Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 734/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 384/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zahlt eine Krankenkasse dem Versicherten Krankengeld auf der Grundlage sog. Auszahlscheine, mit denen der Arzt das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit rückwirkend bescheinigt, kann sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Klageverfahren nicht einwenden, der Versicherte habe sich die Arbeitsunfähigkeit nicht rechzeitig ärztlich bestätigen lassen.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.12.2009 und der Bescheid der Beklagten vom 15.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2009 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 17.07.2008 bis 15.08.2008 und vom 20.08.2008 bis 03.09.2008 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) im Zeitraum vom 17.07.2008 bis 03.09.2008.
Der 1967 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger arbeitete seit 2001 als Papierschneider in der Produktion einer Druckerei. Seine Tätigkeit war mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Arbeiten mit den Armen über Brustniveau verbunden. Er hatte pro Schicht zwischen 20 und 25 Tonnen Papier zu bewegen.
Ab dem 20.04.2007 war der Kläger wegen eines Impingementsyndroms und einer Läsion der Rotatorenmanschette links arbeitsunfähig krank. Nach dem Ende der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bezog er ab dem 30.05.2007 Krg von der Beklagten. Die Bewilligung des Krg beruhte bis zum 20.06.2007 auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, mit denen dem Kläger vom Zeitpunkt der ärztlichen Untersuchung für einen zukünftigen Zeitraum Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Danach wurden dem Kläger von der Beklagten sog "Auszahlscheine für Krg" übergeben, auf denen der Arzt das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit für die Vergangenheit bestätigte. Der Kläger musste auf dem Auszahlschein Angaben darüber machen, ob er gearbeitet hat oder nicht und ob er eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält bzw beantragt hat. Diese Angaben musste er mit Datum und Unterschrift bestätigen und den Auszahlschein bei der Beklagten einreichen. Anschließend erhielt er dann Krg für die Zeit bis zu dem Tag, an dem er sich beim Arzt vorgestellt hatte.
Am 18.12.2007 kündigte der Arbeitgeber dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen. Nach einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung einigte sich der Kläger mit seinem Arbeitgeber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29.02.2008.
Vom 18.06.2008 bis 16.07.2008 absolvierte der Kläger zulasten der Deutschen Rentenversicherung eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der orthopädischen Abteilung der Z.-Klinik, St. B ... Der Kläger bezog während dieser Zeit Übergangsgeld. Im Entlassungsbericht vom 21.07.2008 werden die Diagnosen HWS-Syndrom, Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Stimmung (gemischt), LWS-Syndrom, Impingementsyndrom links und rezividierende habituelle Luxation der Patella links genannt. Aus orthopädischer Sicht sei die Wiederaufnahme der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Papierverarbeiter nicht möglich. Tätigkeiten mit Heben und Tragen von schweren Lasten sowie Zwangshaltungen der Wirbelsäule seien nicht möglich. Tätigkeiten unter stark schwankenden Temperaturen, in Nässe und Zugluft, mit Erschütterungen und Vibrationen sowie Tätigkeiten unter erhöhter Unfallgefahr sollten nicht verlangt werden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden täglich und mehr arbeitsfähig. Der Kläger werde mit seinem Einverständnis arbeitsfähig entlassen. Aus psychotherapeutischer Sicht habe der Kläger bei der Entlassung einen psychisch belastbaren und leistungsfähigen Eindruck gemacht. Der Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung werde empfohlen.
Die Internistin des Klägers, Dr. G., stellte zuletzt Auszahlscheine für Krg am 02.05.2008, 09.06.2008, 03.07.2008 und 05.08.2008 aus.
Am 16.08.2008 reiste der Kläger nach Bosnien. Nach seinen Angaben verweilte er dort mit seinem Bruder drei oder vier Tage, um sich in einer Klinik untersuchen zu lassen.
Mit Schreiben vom 25.08.2008 forderte die Beklagte Dr. G. auf, die Gründe für die weitere Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, nachdem der Kläger als arbeitsfähig aus der Rehabilitationsklinik entlassen worden sei. Dr. G. teilte daraufhin mit, dass ihr bislang der Entlassungsbericht nicht vorliege. Deshalb liege ihr kein Hinweis auf Arbeitsfähigkeit vor. Das weitere Procedere wolle sie von dem Bericht abhängig machen.
Ab dem 04.09.2008 bezog der Kläger von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 15.10.2008 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seit dem 17.07.2008 keinen Anspruch auf Krg mehr habe. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt wieder arbeitsfähig sei. Am 16.07.2008 sei er arbeitsfähig entlassen worden. Der nächste Arzttermin habe erst am 05.08.2008 stattgefunden. Eine medizinische Begründung für eine weitere Arbeitsunfähigkeit sei nicht eingereicht worden.
Hiergegen legte der Kläger am 04.11.2008 Widerspruch ein. Der Kläger habe bis zum 03.09.2008 Anspruch auf Krg. Hiervon gehe auch die Bundesagentur für Arbeit aus.
Die Beklagte beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Erstattung eines Gutachtens. Im Gutachten vom 13.11.2008 führte Dr. Sch. aus, dass bislang eine besondere ärztliche Begründung für die Arbeitsunfähigkeit fehle. Eine solche sei nach einer Entlassung aus einer stationären Rehabilitationsmaßnahme als arbeitsfähig nach den Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderlich. Er bitte um Anforderung der erforderlichen speziellen Begründung. Mit Schreiben vom 20.11.2008 teilte die Beklagte dem Kläger das Ergebnis des Gutachtens mit. Dr. G. erhielt eine Mehrfertigung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab die Beklagte an, der Kläger sei aus der Rehabilitationsmaßnahme arbeitsfähig entlassen worden. Bei der Entlassung habe er laut Entlassungsbericht einen psychisch belastbaren und leistungsfähigen Eindruck gemacht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei er für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten arbeitsfähig. Dagegen spräche nicht, dass eine ambulante Psychotherapie empfohlen worden sei. Auch, dass die Aufnahme- und Entlassungsdiagnosen größtenteils übereinstimmten, stünde der Annahme von Arbeitsfähigkeit nicht entgegen. Einziges Indiz für eine Arbeitsunfähigkeit seien die Auszahlscheine von Dr. G ... Trotz Kenntnis von dem Entlassungsbericht und dem MDK-Gutachten habe Dr. G. jedoch keine Begründung geliefert und auch kein weiteres MDK-Gutachten beantragt. Laut Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit könne der Kläger ab dem 04.09.2008 wieder in dem Umfang arbeiten wie im Bemessungszeitraum. Dies sei jedoch kein Indiz dafür, dass der Kläger nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt arbeitsfähig gewesen sei. Arbeitslosengeld werde erst ab dem Tag der Beantragung gezahlt. Es stelle sich die Frage, inwiefern eine Verbesserung des Gesundheitszustandes zwischen Entlassung und Beginn des Arbeitslosengeldbezugs eingetreten sei. Von einer ärztlichen Untersuchung bei der Bundesagentur für Arbeit sei der Beklagten nichts bekannt.
