L 5 KR 2538/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 1442/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2538/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim 31.03.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten einer Polkörperdiagnostik betreffend die monogene Erkrankung Freeman-Sheldon-Syndrom im Rahmen einer künstlichen Befruchtung.

Im Januar 2008 beantragte die 1971 geborene Klägerin die Übernahme der Kosten für eine Polkörperdiagnostik und legte hierzu ein Schreiben des Prof. Dr. S. vom 14.01.2008 vor. Aus diesem ergab sich, dass die Klägerin unter einer primären Sterilität mit Freeman-Sheldon-Syndrom leide. Die Klägerin und ihr Ehemann planten IVF- und ICSI-Behandlungen. In diesem Zusammenhang sei eine Polkörperdiagnostik zur Selektion von Eizellen der monogenen Erkrankung Freeman-Sheldon-Syndrom erforderlich. Durch diese Maßnahme solle erreicht werden, dass nur Eizellen befruchtet würden, welche die genannte Mutation nicht enthielten, und gewährleistet werden, dass die angestrebte Schwangerschaft die Erkrankung nicht trage und damit ein gesundes Kind geboren werde. Diese Vorgehensweise sei vom Nationalen Ethikrat des Deutschen Bundestags als etabliertes Verfahren bestätigt worden.

Im Rahmen der daraufhin eingeleiteten Prüfung holte die Beklagte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes des Krankenkassen -MDK- ein. Dr. H. teilte am 06.02.2008 mit, dass mittels Polkörperanalyse Eizellen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung hinsichtlich der Anzahl verschiedener Chromosomen untersucht und chromosomal veränderte Eizellen von der Implantation ausgeschlossen werden könnten. Beurteilt würden bei dem Verfahren lediglich die chromosomale Ausstattung des mütterlichen Anteils des Embryos. Zum väterlichen Anteil sei keine Aussage möglich. Nach der maßgeblichen Aufzählung in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur künstlichen Befruchtung sei die Polkörperuntersuchung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung seien daher nicht erfüllt.

Die Beklagte wies daraufhin den Antrag auf Kostenübernahme einer Polkörperdiagnostik mit Bescheid vom 26.02.2008 zurück.

Die Klägerin legte dagegen mit Schreiben vom 24.03.2008 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die Beklagte die Möglichkeit habe, in einer Einzelfallentscheidung von den Empfehlungen des Bundesverbandes der Ärzte abzuweichen. Ihr Fall sei vom Bundesausschuss noch nicht diskutiert und werde wegen der extremen Seltenheit wahrscheinlich auch nie diskutiert werden. Die eingeholte Stellungnahme von Dr. H. sei unzutreffend, da sich dieser mit einer anderen als der beantragten Diagnostikmaßnahme auseinandergesetzt habe. Die Begründung sei im Übrigen nicht statthaft. Die Polkörperdiagnostik zur Vermeidung eines Freeman-Sheldon-Syndroms würde in ihrem Fall das Risiko, ein Kind mit Freeman-Sheldon-Syndrom zu zeugen, von 50,0001 Prozent auf 3,0001 Prozent senken. Die beantragte Diagnostik sei nicht als Ergänzung einer Behandlung auf Unfruchtbarkeit beantragt, sondern weil sie die einzig effektiv wirksame Therapie sei, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Leben ohne Behinderungen ohne ein Freeman-Sheldon-Syndrom ermögliche.

Die Beklagte holte hierzu eine erneute Stellungnahme des MDK ein. Dr. D. schloss sich am 14.10.2008 der Stellungnahme von Dr. H. an und führte aus, dass sich auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Widerspruchsverfahren keine andere Beurteilung ergebe.

Unter dem 09.11.2008 beantragte die Klägerin die Genehmigung des Behandlungs- und Kostenplanes zur künstlichen Befruchtung vom 14.01.2008. Sie beantragte ferner eine Ausnahmegenehmigung für die Verwendung von Fremdsperma bei der ICSI, da ihr Mann genetisch bedingt an rezidivierenden Depressionen leide.

Mit Schreiben vom 11.11.2008 wies die Klägerin darauf hin, dass sie nach Bestimmung der Mutation wisse, dass es nur eine Frage der Kosten sei, dass sie die Mutter eines gesunden Kindes werden könne, obwohl sie das Freeman-Sheldon-Syndrom habe. Das Kostenrisiko für die Krankenkasse, ein schwerbehindertes Kind lebenslang mit medizinischen Leistungen versorgen zu müssen, werde durch die Polkörperdiagnostik minimiert. Die durch Einzelfallentscheidungen zu lösenden Probleme seien das Freeman-Sheldon-Syndrom, welches eine Polkörperdiagnostik für monogene Erkrankungen nötig mache, sowie die genetisch bedingte, rezidivierende Depression ihres Mannes, welche es sinnvoll erscheinen lasse, Fremdsperma einzusetzen.

Mit Schreiben vom 25.02.009 machte die Klägerin geltend, wenn die Kosten der Polkörperdi-agnostik nicht ganz oder teilweise übernommen würden, werde sie unter einen hohen Kostendruck geraten und gezwungen, wider bessere Einsicht auf die Polkörperdiagnostik zu verzichten, um wenigstens die anderen Behandlungskosten finanzieren zu können, welche für den Kinderwunsch nötig seien. So könne sie durch Weglassen einer Polkörperdiagnostik beim ersten Versuch 5000,- EUR und bei allen folgenden Versuchen 2040,- EUR sparen. Mit dem eingesparten Geld könne sie dann eine größere Anzahl von Behandlungsversuchen finanzieren und die Chance auf ein Kind erhöhen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass nach den maßgeblichen Vorschriften Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten nur lebenden Personen gewährt werden könnten. Die Durchführung einer Polkörperdiagnostik stelle auch keine Krankenbehandlung dar, denn alle Leistungen zur Herbeiführung einer künstlichen Schwangerschaft seien keine Leistungen zur Behandlung einer Krankheit.

Am 04.05.2009 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgte. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens im Widerspruchsverfahren machte sie geltend, sie kämpfe um die Übernahme der Kosten für die Polkörperdiagnostik, weil das sehr hohe Risiko einer Vererbung des Freeman-Sheldon-Syndroms nur so abgefangen werden könne. Es drohe eine schwere Behinderung, die eine lebenslange Symptombehandlung erfordere. Die Polkörperdiagnostik sei eine Maßnahme zur Prophylaxe. Als eine solche Maßnahme werde etwa die Anti-D-Immunglobulin-Prophylaxe in einer Schwangerschaft auch als Kassenleistung angeboten. Diese komme erst dem Kind einer Folgeschwangerschaft zugute, da bei einem rhesus-positven Kind in der ersten Schwangerschaft von der Mutter Antikörper gebildet würden, die zur Abstoßung eines rhesus-positiven Kindes in einer zweiten Schwangerschaft führen würden. Dem werde im Hinblick auf das noch ungezeugte Kind durch die Desensibilisierung der Mutter in der ersten Schwangerschaft vorgebeugt. Sie fühle sich als Trägerin der sehr seltenen Erkrankung Freeman-Sheldon-Syndrom diskriminiert und benachteiligt. Es liege ein systembedingter Ausschluss von Menschen mit seltenen Erkrankungen vor, den sie nicht hinnehmen könne.

Die Beklagte wendete dagegen ein, für die beantragte Polkörperdiagnostik finde sich keine gesetzliche Grundlage. Diese sei vielmehr eine typische individuelle Gesundheitsleistung. Dass es zur Früherkennung des Freeman-Sheldon-Syndroms keine anderweitigen Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik gebe, sei zwar bedauerlich, ändere jedoch nichts daran, dass kein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 31.03.2010 ab.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für die beantragte Polkörperdiagnositik. Als Anspruchsgrundlage komme nur § 11 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Betracht. § 27a SGB V scheide aus, da die Polkörperdiagnostik weder erforderlich i.S.v. § 27a Abs. 1 Nr. 1 SGB V sei, d.h. nicht zur Behebung von Unfruchtbarkeit durch Herstellung der Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit diene, noch in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesauschusses gemäß § 27a Abs. 4 SGB V als Maßnahme i.S.v. § 27a Abs. 1 SGB V vorgesehen sei (s. zur Nichtanwendbarkeit auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 07.08.2008 - L 4 KR 259/07, juris). Die Voraussetzungen des § 11 SGB V seien aber nicht erfüllt.

