Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 P 3176/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2756/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe III ab 19. Februar 2010.
Die 1923 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Pflegekasse. Seit 6. Oktober 2009 sind der Grad der Behinderung mit 100 sowie die Nachteilausgleiche H, RF, G und B festgestellt, seit 3. Juni 2011 zudem der Nachteilsausgleich aG. Auf den Antrag der Klägerin vom 27. April 2005 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 2005 ab 1. Mai 2005 Kombinationsleistungen nach der Pflegestufe I (Pflegesachleistungen bis zu monatlich EUR 384,00 und anteiliges Pflegegeld).
Die Klägerin beantragte am 3. April 2009 die Höherstufung. Pflegefachkraft D., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), nannte in ihrem Gutachten vom 30. April 2009 als pflegebegründende Diagnosen eine Altershinfälligkeit sowie Inkontinenz und schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 85 Minuten (Körperpflege 59 Minuten, Ernährung vier Minuten, Mobilität 22 Minuten). Der Hilfebedarf sei angestiegen, erreiche aber noch nicht die Voraussetzungen für die Schwerpflegebedürftigkeit. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Mai 2009 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch. Pflegefachkraft B., MDK, bestätigte in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 23. Juni 2009 den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege von 85 Minuten. Arzt Dr. G., MDK, vertrat in seiner Stellungnahme vom 10. Juli 2009 die Auffassung, nach erneutem Krankenhausaufenthalt sei die Klägerin überwiegend bettlägerig. Es bestehe ein hoher Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege und der Mobilität, die Nahrungsaufnahme erfolge zum Teil noch selbstständig. Die Voraussetzungen der Pflegestufe II seien ab Juli 2009 erfüllt. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 10. Juli 2009 ab 1. Juli 2009 Kombinationsleistungen nach der Pflegestufe II (Pflegesachleistungen bis zu monatlich EUR 980,00 und anteiliges Pflegegeld). Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, der bisherige ambulante Pflegedienst werde nicht weiter in Anspruch genommen, stattdessen werde eine Pflegerin beschäftigt, und sich die Klägerin bis 31. Oktober 2009 in stationärer Pflege befand, bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 12. Januar 2010 ab 1. November 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe II.
Die Beklagte veranlasste eine Nachuntersuchung, wobei die Beteiligten nicht mehr angeben konnten, ob Anlass hierfür ein Höherstufungsantrag der Klägerin war. Daraufhin erstattete Pflegefachkraft D., MDK, nach Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung am 19. Februar 2010 das Gutachten vom 22. Februar 2010, in welchem sie als pflegebegründende Diagnosen Altersaufbrauch mit eingeschränkter Mobilität und Inkontinenz nannte sowie den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 181 Minuten (Körperpflege 100 Minuten, Ernährung 38 Minuten, Mobilität 43 Minuten) schätzte. Die Klägerin gehe wenige Schritte mithilfe eines Rollators in gebeugter Haltung mit links hängender Schulter, langsam und kleinschrittig und sei sturzgefährdet. Die linke Körperseite sei geschwächt. Freies Stehen und Bücken seien nicht möglich. Sie könne nur mit personeller Hilfe vom Bett auf den Toilettenstuhl gesetzt werden. Nach Vorbereitung der Utensilien könne sie sich mit der rechten Hand nur Gesicht und den vorderen Brustbereich waschen. Die überwiegende Pflege werde von den Pflegepersonen durchgeführt. Nach mundgerechter Vorbereitung könne sie selbstständig essen, benötige aber Unterstützung beim Löffeln der Mahlzeiten. Getränke würden eingeschenkt und bereitgestellt. Sie benötige Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen. Pflegerische Gänge müssten überwacht und zu Mahlzeiten müsse sie zum Esstisch begleitet werden. Nächtlicher Grundpflegebedarf bestehe für einen Toilettengang. Die Beklagte verfügte unter dem 26. Februar 2010, dass weiterhin "die Voraussetzungen der Pflegestufe II" erfüllt seien.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert (Verweis auf den vorgelegten Bescheid des Landratsamts K. vom 3. März 2010). Es bestehe ein weiterer Pflegebedarf von 66 Minuten, somit insgesamt 247 Minuten. Arzt Dr. G., MDK, schloss sich in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 14. April 2010 dem Gutachten der Pflegefachkraft D. an. Die Klägerin habe Restressourcen bei der Ernährung. In den Bereichen Körperpflege und Mobilität habe sie einen kompletten Hilfebedarf. Das (im Widerspruch geltend gemachte) zehnmalige Wasserlassen täglich sei nicht plausibel. Der Zeitaufwand für das Gehen sei mit einer Minute pro Gang ebenfalls ausreichend berücksichtigt. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 9. August 2010). Die Voraussetzungen der Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) seien von den Gutachtern des MDK verneint worden. Die Gutachter hätten den Hilfebedarf vollständig erfasst und korrekt bewertet. Die (im Widerspruch geltend gemachte) Hilfe beim Baden könne nicht berücksichtigt werden, da diese nicht mindestens einmal wöchentlich anfalle. Die zusätzliche zweite Teilwäsche des Unterkörpers im Sinne einer Intimtoilette sei pflegerisch nicht notwendig. Zusätzlich zur täglichen Ganzkörperwäsche sei bei vorliegender Inkontinenz eine Intimtoilette ausreichend, zumal die Intimhygiene auch integrativer Bestandteil eines Wechsels der Inkontinenzartikel sei. Die von der Klägerin angegebenen 20 Minuten für Hilfen beim Gehen könnten nicht zusätzlich berücksichtigt werden, da es sich letztlich um Gehübungen zur Minderung von Schmerzen handle. Allein nach Abzug der von der Klägerin angegebenen 38 Minuten für nicht berücksichtigungsfähige Hilfen seien die Voraussetzungen der Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) nicht erfüllt.