Am 09.03.2009 hat der Kläger zum Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, er sei nach dem Ende der Rehabilitationsmaßnahme nicht arbeitsfähig gewesen. Die für die Arbeitsunfähigkeit maßgeblichen Befunde seien unverändert geblieben. Eine Verbesserung sei nur in Bezug auf das HWS-Syndrom und die psychischen Störungen eingetreten. Letztere hätten aber weiter fortbestanden. Er habe damals bereits seit mehr als sechs Jahren an schweren Depressionen gelitten. Auch aufgrund dieser Erkrankung sei er arbeitsunfähig gewesen. Aus dem MDK-Gutachten ergebe sich nicht, dass er arbeitsfähig gewesen sei. Die vom MDK empfohlene Anforderung einer Begründung der Arbeitsunfähigkeit durch die Hausärztin habe nie stattgefunden.
Das SG hat die Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. G. hat angegeben, die Ehefrau des Klägers habe am 03.07.2008 einen Auszahlschein abgeholt. Am 05.08.2008 sei der Kläger in die Sprechstunde gekommen. Er habe angegeben, dass sich die Probleme mit der linken Schulter eher verschlechtert hätten. Er wolle eine Operation durchführen lassen. Er wolle hierzu einen Orthopäden aufsuchen. Sie habe dem Kläger ein Schmerzmittel verschrieben und eine Überweisung zum Orthopäden ausgestellt. Da ihr der Entlassungsbericht nicht vorgelegen habe, habe sie eine orthopädische Beurteilung der Funktionseinschränkung der Schulter benötigt. Sie habe ihm einen Auszahlschein für weitere vier Wochen ausgestellt. Am 03.09.2008 sei er nochmals erschienen. Die Schulterproblematik sei unverändert gewesen. Sie habe ihm nochmals eine Überweisung zum Orthopäden ausgestellt. Auf Drängen der Beklagten sei dem Kläger klar gemacht worden, dass eine Verlängerung der Krankengeldzahlungen nicht mehr in Betracht komme. Der Kläger habe sich daraufhin arbeitslos gemeldet. Ihrer Einschätzung nach sei der Kläger aufgrund der Schulterbeschwerden nicht in der Lage gewesen, seine letzte Tätigkeit als Papierschneider auszuüben. Auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien schwer vorstellbar gewesen, weshalb eine orthopädische Beurteilung angefordert worden sei. Der Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin N. K. hat angegeben, der Kläger sei am 11.09.2008 in seiner Behandlung gewesen. Ob der Kläger damals arbeitsunfähig gewesen sei, könne er nicht beurteilen.
Das SG hat außerdem die Gerichtsakte des Klageverfahrens gegen die Versorgungsverwaltung auf Feststellung des Grades der Behinderung (S 9 SB 1159/08) beigezogen.
Mit Urteil vom 09.12.2009 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei nicht arbeitsunfähig gewesen. Nach den Angaben im Entlassungsbericht habe der Kläger wieder ungelernte Tätigkeiten in der Papierverarbeitung ausüben können. Die Beurteilung von Dr. G. überzeuge nicht. Sie habe den Kläger erst am 05.08.2009 persönlich untersucht. Untersuchungsbefunde habe Dr. G. nicht mitgeteilt. Eine überzeugende Begründung für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit sei nicht erfolgt. Eine fachorthopädische Behandlung habe im fraglichen Zeitraum nicht stattgefunden.
Gegen das am 28.12.2009 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.01.2010 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat der Kläger seine Argumente aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Ergänzend hat er vorgetragen, er sei nach seiner Entlassung vom Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit ausgegangen. Deshalb habe er nicht sofort Dr. G. aufgesucht. Soweit im Entlassungsbericht dokumentiert sei, dass er mit der Entlassung als arbeitsfähig einverstanden gewesen sei, beruhe dies auf seinen begrenzten Deutschkenntnissen. Eine fachorthopädische Untersuchung habe nur deshalb im fraglichen Zeitraum nicht stattgefunden, weil er in der überregional renommiertesten Praxis für orthopädische Erkrankungen, Dr. S. und K., nicht sofort einen Termin bekommen habe. Dort sei dann am 11.09.2008 die von Dr. G. gestellte Diagnose bestätigt worden. Entgegen der Ausführungen des SG habe Dr. G. auch Bewegungs- und Funktionseinschränkungen bei der Untersuchung am 05.08.2008 festgestellt. Da sie den Kläger bereits aus den Voruntersuchungen gekannt habe, habe sie beurteilen können, ob eine Besserung eingetreten sei. Neben den Schulterbeschwerden habe er an einer Vielzahl weiterer Erkrankungen gelitten. Auch aufgrund der psychischen Beschwerden und der Erkrankungen auf internistischem Fachgebiet sei er arbeitsunfähig gewesen. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Entlassungsbericht der Klinik Z., sondern auch aus den Gutachten im Verfahren gegen die Versorgungsverwaltung vom 14.04.2009 (nervenfachärztliches Gutachten von Dr. G.) und vom 23.12.2009 (orthopädisches Gutachten von Dr. St.).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.12.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 15.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 17.07.2008 bis 03.09.2008 Krankengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die vorgelegten Gutachten aus dem Verfahren gegen die Versorgungsverwaltung könnten keine Aussage zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers im fraglichen Zeitraum treffen.