Mit der Polkörperdiagnostik ließen sich noch vor Befruchtung der Eizelle u.a. genetische oder chromosomale Veränderungen feststellen, die mütterlicherseits vererbt werden können. Mittels dieser Diagnostik lasse sich eine schwerwiegende Gesundheitsstörung beim Embryo vermeiden. Der Vortrag der Klägerin, wonach die Polkörperdiagnostik zur Vermeidung eines Freeman-Sheldon-Syndroms in ihrem Fall das Risiko, ein Kind mit Freeman-Sheldon-Syndrom zu zeugen, von 50,0001 Prozent auf 3,0001 Prozent senken würde, möge ebenso zutreffen wie die Behauptung der Klägerin, durch die Geburt eines an dem Freeman-Scheldon-Syndrom erkrankten Kindes würden hohe Kosten entstehen, welche in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen fielen. Allein hieraus sei aber keine Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme abzuleiten. Notwendig sei dafür vielmehr eine gesetzliche Regelung, die einen derartigen Anspruch gewähre. Eine solche Regelung finde sich bislang weder im einfachen Gesetzesrecht noch in den übergeordneten Normen des Grundgesetzes.

Ein solcher Anspruch sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus § 11 in Verbindung mit § 27 SGB V herzuleiten. Die dort genannten Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten, wie sie in §§ 25, 26 SGB V konkretisiert seien, bezögen sich auf lebende Personen (s. hierzu Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 07.08.2008 - L 4 KR 259/07). Auch eine Krankenbehandlung stelle die Durchführung der Polkörperdiagnostik nicht dar, denn Leistungen zur Herbeiführung einer künstlichen Schwangerschaft seien keine Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (BVerfG, Urteil vom 28.02.2007 - 1 BvL 5/03, juris).

Auch § 15 Mutterschutzgesetz scheide als Anspruchsgrundlage aus, wie auch die dazu nach § 92 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ergangenen Mutterschaftsrichtlinien vom 10.12.1985 (zuletzt geändert am 06.08.2009), denn diese Vorschriften seien erst nach Beginn einer Schwangerschaft anwendbar. Eine solche liege bei der in Rede stehenden Polkörperdiagnostik aber gerade noch nicht vor, solle sie doch dazu dienen, die Entscheidung über die künstliche Herbeiführung einer Schwangerschaft zu erleichtern.

Die Nichtaufnahme der Polkörperdiagnostik als eine Kassenleistung verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Weder aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch aus bzw. in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip könne eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern. Eine derartige Förderung liege vielmehr im Ermessen des Gesetzgebers (BSG, Urteil vom 24.05.2007 - B 1 KR 10/06 R, juris; BVerfG MW 2007, 1343, Rdnr.40; Bayerisches LSG, a.a.O.). Auch eine Ungleichbehandlung der Klägerin, die zu einer Leistungspflicht wegen Verletzung des Art. 3 GG führen könnte, sei ebenfalls nicht erkennbar (im Ergebnis ebenso Bayerisches LSG, a.a.O.).

Gegen das ihr am 30.04.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.05.2010 Berufung eingelegt. Sie führt zur Begründung aus, die Beklagte habe keine ordnungsgemäße Einzelfall-Prüfung durchgeführt, da sie keinen qualifizierten Gutachter bemüht habe, sondern bei ihrer Ablehnungsentscheidung der Empfehlung von zwei offensichtlich unqualifizierten Gutachten gefolgt sei. Beide Gutachten würden die Ablehnung der Kostenübernahme ausdrücklich mit Verweis auf den G-BA empfehlen, weil diese Behandlung vom G-BA noch nicht diskutiert worden sei und sich nicht in der Liste der Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse befinde. Deswegen habe sie aber von Anfang an eine Einzelfallentscheidung beantragt. Entscheidungen über Kostenübernahme für seltene Behandlungsmethoden im Zusammenhang von sehr seltenen Erkrankungen könnten in der Regel nur als Einzelfallentscheidung getroffen werden, weil dem G-BA für solche Entscheidungen schlicht die zeitliche Kapazität fehle.

Das Sozialgericht Mannheim habe sich im Verfahren keine Klarheit über die medizinischen Zusammenhänge verschafft und die Pseudobegutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht beanstandet, ohne zuvor ein qualifiziertes Gutachten einzuholen.

