S 1 R 61/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1 R 61/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine fehlerhafte medizinische Behandlung im Rahmen stationärer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kann der Zuzahlungspflicht nach §32 SGB VI nicht entgegengehalten werden.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ein Zuzahlungsverlangen der Beklagten.

Die Klägerin beantragte am 27.01.2010 bei der Beklagten Leistungen der medizinischen Rehabilitation insbesondere wegen einer Schuppenflechte an ihren Händen, die zu Beeinträchtigungen ihrer Tätigkeit als Kassiererin führte.

Antragsgemäß gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 12.02.2010 die begehrten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Durchführung der medizinischen Rehabilitation erfolgte in der C. Nordseeklinik in C-Stadt vom 23.03.2010 bis zum 24.04.2010.

Mit Leistungsbescheid vom 27.08.2010 forderte die Beklagte die Klägerin auf, für die vom 23.03.2010 bis zum 24.04.2010 durchgeführte stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation die Zuzahlung von 32 Tagen x 10 EUR, insgesamt also 320 EUR zu leisten.

Wegen der Einzelheiten, insbesondere auch die Prüfung der Unzumutbarkeit nach § 32 Abs. 4 SGB VI, wird auf den Bescheid vom 27.08.2010 (Bl. 19 ff. BA) Bezug genommen.

Dagegen legte die Klägerin am 20.09.2010 Widerspruch ein.

Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Klägerin am 14.04.2010 bei der Bestrahlung ihre Haut verbrannt worden sei und sie dadurch gezwungen gewesen sei, einen längeren Aufenthalt in der C. Klinik in C-Stadt durchzuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Die Beklagte führte zur Begründung aus, dass die Zuzahlungspflicht immer dann entstehe, wenn stationäre oder sonstige Leistungen in Anspruch genommen würden, wobei keine Beziehung zur Qualität oder gar zum Erfolg der in Anspruch genommenen Leistung herzustellen sei.

Dagegen hat die Klägerin am 23.02.2011 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass die Behandlung der Schuppenflechte mittels Lichttherapie habe erfolgen sollen. Dabei würden die befallenen Hautpartien einer täglich länger anhaltenden Bestrahlung ausgesetzt. Am 13.04.2010 habe die Klägerin bereits die zuständige Betreuerin bei der Lichttherapie darauf hingewiesen, dass die Bestrahlung zu heiß sei und sie Schmerzen sowie ein "Bizzeln" an den Handflächen verspüre. Die Betreuerin sei hierauf jedoch nicht näher eingegangen, sondern habe erklärt, dies sei normal und die Klägerin solle weitermachen. Am 14.04.2010 habe sich die Klägerin also wiederum der Lichttherapie, trotz der mittlerweile erheblichen Schmerzen, unterzogen.

Trotz der Schmerzen habe sie sich schließlich auch am 15.04.2010 zu der Lichttherapie begeben und dabei zufällig auf dem Weg dorthin den behandelnden Arzt Dr. D. getroffen. Als sie diesem die Verbrennungen an ihren Händen gezeigt habe, habe dieser sofort angeordnet, dass die Lichttherapie abgesetzt werde und die Klägerin sich wegen ihrer Verbrennungen behandeln lassen müsse. Die Verbrennungen hätten bis zum 24.04.2010 stationär behandelt werden müssen (Zeuge: Dr. D.).

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 27.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Ergänzend wird ausgeführt, dass die Beklagte bezüglich eines stationären Krankenhausaufenthaltes keine Kenntnis habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die einschlägige Behördenakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 27.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Zutreffend hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 31.01.2011 darauf hingewiesen, dass Qualität oder Erfolg der in Anspruch genommenen Leistung keine Kriterien für das Bestehen – bzw. Nichtbestehen - der Zuzahlungspflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 SGB VI seien.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 11.06.1986 - 1 RA 51/85 - Breithaupt 1987,984 (986); Urteil vom 23.02.2000 - BSGE 85,293 (296 f.); Urteil vom 21.06.2000 – B 4 RA 52/99 - Juris Rn. 33) handelt es sich bei der Zuzahlungspflicht - früher nach § 20 Abs. 1 AVG, § 1243 RVO, nunmehr nach § 32 SGB VI - um eine selbstständige, dem Versicherungsträger gegenüber bestehende gesetzliche Zahlungspflicht, die zwar auf einem sozialrechtlichen Leistungsverhältnis beruht, aber den Rechtsgrund bzw. die Rechtmäßigkeit der erbrachten Sachleistungen als solche nicht berührt. Wie vor dem Inkrafttreten des § 20 AVG sollte es dabei bleiben, dass der Rentenversicherungsträger die Sachleistung in vollem Umfang schuldet und erbringt; die Bewilligung und Durchführung der Heilmaßnahmen darf nicht von der Zuzahlung abhängig gemacht werden. Es handelt sich vielmehr um eine besondere Art der Kostenbeteiligung, mit der der Versicherte Vorteile ausgleichen soll, die ihm durch die gewährte Sachleistung erwachsen. Auf diese Weise soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Versicherte während der stationären Heilbehandlung durch die regelmäßig vorliegende Ersparnis von Aufwendungen für seine häusliche Lebenshaltung mit Erhalt der vollkostenfreien Vorleistung durch den Träger eine rechtsgrundlose Vermögensmehrung erfährt, deren pauschaler Geldwert durch den Zuzahlungsanspruch abgeschöpft wird. Im wirtschaftlichen Endergebnis verbleibt dem Versicherten damit der mit den erbrachten Naturalleistungen verbundene Vorteil allein insofern, als dieser gerade durch Krankheit und Erwerbsminderung bedingt war, während ein Eintreten der Versichertengemeinschaft für Aufwendungen zum gewöhnlichen Lebensunterhalt, das den von ihr solidarisch zu tragenden Risiken erkennbar fremd ist, vermieden wird (BSG, Urteil vom 21.06.2000 - a.a.O.). Darüber hinaus ist die Zuzahlung auch ein Instrument zur Steuerung des Kostenbewusstseins der Versicherten und ihres Leistungsverhaltens. Denn es handelt sich um einen pauschalen Betrag, den das Gesetz unabhängig von der konkreten Ersparnis des Versicherten festgelegt hat, so dass dieser sich schlüssig werden muss, ob ihm die erforderliche Leistung auch einen eigenen Aufwand wert ist (BSG, Urteil vom 23.02.2000 – a.a.O. (297)).

Aus diesem Wesen der Zuzahlung ergibt sich ohne weiteres, dass die von der Klägerin geschilderte fehlerhafte medizinische Behandlung diese nicht berechtigt, die von ihr verlangte Zuzahlung zu verweigern. Dass der von der Klägerin gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 SGB VI i.V.m. §§ 40 Abs. 6 S. 1, 61 S. 2 SGB V verlangte Zuzahlungsbetrag von 10,00 EUR pro Tag für die Klägerin nach Maßgabe von § 32 Abs. 4 SGB VI unzumutbar sein könnte, wird von der Klägerin selbst nicht vorgetragen und ist auch für das Gericht im Lichte des dem Bescheid vom 27.08.2010 beigefügten Berechnungsbogen nicht ersichtlich.

Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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