Das LSG hat weiter Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. W ... Er hat mitgeteilt, dass der Kläger am 23.07.2008 und 28.07.2008 zur routinemäßigen Untersuchung wegen des Diabetes mellitus untersucht worden sei. Die Diabeteseinstellung habe sich als sehr gut erwiesen. Nebenbefundlich habe der Kläger über Schulterschmerzen geklagt. Es sei deshalb die Überweisung zum Orthopäden erfolgt.
Am 20.08.2010 und 25.08.2011 haben Termine zur Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses stattgefunden. Auf die Niederschriften wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz (auch zu dem Verfahren S 9 SB 1159/08) sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig und überwiegend begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 15.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit ein Anspruch auf Krg im Zeitraum vom 17.07.2008 bis 15.08.2008 und vom 20.08.2008 bis 03.09.2008 abgelehnt wird.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 SGB V). Versicherte erhalten Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (vgl BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14).
Der Kläger war bei Entstehen des Krg-Anspruchs aufgrund seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten versichert (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V). Auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 29.02.2008 blieb der Kläger versichert, da er weiterhin Krg und während der Rehabilitationsmaßnahme Übergangsgeld bezog (§ 192 Abs 1 Nr 2 und 3 SGB V).
Der Kläger war im Zeitraum vom 17.07.2008 bis 03.09.2008 arbeitsunfähig. Die Überzeugung des Senats beruht auf den Angaben im Entlassungsbericht der Z.-Klinik sowie der Ärzte des Klägers.
Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ist die Tätigkeit des Klägers als Papierschneider sowie gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten. Eine "Verweisung" auf leichte oder mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist nicht möglich.
Bei Versicherten, die im Zeitpunkt der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit in einem Arbeitsverhältnis stehen und einen Arbeitsplatz innehaben, liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn diese Versicherten die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können. Die Krankenkasse darf diese Versicherten, solange das Arbeitsverhältnis besteht, nicht auf Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber "verweisen", die sie gesundheitlich noch ausüben könnten. Dem krankenversicherten Arbeitnehmer soll durch die Krg-Gewährung nämlich gerade die Möglichkeit offen gehalten werden, nach Beseitigung des Leistungshindernisses seine bisherige Arbeit wieder aufzunehmen (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19 mwN). Danach war bei Entstehen des Kg-Anspruchs der Arbeitsplatz des Klägers als Papierschneider maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit. Endet das Arbeitsverhältnis wie hier nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, ändert sich der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nur insofern, als dafür nicht mehr die konkreten Verhältnisse am (früheren) Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krg eng zu ziehen ist (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19; BSG 14.02.2001, B 1 KR 30/00 R, SozR 3-2500 § 44 Nr 9 S 23 f ; BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, SozR 3-2500 § 49 Nr 4).
Gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten sind solche, die mit der bisherigen Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, so dass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt ist (BSG 14.02.2001, B 1 KR 30/00 R, SozR 3-2500 § 44 Nr 9; BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, BSGE 85, 271). Auch bei ungelernten Tätigkeiten – wie der vorliegenden – ist demnach eine generelle "Verweisung" auf leichte oder mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht möglich. Es ist vielmehr ebenso eine enge Anlehnung an die bisherige Erwerbstätigkeit vorzunehmen. Arbeiten, die mit der bisherigen ungelernten Tätigkeit im Wesentlichen überstimmen, sind daher nur solche, die nicht nur hinsichtlich der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten und ihrer Entlohnung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit entsprechen, sondern ein entsprechendes Maß an körperlichen oder nervlichen Belastungen fordern. Bei Maschinenarbeiten ist darüber hinaus der konkrete Tätigkeitsablauf zu berücksichtigen (vgl BSG 16.09.1986, 3 RK 27/85, juris). Die Tätigkeit des Klägers als Papierschneider war nach seinen Angaben, die der Senat für glaubhaft hält, und den aktenkundigen Informationen (vgl MDK-Gutachten vom 08.10.2007) ua mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten verbunden. Diese Anforderungen stellten keine besonderen Bedingungen des konkreten Arbeitsplatzes dar, sondern entsprachen den allgemeinen Arbeitsbedingungen einer "Helfertätigkeit im Bereich Papier, Verpackung" (vgl hierzu die Berufsinformation der Bundesagentur für Arbeit im "BerufeNet").
Tätigkeiten unter den genannten Arbeitsbedingungen konnte der Kläger im fraglichen Zeitraum nicht ausüben. Der Kläger litt bei Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme noch an einem Impingementsyndrom links. Im Abschlussbefund zeigte sich die Beweglichkeit der linken Schulter weiterhin schmerzhaft eingeschränkt. Schürzen- und Nackengriff waren nur unvollständig möglich. Die Ärzte der Z.-Klinik sahen durch die Veränderungen auf orthopädischem Fachgebiet die Belastbarkeit weiterhin als reduziert an. Das Heben und Tragen von schweren Lasten war dem Kläger nicht möglich. Die Leistungsfähigkeit bezogen auf die Tätigkeit als Papierverarbeiter wurde mit unter drei Stunden täglich angegeben. Arbeitsfähigkeit wurde nur hinsichtlich einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit ohne Zwangshaltungen, ohne Arbeiten unter stark schwankenden Temperaturen, in Nässe und Zugluft, mit Erschütterungen und Vibrationen sowie mit erhöhter Unfallgefahr angenommen. Dieses Leistungsbild entspricht nicht den Anforderungen an eine Tätigkeit als Papierschneider oder eine damit im Wesentlichen übereinstimmende Tätigkeit. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Arbeitsunfähigkeit auch vorliegt, wenn der Versicherte seine Tätigkeit nur noch auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, ausüben kann.
