeweils nur das Tatbestandsmerkmal "solange" genannt ist, enthalten die Nrn.1, 3, 4 und 6 des § 49 Abs.1 SGB V mit den Tatbestandsmerkmalen "soweit und solange" nicht nur eine Begrenzung der Ruhensdauer, sondern durch das Wort "soweit" auch eine Einschränkung nach der Leistungshöhe mit der Folge, dass bei höherem Krankengeldanspruch der Unterschiedsbetrag zwischen dieser Leistung und der niedrigeren anderen Sozialleistung, das heißt, der sog. Spitzbetrag, zu zahlen ist. Mit anderen Worten: Wegen der Tatbestandsmerkmale "soweit und solange" hängt der Umfang der Ruhenswirkung von der Dauer und der Höhe der Sozialleistung nach Nr.3a. Das Krankengeld ruht nur, solange die andere Sozialleistung bezogen wird, daher mit ihr zusammentrifft und zeitliche Deckungsgleichheit - Kongruenz - vorliegt (zum Beispiel BSG SozR 2200 § 183 Nr.20 zum Recht der RVO). Ist das Krankengeld höher als die hinzutretende Sozialleistung, so ruht es grundsätzlich nur in deren Höhe; Die Differenz, den sog. Spitzbetrag, muss die Krankenkasse dann an den Versicherten auszahlen ("soweit"). Damit hat die Nr.3 des § 49 SGB V eine Rechtslage zur Folge, wie sie schon nach dem früheren § 183 Abs.6 RVO in der Fassung vor dem AFKG vom 22.12.1981 bestanden hatte. Bereits damals hatte das Krankengeld nur in Höhe der hinzutretenden Sozialleistung geruht (BSGE 49, 41 = SozR 2200 § 1241b RVO Nr.2 m.w.N.). Die spätere Fassung des § 183 Abs.6 RVO durch das AFKG jedoch, womit der Gesetzgeber das Ruhen auch des Spitzbetrages ausdrücklich angeordnet hatte, war verfassungsrechtlich bedenklich. Das BSG hielt Verfassungsmäßigkeit nur für gegeben, soweit es sich bei der hinzutretenden (niedrigeren) Sozialleistung um eine gleichwertige Leistung mit derselben sozialpolitischen Zweckbestimmung handelte und der individuelle Lohn- oder Einkommensausfall in ähnlicher Weise ausgeglichen wurde (SozR 2200 § 183 Nr.50). Diese Voraussetzung wurde hinsichtlich des Versorgungskrankengeldes bejaht, für nicht nach dem individuellen Einkommen berechnetes Verletzten- oder Übergangsgeld aber verneint und die Frage (schließlich) dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (USK 86132, 86202). Dieses entschied dann, dass § 183 Abs.6 RVO in der Fassung des AFKG mit Art.3 Abs.1 Grundgesetz unvereinbar war, soweit danach das Krankengeld auch in Höhe des Spitzbetrages ruhte (BVerfGE 79, 87 = SozR 2200 § 183 Nr.54 = NJW 1989, 1275). Daraufhin enthielt § 49 (Abs.1) Nr.3 SGB V, der ursprünglich der verfassungswidrigen Fassung des § 183 Abs.6 RVO entsprochen hatte, durch das RRG 1992 mit Wirkung vom 01.01.1990 im Grundsatz seine jetzige Formulierung (vgl. Höfler in Kassler Kommentar zu § 49 SGB V).

