L 12 AS 1242/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 264/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1242/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 8. März 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Übernahme von Kosten für eine doppelte Haushaltsführung.

Der 1971 geborene Antragsteller bezog bis 30. November 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Antragsgegner. Für Unterkunft und Heizung leistete der Antragsgegner monatlich 218,56 EUR. Der Antragsteller bewohnte zuletzt zusammen mit zwei Mitbewohnern eine Wohnung in der P.str. in B., 1. OG rechts als Untermieter. Vermieterin ist die Mutter des Antragstellers. Nach dem Untermietvertrag vom 1. Juli 2008 betrug die Miete des Antragstellers 243 EUR zuzüglich 54 EUR Nebenkosten (Gas, Strom). Zuvor hatte der Antragsteller unter der gleichen Anschrift als Untermieter in einem Durchgangszimmer im 3. OG rechts gewohnt.

Im Mai 2011 bat der Antragsteller im Hinblick auf eine bevorstehende Arbeitsaufnahme in F. um Zustimmung zum Umzug. Seine Kündigungsfrist für das Mietverhältnis in B. betrage drei Monate. Am 21. Juni 2011 unterzeichnete der Antragsteller einen Arbeitsvertrag mit Beginn 1. Oktober 2011, wobei sich der Beginn des Arbeitsverhältnisses nachträglich auf den 1. November 2011 verschob. Bei einer persönlichen Vorsprache am 20. Oktober 2011 beantragte der Antragsteller die Übernahme der Miete in B. für die ersten Monate des Aufenthalts in F., er wolle sein Zimmer in B. zum Ende der Probezeit kündigen. Diesen Antrag hat der Antragsgegner zwischenzeitlich mit Bescheid vom 13. März 2012 abgelehnt, da der Antragsteller am 20. Oktober 2011 umgezogen, seinen bisherigen Wohnsitz aufgelöst und seinen Lebensmittelpunkt nach F. verlegt habe. Eine getrennte Haushaltsführung liege damit nicht vor. Seit 1. Dezember 2011 erhält der Antragsteller aufstockende Leistungen vom Jobcenter Freiburg.

Am 18. Januar 2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Freiburg (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und geltend gemacht, der Antragsgegner habe ihm zugesagt, dass die Miete für das Zimmer in B. noch für sechs Monate nach dem Umzug übernommen werde. Seine Möbel befänden sich noch in der P.straße in B ... Er wolle das Mietverhältnis in B. kündigen, seine Vermieterin nehme die Kündigung aber nicht an, solange noch Mietschulden bestünden. Er habe seit November keine Miete mehr zahlen können. Weiter hat der Antragsteller Unterlagen der Wohnungsverwaltungsgesellschaft H. vorgelegt, woraus eine Gesamtmiete für die Wohnung in Höhe von 822,84 EUR ersichtlich ist sowie Einzahlungen der einzelnen Untermieter in wechselnder Höhe.

Der Antragsgegner hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Höhe des Mietanteils des Antragstellers sei bisher nicht nachgewiesen.

Mit Beschluss vom 8. März 2012 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es gestützt auf § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeführt, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Zwar spreche für Eilbedürftigkeit, dass der Antragsteller den vereinbarten Mietzins für das Zimmer in B. nicht bezahlen könne und erhebliche Mietschulden entstünden. Die Übernahme der Kosten für die Unterkunft sei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht notwendig, da der Antragsteller das Zimmer in B. ohnehin kündigen wolle. Dann sei es nicht notwendig, eine Kündigung wegen Mietrückständen durch Übernahme der Kosten im einstweiligen Rechtsschutz abzuwenden. Ob der Antragsteller Anspruch auf Übernahme der Kosten für die doppelte Haushaltsführung habe, könne ohne wesentliche Nachteile für den Antragsteller im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Der Antragsteller werde zudem darauf hingewiesen, dass eine Zustimmung der Vermieterin zu einer Kündigung nicht erforderlich sei. Eine Übernahme der Kosten für doppelte Haushaltsführung sei nicht eilbedürftig, weil die derzeitige Unterkunft des Antragstellers in F. nicht gefährdet sei.

Hiergegen richtet sich die am 23. März 2012 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Er habe nachgewiesen, dass er die monatliche Miete überwiesen habe. Auch wenn die Vermieterin seine Mutter sei, fordere sie die Mietrückstände ein. Sie drohe den anderen Untermietern mit Kündigung, wenn die Rückstände nicht überwiesen würden.

Der Antragsgegner bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses des SG.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch nicht begründet, denn das SG hat zurecht den Antrag wegen fehlender Eilbedürftigkeit abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Wird im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil etwa eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden unter Berücksichtigung insbesondere der grundrechtlichen Belange des Antragstellers. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdnr. 42 m.w.N.). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 = NJW 2006, 719 und FEVS 57, 164).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Antragsteller keinen Anspruch auf vorläufige Übernahme der Kosten für die Zimmermiete in B. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass vorliegend schon keine Eilbedürftigkeit und damit kein Anordnungsgrund besteht. Der Antragsteller wohnt aktuell in F., seine Existenzsicherung ist durch sein Einkommen und die ergänzenden Leistungen des Jobcenters F. gewährleistet.

Ein schutzwürdiges Bedürfnis, die Unterkunft in B. durch vorläufige Übernahme der Miete zu sichern, besteht nicht. Das Zimmer in B. kann und will der Antragsteller auf Dauer ohnehin nicht halten. Wie er selbst noch mit Schreiben vom 17. Februar 2012 an das SG geäußert hat, will er den Mietvertrag kündigen. Eine derartige Kündigung ist von seiner Seite ohne weitere Voraussetzungen möglich, insbesondere hängt die Wirksamkeit nicht davon ab, ob zuvor bestehende Mietschulden beglichen werden. Darüber hinaus übersteigt die Höhe der aufgelaufenen Mietrückstände deutlich die Beträge, die hier begehrt werden, so dass selbst bei vorläufiger Leistungsgewährung die Sicherung des Mietverhältnisses nicht möglich wäre. Abgesehen davon, erscheint nicht glaubwürdig, dass der Antragsteller von seiner Mutter als Vermieterin erhebliche Nachteile zu befürchten hätte. Denn diese, selbst wohnhaft in F., hat die Wohnung in B. nach Lage der Akten einzig angemietet, da der Antragsteller aufgrund entsprechender Schufa-Einträge wohl selbst den entsprechenden Mietvertrag nicht hätte abschließen können. Soweit der Antragsteller nunmehr vorträgt, seine (damaligen) Mitbewohner müssten befürchten, aufgrund seiner Zahlungsrückstände gekündigt zu werden, trifft dies nicht zu. Der Antragsteller hat selbst wiederholt vorgetragen - seine Mutter hat dies bestätigt - dass mit jedem Untermieter einzelne Verträge abgeschlossen worden sind.

Ob der Antragsteller im Rahmen von Eingliederungsleistungen nach dem SGB II tatsächlich Anspruch auf Übernahme der Mietkosten in B. hat, kann im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens geklärt werden, ohne dass durch den Zeitablauf Nachteile für den Antragsteller ersichtlich sind. Nur zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass der Antragsteller - soweit nicht bereits geschehen - noch die Möglichkeit hat, gegen den Ablehnungsbescheid vom 13. März 2012 Widerspruch einzulegen, denn dieser Bescheid enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung und ist auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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