Soweit sich der Kläger – wie im Entlassungsbericht angegeben – mit der Entlassung als arbeitsfähig einverstanden erklärt haben sollte, spielt dies vorliegend keine Rolle. Zum einen bezog sich diese Einschätzung ausweislich der Ausführungen zur sozialmedizinischen Epikrise nur auf leichte bis mittelschwere Tätigkeiten. Zum anderen kommt es bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ausschließlich auf den objektiven Gesundheitszustand an, nicht auf die Einschätzung der Gesundheit durch den Versicherten selbst.
Die im Entlassungsbericht beschriebenen gesundheitlichen Einschränkungen dauerten auch im hier streitgegenständlichen Zeitraum fort. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Kläger seine Ärztin Dr. G. aufgesucht und dort über unveränderte Beschwerden am linken Schultergelenk geklagt hat. Auch im Verfahren gegen die Versorgungsverwaltung (S 9 SB 1159/08) gab die Ärztin an, dass zwischen dem 01.05.2007 und Oktober 2008 keine relevante Änderung hinsichtlich der orthopädischen Befunde eingetreten sei, insbesondere keine Besserung. Nach wie vor bestünden erhebliche schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der linken Schulter. Über entsprechende Beschwerden berichtete der Hausarzt Dr. W., der den Kläger im relevanten Zeitraum ebenfalls untersucht hatte. Beide Ärzte stellten dem Kläger Überweisungen zur fachorthopädischen Behandlung aus. Dort wurden dann am 11.09.2008 die bereits im Entlassungsbericht beschriebenen Bewegungseinschränkungen bestätigt.
Hinsichtlich der für die Arbeitsunfähigkeit seit 20.04.2007 maßgeblichen Erkrankung war mithin keine relevante Änderung eingetreten, die im vorliegend maßgeblichen Zeitraum zum Wegfall der Arbeitsunfähigkeit führen konnte. In einem solchen Fall hat die Beklagte das Krg weiter zu gewähren. Das Krg ist dazu bestimmt, den krankheitsbedingten Ausfall des bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogenen Arbeitsentgelts oder sonstigen Erwerbseinkommens auszugleichen; es behält seine Funktion, solange die Unfähigkeit zur Verrichtung der zuletzt ausgeübten oder einer vergleichbaren Erwerbstätigkeit andauert. Hatte der Versicherte bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Krg, ist ihm dieses bei unveränderten Verhältnissen bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer (vgl § 48 SGB V) bzw bis zu dem Zeitpunkt zu gewähren, zu dem er von sich aus eine ihm gesundheitlich zumutbare Beschäftigung aufnimmt (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19; BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, SozR 3-2500 § 49 Nr 4).
Dem Anspruch auf Krg ab dem 17.07.2008 steht nicht entgegen, dass der Kläger erst am 05.08.2008 seine Ärztin Dr. G. aufsuchte. Denn der Entlassungsbericht vom 21.07.2008 enthielt die von § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V geforderte Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bezogen auf die hier maßgebliche Tätigkeit als Papierschneider und gleichgelagerte Tätigkeiten. Es geht nicht zulasten des Klägers, dass die Rehabilitationsärzte fehlerhaft annahmen, dass der Kläger hinsichtlich seiner Arbeitsfähigkeit auf leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verwiesen werden könne, und ihn deshalb als "arbeitsfähig" entließen. Dem Entlassungsbericht sind die für die Krankenkasse notwendigen Informationen zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Klägers zu entnehmen. Es bestand daher keine Notwendigkeit einer zeitnahen weiteren Feststellung durch die Ärztin des Klägers. Aus demselben Grund bedurfte es keiner Begründung der weiterhin bestehenden Arbeitsunfähigkeit nach § 4 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB V (in der Fassung vom 01.12.2003, zuletzt geändert am 19.09.2006). Die Feststellungen der Ärztin wichen nicht von den Ausführungen im Entlassungsbericht ab. Zudem zahlte die Beklagte schon seit Monaten auf Auszahlschein hin Krg für die Vergangenheit aus. Dies bedeutet, dass das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit mit Auszahlschein vom 05.08.2008 (auch) rückwirkend festgestellt wurde. Dies ist zwar rechtwidrig (vgl BSG 26.06.2007, B 1 KR 37/06 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 2), kann aber im Klageverfahren unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Zwar müssen nach stRspr (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 2) bei zeitlich befristeter Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und dementsprechender Krg-Bewilligung die Voraussetzungen des Krg-Anspruchs für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festgestellt werden. Daran fehlt es hier, weil sich der Kläger nach dem Ende des Rehabilitationsverfahrens am 16.07.2008 erst am 05.08.2008 bei seiner Ärztin vorgestellt hat. Dies kann dem Anspruch auf Krg aber nicht entgegengehalten werden, wenn die Krankenkasse Krg auf der Grundlage von Auszahlscheinen bewilligt. Auch insoweit gilt das Verbot des venire contra factum proprium, dh der Versicherte darf darauf vertrauen, dass sich die Krankenkasse nicht in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzt und deshalb auch weiterhin eine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit akzeptiert.
Der Anspruch des Klägers auf Krg war im streitigen Zeitraum noch nicht erschöpft. Der Kläger hatte noch keine 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, Krg bezogen (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V).
In der Zeit vom 16.08.2008 bis 19.08.2008 ruhte allerdings der Anspruch auf Krg, da sich der Kläger im Ausland aufhielt (§ 16 Abs 1 Nr 1 SGB V). Weitere Ruhens- oder Ausschlussgründe liegen nicht vor. Insbesondere ruhte der Anspruch des Klägers nicht wegen fehlender Meldung der Arbeitsunfähigkeit (§ 49 Abs 1 Nr 5 SGB V). Zwar muss die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse erneut gemeldet werden, wenn nach einer vorübergehenden leistungsfreien Zeit wieder Krg gezahlt werden soll (vgl BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, BSGE 85, 271 mwN). Da die Beklagte aber schon vor der Unterbrechung des Leistungsbezugs die monatliche Vorlage eines Auszahlscheins genügen ließ und der Kläger diese Verfahrensweise auch während der Unterbrechung sowie im vorliegend streitigen Zeitraum befolgt hatte, kann ihm unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ein Meldeversäumnis nicht zur Last gelegt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostenquote war aufgrund des geringen Unterliegens des Klägers nicht zu bilden.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der streitigen Rechtsfragen zugelassen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) im Zeitraum vom 17.07.2008 bis 03.09.2008.