Die (bereits) am Wortlaut anknüpfende Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Nach § 49 Abs.1 Nr.3 SGB V in der Fassung des Art.4 Nr.5 Buchstabe b des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992) vom 18.12.1989 (BGBl.I S.2261) ruhte der Anspruch auf Krankengeld, soweit und solange Versicherte Mutterschaftsgeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld oder Schlechtwettergeld bezogen oder der Anspruch wegen einer Sperrzeit nach dem Arbeitsförderungsgesetz ruhte. Mit dem Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz - UVEG) vom 07.08.1996 (BGBl.I S.1254) wurde § 49 Abs.1 Nr.3 SGB V der Gestalt geändert, dass Mutterschaftsgeld, Verletztengeld, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe in einer neuen Nummer 3a mit dem Tatbestandsmerkmal "solange" geregelt wurden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs.13/2204 S.124 f.) sollten damit Zweifel daran, dass die Krankenkassen in Fällen, in denen das Verletztengeld niedriger ist als das Krankengeld, das Verletztengeld nicht um einen sog. Spitzbetrag bis zur Höhe des Krankengeldes aufstocken darf, beseitigt werden. Beim Bezug von Mutterschaftsgeld, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe dürfe nicht gleichzeitig Krankengeld gezahlt werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, dass bei diesen Leistungen ein Spitzbetrag gezahlt werden könnte, würden auch diese Leistungen in die neue Regelung einbezogen (BT-Drs., a.a.O.). Daraus geht hervor, dass der Gesetzgeber sehr bewusst zwischen dem Tatbestandsmerkmal "solange" und den Tatbestandsmerkmalen "soweit und solange" unterschieden hat und sich der Folgen des unterschiedlichen Wortlauts bewusst war. Es ist somit davon auszugehen, dass mit der Formulierung "soweit und solange" das Ruhen auch bezüglich der Leistungshöhe eingeschränkt wird.

Dem steht die Regelung des § 49 Abs.3 SGB V nicht entgegen. Danach dürfen auf Grund gesetzlicher Bestimmungen gesenkte Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen bei der Anwendung des § 49 Abs.1 nicht aufgestockt werden. § 49 Abs.3 SGB V wurde mit Art.2 Nr.15 des Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (Beitragsentlastungsgesetz - BeitrEntlG) vom 01.01.1996 (BGBl.I S.1631) eingefügt. Die Änderung geht zurück auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 26.06.1996, der damit hat sicherstellen wollen, dass gesetzliche Verminderungen von Entgelt- und Entgeltersatzleistungen im gesetzlich vorgesehenen Umfang stattfinden und nicht ganz oder teilweise zu Lasten der Krankenversicherung ausgeglichen werden (BT-Drs.13/5099).

Wenn die Beklagte daraus die Schlussfolgerung zieht, dass die Vorschrift des § 49 Abs.1 SGB V wegen der Regelung in § 49 Abs.3 SGB V weitestgehend ihre praktische Bedeutung verloren habe und damit jeglicher Krankengeldspitzbetrag abgeschafft worden sei, würde dies nach Auffassung des Senats zu weit gehen. Denn zum einen wäre es nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber mit dem Unfallversicherungs-Einordnungs-gesetz vom 07.08.1996 noch eine ausdrückliche (Einzel)Regelung zum Spitzbetrag getroffen hätte und knapp drei Monate später mit dem Beitragsentlastungsgesetz vom 01.11.1996 sämtliche Spitzbeträge abschaffen wollte, ohne hierauf in der Gesetzesbegründung - anders als in der Gesetzesbegründung zum Unfallversicherungs-Einord-nungsgesetz geschehen - einzugehen, dies insbesondere auch noch vor dem Hintergrund, dass beide Gesetzesentwürfe in den entsprechenden Ausschüssen des Bundestages nahezu zeitgleich beraten wurden. Darüber hinaus sprechen aber auch nach Auffassung des Senats systematische Gründe gegen diese Auslegung des Abs.3. Wenn nämlich der Gesetzgeber tatsächlich die Spitzbeträge hätte abschaffen wollen, hätte er nicht einen neuen Absatz anfügen, sondern bestehende Absätze ändern können und müssen. Eine - wie mit Abs.1 geschehen - detaillierte Regelung im Gesetz zugelassen, um ihre Differenzierung mit einem - darüber hinaus noch - nachfolgenden Absatz gegenstandslos zu machen, gibt auch keinen Sinn. Somit kann § 49 Abs.3 SGB V keine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung erfahren. § 49 Abs.3 SGB V setzt voraus, dass eine Entgelt- oder Entgeltersatzleistung auf Grund gesetzlicher Bestimmungen gesenkt worden ist. Dies trifft aber auf das vom Kläger während des streitigen Zeitraums bezogene Übergangsgeld nicht zu, da diese Leistungen nicht "auf Grund gesetzlicher Bestimmungen" gesenkt wurden.

