L 6 U 90/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 193/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 90/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Unfallereignisses vom 3. Januar 2007 als Arbeitsunfall umstritten.

Der Kläger ist 1964 geboren und lebte zunächst als b. Staatsbürger in B ... Seit 1998 befindet er sich in M. (eventuell mit kurzen Unterbrechungen). Zunächst diente sein Aufenthalt dem Erwerb der deutschen Sprache, von 2000 bis 2004 war er Promotionsstudent und seit spätestens 2005 bis zum Unfallzeitpunkt Mitarbeiter der O.-v.G.-Universität M ... Seit Oktober 2002 ist der Kläger geschieden; seine Ehefrau und zwei Kinder blieben - wie vorher auch - in S./B ... Das dortige Haus gehört dem Kläger und seiner ehemaligen Frau gemeinsam. Nach einer Erklärung von dieser haben beide ihre Beziehung bis Mitte 2007 weiter so gepflegt wie zu Zeiten der Ehe. Der Kläger selbst hat angegeben, er pflege eine enge Verbindung mit den in der Ehe geborenen Kindern und unterstütze sie auch finanziell durch monatliche Geldbeträge. Im Juli 2008 hat der Kläger erneut geheiratet; seine Ehefrau lebt in M ...

Vom 22. Dezember 2006 (einem Freitag) bis 8. Januar 2007 war für den Kläger im Rahmen eines DFG-Projektes ein Aufenthalt in S./B. in einer b. Akademie (einer Partnereinrichtung seines Arbeitgebers) vorgesehen. Dort sollte er während der Dienstreise in der Akademie wohnen. In der Zeit vom 22. Dezember 2006 bis 2. Januar 2007 nahm der Kläger Urlaub.

Am 22. Dezember 2006 flog der Kläger entsprechend einer genehmigten Dienstreise nach S./B. und fuhr am nächsten Tag zu seinen Kindern in S ... Am Unfalltag wollte er dann seine dienstliche Tätigkeit in S. in der Akademie der Wissenschaften aufnehmen. Er fuhr gegen Mitternacht in S. mit einem Linienbus los, um gegen 7 Uhr morgens seine dienstliche Tätigkeit in S. aufnehmen zu können. Gegen 3 Uhr nachts fuhr der Bus durch ein großes Schlagloch, wodurch der Kläger nach seinen Angaben bis zur Oberdecke des Busses geschleudert wurde und wieder herunterfiel; dabei zog er sich eine Stauchung bzw. Fraktur der Lendenwirbelsäule zu.

Von der Beklagten befragt gab der Kläger an, ab und zu nach S. zu fahren, um dort seine Kinder zu besuchen. Es handele sich aber nicht um seine ständige Familienwohnung. Diese habe er in M ... Hier habe er seinen sogenannten Lebensmittelpunkt.

Mit Bescheid vom 26. März 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 3. Januar 2007 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung heißt es, der Kläger habe den Weg von der Wohnung seiner Kinder in S. angetreten, wo er sich aus rein privatem Interesse aufgehalten habe. Bei der Wohnung in S. handele es sich um einen sogenannten dritten Ort. Wege zum Ort der Tätigkeit, die nach einer rein eigenwirtschaftlichen, also privaten Verrichtung vom dritten Ort angetreten würden, ständen nur dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn die Länge des Weges in einem angemessenen Verhältnis zum üblicherweise zur Arbeitsstätte zurückgelegten Weg stehe. Hier sei auf dem Weg innerhalb der Akademie einerseits und der Weg von S. nach S. andererseits abzustellen. Damit sei dieser Weg nicht durch die beabsichtigte dienstliche Tätigkeit, sondern durch die eigenwirtschaftliche Tätigkeit geprägt.

Am 25. April 2007 erhob der Kläger Widerspruch und wies zur Begründung darauf hin, dass er seinen Urlaub dem Arbeitgeber angezeigt habe und dieser damit einverstanden gewesen sei, dass er die Dienstreise von S. aus antrete. In S. habe er seinen zweiten Wohnsitz. In seinem b. Personalausweis sei S. auch als Wohnsitz eingetragen. Von dort habe er den direkten und kürzesten Weg für die Aufnahme der dienstlichen Tätigkeit gewählt. Der Weg sei nicht anders zu bewerten, als wenn er von M. aus nach S. gefahren wäre. Auch da hätte ein Unfall stattfinden können und wäre als versicherte Tätigkeit zu betrachten. Er könne nicht schlechter gestellt werden, weil er absprachegemäß von seinem zweiten Wohnort zum Dienstort gefahren sei und nicht von seinem ersten Wohnort aus. Er sei jetzt seit zwei Jahren in Deutschland. B. sei zu weit entfernt, um an jedem Wochenende dorthin zu fahren. Deshalb habe er natürlich eine Wohnung in M ...

Nach einer Rücksprache der Beklagten mit dem Arbeitgeber wies der Kläger darauf hin, dass er zwar erst seit zwei Jahren einen Arbeitsvertrag als wissenschaftlicher Mitarbeiter habe. Vorher sei er jedoch seit dem Jahr 2000 in anderen Funktionen für die Universität tätig gewesen. Er besuche seine Familie ca. zwei bis dreimal pro Jahr für jeweils zwei bis drei Wochen. Belege über Besuche seiner Familie könne er nicht vorlegen. Daneben habe er eine Wohnung in M. als alleiniger Mieter. In M. habe er keine sozialen Kontakte. Er unterstütze seine Familie finanziell; eine Dokumentation von Zahlungen an seine Familie sei nicht möglich bzw. werde von ihm abgelehnt. Nach einem Aktenvermerk gab der Kläger auf telefonische Rückfrage am 11. Dezember 2007 an, dass er am Flughafen in S. von dem für ihn zuständigen Professor abgeholt worden sei und mit diesem über die anstehende Projektarbeit gesprochen habe. Er hätte dann noch eine Nacht in S. privat übernachtet und sei dann am nächsten Tag mit dem Bus nach S. gefahren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die zu beurteilende Entfernung zwischen S. und S. von 435 km stände in keinem Verhältnis zu dem sonst innerhalb der Akademie notwendigen Arbeitsweg.

Hiergegen hat der Kläger am 21. Dezember 2007 Klage am Sozialgericht Magdeburg erhoben. Zur Begründung hat er u. a. vorgetragen, er sei aufgrund von seinen begrenzten Deutschkenntnissen falsch verstanden worden. Der Unterhalt werde seiner Familie bei Heimfahrten bar übergeben bzw. durch Freunde und Bekannte mitgenommen. Er wende hierfür rund 12.000 EUR pro Jahr auf. Seine Kinder kämen auch in den Ferien nach Deutschland.

Mit Urteil vom 27. Oktober 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei nicht auf dem Weg von einer Familienwohnung gewesen. Insgesamt habe der Kläger zum Unfallzeitpunkt bereits neun Jahre in Deutschland gelebt. Damit habe keine Familienwohnung in S. mehr bestanden; hier sei eine Begrenzung des Versicherungsschutzes in zeitlicher Hinsicht notwendig. Die Wohnung in S. könne auch nicht als sogenannter dritter Ort angesehen werden. Denn der Weg von S. zur Arbeit sei unverhältnismäßig länger als der sonst notwendige Weg.

Gegen die ihm am 2. November 2009 zugestellte Entscheidung hat der Kläger noch im gleichen Monat Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, sein Dienstreiseauftrag habe als Reiseroute für die Dienstreise die Stationen M.-S.-S.-S.-M. beinhaltet. Darin sei ein genehmigter Urlaub enthalten gewesen. Sein amtlicher beglaubigter Hauptwohnsitz befinde sich weiter in S ... Sein Aufenthalt in M. besitze damit wahrscheinlich nur vorübergehenden Charakter. 1998 habe er zunächst einen deutschen Sprachkurs besucht und sei dann wieder nach S. gegangen. In einem Erörterungstermin hat der Kläger angegeben, dass es sich bei dem Gespräch mit dem befreundeten Professor am 22. Dezember 2006 in S. um ein Privatgespräch gehandelt habe. Sein Arbeitgeber habe ihn nicht beauftragt, bereits am 22. Dezember 2006 dienstlich Kontakt aufzunehmen. Die Unterkunft in S. am 22. Dezember 2006 habe er privat bezahlt. Bis Ende 2005 ist der Kläger nach eigenen Angaben viermal pro Jahr nach S. gefahren. Aufgrund des neuen Arbeitsvertrages habe er im Weiteren seine Besuche in S. reduziert.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. Oktober 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2007 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 3. Januar 2007 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung für zutreffend.

In einem Erörterungstermin am 14. Oktober 2011 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil die Beklagte darin zutreffend die Anerkennung eines Ereignisses vom 3. Januar 2007 als Arbeitsunfall abgelehnt hat.

Gemäß § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit sind gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit und nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben. Da diese Vorschriften inhaltlich im Wesentlichen mit den früheren Regelungen des § 548 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 550 Abs. 1 und 3 RVO übereinstimmen, kann die hierzu ergangene Rechtsprechung auch für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Arbeits- und Wegeunfällen nach den Vorschriften des SGB VII weiter herangezogen werden, soweit nicht die wenigen Änderungen des materiellen Rechts entgegenstehen (BSG, 3.12.2002, B 2 U 18/02 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 13).

Ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sog. innerer oder sachlicher Zusammenhang), ist wertend zu entscheiden, indem untersucht wird, ob sie innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, 1.7.1997, 2 RU 36/96, SozR 3-2200 § 548 Nr. 32; BSG, 12.4.2005, B 2 U 11/04 R, BSGE 94, 262, 263 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14). Maßgebend ist dabei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, 31.5.1988, 2/9b RU 16/87, SozR 2200 § 548 Nr. 90; BSG, 13.9.2005, B 2 U 6/05 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 7 Rn. 16).

Der Senat unterstellt zu Gunsten des Klägers ohne weitere Ermittlungen, dass sich der Unfall am 3. Januar 2007 tatsächlich so zugetragen hat, wie von ihm geschildert. Bei dem Unfall stand er aber weder nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (als Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte) noch nach Nr. 4 a.a.O. (als Weg von der ständigen Familienwohnung zur Arbeitsstätte) unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

a) Ausgangspunkt des unfallbringenden Weges war nicht eine ständige Familienwohnung des Klägers in S., so dass Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII ausscheidet. Ständige Familienwohnung ist nach der Rechtsprechung des BSG eine Wohnung, die für "nicht unerhebliche Zeit" den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet (BSG, 3.12.2002, B 2 U 18/02 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 13); die Beurteilung, ob die hiernach erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, richtet sich nach der tatsächlichen Gestaltung der Lebensverhältnisse des Versicherten zur Unfallzeit (BSG, B 2 U 20/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 19; BSG, 10.10.2002, B 2 U 16/02 R, SozR 3-2200 § 550 Nr. 22 m.w.N.). Die Rechtsprechung hat der Dauer der auswärtigen beruflichen Beschäftigung eines Versicherten im Hinblick auf die Lebenserfahrung die Bedeutung beigemessen, dass sich auch der Lebensmittelpunkt des Versicherten im Laufe der Zeit an den Ort der Tätigkeit verlagert (BSG, 10.10.2002, B 2 U 16/02 R, SozR 3-2200 § 550 Nr. 22 m.w.N.). Mitbestimmend sind dabei u.a. die sozialen Kontakte des Versicherten zu anderen Personen (BSG, 31.10.1972, 2 RU 137/70, Juris), wie häufig die betreffende Wohnung aufgesucht wird (BSG, 10.10.2002, B 2 U 16/02 R, SozR 3-2200 § 550 Nr. 22 m.w.N.) und ob die jeweiligen Wohnverhältnisse auf eine längere bzw. "nicht unerhebliche" Zeit angelegt sind. Schließlich ist der Begriff der Familienwohnung auch von psychologischen und soziologischen Gegebenheiten mitbestimmt (vgl. BSG, 28.05.1957, 2 RU 78/55, Juris, zuletzt BSG, 3.12.2002, B 2 U 18/02 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 13).

Zwar hat der Kläger nach seinen Behauptungen einen erheblichen Anteil seines Nettoverdienstes für den Unterhalt der Kinder verwendet. Dies erklärt seine Tätigkeit in Deutschland aber nur unzureichend, da er zunächst ab 1998 fast sieben Jahre in M. als Student bzw. Promotionsstudent und damit ohne größere Einnahmen lebte. Dies kann gerade vor dem Vortrag des Klägers, der Aufenthalt solle dem Gelderwerb dienen, nur so bewertet werden, dass ein längerer Verbleib in Deutschland nach Abschluss des Promotionsstudiums angedacht war. Denn erst in dieser Phase standen Mittel zur Verfügung, um seine Kinder real zu unterstützen. Zudem können die Geldzahlungen allein zunächst nur eine Verbundenheit mit den Kindern belegen, wobei unabhängig davon eine moralische (und ggf. auch rechtliche) Verpflichtung des Klägers zur Unterstützung seiner minderjährigen Kinder besteht. Selbst eine starke innere Verbundenheit zu den Kindern in S. kann aber die Voraussetzungen für einen Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII (eine "ständige Familienwohnung") nicht ersetzen, wenn - wie hier - die tatsächliche Gestaltung der äußeren Verhältnisse dem entgegensteht (vgl. BSG, 28.7.83, 2 RU 19/83, USK 82107).

Die Verwurzelung in Deutschland und die daneben bestehenden Kontakte zu den Kindern beleuchtet der Umstand, dass die Kinder des Klägers ihn 2006 und 2007 in Deutschland "ebenso" (Schreiben des Klägers vom 17.6.2008) besucht haben wie er sie in B ... Diese wochenlangen Aufenthalte der Kinder passen nicht zu der behaupteten ständigen Familienwohnung in B ...

Besuche in einer andern Wohnung machen diese nicht zu einer "ständigen Familienwohnung". Dies zeigt, dass der Kläger zunehmend Deutschland als seinen Mittelpunkt angesehen hat, wie er es auch zunächst gegenüber der Beklagten angegeben hat. Ob dies ein sprachliches Missverständnis war, kann der Senat dabei offen lassen. Immerhin hat der Kläger bereits im Jahre 2005 angegeben, Deutsch "fließend" zu sprechen und lebte und arbeitete danach weitere zwei Jahre in Deutschland, was seine Deutschkenntnisse weiter verbessert haben dürfte. Auch die von ihm gefertigten Schreiben während des Verwaltungsverfahrens sind fehlerfrei und entsprechen denen eines Muttersprachlers. Der vom Kläger selbst gefertigte Lebenslauf aus dem Jahr 2005 nennt nur M. als Wohnsitz. Dies wiegt stärker als die weitere Meldung des Klägers nach b. Recht in S. (vgl. BSG 4.11.1981, 2 RU 33/80, HVBG RdSchr. VB 15/82). In Deutschland hat er keinen weiteren Wohnsitz angegeben. Die zunehmende Integration des Klägers in Deutschland zeigt sich auch der Umstand, dass er in der L. 18 in M. spätestens im Jahre 2006 eine eigene Wohnung genommen hatte. Hinzu kommt, dass der Kläger bereits im Widerspruchsverfahren hervorgehoben hat, dass er sich auch um das in seinem Miteigentum stehende Haus gekümmert habe. Diese Motivation ist stets bei Eigentümern von Wohnungen anzutreffen, begründet aber z.B. bei Ferienwohnungen keine ständige Familienwohnung und bei vermieteten Wohnungen nicht einmal einen zweiten Wohnsitz.

Bereits im Oktober 2002 - also mehr als vier Jahre vor dem Unfall - hatte sich der Kläger scheiden lassen, so dass nicht mehr von einer "normalen" Familie ausgegangen werden kann. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Erklärung der ehemaligen Ehefrau des Klägers, wonach sie und der Kläger ihre Beziehung bis Mitte 2007 weiter so gepflegt haben wie zu Zeiten der Ehe. Von einer intakten Ehe kann gleichwohl nicht mehr ausgegangen werden; dies ist für den psychologischen Aspekt der Familienwohnung bedeutsam. Fünf Jahre nach der Scheidung konnte nicht mehr erwartet werden, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach S. jemals wieder mit seiner Frau eine gemeinsame Wohnung wie unter Ehepartnern üblich haben würde. Angesichts dieser Umstände und der insgesamt sehr langen Zeit in M. von über acht Jahren kann nicht mehr von einem nur zeitlich begrenzten Aufenthalt gesprochen werden, zumal die Rahmenbedingungen und Ursachen für die Tätigkeit in Deutschland - der bessere Verdienst - sogar durch das Sprach-Studium, die Promotion und die immer besseren Deutschkenntnisse immer stärker wurden. Bereits nach seiner eigenen Darstellung ist der Kläger im Jahre 2005, 2006 und 2007 jeweils nur zweimal nach B. gereist. Dabei handelt es sich zumindest bei den Aufenthalten im Januar und Juni 2007 jeweils um Dienstreisen, in denen der Kläger - wie bei der hier umstrittenen Reise - nicht die ganze Zeit bei seinen Kindern war.

Im Hinblick auf diese tatsächlichen Verhältnisse, die durch den rund neun Jahre währenden Aufenthalt des Klägers weit entfernt von der Wohnung in S. geschaffen worden sind, können auch die jährlich zwei Besuche des Klägers bei den Kindern keine ausschlaggebenden Argumente gegen die Verlagerung der Lebensinteressen des Klägers an dem Beschäftigungsort mehr darstellen, auch wenn in Betracht gezogen wird, dass gerade die weite Entfernung zwischen M. und S. wie auch die finanzielle Lage des Klägers häufigeren Reisen zu den Kindern entgegenstanden (vgl. BSG, 28.7.83, 2 RU 19/83, USK 82107).

b) Der Kläger stand auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter Unfallversicherungsschutz. Danach ist - wie nach der Vorgängervorschrift des § 550 Abs. 1 RVO - der Versicherungsschutz für die Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt. Die Vorschrift verlangt nur, dass die Arbeitsstätte Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist; der andere Grenzpunkt des Weges ist - nach wie vor - gesetzlich nicht festgelegt (BSG, 12.5.2009, B 2 U 11/08 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 34). Allerdings hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist es auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII darüber hinaus erforderlich, dass der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen (rechtlich) zusammenhängt, d.h. dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen besteht. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII verlangt insoweit ausdrücklich, dass das Zurücklegen des Weges mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängen muss. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass der Weg, den der Versicherte zurücklegt, wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung - in der Regel - die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG, 3.12.2002, B 2 U 18/02 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 13). Für die tatsächlichen Grundlagen des Vorliegens versicherter Tätigkeit muss der volle Beweis erbracht werden, das Vorhandensein versicherter Tätigkeit also sicher feststehen, während für die kausale Verknüpfung zwischen ihr und dem Unfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt (BSG, 3.12.2002, B 2 U 18/02 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 13).

aa) Entgegen der Ansicht des Klägers ist als Ausgangspunkt des regulären Weges zu seiner Arbeitsstätte in S. am Unfalltag nicht die Wohnung in S., sondern die Dienstwohnung in S. zu berücksichtigen. Die Dienstreise bildete entgegen den Behauptungen des Klägers die Fahrt von M. bis S. und wieder zurück, wie sich aus dem Dienstreiseantrag des Klägers einschließlich des auch für die Hinreise genehmigten Beförderungsmittels "Flugzeug" ergibt. Eine Fahrt nach S. ist auf diesem Antrag nicht erwähnt und fand auch nach der Darstellung des Klägers in der Urlaubszeit statt. Auf der Strecke von M. nach S. mag der Kläger unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden haben; ein Vorfall auf diesem Weg steht aber nicht im Streit.

Vorliegend besteht allerdings gleichwohl eine Verbindung zwischen der Unfallfahrt und der betrieblichen Tätigkeit in S. insofern, als der Kläger sich im Rahmen einer Dienstreise nach B. begeben hatte. Das alleine reicht jedoch für die Annahme eines rechtlich bedeutsamen Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit nicht aus. Bei Dienstreisen wie allgemein bei versicherten Wegen geht allerdings der Versicherungsschutz durch eine eingeschobene private Verrichtung im Regelfall nicht endgültig verloren, sondern lebt nach deren Beendigung mit der Fortsetzung des angefangenen Weges wieder auf (siehe BSG, 9.12.2003, B 2 U 23/03 R, BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 3 Rn. 9 m.w.N.). Hier war der Kläger aber bereits an seinem Ziel - S. - angekommen, so dass die Dienstreise beendet war. Zudem lag die Dienstreise nach S. zum Unfallzeitpunkt bereits elf Tage zurück. Der rein privaten Zwecken dienende Besuch des Klägers bei seinen Kindern hat im Vergleich zu der Dienstreise ein solches Gewicht, dass er den Charakter der Rückfahrt bestimmt. Diese stellt sich nach dem Gesamtbild nicht, auch nicht teilweise, als Fortsetzung der beendeten Dienstreise, sondern als Heimfahrt von einem privaten Besuch bei den Kindern dar. Die Fahrt wäre sicher nicht vorgenommen worden, wenn der private Zweck entfallen wäre. Ob der Kläger - wie allgemein üblich - seinen Urlaub mit seinem Arbeitgeber abgesprochen hat und diesem der Aufenthalt des Klägers in S. bekannt war, hat auf diesen ausschließlich privaten Charakter des Aufenthalts dort keinen Einfluss.

bb) Der Ausgangspunkt des Weges des Klägers (S.) zur Arbeitsstätte (S.) ist damit als "dritter Ort" und nicht als auf dem Weg von M. nach S. liegend anzusehen (vgl. dazu BSG 4.6.2002, B 2 U 11/01 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 10 m.w.N.). Allein der Umstand, dass Ausgangspunkt der Fahrt zur Arbeitsstätte ein "dritter Ort" war, schließt den Versicherungsschutz nicht zwingend aus. Für den inneren Zusammenhang ist dann entscheidend, ob dieser Weg noch von dem Vorhaben des Versicherten getragen ist, sich zur Arbeit bzw. Ausbildung zu begeben bzw. hiervon zurückzukehren (vgl. BSG, 31.5.1996, 2 RU 28/95, SozR 3-2200 § 550 Nr. 13 m.w.N.) oder davon rechtlich wesentlich geprägt ist, einen eigenwirtschaftlichen Besuch am "dritten Ort" abzuschließen (BSG, 2.5.2001, B 2 U 33/00 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 6 m.w.N.).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nicht von oder nach der Wohnung angetretener Weg nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen muss (vgl. BSG, 3.12.2002, B 2 U 18/02 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 13). Die Beurteilung dieser Angemessenheit ist nach der Verkehrsanschauung vorzunehmen (BSG a.a.O. m.w.N.).

Wie die Beklagte in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid bereits zutreffend ausgeführt hat, berücksichtigt die neuere Rechtsprechung des BSG (anders als die frühere) bei der Bewertung der Prägung des unfallbringenden Weges zwar weiterhin die jeweiligen Entfernungen, misst ihnen aber ausdrücklich nicht die allein entscheidende Bedeutung zu und verlangt, dass die Umstände des jeweiligen Einzelfalles stärker zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, a.a.O. unter Hinweis auf BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 6; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 Rn. 198 m.w.N.). Dabei kommt insbesondere der Frage eine besondere Bedeutung zu, ob am "dritten Ort" Verrichtungen des täglichen Lebens erledigt wurden oder werden sollen, die keinerlei Bezug zur versicherten Tätigkeit an sich haben, oder ob es sich um Verrichtungen handelt, die zumindest mittelbar auch dem Betrieb zugute kommen sollen, wie z.B. dringende Arztbesuche zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (vgl. BSG a.a.O.). Diese betriebsbezogenen Umstände beeinflussen zwar nicht die Beurteilung der Angemessenheit des Weges vom "dritten Ort", können ihn jedoch im Sinne einer Betriebsdienlichkeit prägen (BSG a.a.O.). Allerdings kann hier nicht jeder Zweck des Aufenthaltes am "dritten Ort", der in irgendeiner mittelbaren Weise auch dem Betrieb bzw. der Ausbildung zugute kommen könnte, ausreichen, sondern die betreffende Verrichtung muss sich zumindest unmittelbar auf die - körperliche und/oder geistige - Leistungsfähigkeit, die für die versicherte Tätigkeit benötigt wird, in positiver Weise auswirken und so mittelbar dem Betrieb bzw. der Ausbildung nutzen. Dabei müssen im Interesse einer hinreichend klaren Grenzziehung und zur Vermeidung einer mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr zu vereinbarenden Ausweitung des Wegeunfallversicherungsschutzes von vornherein in einer generalisierenden Betrachtung solche Verrichtungen am "dritten Ort" ausscheiden, die nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht primär zur Wiederherstellung, Aufrechterhaltung oder Verbesserung der für die versicherte Tätigkeit benötigten körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit, sondern lediglich der geistigen Anregung, der Entspannung oder etwa der Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen dienen sollen, mögen diese auch mittelbar das körperliche bzw. geistige Wohlbefinden heben und so auch die Leistungsfähigkeit verbessern.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt kann der innere Zusammenhang im Unfallzeitpunkt nicht angenommen werden. Die zu beurteilenden Entfernungen innerhalb der Akademie einerseits sowie der Entfernung von 435 km zwischen "drittem Ort" und der Arbeitsstätte stehen nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Zwar hat das BSG bisher keine festen Vorgaben dafür aufgestellt, wann das Verhältnis der beiden Strecken nicht mehr als angemessen anzusehen ist, jedoch ist die Grenze zur Unangemessenheit bei dem Zehnfachen der üblichen Entfernung - noch dazu bei einer Fahrt über Landstraßen unter schlechten Straßenverhältnissen - nach der Verkehrsanschauung deutlich überschritten. Zudem war der Aufenthalt des Klägers am "dritten Ort" nicht hinreichend betriebsbezogen, sondern überwiegend eigenwirtschaftlich geprägt (zum Verwandtenbesuch vgl. schon BSG, 31.5.1996, 2 RU 28/95, SozR 3-2200 § 550 Nr. 13; BSG, 2.5.2001, B 2 U 33/00 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 6).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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