Die Behauptung der Beklagten und des Gerichtes, dass es für ihr Anliegen gar keine Rechtsgrundlage gebe, weil ein noch nicht gezeugtes Kind eben keinen Anspruch auf Prophylaxe und Schutz vor Erkrankung habe, halte sie für fehlerhaft. Die Klägerin verweist hierzu erneut auf den Fall der Rhesus-Prophylaxe, die einem noch nicht gezeugten Kind zugutekomme. Die Rhesusunverträglichkeit trete zwar viel häufiger auf als das Freeman-Sheldon-Syndrom, dennoch dürfe ihr aus Gründen der Gleichbehandlung die dafür notwendige Prophylaxe nicht versagt werden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31.03.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 26.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der beantragten Polkörperdiagnostik zu übernehmen, unabhängig davon, ob eine Kostenbeteiligung für IVF und ICSI erfolge.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und im erstinstanzlichen Verfahren Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten des Sozialgerichts und des Senats sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Es bedurfte insbesondere keiner Zulassung der Berufung durch das Sozialgericht, da der Wert der Beschwerde für das Berufungsverfahren nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR überschritten ist. Ausweislich des von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kostenvoranschlags belaufen sich die Kosten der begehrten Polkörperdiagnostik auf 5.099,50 EUR im ersten ICSI-Zyklus und auf 2.039,80 EUR in jedem Folgezyklus.

Die Beklagte hat die Übernahme der Kosten für die Polkörperdiagnostik zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat hierauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein solcher Anspruch sich weder aus dem Gesetz noch aus höherrangigem Recht ergibt.

Die von der Klägerin begehrte Kostenübernahme für die Polkörperdiagnostik unterfällt weder den Anspruchsregelungen der §§ 25, 26 SGB V als Maßnahme der Früherkennung noch stellt sie eine Maßnahme der Krankenbehandlung i.S.v. § 27 SGB V dar. Anspruch auf Früherkennungsuntersuchungen haben nur lebende Versicherte. Krankenbehandlung umfasst alle notwendigen Maßnahmen zur Erkennung, Heilung, Linderung und Verhinderung einer Verschlimmerung von Krankheiten. Sie setzt das Vorhandensein einer Erkrankung voraus. Die Polkörperdiagnostik dient aber im Vorfeld der Entscheidung über eine künstliche Befruchtung dem möglichen Ausschluss einer Befruchtung von genetisch belasteten Eizellen. Diese Diagnostik dient damit der Verhinderung der Zeugung eines kranken Kindes.

Die Polkörperdiagnostik stellt auch keinen Bestandteil der Maßnahmen zur Herbeiführung einer künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V dar, so dass sich auch mit dieser Norm keine ausreichende Anspruchsgrundlage für die beantragte Kostenübernahme findet. Denn diese Untersuchungsmaßnahme erfolgt anlässlich der künstlichen Befruchtung an der entnommenen Eizelle noch vor deren Befruchtung und dient damit nicht der Herbeiführung einer Schwangerschaft, sondern führt bei Nachweis von belastetem Erbgut gerade nicht zu einer Befruchtung dieser Eizelle. Zu Recht hat sich die Beklagte deshalb auch unter Bezugnahme auf die eingeholten Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes vom 06.02.2008 und vom 14.10.2008 darauf berufen, dass nach der abschließenden Aufzählung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur künstlichen Befruchtung die Polkörperuntersuchung nicht zu den Leistungen der GKV nach § 27a SGB V zählt. Zählt bereits der Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur künstlichen Befruchtung zu einer über die Kernaufgaben der Krankenversicherung hinausgehenden Versorgungsleistung, so kann schon aus diesem Grund über den Leistungskatalog in Nr. 12 der künstlichen Befruchtungsrichtlinie hinaus nicht eine zusätzliche Anspruchserweiterung durch Aufnahme der Polkörperdiagnostik erfolgen (vgl. auch BayLSG, Urteil vom 07.08.2008 - L 4 KR 259/07 - in Juris).