Der Senat stimmt mit dem SG überein, dass etwas anderes auch nicht daraus folgt, dass mit dem Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25.09.1996 (BGBl.I S.1461) die Prozentsätze, aus denen sich das Übergangsgeld - ausgehend von der Berechnungsgrundlage - berechnet, gesenkt wurden, nämlich im Fall der medizinischen Rehabilitation für den vorliegend nicht einschlägigen schutzbedürftigeren Kreis von 90 % auf 75 % und für die übrigen Versicherten, wozu auch der Kläger zählt, von 75 % auf 68 %. Zum einen wäre es mit dem Grundsatz der Normklarheit nicht vereinbar, falls die Anwendung einer geltenden Regelung, nämlich hier des § 49 Abs.3 SGB V - eine fiktive Berechnung nach nicht mehr geltenden Vorschriften - nämlich nach den die Höhe von Übergangsgeld regelnden Vorschriften des WFG vom 25.09.1996 bzw. des Beitragsentlastungsgesetzes vom 01.11.1996 bedingen würden. Zum anderen wurden mit dem Beitragsentlastungsgesetz vom 01.11.1996 die der Berechnung des Krankengeldes zu Grunde liegenden Prozentsätze um 10 % von 80 % auf 70 % bezüglich des Regelentgelts und von 100 % auf 90 % bezüglich des Nettoarbeitsentgelts gesenkt. Damit ist die durch das Beitragsentlastungsgesetz erfolgte Senkung des Krankengeldes in Höhe von 10 % höher ausgefallen als die mit dem WFG erfolgte Senkung des Übergangsgeldes, nämlich in der hier einschlägigen Konstellation in Höhe von 7 %, so dass sich keine Aufstockung des Übergangsgeldes ergeben kann. Durch die höhere Senkung des Krankengeldes ergibt sich vielmehr sogar eine Senkung des Spitzbetrages. Auf Grund gesetzlicher Bestimmungen gesenkte Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen werden somit hier nicht aufgestockt. Einschlägig für den vorliegenden Sachverhalt ist demnach ausschließlich § 49 Abs.1 Nr.3 SGB V, wonach ein Anspruch auf den das Übergangsgeld übersteigenden Teil des Krankengeldes ("soweit") besteht.

Also ergibt sich ein Krankengeldspitzbetrag, wenn das Übergangsgeld geringer als das Krankengeld ist.

Was die Höhe des Krankengeldspitzbetrages von 89,61 EUR anbelangt, so ist diese zwischen den Beteiligten unstreitig. Im Übrigen ergibt sie sich aus nachfolgender Berechnung: 29 Tage x täglich 3,09 EUR = Unterschied vom Übergangsgeld von täglich 30,72 EUR zum Krankengeld von täglich 33,81 EUR = insgesamt 89,61 EUR.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass es nicht gänzlich nachvollziehbar ist, wenn die Beklagte auf das von ihr im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Schreiben des Bundesversicherungsamtes vom 04.07.2001 verweist, wonach ihrer Meinung nach die dortige Auffassung bestätigt wird. Dieses Schreiben, gerichtet an den AOK-Bundesver-band, befasst sich mit der Frage des Krankengeld-Spitzbetrags als Zuschuss zum Übergangsgeld. Unter anderem heißt es dort: " ... in diesem Zusammenhang werfen Sie der DAK vor, mit der Zahlung eines gesetzwidrigen Krankengeld-Spitzbetrages zu werben." Auch die weiteren Ausführungen im Schreiben des Bundesversicherungsamtes vom 04.07.2001 sprechen für die Auffassung des erkennenden Senats.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.

Da der Kläger auch im Berufungsverfahren obsiegt hat sind ihm die notwendigen außergerichtlichen Kosten von der Beklagten zu erstatten.

Nach § 160 Abs.2 Nr.1 SGG war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved