L 4 KR 490/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1567/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 490/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die am 12. August 1981 geborene Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Prozesskostenhilfe (PKH) für den Rechtsstreit S 5 KR 1567/11 vor dem Sozialgericht Freiburg (SG).

Die Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich krankenversichert. Sie leidet unter anderem an Depressionen und den Folgen eines Traumas. Am 27. Mai 2008 beantragte sie bei der Beklagten die Durchführung einer Verhaltens- und Traumatherapie bei der zwar als Psychologischen Psychotherapeutin approbierten, jedoch nicht zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung zugelassenen Dipl.-Psychologin S. S., die über einen Nachweis der Fachkunde gemäß § 95c Satz 2 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für Verhaltenstherapie bei Erwachsenen verfügt sowie jedenfalls im Jahre 2010 über eine Genehmigung als Sicherstellungsassistentin bei einer zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung zugelassenen Psychologischen Psychotherapeutin. Nach Behauptung der Klägerin behandelt Psychologin S. sie, die Klägerin, schon seit 2008, ohne dies in Rechnung gestellt zu haben. Die Klägerin wies im Antrag darauf hin, dass die ansonsten von ihr konsultierten Therapeuten entweder zur Zeit keine Kapazität frei hätten, mit ihnen keine Therapie zu Stande gekommen sei, weil sie sich ihr gegenüber unangebracht verhalten hätten oder nicht über die für die bei ihr durchzuführende Behandlung nötige Ausbildung verfügten. Bei Psychologin S. habe sie bereits zwei Termine gehabt und sich gut betreut gefühlt. Die Beklagte genehmigte hierauf am 09. Juni 2008 der Psychologin S. gegenüber telefonisch die Kostenübernahme für fünf probatorische Sitzungen. Es wurde vereinbart, dass Psychologin S. danach die Unterlagen für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zuschickt. In der Folge behandelte Psychologin S. die Klägerin, ohne dies ihr oder der Beklagten gegenüber in Rechnung zu stellen und ohne der Beklagten Unterlagen zu übersenden.

Mit nicht in der Verwaltungsakte befindlichen Antrag beantragte die Klägerin wohl im Oktober 2010 die Kostenübernahme für die psychotherapeutische Behandlung bei der Psychologin S., worauf sie die Beklagte mit Schreiben vom 11. Oktober 2010 unter Beifügung einer Liste der zugelassenen Therapeuten aufforderte, die Unterversorgung nachzuweisen. Nachdem die Klägerin dem nicht nachkam sowie die Beklagte der Klägerin zwei zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassene Psychologische Psychotherapeuten, die sofort Termine frei hätten, benannte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. November 2010 den Antrag auf Übernahme der Kosten für die verhaltenstherapeutische Behandlung bei der Psychologin S. ab, da diese nicht kassenzugelassen sei und somit eine außervertragliche Behandlung erfolgen müsse. Bei den Psychologen M. A. und U. B.-J. bestehe die Möglichkeit einer zeitnahen Behandlung. Im Nachgang benannte die Beklagte außerdem die Psychologinnen Sender und Häberle. Ihren dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie im Jahr 2008 die Ausnahmegenehmigung für die probatorischen Sitzungen bekommen habe und der Beklagten bekannt gewesen sei, dass ein Antrag auf Kostenübernahme für mehrere Therapiestunden folgen werde. Wenn diese Kostenübernahme nun nicht möglich wäre, hätte die Genehmigung für die probatorischen Sitzungen gar nicht erst gegeben werden dürfen. Die von der Beklagten vorgeschlagenen Therapeuten seien für sie nicht geeignet. Einer scheide bereits deshalb aus, weil es sich um einen Mann handele. Eine der benannten Therapeutinnen habe sie wie der Beklagten bekannt sei - schon einmal aufgesucht habe und sei von ihr völlig unverschämt behandelt worden. Eine Therapeutin habe ihr gesagt, dass sie das Skills-Training, das sie benötige, nicht durchführe und der letzten Therapeutin habe sie auf den Anrufbeantworter gesprochen, diese habe jedoch nicht zurückgerufen. Im Übrigen würden die Kosten viel höher ausfallen, wenn sie nunmehr bei einer neuen Therapeutin erneut von vorn anfangen müsste. Im Falle einer Ablehnung der Therapie bei Psychologin S., werde sie die Therapie bei der Psychologin S. in O. fortsetzen, wo diese nunmehr eine "Kassenzulassung" habe. Im November 2010 erstattete die Beklagte Psychologin S. aufgrund ihrer, der Beklagten, Zusage vom 09. Juni 2008 den vergleichbaren Kassensatz für die Sitzungen vom 12. August bis 08. September 2010 in Höhe von EUR 307,15. Mit Schreiben vom 17. November 2010 teilte sie der Klägerin außerdem mit, dass eine Bezuschussung von Rechnungen für Sitzungen nach dem 08. September 2010 bis zum Beginn der vertragstherapeutischen Behandlung nicht möglich sei und wies des Weiteren darauf hin, dass die Praxis, in der Psychologin S. tätig sei, sich bereit erklärt habe, die geplante weitere Behandlung zu erbringen. Damit könne Psychologin S. die Behandlung auch als "Vertragstherapeutin" erbringen. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2011 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den von der Klägerin aufrechterhaltenen Widerspruch zurück. Die Kostenerstattung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung für die Therapie bei einer nichtzugelassenen Leistungserbringerin sei nicht möglich. Psychologin S. sei zwar im Besitz eines Fachkundenachweises, allerdings sei sie nicht berechtigt als Sachleistung mit ihr, der Beklagten, abzurechnen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 25. März 2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und beantragte am 21. Juni 2011 die Gewährung von PKH. Sie beantragte, die Beklagte zu verpflichten, ihr "die für eine ambulante Psychotherapie entstandenen Kosten zu erstatten, die Psychologin S. entstanden sind".

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Es bestehe kein Anspruch auf Kostenübernahme nach § 28 Abs. 3 SGB V, da Psychologin S. über keine Kassenzulassung verfüge und sie, die Beklagte, der Klägerin mindestens drei Vertragstherapeuten benannt habe, bei denen nach telefonischer Zusage die Fortführung der Therapie möglich gewesen wäre und auch noch sei.

Die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten, die Kosten für eine ambulante Psychotherapie bei Psychologin S. im Wege der einstweiligen Anordnung zu erstatten, lehnte das SG mit Beschluss vom 27. Mai 2011 ab (S 5 KR 2113/11 ER). Die von der Klägerin dagegen erhobene Beschwerde wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 13. Juli 2011 zurück, da weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben sei (L 11 KR 2643/11 ER-B).

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2011 lehnte das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH ab. Die Klägerin habe grundsätzlich nur Anspruch auf eine Psychotherapie durch im Sinne des § 28 Abs. 3 SGB V zugelassene Therapeuten. Die Beklagte habe der Klägerin mehrere weibliche Therapeuten benannt, die auch Erfahrungen in Traumatherapie hätten und kurzfristig über freie Plätze verfügten. Ein Systemmangel der vertragstherapeutischen Versorgung in der Wohnregion der Klägerin sei deshalb nicht feststellbar. Aus den im Rahmen zweijähriger privater Behandlung bei Psychologin S. aufgebauten Vertrauensverhältnis zu dieser Therapeutin könne die Klägerin einen Anspruch auf außervertragliche Behandlung gerade durch diese Therapeutin auf Kassenkosten nicht ableiten. Den Versicherten sei es verwehrt, durch Berufung auf eine privat in Anspruch genommene Behandlung und das dort aufgebaute Vertrauensverhältnis die Behandlung durch einen Vertragstherapeuten zu verweigern und auf diese Weise das gesetzlich geregelte System der Versorgung durch zugelassene Therapeuten letztlich auszuhebeln. Auch aus der Jahre zurückliegenden Genehmigung von fünf probatorischen Sitzungen könne die Klägerin heute, nachdem durch mehrjährige private Behandlung bei dieser Behandlerin verständlicherweise ein tiefergehendes Vertrauensverhältnis aufgebaut worden sei, keine Bindung der Beklagten an die damalige einmalige Genehmigung mehr herleiten. Die Rechtslage erscheine damit insgesamt - auch unter Hinweis auf die rechtlichen Erwägungen des LSG im Beschluss vom 13. Juli 2011 - so eindeutig, dass allenfalls eine ganz entfernte Möglichkeit der Klägerin, doch mit ihrem Begehren zu obsiegen, vorstellbar erscheine. Damit fehle es an der hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Zivilprozessordnung (ZPO).

Am 20. Januar 2012 hat die Klägerin gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 22. Dezember 2011 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in einer dramatischen gesundheitlichen Lage befunden, in der sie sich auch heute noch befinde. Sie sei erheblich suizidgefährdet. Ein durchaus auch entscheidendes Merkmal ihrer psychischen Erkrankung sei ihre Schwierigkeit, Vertrauen aufzubauen. Sei ein solches erst einmal gefestigt, so sei es aus gesundheitlichen Gründen für sie unabdingbar, das Vertrauensverhältnis im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung nicht zu schädigen. Es sei vielmehr dringend notwendig, dieses zu pflegen. Dies habe die Beklagte verkannt. Außerdem habe ihr die Beklagte fünf probatorische Sitzungen bezahlt. Es sei absurd, den Beginn einer solchen Therapie, jedoch nicht die Fortsetzung derselben zu finanzieren.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Dezember 2011 ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Stöhr, Villingen-Schwenningen, ohne die Anordnung von Ratenzahlung für das Verfahren S 5 KR 1567/11 vor dem Sozialgericht Freiburg zu gewähren.

Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten S 5 KR 1567/11 und L 11 KR 2643/11 ER-B, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der PKH-Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig, insbesondere gemäß § 173 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, da das SG nicht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die PKH, sondern vielmehr die Erfolgsaussicht in der Hauptsache verneint hat. Die Klägerin begehrt - jedenfalls nach dem in der Klageschrift formulierten Antrag - auch die Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Behandlungen seit dem Jahr 2008, so dass die Berufung in der Hauptsache gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig wäre.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH für das Verfahren S 5 KR 1567/11 vor dem SG. Das SG hat zutreffend entschieden, dass aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

PKH erhält gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn der Rechtsstandpunkt des klagenden Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für das Gericht zumindest als vertretbar erscheint und es von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 73a RdNr. 7a). PKH darf verweigert werden, wenn die Erfolgschance nur eine entfernte ist (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] BVerfGE 81, 347, 357). Bei der Prüfung, ob hinreichende Erfolgsaussicht besteht, muss der verfassungsrechtliche Rahmen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -) berücksichtigt werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die abschließende rechtliche Überprüfung selbst in das PKH-Verfahren vorzuverlagern. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen deshalb nicht überspannt werden. Da der Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht enger zu verstehen ist als das Gebot einer Beweiserhebung, ist im Rahmen des Verfahrens über PKH in begrenztem Rahmen auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2745; Bundesgerichtshof [BGH] NJW 1994, 1160). Der Ablehnung von PKH steht es auch nicht von vornherein entgegen, wenn zur abschließenden Klärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts noch einzelne Ermittlungen, wie etwa die Befragung behandelnder Ärzte angestellt werden.

Die Formulierung des Antrags in der Klageschrift " ... Kosten zu erstatten, die Dipl.-Psychologin S ... entstanden sind" geht dahin, dass die Beklagte der Klägerin in der Vergangenheit für die psychotherapeutische Behandlung durch Psychologin S. angefallenen Kosten erstatten soll. Möglicherweise begehrt die Klägerin aber nicht (nur) Erstattung dieser entstandenen Kosten, sondern auch die psychotherapeutische Behandlung durch Psychologin S. als Sachleistung für die Zukunft. Dem müsste dann allerdings durch eine sachgerechte Antragstellung Rechnung getragen werden.

Sowohl für den Anspruch auf Erstattung entstandener Kosten als auch für den Sachleistungsanspruch mangelt es im vorliegenden Fall an der hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung bereits aus rechtlichen Gründen, denn ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für die psychotherapeutische Behandlung durch Psychologin S. sowohl in der Vergangenheit also in der Zukunft lässt sich aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen. Denn die von der Klägerin begehrte Leistung war und ist nicht von der Beklagten als Sachleistung zu erbringen.

Falls die Klägerin einen Anspruch auf Kostenerstattung geltend macht, dürfte die Klage nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand unzulässig sein, weil die Klägerin bislang der Psychologin S. entstandene Kosten nicht beziffert hat. Betrifft ein Zahlungsanspruch einen abgeschlossenen Vorgang aus der Vergangenheit, ist er zur Vermeidung eines ansonsten im Raum stehenden zusätzlichen Streits über die Höhe des Anspruchs konkret zu beziffern. Es muss also grundsätzlich ein bestimmter (bezifferter) Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt (z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28. Januar 1999 - B 3 KR 4/98 R - SozR 3-2500 § 37 Nr. 1). Erfolgt dies nicht, ist die Klage bereits unzulässig (BSG a.a.O.).

Es kann hinsichtlich eines Anspruchs auf Kostenerstattung weiter dahingestellt bleiben, ob die Erstattung von Kosten bereits daran scheitert, dass der Klägerin bisher mangels Rechnungsstellung durch Psychologin S. noch gar keine Kosten entstanden sind bzw. ob die - von der Klägerin begehrte - Verpflichtung der Beklagten besteht, der Klägerin die Kosten zu erstatten, die der Psychologin S. entstanden sind. Auch lässt der Senat offen, ob die Erstattung deshalb ausscheidet, weil der Versicherten, nachdem sie sich die Langzeitbehandlung besorgt hat, ohne diese vorab bei der Beklagten zu beantragen, Kosten nicht dadurch entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Denn in jedem Fall fehlt es, da mangels entsprechender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass die Klägerin nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat, an der für den Erstattungsanspruch stets erforderlichen Voraussetzung, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den durch die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu gewährenden Leistung gehört.

Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistung gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. September 1996 - 1 RK 33/95 - SozR 3 2500 § 13 Nr. 11; Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; Urteil vom 26. September 2009 - B 1 KR 3/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 m.w.N.).

Versicherte haben gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Nr. 1 der Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung auch die ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) - im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil es sich um keine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 15 SGB IX handelt - nichts Abweichendes vorsehen. Die Klägerin hatte und hat damit grundsätzlich bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung Anspruch auf psychotherapeutische Behandlung. Eine solche Behandlung konnte und kann aber nur bei einem zur vertragsärztlichen oder vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Arzt oder psychologischen Psychotherapeuten erfolgen. Gemäß § 28 Abs. 3 SGB V wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 SGB V - das ist die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie) - durchgeführt. Denn nach § 76 Abs. 1 SGB V, der nach § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V u.a. für die Psychologischen Psychotherapeuten entsprechend gilt, können die Versicherten unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b SGB V an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2 SGB V, den nach § 72a Abs. 3 SGB V vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 SGB V frei wählen (Satz 1). Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (Satz 2). An dieser Voraussetzung fehlt es mit Blick auf Psychologin S ... Die Psychologin ist weder zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung zugelassen noch ist sie Vertragsärztin. Im Rahmen der Genehmigung als Sicherstellungsassistentin kann sie lediglich für die Inhaberin der Praxis, in der sie tätig ist, vertragspsychotherapeutischen Leistungen erbringen. Die Abrechnung mit den Krankenkassen hat durch die Inhaberin selbst zu erfolgen.

Ein Notfall, bei dem ausnahmsweise nicht zugelassene Ärzte oder Psychologische Psychotherapeuten in Anspruch genommen werden können, ist nicht gegeben. Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn ein unvermittelt auftretender Behandlungsbedarf aus medizinischen Gründen sofort befriedigt werden muss und ein fachlich zuständiger Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 01. Februar 1995 - 6 RKa 9/94 - SozR 3-2500 § 76 Nr. 2 und vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Die Notwendigkeit der weiteren ambulanten psychotherapeutischen Behandlung der Klägerin trat nicht unvermittelt auf. Im Übrigen hätte, wenn ein Notfall vorgelegen hätte, Psychologin S. unmittelbar mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg abrechnen müssen und dürfte der Klägerin selbst keine Rechnungen über durchgeführte Notfallbehandlungen stellen.

Ein Ausnahmefall des "Systemversagens" liegt nicht vor. Die Beklagte hätte die von der Klägerin begehrte Leistung am Wohn- und Behandlungsort der Klägerin rechtzeitig erbringen können, wie sie durch Benennung von für die Klägerin in Betracht kommenden mindestens zwei Psychotherapeuten mit freien Plätzen belegt hat. Im Übrigen war auch die Praxis, in der Psychologin S. als Sicherstellungsassistentin tätig ist oder war, bereit, die Klägerin zu behandeln.

Etwas anderes lässt sich insoweit auch nicht darauf stützen, dass die Klägerin aufgrund der seit 2008 durchgeführten Behandlung bei Psychologin S. ein Vertrauensverhältnis zu dieser Therapeutin aufgebaut hat. Zu dieser langjährigen Behandlung bei Psychologin S. wäre es nicht gekommen, wenn die Klägerin oder auch die Therapeutin nach Beendigung der probatorischen Sitzungen einen Antrag auf Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Psychotherapie-Richtlinie) gestellt hätte. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte den Antrag abgelehnt hätte, da auch damals bereits ausreichend zugelassene Psychotherapeuten zur Verfügung gestanden haben dürften. Wenn die Beklagte nunmehr erst nach zweijähriger Behandlung mit der durchgeführten psychotherapeutischen Behandlung konfrontiert wird, kann sich die Klägerin deshalb nicht auf die in der Vergangenheit durchgeführte Behandlung berufen.