Die Klägerin erhob am 6. September 2010 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Die Gutachten des MDK berücksichtigten Erschwernisfaktoren aufgrund ihrer körperlichen Behinderungen sowie die beengten räumlichen Verhältnisse der Wohnung nicht. Zusätzlich zu berücksichtigen seien Hilfen beim Wasserlassen. Die Wege zur Toilette seien sehr mühsam und zeitaufwändig. Ein Vollbad falle sehr wohl wöchentlich an, könne aber nicht entsprechend durchgeführt werden, da hierfür zwei Personen erforderlich seien. Im Hinblick auf ein Wundliegen sei besondere Sorgfalt der Pflege geboten, um einer Verschlimmerung vorzubeugen, so dass ein mehrmaliges Waschen und Eincremen erforderlich sei.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG hörte Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W.-L. als sachverständige Zeugin. Sie gab unter Vorlage ihr zugegangener Arztbriefe an (Auskunft vom 16. November 2010), es bestehe eine Sturzneigung mit wiederholten Stürzen, eine Hypertonie, eine Harninkontinenz, eine Osteoporose mit Gibbusbildung, eine Hypercholesterinämie, eine Hiatushernie, eine Varikosis, eine Hypakusis, eine Omarthrose links sowie eine cerebrale Ischämie im Jahr 2009 mit Dysphagie und linksseitige Schwäche. Die Klägerin benötige in sämtlichen Bereichen der Körperpflege Hilfe. Aufgrund der massiv eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit des linken Armes müsse die Nahrung mundgerecht zerkleinert werden. Eine eigenständige Mobilität bestehe nicht.
Auf Veranlassung des SG erstattete Pflegesachverständige G.-G., Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin, aufgrund eines Hausbesuches am 28. Dezember 2010 das Gutachten vom 8. Februar 2011. Sie schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 178 Minuten (Körperpflege 101 Minuten, Ernährung 30 Minuten, Mobilität 47 Minuten). Erforderlich sei eine vollständige Übernahme bei der Ganzkörperwäsche (20 Minuten), der Teilwäsche des Unterkörpers (24 Minuten), des Gesichts und der Hände (zwei Minuten), beim Kämmen (vier Minuten), beim Richten der Bekleidung (14 Minuten), beim Wechsel der Windel nach dem Wasserlassen (acht Minuten) und kleinerer Vorlagen (vier Minuten), bei der Entleerung des Toilettenstuhls (16 Minuten), bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung (neun Minuten) sowie beim An- (acht Minuten) und Entkleiden (fünf Minuten), eine teilweise Übernahme beim Wasserlassen (acht Minuten), beim Stuhlgang (eine Minute), beim Aufstehen und Zubettgehen (acht Minuten) und beim Stehen/Transfer (zwei Minuten) sowie zugleich eine Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme (21 Minuten) und beim Gehen (24 Minuten). Pflegeerschwerender Faktor seien die beengten räumlichen Verhältnisse im Schlafzimmer. Zum Zeitpunkt der Begutachtung habe ein aktuell höherer Hilfebedarf bestanden, da die Klägerin nach einem Sturz im November 2010 den rechten Arm in einem Gipsverband getragen habe. Nach Abnahme des Gipsverbands und einer intensiven krankengymnastischen Behandlung könne von einer nicht pflegestufenrelevanten, leichteren dauerhaften Verschlechterung in Form einer leichten Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand und des rechten Arms ausgegangen werden. Auf Einwände der Klägerin hin nahm Pflegesachverständige G.-G. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 28. April 2011 für die Verrichtungen der Teilwäsche der Hände/Gesicht einen täglichen Zeitaufwand von zehn Minuten statt zwei Minuten an und schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 186 Minuten. Bei allen Verrichtungen im Bereich der Körperpflege und der Mobilität könne die Klägerin in geringem Umfang durch Anheben der Arme und Beine bzw. Hinstehen bei der Intimwäsche mithelfen. Deshalb habe sie die unteren Minutenwerte der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) zugrunde gelegt. Auf den nächtlichen Hilfebedarf entfielen elf Minuten.
Die Klägerin blieb bei ihren Einwendungen. Nach jedem Wasserlassen sei ein Windelwechsel erforderlich. Wegen der Schluckstörung könne die Nahrung nur langsam aufgenommen werden. Wasserlassen, Teilwäsche des Unterkörpers sowie Händewaschen erfolgten häufiger als von der Sachverständigen angenommen. Beim Gehen habe die Sachverständige die beengten Verhältnisse der Wohnung und ihre (der Klägerin) körperliche Verfassung nicht ausreichend berücksichtigt. Für Haarwäsche sei überhaupt nichts berücksichtigt worden. Zudem sei sie (die Klägerin) in die Befragung zum Pflegeaufwand nicht einbezogen worden. Die Befragung ihrer Tochter habe überwiegend zu Missverständnissen geführt.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Juni 2011 ab. Das SG stützte sich auf das Gutachten und die ergänzende gutachterliche Stellungnahme der Sachverständigen G.-G. und führte weiter aus, die Einwände der Klägerin seien nicht geeignet, einen höheren Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege (als 178 Minuten) zu belegen. Die Sachverständige habe beim Wasserlassen eine Häufigkeit von achtmal täglich angenommen sowie beim Gehen acht Gänge im Zusammenhang mit der Toilette und sechs Gänge im Zusammenhang mit den Mahlzeiten berücksichtigt. Da die Klägerin nicht geltend gemacht habe, täglich Stuhlgang zu haben, könne der Einwand, es seien nur drei Stuhlgänge wöchentlich anerkannt, dahingestellt bleiben. Auch habe die Klägerin nicht konkret dargelegt, dass bei ihr ein häufiger Windelwechsel nach dem Wasserlassen erforderlich sei. Ihr Vorbringen, die Teilwäsche des Unterkörpers mit einmal täglich sei zu wenig bewertet, genüge nicht, einen höheren Hilfebedarf zu belegen. Gleiches gelte für das Händewaschen. Selbst wenn man hinsichtlich der Haarwäsche zusätzlich vier Minuten täglich berücksichtige, ergebe sich kein Hilfebedarf, der die Voraussetzungen der Pflegestufe III erfüllen würde.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 15. Juni 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4. Juli 2011 Berufung eingelegt. Das Gutachten der Sachverständigen G.-G. sei mangelhaft und verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sowie die Begutachtungs-Richtlinien. Das "Gutachten" der Dr. W.-L. sei weder vom SG noch von der Sachverständigen berücksichtigt worden. Ansonsten wären nicht bei fast allen Verrichtungen die untersten Minutenwerte der Zeitkorridore berücksichtigt worden. Sie (die Klägerin) selbst sei von der Sachverständigen zu dem Pflegeaufwand nicht befragt worden, sondern nur ihre Tochter, die zudem von der Sachverständigen überwiegend falsch verstanden worden sei. Kleinere Vorlagen seien bei starker Inkontinenz völlig unzureichend. Bei achtmaligem Wasserlassen sei auch ein achtmaliger Windelwechsel erforderlich. Hieraus ergebe sich ein zusätzlicher Zeitaufwand von 14 Minuten täglich. Wegen der Hygiene sei auch ein weiteres Waschen des Unterkörpers nicht übertrieben, wofür weitere zwölf Minuten täglich erforderlich seien. Sie habe nicht angegeben, für den Stuhlgang benötige sie nur eine Minute. Hierfür sei ein zusätzlicher Zeitaufwand von elf Minuten täglich erforderlich. Die von der Sachverständigen berücksichtigten 24 einzelnen Wegstrecken mit je einer Minute entsprächen nicht den Begutachtungs-Richtlinien. Der gesamte Zeitaufwand betrage täglich 60 Minuten, mithin weitere 36 Minuten. Die Wegstrecke vom Schlafraum zur Küche, die sie in Anwesenheit der Sachverständigen gegangen sei, betrage sechs Meter und sei mit einer Minute zutreffend erfasst. Dieser Weg berge jedoch - wie auch die Sachverständige erkannt habe - ein hohes Sturzrisiko, da eine erhöhte Türschwelle zu überwinden und der Einsatz des Rollators nicht möglich sei. Die (Ersatz )Wegstrecke über den Flur betrage 15 m. Die Wegstrecke vom Wohnzimmer und von der Terrasse jeweils zum Schlafraum betrage 14 und 16 m. Das Gutachten der Sachverständigen sei auch widersprüchlich, wenn sie von einer Schluckstörung ausgehe, andererseits aber keine erhöhte Neigung zum Verschlucken habe feststellen können. Höheres Pflegegeld begehre sie ab dem 19. Februar 2010, dem Tag der Begutachtung durch die Pflegefachkraft D ...
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10. Juni 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 19. Februar 2010 Pflegegeld nach der Pflegestufe III zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Auf Veranlassung des Senats hat Pflegesachverständige E. das Gutachten vom 15. November 2011 erstattet. Bei der Klägerin lägen ein altersbedingter Kräfteabbau, eine Blasenschwäche, eine Hüftgelenksarthrose beidseits, ein Carpaltunnelsyndrom der rechten Hand mit deutlicheren Gefühlsstörungen und gestörter Feinmotorik, Knieprobleme und Rückenschmerzen sowie ein Zustand nach cerebraler Ischämie mit Sprech- und Schluckstörungen im Jahr 2009 vor. Auch sei es seit 2005 zu mehreren Stürzen mit ärztlichen Behandlungen gekommen. Stehen und Gehen seien mit personeller Unterstützung und unter Einsatz eines Rollators erschwert möglich. Die Bewegungsabläufe führe die Klägerin langsam aus. Es bestehe eine potentielle Sturzgefährdung. Das Bücken sei nicht möglich. Die Bewegungseinschränkungen in beiden Händen und Armen, des Nackens, des Rückens und der Knie bewirkten, dass die Körperpflege durch vollständige Übernahme zu erfolgen habe. Die Blasenschwäche führe zu einem häufigeren Harndrang mit Spontanmiktionen, insbesondere beim Gehen zum Toilettenstuhl. Die Klägerin könne sich gegenüber Dritten gezielt äußern, wenn sie Harndrang verspüre. Die Klägerin könne zwischenzeitlich nicht mehr selbstständig aus dem Bett, von einem Stuhl oder einem Sessel aufstehen. Einen nächtlichen Pflegebedarf habe sie nicht feststellen können, vielmehr habe der Bevollmächtigte dies verneint. Seit dem 19. Februar 2010 habe sich der pflegerische Bedarf lediglich dahin verändert, dass wegen der bei einem Sturz im November 2010 erlittenen Verletzung der rechten Extremität diese an Kraft verloren habe und seitdem eine vollständige Übernahme der Körperpflege notwendig sei. In ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 30. Januar 2012 hat Pflegesachverständige E. den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 206,5 Minuten täglich geschätzt. Sie hat zusätzlich einen Zeitaufwand für eine Teilwäsche des Oberkörpers (Haarwäsche) von vier Minuten und für das Wechseln weiterer Windeln nach dem Wasserlassen von 10,5 Minuten angenommen sowie den im Gutachten angenommenen Zeitaufwand für den Stuhlgang von drei Minuten auf eine Minute reduziert. Im Übrigen ist sie bei der Einschätzung in ihrem Gutachten verblieben. Die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Tätigkeiten seien nicht plausibel, weshalb sie nicht berücksichtigt werden könnten.
Die Klägerin hat sowohl gegen das Gutachten als auch die ergänzende gutachterliche Stellungnahme der Sachverständigen E. Einwände erhoben. Die Klägerin ist der Auffassung, der tägliche Zeitaufwand betrage 271 Minuten. Auch die Sachverständige E. habe sie nicht hinreichend hinsichtlich des Umfangs und der Besonderheiten ihrer Pflegebedürftigkeit befragt und einbezogen. Soweit die Sachverständige für Verrichtungen eine halbe Minute annehme, sei dies aufzurunden, so dass sich ein täglicher Zeitaufwand von 208 Minuten ergebe. Der Zeitaufwand für das Wechseln der Windeln nach Wasserlassen sei am Tag der Begutachtung nicht gemessen worden. Ein Wechsel der Windel sei auch nach dem Stuhlgang erforderlich. Eine dritte Wäsche des Unterkörpers sei aus hygienischer und pflegerischer Sicht erforderlich. Am Tag der Begutachtung habe sie keinen Appetit gehabt. Sie esse mit ihrer Pflegekraft gemeinsam, damit diese gegebenenfalls sofort eingreifen könne. Da sie einen Mittagsschlaf mache, könne sie nicht vor 23:00 Uhr einschlafen. Vor den Lagerungen im Bett fielen nach 22:00 Uhr folgende Verrichtungen an: Entkleiden gesamt, Waschen des Unterkörpers und des Rückens, Eincremen, Wechsel von Tageswindel auf Nachtwindel sowie Anziehen der Nachtbekleidung und Lagerung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2010. Mit der im Bescheid vom 26. Februar 2010 getroffenen Feststellung, dass auch weiterhin die Voraussetzungen der Pflegestufe II erfüllt seien, hat die Beklagte es sinngemäß abgelehnt, höheres Pflegegeld, nämlich nach der Pflegestufe III, zu zahlen. Gegen diese Ablehnung wendet sich die Klägerin.
2. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn die Klägerin begehrt (höhere) Leistungen für einen Zeitraum von mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
3. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2010 ist rechtmäßig. Die Klägerin hatte und hat seit 19. Februar 2010 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III.
Nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 R - in juris). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2010 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. November 2009. Maßgebliches Vergleichsgutachten ist damit die diesem Bescheid zugrunde liegende Stellungnahme des Dr. G. vom 10. Juli 2009. Zwar mag sich seitdem der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege erhöht haben, er erreicht aber nicht den Umfang der Pflegestufe III von 240 Minuten.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3 3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinie zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
a) Die Voraussetzungen der Pflegestufe III liegen schon deshalb nicht vor, weil ein nächtlicher Grundpflegebedarf nicht besteht. Ein nächtlicher Grundpflegebedarf liegt vor, wenn eine Hilfeleistung in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr zu erbringen ist. Ausreichend ist allerdings nicht, dass die für die Abgrenzung des Nachtschlafs relevanten Verrichtungen "Aufstehen" und "Zu-Bett-Gehen" wegen der Lebensgewohnheiten des Pflegebedürftigen regelmäßig innerhalb dieses Zeitrahmens vorgenommen werden. Andernfalls hätte es der Pflegebedürftige in der Hand, allein durch ein Zu-Bett-Gehen nach 22.00 Uhr oder ein Aufstehen vor 6:00 Uhr die Voraussetzung des nächtlichen Hilfebedarfs herbeizuführen (BSG, Urteil vom 18. März 1999 - B 3 P 3/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 5). Bei der Klägerin fallen ihrem eigenen Vorbringen nach (Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 8. Dezember 2011, eigene Stellungnahme der Klägerin vom 18. Februar 2012) in diesem Zeitraum nur Hilfeleistungen an, die auch außerhalb des genannten Zeitrahmens anfallen können, nämlich die Hilfeleistungen für das abendliche ins Bett gehen wie Entkleiden, Waschen des Unterkörpers und Rückens, Eincremen, Wechsel von Tageswindel auf Nachtwindel, Anziehen der Nachtbekleidung und die Lagerung. Dass die Klägerin vor 23:00 Uhr nicht einschlafen kann und deshalb erst um diese Uhrzeit ins Bett geht, macht die entsprechenden Hilfeleistungen im Zusammenhang mit dem ins Bett gehen um diese Uhrzeit noch nicht zu nächtlichen Hilfeleistungen.
b) Des Weiteren liegen die Voraussetzungen der Pflegestufe III nicht vor, weil der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege seit 19. Februar 2010 weniger als 240 Minuten betrug und beträgt. Der Senat folgt der Schätzung des Hilfebedarfs durch die Sachverständige E. mit 206,5 Minuten, gerundet 207 Minuten.
Bei der Klägerin steht im Vordergrund ein altersbedingter Kräfteabbau und eine Blasenschwäche. Die Klägerin ist nur noch in der Lage, mit personeller Unterstützung zu gehen und zu stehen. Auch bestehen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Extremitäten, insbesondere auch in den oberen Extremitäten. Die vorliegende Blasenschwäche führt zu häufigem Harndrang mit Spontanmiktionen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen E ... Die genannten Gesundheitsstörungen und körperlichen Einschränkungen ergeben sich im Wesentlichen auch aus den anderen Gutachten, die anlässlich der Prüfung, ob die Klägerin die Voraussetzungen der Pflegestufe III erfüllt, erhoben wurden, sowie aus der vom SG erhobenen Auskunft der Dr. W.-L. als sachverständige Zeugin vom 16. November 2010.
Unter Berücksichtigung der bei der Klägerin bestehenden Einschränkungen hält der Senat die Schätzung des Zeitaufwands für die Verrichtungen der Grundpflege durch die Sachverständige E. für schlüssig. Die Sachverständige E. hat eine umfassende Untersuchung in der häuslichen Umgebung der Klägerin durchgeführt und nach ihren Angaben im Gutachten sowohl die Klägerin als auch die Tochter der Klägerin und den Ehemann der Tochter, den Bevollmächtigten der Klägerin, befragt. Soweit die Klägerin den zeitlichen Hilfebedarf bei einzelnen Verrichtungen als nicht berücksichtigt oder zu gering angesehen hat, sind diese Einwände der Klägerin nicht geeignet, einen täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 240 Minuten festzustellen.
Soweit die Sachverständige E. bei einzelnen Verrichtungen halbe Minuten berücksichtigt hat, kann ein Aufrunden nicht erfolgen. Die Begutachtungs-Richtlinien verlangen bereits dem Wortlaut nach keine Rundung auf volle Minuten für jeden abgrenzbaren Einzelvorgang, der im Rahmen der Verrichtungen möglicherweise mehrmals täglich anfällt. Die Begutachtungs-Richtlinien sehen in Teil F - Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung - zwar vor, dass der Hilfebedarf "für jede Verrichtung der Grundpflege stets in vollen Minutenwerten anzugeben" ist. Diese Formulierung ist aber so zu verstehen, dass für jede der in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen in der jeweiligen Summe und bezogen auf den Tagesdurchschnitt volle Minutenwerte anzugeben sind (BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
Für die Nahrungsaufnahme ist kein höherer Zeitaufwand als der von der Sachverständigen E. angenommene von insgesamt 23 Minuten (sechs Minuten beim Frühstück, zwölf Minuten beim Mittagessen, fünf Minuten beim Abendessen) anzusetzen, insbesondere nicht der von der Klägerin verlangte Zeitaufwand wegen der Beaufsichtigung bei der Nahrungsaufnahme von insgesamt 45 Minuten (15 Minuten bei jeder Mahlzeit). Eine Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme ist nur als berücksichtigungsfähige Hilfe einzustufen, wenn sie von einer solchen Intensität ist, dass die Pflegeperson - wie beim Füttern - praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert ist bzw. diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen muss, die Hilfe also über das - gewissermaßen "nebenbei" erfolgende - bloße "Im-Auge-Behalten" des Pflegebedürftigen und das nur vereinzelte, gelegentliche Auffordern bzw. Ermahnen hinausgeht (BSG, Beschluss vom 8. Mai 2001 - B 3 P 4/01 B - in juris; s.a. D 4.0/II Begutachtungs-Richtlinien). Die Klägerin ist in der Lage, zumindest Teile der Mahlzeiten selbstständig aufzunehmen. Die Klägerin hat diesen Feststellungen der Sachverständigen E. nicht widersprochen, sondern dies in ihrer Stellungnahme zum Gutachten (Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 8. Dezember 2011) ausdrücklich bestätigt. Insbesondere in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hat die Sachverständige E. schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, weshalb der von ihr angenommene Zeitaufwand angemessen ist und insoweit auch zu Recht auf D 4.0/II Begutachtungs-Richtlinie abgehoben. Das "Im-Auge-Behalten" der Klägerin, um Schluckstörungen zu bemerken, oder sie zur Aufnahme der Nahrung anzuhalten, bindet die Pflegekraft nicht in einer Weise, dass sie nicht nebenher andere Tätigkeiten ausführen kann. Dies bestätigt die eigene Stellungnahme der Klägerin vom 18. Februar 2012 über den Ablauf der Untersuchung durch die Sachverständige E ... Während die Klägerin am Tag der Begutachtung ihr Frühstück zu sich nahm, unterhielten sich die Sachverständige und die Pflegepersonen. Des Weiteren isst die Pflegeperson gemeinsam mit der Klägerin.
Da die Klägerin aufgrund der Blasenschwäche täglich einnässt, ist eine zusätzliche Teilwäsche des Unterkörpers einmal täglich erforderlich. Weshalb darüber hinaus zusätzlich noch eine Teilwäsche des Unterkörpers erforderlich sein soll, ist auch unter Berücksichtigung von Hygienestandards nicht erkennbar. Entsprechendes Waschen ist auch Teil der Verrichtung Ganzkörperwäsche, so dass insgesamt ein zweimaliges Waschen des Unterkörpers täglich berücksichtigt ist. Im Übrigen ergäbe sich für eine weitere (dritte) Teilwäsche des Unterkörpers nur ein zusätzlicher Zeitaufwand von zehn Minuten, so dass sich ausgehend von der Schätzung der Sachverständigen ein Zeitaufwand von gerundet 217 Minuten ergäbe und der für die Pflegestufe III erforderliche Zeitaufwand von mindestens 240 Minuten nicht erreicht wäre.
Auch wenn man der Klägerin darin folgen würde, für den Windelwechsel nach dem Stuhlgang sei ein Zeitaufwand erforderlich, ergebe sich allenfalls ein solcher von ein oder zwei Minuten. Bei einer Verwendung der gebrauchten, nicht verschmutzten Windel nach dem Stuhlgang wäre dies wie das Richten der Kleidung nach dem Toilettengang anzusehen. Die Sachverständige hat hierfür pro Verrichtung 1,5 Minuten angenommen, ohne dass die Klägerin dies beanstandet hätte.
Die Verrichtung Haarewaschen ist als Bestandteil der Verrichtungen Waschen/Duschen/Baden anzusehen (BSG, Urteil vom 31. August 2000 - B 3 P 14/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 15). Die Sachverständige E. hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme insoweit zusätzlich noch einen Zeitaufwand von vier Minuten täglich berücksichtigt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe III ab 19. Februar 2010.
Die 1923 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Pflegekasse. Seit 6. Oktober 2009 sind der Grad der Behinderung mit 100 sowie die Nachteilausgleiche H, RF, G und B festgestellt, seit 3. Juni 2011 zudem der Nachteilsausgleich aG. Auf den Antrag der Klägerin vom 27. April 2005 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 2005 ab 1. Mai 2005 Kombinationsleistungen nach der Pflegestufe I (Pflegesachleistungen bis zu monatlich EUR 384,00 und anteiliges Pflegegeld).
Die Klägerin beantragte am 3. April 2009 die Höherstufung. Pflegefachkraft D., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), nannte in ihrem Gutachten vom 30. April 2009 als pflegebegründende Diagnosen eine Altershinfälligkeit sowie Inkontinenz und schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 85 Minuten (Körperpflege 59 Minuten, Ernährung vier Minuten, Mobilität 22 Minuten). Der Hilfebedarf sei angestiegen, erreiche aber noch nicht die Voraussetzungen für die Schwerpflegebedürftigkeit. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Mai 2009 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch. Pflegefachkraft B., MDK, bestätigte in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 23. Juni 2009 den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege von 85 Minuten. Arzt Dr. G., MDK, vertrat in seiner Stellungnahme vom 10. Juli 2009 die Auffassung, nach erneutem Krankenhausaufenthalt sei die Klägerin überwiegend bettlägerig. Es bestehe ein hoher Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege und der Mobilität, die Nahrungsaufnahme erfolge zum Teil noch selbstständig. Die Voraussetzungen der Pflegestufe II seien ab Juli 2009 erfüllt. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 10. Juli 2009 ab 1. Juli 2009 Kombinationsleistungen nach der Pflegestufe II (Pflegesachleistungen bis zu monatlich EUR 980,00 und anteiliges Pflegegeld). Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, der bisherige ambulante Pflegedienst werde nicht weiter in Anspruch genommen, stattdessen werde eine Pflegerin beschäftigt, und sich die Klägerin bis 31. Oktober 2009 in stationärer Pflege befand, bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 12. Januar 2010 ab 1. November 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe II.
Die Beklagte veranlasste eine Nachuntersuchung, wobei die Beteiligten nicht mehr angeben konnten, ob Anlass hierfür ein Höherstufungsantrag der Klägerin war. Daraufhin erstattete Pflegefachkraft D., MDK, nach Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung am 19. Februar 2010 das Gutachten vom 22. Februar 2010, in welchem sie als pflegebegründende Diagnosen Altersaufbrauch mit eingeschränkter Mobilität und Inkontinenz nannte sowie den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 181 Minuten (Körperpflege 100 Minuten, Ernährung 38 Minuten, Mobilität 43 Minuten) schätzte. Die Klägerin gehe wenige Schritte mithilfe eines Rollators in gebeugter Haltung mit links hängender Schulter, langsam und kleinschrittig und sei sturzgefährdet. Die linke Körperseite sei geschwächt. Freies Stehen und Bücken seien nicht möglich. Sie könne nur mit personeller Hilfe vom Bett auf den Toilettenstuhl gesetzt werden. Nach Vorbereitung der Utensilien könne sie sich mit der rechten Hand nur Gesicht und den vorderen Brustbereich waschen. Die überwiegende Pflege werde von den Pflegepersonen durchgeführt. Nach mundgerechter Vorbereitung könne sie selbstständig essen, benötige aber Unterstützung beim Löffeln der Mahlzeiten. Getränke würden eingeschenkt und bereitgestellt. Sie benötige Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen. Pflegerische Gänge müssten überwacht und zu Mahlzeiten müsse sie zum Esstisch begleitet werden. Nächtlicher Grundpflegebedarf bestehe für einen Toilettengang. Die Beklagte verfügte unter dem 26. Februar 2010, dass weiterhin "die Voraussetzungen der Pflegestufe II" erfüllt seien.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert (Verweis auf den vorgelegten Bescheid des Landratsamts K. vom 3. März 2010). Es bestehe ein weiterer Pflegebedarf von 66 Minuten, somit insgesamt 247 Minuten. Arzt Dr. G., MDK, schloss sich in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 14. April 2010 dem Gutachten der Pflegefachkraft D. an. Die Klägerin habe Restressourcen bei der Ernährung. In den Bereichen Körperpflege und Mobilität habe sie einen kompletten Hilfebedarf. Das (im Widerspruch geltend gemachte) zehnmalige Wasserlassen täglich sei nicht plausibel. Der Zeitaufwand für das Gehen sei mit einer Minute pro Gang ebenfalls ausreichend berücksichtigt. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 9. August 2010). Die Voraussetzungen der Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) seien von den Gutachtern des MDK verneint worden. Die Gutachter hätten den Hilfebedarf vollständig erfasst und korrekt bewertet. Die (im Widerspruch geltend gemachte) Hilfe beim Baden könne nicht berücksichtigt werden, da diese nicht mindestens einmal wöchentlich anfalle. Die zusätzliche zweite Teilwäsche des Unterkörpers im Sinne einer Intimtoilette sei pflegerisch nicht notwendig. Zusätzlich zur täglichen Ganzkörperwäsche sei bei vorliegender Inkontinenz eine Intimtoilette ausreichend, zumal die Intimhygiene auch integrativer Bestandteil eines Wechsels der Inkontinenzartikel sei. Die von der Klägerin angegebenen 20 Minuten für Hilfen beim Gehen könnten nicht zusätzlich berücksichtigt werden, da es sich letztlich um Gehübungen zur Minderung von Schmerzen handle. Allein nach Abzug der von der Klägerin angegebenen 38 Minuten für nicht berücksichtigungsfähige Hilfen seien die Voraussetzungen der Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) nicht erfüllt.
Die Klägerin erhob am 6. September 2010 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Die Gutachten des MDK berücksichtigten Erschwernisfaktoren aufgrund ihrer körperlichen Behinderungen sowie die beengten räumlichen Verhältnisse der Wohnung nicht. Zusätzlich zu berücksichtigen seien Hilfen beim Wasserlassen. Die Wege zur Toilette seien sehr mühsam und zeitaufwändig. Ein Vollbad falle sehr wohl wöchentlich an, könne aber nicht entsprechend durchgeführt werden, da hierfür zwei Personen erforderlich seien. Im Hinblick auf ein Wundliegen sei besondere Sorgfalt der Pflege geboten, um einer Verschlimmerung vorzubeugen, so dass ein mehrmaliges Waschen und Eincremen erforderlich sei.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG hörte Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W.-L. als sachverständige Zeugin. Sie gab unter Vorlage ihr zugegangener Arztbriefe an (Auskunft vom 16. November 2010), es bestehe eine Sturzneigung mit wiederholten Stürzen, eine Hypertonie, eine Harninkontinenz, eine Osteoporose mit Gibbusbildung, eine Hypercholesterinämie, eine Hiatushernie, eine Varikosis, eine Hypakusis, eine Omarthrose links sowie eine cerebrale Ischämie im Jahr 2009 mit Dysphagie und linksseitige Schwäche. Die Klägerin benötige in sämtlichen Bereichen der Körperpflege Hilfe. Aufgrund der massiv eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit des linken Armes müsse die Nahrung mundgerecht zerkleinert werden. Eine eigenständige Mobilität bestehe nicht.
Auf Veranlassung des SG erstattete Pflegesachverständige G.-G., Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin, aufgrund eines Hausbesuches am 28. Dezember 2010 das Gutachten vom 8. Februar 2011. Sie schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 178 Minuten (Körperpflege 101 Minuten, Ernährung 30 Minuten, Mobilität 47 Minuten). Erforderlich sei eine vollständige Übernahme bei der Ganzkörperwäsche (20 Minuten), der Teilwäsche des Unterkörpers (24 Minuten), des Gesichts und der Hände (zwei Minuten), beim Kämmen (vier Minuten), beim Richten der Bekleidung (14 Minuten), beim Wechsel der Windel nach dem Wasserlassen (acht Minuten) und kleinerer Vorlagen (vier Minuten), bei der Entleerung des Toilettenstuhls (16 Minuten), bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung (neun Minuten) sowie beim An- (acht Minuten) und Entkleiden (fünf Minuten), eine teilweise Übernahme beim Wasserlassen (acht Minuten), beim Stuhlgang (eine Minute), beim Aufstehen und Zubettgehen (acht Minuten) und beim Stehen/Transfer (zwei Minuten) sowie zugleich eine Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme (21 Minuten) und beim Gehen (24 Minuten). Pflegeerschwerender Faktor seien die beengten räumlichen Verhältnisse im Schlafzimmer. Zum Zeitpunkt der Begutachtung habe ein aktuell höherer Hilfebedarf bestanden, da die Klägerin nach einem Sturz im November 2010 den rechten Arm in einem Gipsverband getragen habe. Nach Abnahme des Gipsverbands und einer intensiven krankengymnastischen Behandlung könne von einer nicht pflegestufenrelevanten, leichteren dauerhaften Verschlechterung in Form einer leichten Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand und des rechten Arms ausgegangen werden. Auf Einwände der Klägerin hin nahm Pflegesachverständige G.-G. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 28. April 2011 für die Verrichtungen der Teilwäsche der Hände/Gesicht einen täglichen Zeitaufwand von zehn Minuten statt zwei Minuten an und schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 186 Minuten. Bei allen Verrichtungen im Bereich der Körperpflege und der Mobilität könne die Klägerin in geringem Umfang durch Anheben der Arme und Beine bzw. Hinstehen bei der Intimwäsche mithelfen. Deshalb habe sie die unteren Minutenwerte der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) zugrunde gelegt. Auf den nächtlichen Hilfebedarf entfielen elf Minuten.