Der 1967 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger arbeitete seit 2001 als Papierschneider in der Produktion einer Druckerei. Seine Tätigkeit war mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Arbeiten mit den Armen über Brustniveau verbunden. Er hatte pro Schicht zwischen 20 und 25 Tonnen Papier zu bewegen.
Ab dem 20.04.2007 war der Kläger wegen eines Impingementsyndroms und einer Läsion der Rotatorenmanschette links arbeitsunfähig krank. Nach dem Ende der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bezog er ab dem 30.05.2007 Krg von der Beklagten. Die Bewilligung des Krg beruhte bis zum 20.06.2007 auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, mit denen dem Kläger vom Zeitpunkt der ärztlichen Untersuchung für einen zukünftigen Zeitraum Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Danach wurden dem Kläger von der Beklagten sog "Auszahlscheine für Krg" übergeben, auf denen der Arzt das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit für die Vergangenheit bestätigte. Der Kläger musste auf dem Auszahlschein Angaben darüber machen, ob er gearbeitet hat oder nicht und ob er eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält bzw beantragt hat. Diese Angaben musste er mit Datum und Unterschrift bestätigen und den Auszahlschein bei der Beklagten einreichen. Anschließend erhielt er dann Krg für die Zeit bis zu dem Tag, an dem er sich beim Arzt vorgestellt hatte.
Am 18.12.2007 kündigte der Arbeitgeber dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen. Nach einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung einigte sich der Kläger mit seinem Arbeitgeber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29.02.2008.
Vom 18.06.2008 bis 16.07.2008 absolvierte der Kläger zulasten der Deutschen Rentenversicherung eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der orthopädischen Abteilung der Z.-Klinik, St. B ... Der Kläger bezog während dieser Zeit Übergangsgeld. Im Entlassungsbericht vom 21.07.2008 werden die Diagnosen HWS-Syndrom, Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Stimmung (gemischt), LWS-Syndrom, Impingementsyndrom links und rezividierende habituelle Luxation der Patella links genannt. Aus orthopädischer Sicht sei die Wiederaufnahme der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Papierverarbeiter nicht möglich. Tätigkeiten mit Heben und Tragen von schweren Lasten sowie Zwangshaltungen der Wirbelsäule seien nicht möglich. Tätigkeiten unter stark schwankenden Temperaturen, in Nässe und Zugluft, mit Erschütterungen und Vibrationen sowie Tätigkeiten unter erhöhter Unfallgefahr sollten nicht verlangt werden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden täglich und mehr arbeitsfähig. Der Kläger werde mit seinem Einverständnis arbeitsfähig entlassen. Aus psychotherapeutischer Sicht habe der Kläger bei der Entlassung einen psychisch belastbaren und leistungsfähigen Eindruck gemacht. Der Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung werde empfohlen.
Die Internistin des Klägers, Dr. G., stellte zuletzt Auszahlscheine für Krg am 02.05.2008, 09.06.2008, 03.07.2008 und 05.08.2008 aus.
Am 16.08.2008 reiste der Kläger nach Bosnien. Nach seinen Angaben verweilte er dort mit seinem Bruder drei oder vier Tage, um sich in einer Klinik untersuchen zu lassen.
Mit Schreiben vom 25.08.2008 forderte die Beklagte Dr. G. auf, die Gründe für die weitere Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, nachdem der Kläger als arbeitsfähig aus der Rehabilitationsklinik entlassen worden sei. Dr. G. teilte daraufhin mit, dass ihr bislang der Entlassungsbericht nicht vorliege. Deshalb liege ihr kein Hinweis auf Arbeitsfähigkeit vor. Das weitere Procedere wolle sie von dem Bericht abhängig machen.
Ab dem 04.09.2008 bezog der Kläger von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 15.10.2008 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seit dem 17.07.2008 keinen Anspruch auf Krg mehr habe. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt wieder arbeitsfähig sei. Am 16.07.2008 sei er arbeitsfähig entlassen worden. Der nächste Arzttermin habe erst am 05.08.2008 stattgefunden. Eine medizinische Begründung für eine weitere Arbeitsunfähigkeit sei nicht eingereicht worden.
Hiergegen legte der Kläger am 04.11.2008 Widerspruch ein. Der Kläger habe bis zum 03.09.2008 Anspruch auf Krg. Hiervon gehe auch die Bundesagentur für Arbeit aus.
Die Beklagte beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Erstattung eines Gutachtens. Im Gutachten vom 13.11.2008 führte Dr. Sch. aus, dass bislang eine besondere ärztliche Begründung für die Arbeitsunfähigkeit fehle. Eine solche sei nach einer Entlassung aus einer stationären Rehabilitationsmaßnahme als arbeitsfähig nach den Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderlich. Er bitte um Anforderung der erforderlichen speziellen Begründung. Mit Schreiben vom 20.11.2008 teilte die Beklagte dem Kläger das Ergebnis des Gutachtens mit. Dr. G. erhielt eine Mehrfertigung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab die Beklagte an, der Kläger sei aus der Rehabilitationsmaßnahme arbeitsfähig entlassen worden. Bei der Entlassung habe er laut Entlassungsbericht einen psychisch belastbaren und leistungsfähigen Eindruck gemacht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei er für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten arbeitsfähig. Dagegen spräche nicht, dass eine ambulante Psychotherapie empfohlen worden sei. Auch, dass die Aufnahme- und Entlassungsdiagnosen größtenteils übereinstimmten, stünde der Annahme von Arbeitsfähigkeit nicht entgegen. Einziges Indiz für eine Arbeitsunfähigkeit seien die Auszahlscheine von Dr. G ... Trotz Kenntnis von dem Entlassungsbericht und dem MDK-Gutachten habe Dr. G. jedoch keine Begründung geliefert und auch kein weiteres MDK-Gutachten beantragt. Laut Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit könne der Kläger ab dem 04.09.2008 wieder in dem Umfang arbeiten wie im Bemessungszeitraum. Dies sei jedoch kein Indiz dafür, dass der Kläger nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt arbeitsfähig gewesen sei. Arbeitslosengeld werde erst ab dem Tag der Beantragung gezahlt. Es stelle sich die Frage, inwiefern eine Verbesserung des Gesundheitszustandes zwischen Entlassung und Beginn des Arbeitslosengeldbezugs eingetreten sei. Von einer ärztlichen Untersuchung bei der Bundesagentur für Arbeit sei der Beklagten nichts bekannt.
Am 09.03.2009 hat der Kläger zum Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, er sei nach dem Ende der Rehabilitationsmaßnahme nicht arbeitsfähig gewesen. Die für die Arbeitsunfähigkeit maßgeblichen Befunde seien unverändert geblieben. Eine Verbesserung sei nur in Bezug auf das HWS-Syndrom und die psychischen Störungen eingetreten. Letztere hätten aber weiter fortbestanden. Er habe damals bereits seit mehr als sechs Jahren an schweren Depressionen gelitten. Auch aufgrund dieser Erkrankung sei er arbeitsunfähig gewesen. Aus dem MDK-Gutachten ergebe sich nicht, dass er arbeitsfähig gewesen sei. Die vom MDK empfohlene Anforderung einer Begründung der Arbeitsunfähigkeit durch die Hausärztin habe nie stattgefunden.
Das SG hat die Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. G. hat angegeben, die Ehefrau des Klägers habe am 03.07.2008 einen Auszahlschein abgeholt. Am 05.08.2008 sei der Kläger in die Sprechstunde gekommen. Er habe angegeben, dass sich die Probleme mit der linken Schulter eher verschlechtert hätten. Er wolle eine Operation durchführen lassen. Er wolle hierzu einen Orthopäden aufsuchen. Sie habe dem Kläger ein Schmerzmittel verschrieben und eine Überweisung zum Orthopäden ausgestellt. Da ihr der Entlassungsbericht nicht vorgelegen habe, habe sie eine orthopädische Beurteilung der Funktionseinschränkung der Schulter benötigt. Sie habe ihm einen Auszahlschein für weitere vier Wochen ausgestellt. Am 03.09.2008 sei er nochmals erschienen. Die Schulterproblematik sei unverändert gewesen. Sie habe ihm nochmals eine Überweisung zum Orthopäden ausgestellt. Auf Drängen der Beklagten sei dem Kläger klar gemacht worden, dass eine Verlängerung der Krankengeldzahlungen nicht mehr in Betracht komme. Der Kläger habe sich daraufhin arbeitslos gemeldet. Ihrer Einschätzung nach sei der Kläger aufgrund der Schulterbeschwerden nicht in der Lage gewesen, seine letzte Tätigkeit als Papierschneider auszuüben. Auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien schwer vorstellbar gewesen, weshalb eine orthopädische Beurteilung angefordert worden sei. Der Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin N. K. hat angegeben, der Kläger sei am 11.09.2008 in seiner Behandlung gewesen. Ob der Kläger damals arbeitsunfähig gewesen sei, könne er nicht beurteilen.
Das SG hat außerdem die Gerichtsakte des Klageverfahrens gegen die Versorgungsverwaltung auf Feststellung des Grades der Behinderung (S 9 SB 1159/08) beigezogen.
Mit Urteil vom 09.12.2009 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei nicht arbeitsunfähig gewesen. Nach den Angaben im Entlassungsbericht habe der Kläger wieder ungelernte Tätigkeiten in der Papierverarbeitung ausüben können. Die Beurteilung von Dr. G. überzeuge nicht. Sie habe den Kläger erst am 05.08.2009 persönlich untersucht. Untersuchungsbefunde habe Dr. G. nicht mitgeteilt. Eine überzeugende Begründung für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit sei nicht erfolgt. Eine fachorthopädische Behandlung habe im fraglichen Zeitraum nicht stattgefunden.
Gegen das am 28.12.2009 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.01.2010 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat der Kläger seine Argumente aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Ergänzend hat er vorgetragen, er sei nach seiner Entlassung vom Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit ausgegangen. Deshalb habe er nicht sofort Dr. G. aufgesucht. Soweit im Entlassungsbericht dokumentiert sei, dass er mit der Entlassung als arbeitsfähig einverstanden gewesen sei, beruhe dies auf seinen begrenzten Deutschkenntnissen. Eine fachorthopädische Untersuchung habe nur deshalb im fraglichen Zeitraum nicht stattgefunden, weil er in der überregional renommiertesten Praxis für orthopädische Erkrankungen, Dr. S. und K., nicht sofort einen Termin bekommen habe. Dort sei dann am 11.09.2008 die von Dr. G. gestellte Diagnose bestätigt worden. Entgegen der Ausführungen des SG habe Dr. G. auch Bewegungs- und Funktionseinschränkungen bei der Untersuchung am 05.08.2008 festgestellt. Da sie den Kläger bereits aus den Voruntersuchungen gekannt habe, habe sie beurteilen können, ob eine Besserung eingetreten sei. Neben den Schulterbeschwerden habe er an einer Vielzahl weiterer Erkrankungen gelitten. Auch aufgrund der psychischen Beschwerden und der Erkrankungen auf internistischem Fachgebiet sei er arbeitsunfähig gewesen. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Entlassungsbericht der Klinik Z., sondern auch aus den Gutachten im Verfahren gegen die Versorgungsverwaltung vom 14.04.2009 (nervenfachärztliches Gutachten von Dr. G.) und vom 23.12.2009 (orthopädisches Gutachten von Dr. St.).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.12.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 15.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 17.07.2008 bis 03.09.2008 Krankengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die vorgelegten Gutachten aus dem Verfahren gegen die Versorgungsverwaltung könnten keine Aussage zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers im fraglichen Zeitraum treffen.
