L 3 AL 2486/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1433/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 2486/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Mai 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Das vorliegende Verfahren wird vor dem Hintergrund eines Antrages des Klägers auf Reisekostenbeihilfe geführt.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.

Im Hinblick auf einen Termin zur Vorsprache bei seinem Arbeitsvermittler am 28.10.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Reisekosten. Im Zuge der Bearbeitung des Antrages wurde der Kläger von der Beklagten aufgefordert, einen Reisekostenvordruck zu benutzen. Hiergegen erhob der Kläger am 27.11.2008 Widerspruch.

Den Antrag auf Gewährung von Reisekosten lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 03.12.2008 unter der Begründung fehlender Mitwirkung (§§ 60, 66, 67 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) ab, um, auf einen Widerspruch des Klägers vom 06.12.2008 hin, den Bescheid mit Bescheid vom 17.04.2009, unter Tragung der Kosten des Widerspruchsverfahrens, aufzuheben und dem Kläger mit Bescheid vom 28.04.2009 Reisekosten in der von ihm beantragten Höhe von 2,50 EUR zu bewilligen.

Bereits am 01.04.2009 hat der Kläger "Untätigkeitsklage 22" betreffend seinen Widerspruch gegen die Anforderung, den Vordruck zu nutzen - S 11 AL 1433/09 - und "Untätigkeitsklage 23" betreffend den Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.12.2008 - S 11 AL 1434/09 - beim SG erhoben. Er hat jeweils vorgetragen, über seine Widersprüche liege noch keine Entscheidung vor.

Die Beklagte ist den Klagen entgegen getreten.

Nachdem das SG die Verfahren mit Beschluss vom 27.08.2010 zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung unter dem Aktenzeichen S 11 AL 1433/09 verbunden hat - eine Beschwerde des Klägers hiergegen hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 01.02.2011 als unzulässig verworfen (- L 3 AL 5711/10 B -) -, hat das SG die Klagen mit Urteil vom 12.05.2011 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Befangenheitsgesuche des Klägers vom 12.11.2010, 04.04.2011, 20.04.2011, 26.04.2011 und vom 03.05.2011 hinderten es nicht daran, in der Sache zu entscheiden, da sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Die Anträge zielten einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Den Anträgen auf Gewährung von Akteneinsicht sei nicht zu entsprechen, da diese gleichfalls als grob rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei. Die Klagen seien unzulässig, da die Beklagte dem Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 28.04.2010 abgeholfen habe und es daher nicht an einer Sachentscheidung fehle. Das SG hat im Rahmen der Entscheidungsgründe unter Hinweis auf divergierende Urteile des LSG vom 18.11.2010 - L 7 SO 2708/10 - bzw. vom 29.04.2010 - L 12 AL 5449/09 - ausgeführt, dass das Urteil mit der Berufung anfechtbar sei und eine dementsprechende Rechtsmittelbelehrung erteilt.

Gegen das am 21.05.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.06.2011 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das SG habe unzulässigerweise selbst über seine Befangenheitsanträge entschieden, er sei nicht nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden, ihm seien die beantragten Aktenkopien verweigert worden. Auch sei ihm eine Fahrkarte zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins verweigert worden. In der Sache verbleibe es beim Inhalt des Widerspruchs und der Klage. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über seine Widersprüche vom 27. November 2008 und vom 06. Dezember 2008 zu entscheiden.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Mit Schreiben vom 15.03.2012 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Berufung bereits unzulässig sein dürfte und er erwäge, über die Berufung im Wege eines Beschlusses nach § 158 SGG zu entscheiden. Den Beteiligten wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu bis zum 16.04.2012 zu äußern. Der Kläger hat hiervon dergestalt Gebrauch gemacht, dass er vorbringt, der Senat sei nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz an die Rechtsmittelbelehrung des SG gebunden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte verwiesen.

II.

Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen.

Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder nicht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ergehen.