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Seltenheitsfall berufen mit der Folge, dass im Rahmen einer Einzelfallentscheidung die Kosten der Polkörperdiagnostik auch ohne eine entsprechende Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses zu erstatten wären. Es bedarf allerdings keiner abschließenden Klärung der Frage, ob es sich bei dem bei ihr bestehenden Freeman-Sheldon-Syndrom, dessen erbliche Weitergabe durch die Polkörperdiagnostik ausgeschlossen werden soll, tatsächlich um eine nur selten auftretende Erkrankung handelt. Das Bundessozialgericht hat zwar bei extrem selten auftretenden Erkrankungen einen Ausschluss der Behandlung aus dem Umfang des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen nicht schon allein wegen der fehlenden Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses für begründet angesehen. Maßgeblich für diese Auffassung ist nicht die Frage der zeitlich begrenzten Kapazitäten des Gemeinamen Bundesausschusses sondern die Begrenzung der wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten in diesen Fällen. Denn der Bundesausschuss hat bei der Bewertung neuer Behandlungsmethoden deren Qualität und Wirtschaftlichkeit zu prüfen und dazu auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückzugreifen, die auf der Grundlage statistischer Erfassungen von Behandlungsfällen Aussagen über die Wirksamkeit der Behandlungsmethode treffen können. Diese Vorgehensweise ist bei einzigartigen Erkrankungen, die weltweit nur extrem selten auftreten, nicht möglich, so dass es in diesen Fällen dem GBA verwehrt ist, zur Qualität einer Behandlungsmethode generalisierend Stellung zu nehmen. In diesen Fällen ist die Behandlung aus dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung deshalb nicht schon mangels entsprechender Empfehlung des Bundesausschusses ausgenommen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R - in Juris). Entscheidend für die Anerkennung eines solchen Anspruchs ist aber, dass es um eine Behandlungsmaßnahme für eine seltene Erkrankung geht, was bei der Polkörperdiagnostik gerade nicht der Fall ist. Vielmehr soll mit der Polkörperdiagnostik das Auftreten eines erneuten Falles einer Erkrankung verhindert werden. Dies zählt aber nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung.

Einen Verstoß gegen höherrangiges Recht vermag der Senat - wie bereits das Sozialgericht - ebenfalls nicht zu erkennen. Art. 6 Grundgesetz - GG - kann schon keine Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen mit den Mitteln der künstliche Befruchtung zu fördern. Derartige Maßnahmen liegen vielmehr im gesetzgeberischen Ermessen (BVerfG, Urteil vom 28.02.2007 - 1 BvL 5/03 - in Juris). Es besteht daher erst recht keine aus der Verfassung abzuleitende Verpflichtung des Gesetzgebers dazu, diagnostische Maßnahmen, die über die künstliche Befruchtung hinausgehen, sondern in deren Vorfeld erfolgen, der Leistungspflicht der Krankenkassen aufzuerlegen. Ein noch nicht gezeugtes Kind ist im Übrigen kein Grundrechtsträger nach Art. 2 GG, so dass auch im Hinblick auf das Risiko der Weitergabe der genetisch bedingten Erkrankung eine Verletzung höherrangigen Rechts nicht in Betracht kommt.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht unter dem Aspekt der notwendigen Prophylaxe auf eine Gleichbehandlung mit dem Anspruch auf Anti-D-Prophylaxe berufen. Denn für die Desensibilisierung der Mutter eines rhesus-positiven Kindes greift der Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V. Durch diese Maßnahme soll ein regelwidriger Zustand im Körper der Mutter - die Bildung von Antikörpern - beseitigt werden, so dass sich die Behandlung als Krankheitsbehandlung darstellt. Diese Behandlungsmaßnahme ist zudem in den Mutterschafts-Richtlinien in Abschnitt D ausdrücklich vorgesehen.

Weitere Ermittlungen von Amts wegen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens waren entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geboten, da ihr Anspruch bereits aus Rechtsgründen scheitert, ohne dass es auf die näheren Umstände des epidemiologischen Hintergrunds des Freeman-Sheldon-Syndroms und dessen Behandlungsmöglichkeiten ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Die als Anspruchsgrundlage zu prüfenden Vorschriften sind eindeutig, die Antwort ergibt sich ohne weiteres bereits aus dem Gesetz (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 160 Rn. 8a).
Rechtskraft
Aus
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