Das LSG hat weiter Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. W ... Er hat mitgeteilt, dass der Kläger am 23.07.2008 und 28.07.2008 zur routinemäßigen Untersuchung wegen des Diabetes mellitus untersucht worden sei. Die Diabeteseinstellung habe sich als sehr gut erwiesen. Nebenbefundlich habe der Kläger über Schulterschmerzen geklagt. Es sei deshalb die Überweisung zum Orthopäden erfolgt.
Am 20.08.2010 und 25.08.2011 haben Termine zur Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses stattgefunden. Auf die Niederschriften wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz (auch zu dem Verfahren S 9 SB 1159/08) sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig und überwiegend begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 15.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit ein Anspruch auf Krg im Zeitraum vom 17.07.2008 bis 15.08.2008 und vom 20.08.2008 bis 03.09.2008 abgelehnt wird.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 SGB V). Versicherte erhalten Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (vgl BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14).
Der Kläger war bei Entstehen des Krg-Anspruchs aufgrund seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten versichert (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V). Auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 29.02.2008 blieb der Kläger versichert, da er weiterhin Krg und während der Rehabilitationsmaßnahme Übergangsgeld bezog (§ 192 Abs 1 Nr 2 und 3 SGB V).
Der Kläger war im Zeitraum vom 17.07.2008 bis 03.09.2008 arbeitsunfähig. Die Überzeugung des Senats beruht auf den Angaben im Entlassungsbericht der Z.-Klinik sowie der Ärzte des Klägers.
Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ist die Tätigkeit des Klägers als Papierschneider sowie gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten. Eine "Verweisung" auf leichte oder mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist nicht möglich.
Bei Versicherten, die im Zeitpunkt der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit in einem Arbeitsverhältnis stehen und einen Arbeitsplatz innehaben, liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn diese Versicherten die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können. Die Krankenkasse darf diese Versicherten, solange das Arbeitsverhältnis besteht, nicht auf Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber "verweisen", die sie gesundheitlich noch ausüben könnten. Dem krankenversicherten Arbeitnehmer soll durch die Krg-Gewährung nämlich gerade die Möglichkeit offen gehalten werden, nach Beseitigung des Leistungshindernisses seine bisherige Arbeit wieder aufzunehmen (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19 mwN). Danach war bei Entstehen des Kg-Anspruchs der Arbeitsplatz des Klägers als Papierschneider maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit. Endet das Arbeitsverhältnis wie hier nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, ändert sich der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nur insofern, als dafür nicht mehr die konkreten Verhältnisse am (früheren) Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krg eng zu ziehen ist (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19; BSG 14.02.2001, B 1 KR 30/00 R, SozR 3-2500 § 44 Nr 9 S 23 f ; BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, SozR 3-2500 § 49 Nr 4).
Gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten sind solche, die mit der bisherigen Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, so dass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt ist (BSG 14.02.2001, B 1 KR 30/00 R, SozR 3-2500 § 44 Nr 9; BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, BSGE 85, 271). Auch bei ungelernten Tätigkeiten – wie der vorliegenden – ist demnach eine generelle "Verweisung" auf leichte oder mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht möglich. Es ist vielmehr ebenso eine enge Anlehnung an die bisherige Erwerbstätigkeit vorzunehmen. Arbeiten, die mit der bisherigen ungelernten Tätigkeit im Wesentlichen überstimmen, sind daher nur solche, die nicht nur hinsichtlich der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten und ihrer Entlohnung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit entsprechen, sondern ein entsprechendes Maß an körperlichen oder nervlichen Belastungen fordern. Bei Maschinenarbeiten ist darüber hinaus der konkrete Tätigkeitsablauf zu berücksichtigen (vgl BSG 16.09.1986, 3 RK 27/85, juris). Die Tätigkeit des Klägers als Papierschneider war nach seinen Angaben, die der Senat für glaubhaft hält, und den aktenkundigen Informationen (vgl MDK-Gutachten vom 08.10.2007) ua mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten verbunden. Diese Anforderungen stellten keine besonderen Bedingungen des konkreten Arbeitsplatzes dar, sondern entsprachen den allgemeinen Arbeitsbedingungen einer "Helfertätigkeit im Bereich Papier, Verpackung" (vgl hierzu die Berufsinformation der Bundesagentur für Arbeit im "BerufeNet").
Tätigkeiten unter den genannten Arbeitsbedingungen konnte der Kläger im fraglichen Zeitraum nicht ausüben. Der Kläger litt bei Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme noch an einem Impingementsyndrom links. Im Abschlussbefund zeigte sich die Beweglichkeit der linken Schulter weiterhin schmerzhaft eingeschränkt. Schürzen- und Nackengriff waren nur unvollständig möglich. Die Ärzte der Z.-Klinik sahen durch die Veränderungen auf orthopädischem Fachgebiet die Belastbarkeit weiterhin als reduziert an. Das Heben und Tragen von schweren Lasten war dem Kläger nicht möglich. Die Leistungsfähigkeit bezogen auf die Tätigkeit als Papierverarbeiter wurde mit unter drei Stunden täglich angegeben. Arbeitsfähigkeit wurde nur hinsichtlich einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit ohne Zwangshaltungen, ohne Arbeiten unter stark schwankenden Temperaturen, in Nässe und Zugluft, mit Erschütterungen und Vibrationen sowie mit erhöhter Unfallgefahr angenommen. Dieses Leistungsbild entspricht nicht den Anforderungen an eine Tätigkeit als Papierschneider oder eine damit im Wesentlichen übereinstimmende Tätigkeit. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Arbeitsunfähigkeit auch vorliegt, wenn der Versicherte seine Tätigkeit nur noch auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, ausüben kann.
Soweit sich der Kläger – wie im Entlassungsbericht angegeben – mit der Entlassung als arbeitsfähig einverstanden erklärt haben sollte, spielt dies vorliegend keine Rolle. Zum einen bezog sich diese Einschätzung ausweislich der Ausführungen zur sozialmedizinischen Epikrise nur auf leichte bis mittelschwere Tätigkeiten. Zum anderen kommt es bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ausschließlich auf den objektiven Gesundheitszustand an, nicht auf die Einschätzung der Gesundheit durch den Versicherten selbst.