Der Senat macht von dem ihm eingeräumten Ermessen dahin gehend Gebrauch, dass er durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 3 SGG) entscheidet. Eine mündliche Verhandlung ist vorliegend nicht angezeigt. Gründe, die für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sprechen, wurden von den Beteiligten nicht vorgebracht.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 12.05.2011 ist nicht statthaft. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab dem 01.04.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444 ff.) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- EUR nicht übersteigt. Dies gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Der Beschwerdewert bestimmt sich nach dem Betrag, den das SG dem Kläger versagt hat und der von diesem - als Rechtsmittelführer - weiterverfolgt wird (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rn. 14 m.w.N.; Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 06.02.1997 - 14/10 BKg 14/96 - veröffentlicht in juris). Von der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG werden auch Untätigkeitsklagen erfasst, denn diese sind entweder auf die Vornahme eines beantragten, aber ohne zureichenden Grund innerhalb von sechs Monaten nicht erlassenen Verwaltungsakts gerichtet (§ 88 Abs. 1 SGG), oder sie haben den Erlass eines Widerspruchsbescheides zum Gegenstand, wenn ohne zureichenden Grund innerhalb von drei Monaten über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist (§ 88 Abs. 2 SGG). Betrifft der zu erlassende Verwaltungsakt Geld-, Dienst- oder Sachleistungen, die einen Wert von 750,- EUR nicht übersteigen, unterliegt auch die Untätigkeitsklage der Berufungsbeschränkung (BSG, Beschluss vom 06.10.2011 - B 9 SB 45/11 B - veröffentlicht in juris). Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 12.05.2011 ist in Anlegung dieser Maßstäbe nicht statthaft. Gegenstand der verbundenen Klageverfahren waren Untätigkeitsklagen betreffend die Gewährung von Reisekostenbeihilfe und betreffend den Widerspruch, gegen die Aufforderung, zur Beantragung derselben den dortigen Vordruck zu nutzen. Klägerseits wurde hierzu im Verwaltungsverfahren ein Betrag von 2,50 EUR geltend gemacht. Maximal in dieser Höhe ist der Kläger durch das klageabweisende Urteil des SG beschwert. Der Senat verkennt nicht, dass im Falle mehrerer Streitgegenstände gemäß § 202 SGG i.V.m § 5 Zivilprozessordnung deren Wert grundsätzlich zusammenzurechnen ist, dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Anträge dasselbe Interesse verfolgen und auf dasselbe wirtschaftliche Ziel gerichtet sind (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl. § 144, Rn. 18). Da vorliegend zwischen dem Reisekostenantrag und Begehren, sich zur Beantragung der Reisekosten nicht des entsprechenden Vordrucks der Beklagten bedienen zu müssen, eine wirtschaftliche Identität besteht, sind die Werte beider Anträge für die Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nicht zu addieren. Der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 750,- EUR ist daher nicht erreicht. Auch sind keine laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen.

Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Die vom SG angeführte Rechtsmittelbelehrung, gegen das Urteil sei die Berufung zulässig, genügt den Anforderungen an eine positive Entscheidung über die Zulassung der Berufung nicht; sie ersetzt die Zulassung nicht (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2004 - B 11 AL 53/03 R -; Urteil vom 23.07.1998 - B 1 KR 24/96 R - jew. veröffentlicht in juris). Dies gilt auch insofern, als das SG im Rahmen der Entscheidungsgründe ausgeführt hat, dass das Urteil mit der Berufung anfechtbar sei, da sich die Zulassung in jedem Fall eindeutig aus dem Urteil ergeben muss. Eine bloße Belehrung über Anfechtungsmöglichkeiten, in der irrtümlichen Annahme, die Berufung sei bereits ohne Zulassung im angefochtenen Urteil zulässig, und die vorliegend vom SG überdies unter Hinweis auf divergierende Entscheidungen gegeben worden ist, genügt hierfür nicht, da die Ausführungen des SG keine Zulassungsentscheidung darstellen.

Die Berufung ist mithin nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.

Eine Umdeutung der Berufung in eine statthafte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 12.05.2011 ist angesichts des eindeutig als "Berufung" bezeichneten Rechtsmittels nicht möglich (vgl. BSG, Urteil vom 20.05.2003 - B 1 KR 25/01 R - veröffentlicht in juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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