Die Klägerin kann unter Berufung auf das aufgebaute Vertrauensverhältnis auch nicht die Behandlung durch einen Vertragstherapeuten verweigern und auf diese Weise das gesetzlich geregelte System der Versorgung durch zugelassene Therapeuten aushebeln. Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, wenn die Klägerin psychisch schwer erkrankt ist. Dies ist bei Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung der Regelfall und steht der Aufnahme einer Behandlung bei einem neuen Therapeuten nicht entgegen. Auch zu einem neuen Therapeuten kann ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, wie es auch nach Aufnahme der Behandlung bei der Psychologin S. erfolgte.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte zunächst fünf probatorische Sitzungen genehmigt hat. Die Genehmigung erfolgte ausdrücklich nur für die probatorischen Sitzungen. Eine Zusicherung oder eine Bescheid mit Blick auf die psychotherapeutische Behandlung wurde damit nicht erteilt. Die Genehmigung von probatorischen Sitzungen führt nicht dazu, dass zwingend auch die Langzeitbehandlung zu bewilligen wäre. Die Klägerin konnte hiervon nicht ausgehen, da es sich insoweit um unterschiedliche Sachverhalte handelt. Probatorische Sitzungen haben zum Ziel, durch den Psychotherapeuten abzuklären, ob eine Krankheit vorliegt, die psychotherapeutisch zu behandeln ist, sie haben also diagnostischen Charakter. Die psychotherapeutischen Behandlung hat hingegen vornehmlich die gleiche Zielrichtung wie die übrigen Ziele der Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V (Adelt in LPK-SGB V, § 28 Rd. 36).

Die Kostenübernahme kann schließlich auch nicht aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V hergeleitet werden. Denn die von der Klägerin in Anspruch genommene Leistung gehört, da sie von einer nicht zugelassenen Therapeutin durchgeführt wurde, von vornherein schon nicht zu den Leistungen, die die gesetzlichen Krankenkasse zu gewähren haben und damit am Wirtschaftlichkeitsgebot zu messen sind. Auch der Umstand, dass die Beklagte an sich verpflichtet gewesen wäre und auch heute noch ist, der Klägerin eine psychotherapeutische Behandlung zur Verfügung zu stellen, begründet keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten. Die Klägerin hat sich aus freien Stücken außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung begeben. Für derartige Behandlungen hat die Krankenkasse selbst dann nicht einzustehen, wenn hierdurch keine höheren Kosten als im Rahmen des gesetzlichen Leistungssystems entstanden wären. Das BSG hat für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Grundsätze des Leistungserbringungsrechts einem auf den Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag oder der ungerechtfertigten Bereicherung gestützten Anspruch gegen den Kostenträger entgegenstehen, wenn Leistungen an Versicherte erbracht werden, zu denen der Leistungserbringer nach diesen Grundsätzen nicht berechtigt ist (z. B. zum Leistungsrecht: Urteil vom 28. März 2000 - B 1 KR 21/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 21; zum Vertragsarztrecht: Urteil vom 08. September 2004 - B 6 KA 14/03 R - SozR 4-2500 § 39 Nr. 3). Ihre Steuerungsaufgabe könnten die Regelungen über die Zulassung zur Leistungserbringung nicht erfüllen, wenn der Arzt oder der mit ihm zusammenarbeitende nichtärztliche Leistungserbringer die gesetz- oder vertragswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis dennoch vergütet bekäme. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zum Vertragsarztrecht und zum Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung haben Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems die Funktion, zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Vertragsarzt oder dem sonstigen Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden sind.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt, dass die "Neuaufnahme" der Behandlung bei einer zugelassenen Therapeutin längere Zeit in Anspruch nehmen könnte, als die Fortführung der Behandlung bei Psychologin S., zumal insoweit auch die in der Vergangenheit durch die Psychologin S. bereits durchgeführte Behandlung mit ins Kalkül zu ziehen wäre, so dass die von der Beklagten insgesamt zu erstattende Behandlung insgesamt wohl nicht kürzer wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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