Die im Entlassungsbericht beschriebenen gesundheitlichen Einschränkungen dauerten auch im hier streitgegenständlichen Zeitraum fort. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Kläger seine Ärztin Dr. G. aufgesucht und dort über unveränderte Beschwerden am linken Schultergelenk geklagt hat. Auch im Verfahren gegen die Versorgungsverwaltung (S 9 SB 1159/08) gab die Ärztin an, dass zwischen dem 01.05.2007 und Oktober 2008 keine relevante Änderung hinsichtlich der orthopädischen Befunde eingetreten sei, insbesondere keine Besserung. Nach wie vor bestünden erhebliche schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der linken Schulter. Über entsprechende Beschwerden berichtete der Hausarzt Dr. W., der den Kläger im relevanten Zeitraum ebenfalls untersucht hatte. Beide Ärzte stellten dem Kläger Überweisungen zur fachorthopädischen Behandlung aus. Dort wurden dann am 11.09.2008 die bereits im Entlassungsbericht beschriebenen Bewegungseinschränkungen bestätigt.
Hinsichtlich der für die Arbeitsunfähigkeit seit 20.04.2007 maßgeblichen Erkrankung war mithin keine relevante Änderung eingetreten, die im vorliegend maßgeblichen Zeitraum zum Wegfall der Arbeitsunfähigkeit führen konnte. In einem solchen Fall hat die Beklagte das Krg weiter zu gewähren. Das Krg ist dazu bestimmt, den krankheitsbedingten Ausfall des bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogenen Arbeitsentgelts oder sonstigen Erwerbseinkommens auszugleichen; es behält seine Funktion, solange die Unfähigkeit zur Verrichtung der zuletzt ausgeübten oder einer vergleichbaren Erwerbstätigkeit andauert. Hatte der Versicherte bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Krg, ist ihm dieses bei unveränderten Verhältnissen bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer (vgl § 48 SGB V) bzw bis zu dem Zeitpunkt zu gewähren, zu dem er von sich aus eine ihm gesundheitlich zumutbare Beschäftigung aufnimmt (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19; BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, SozR 3-2500 § 49 Nr 4).
Dem Anspruch auf Krg ab dem 17.07.2008 steht nicht entgegen, dass der Kläger erst am 05.08.2008 seine Ärztin Dr. G. aufsuchte. Denn der Entlassungsbericht vom 21.07.2008 enthielt die von § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V geforderte Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bezogen auf die hier maßgebliche Tätigkeit als Papierschneider und gleichgelagerte Tätigkeiten. Es geht nicht zulasten des Klägers, dass die Rehabilitationsärzte fehlerhaft annahmen, dass der Kläger hinsichtlich seiner Arbeitsfähigkeit auf leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verwiesen werden könne, und ihn deshalb als "arbeitsfähig" entließen. Dem Entlassungsbericht sind die für die Krankenkasse notwendigen Informationen zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Klägers zu entnehmen. Es bestand daher keine Notwendigkeit einer zeitnahen weiteren Feststellung durch die Ärztin des Klägers. Aus demselben Grund bedurfte es keiner Begründung der weiterhin bestehenden Arbeitsunfähigkeit nach § 4 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB V (in der Fassung vom 01.12.2003, zuletzt geändert am 19.09.2006). Die Feststellungen der Ärztin wichen nicht von den Ausführungen im Entlassungsbericht ab. Zudem zahlte die Beklagte schon seit Monaten auf Auszahlschein hin Krg für die Vergangenheit aus. Dies bedeutet, dass das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit mit Auszahlschein vom 05.08.2008 (auch) rückwirkend festgestellt wurde. Dies ist zwar rechtwidrig (vgl BSG 26.06.2007, B 1 KR 37/06 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 2), kann aber im Klageverfahren unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Zwar müssen nach stRspr (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 2) bei zeitlich befristeter Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und dementsprechender Krg-Bewilligung die Voraussetzungen des Krg-Anspruchs für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festgestellt werden. Daran fehlt es hier, weil sich der Kläger nach dem Ende des Rehabilitationsverfahrens am 16.07.2008 erst am 05.08.2008 bei seiner Ärztin vorgestellt hat. Dies kann dem Anspruch auf Krg aber nicht entgegengehalten werden, wenn die Krankenkasse Krg auf der Grundlage von Auszahlscheinen bewilligt. Auch insoweit gilt das Verbot des venire contra factum proprium, dh der Versicherte darf darauf vertrauen, dass sich die Krankenkasse nicht in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzt und deshalb auch weiterhin eine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit akzeptiert.
Der Anspruch des Klägers auf Krg war im streitigen Zeitraum noch nicht erschöpft. Der Kläger hatte noch keine 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, Krg bezogen (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V).
In der Zeit vom 16.08.2008 bis 19.08.2008 ruhte allerdings der Anspruch auf Krg, da sich der Kläger im Ausland aufhielt (§ 16 Abs 1 Nr 1 SGB V). Weitere Ruhens- oder Ausschlussgründe liegen nicht vor. Insbesondere ruhte der Anspruch des Klägers nicht wegen fehlender Meldung der Arbeitsunfähigkeit (§ 49 Abs 1 Nr 5 SGB V). Zwar muss die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse erneut gemeldet werden, wenn nach einer vorübergehenden leistungsfreien Zeit wieder Krg gezahlt werden soll (vgl BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, BSGE 85, 271 mwN). Da die Beklagte aber schon vor der Unterbrechung des Leistungsbezugs die monatliche Vorlage eines Auszahlscheins genügen ließ und der Kläger diese Verfahrensweise auch während der Unterbrechung sowie im vorliegend streitigen Zeitraum befolgt hatte, kann ihm unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ein Meldeversäumnis nicht zur Last gelegt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostenquote war aufgrund des geringen Unterliegens des Klägers nicht zu bilden.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der streitigen Rechtsfragen zugelassen.
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