Die Klägerin blieb bei ihren Einwendungen. Nach jedem Wasserlassen sei ein Windelwechsel erforderlich. Wegen der Schluckstörung könne die Nahrung nur langsam aufgenommen werden. Wasserlassen, Teilwäsche des Unterkörpers sowie Händewaschen erfolgten häufiger als von der Sachverständigen angenommen. Beim Gehen habe die Sachverständige die beengten Verhältnisse der Wohnung und ihre (der Klägerin) körperliche Verfassung nicht ausreichend berücksichtigt. Für Haarwäsche sei überhaupt nichts berücksichtigt worden. Zudem sei sie (die Klägerin) in die Befragung zum Pflegeaufwand nicht einbezogen worden. Die Befragung ihrer Tochter habe überwiegend zu Missverständnissen geführt.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Juni 2011 ab. Das SG stützte sich auf das Gutachten und die ergänzende gutachterliche Stellungnahme der Sachverständigen G.-G. und führte weiter aus, die Einwände der Klägerin seien nicht geeignet, einen höheren Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege (als 178 Minuten) zu belegen. Die Sachverständige habe beim Wasserlassen eine Häufigkeit von achtmal täglich angenommen sowie beim Gehen acht Gänge im Zusammenhang mit der Toilette und sechs Gänge im Zusammenhang mit den Mahlzeiten berücksichtigt. Da die Klägerin nicht geltend gemacht habe, täglich Stuhlgang zu haben, könne der Einwand, es seien nur drei Stuhlgänge wöchentlich anerkannt, dahingestellt bleiben. Auch habe die Klägerin nicht konkret dargelegt, dass bei ihr ein häufiger Windelwechsel nach dem Wasserlassen erforderlich sei. Ihr Vorbringen, die Teilwäsche des Unterkörpers mit einmal täglich sei zu wenig bewertet, genüge nicht, einen höheren Hilfebedarf zu belegen. Gleiches gelte für das Händewaschen. Selbst wenn man hinsichtlich der Haarwäsche zusätzlich vier Minuten täglich berücksichtige, ergebe sich kein Hilfebedarf, der die Voraussetzungen der Pflegestufe III erfüllen würde.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 15. Juni 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4. Juli 2011 Berufung eingelegt. Das Gutachten der Sachverständigen G.-G. sei mangelhaft und verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sowie die Begutachtungs-Richtlinien. Das "Gutachten" der Dr. W.-L. sei weder vom SG noch von der Sachverständigen berücksichtigt worden. Ansonsten wären nicht bei fast allen Verrichtungen die untersten Minutenwerte der Zeitkorridore berücksichtigt worden. Sie (die Klägerin) selbst sei von der Sachverständigen zu dem Pflegeaufwand nicht befragt worden, sondern nur ihre Tochter, die zudem von der Sachverständigen überwiegend falsch verstanden worden sei. Kleinere Vorlagen seien bei starker Inkontinenz völlig unzureichend. Bei achtmaligem Wasserlassen sei auch ein achtmaliger Windelwechsel erforderlich. Hieraus ergebe sich ein zusätzlicher Zeitaufwand von 14 Minuten täglich. Wegen der Hygiene sei auch ein weiteres Waschen des Unterkörpers nicht übertrieben, wofür weitere zwölf Minuten täglich erforderlich seien. Sie habe nicht angegeben, für den Stuhlgang benötige sie nur eine Minute. Hierfür sei ein zusätzlicher Zeitaufwand von elf Minuten täglich erforderlich. Die von der Sachverständigen berücksichtigten 24 einzelnen Wegstrecken mit je einer Minute entsprächen nicht den Begutachtungs-Richtlinien. Der gesamte Zeitaufwand betrage täglich 60 Minuten, mithin weitere 36 Minuten. Die Wegstrecke vom Schlafraum zur Küche, die sie in Anwesenheit der Sachverständigen gegangen sei, betrage sechs Meter und sei mit einer Minute zutreffend erfasst. Dieser Weg berge jedoch - wie auch die Sachverständige erkannt habe - ein hohes Sturzrisiko, da eine erhöhte Türschwelle zu überwinden und der Einsatz des Rollators nicht möglich sei. Die (Ersatz )Wegstrecke über den Flur betrage 15 m. Die Wegstrecke vom Wohnzimmer und von der Terrasse jeweils zum Schlafraum betrage 14 und 16 m. Das Gutachten der Sachverständigen sei auch widersprüchlich, wenn sie von einer Schluckstörung ausgehe, andererseits aber keine erhöhte Neigung zum Verschlucken habe feststellen können. Höheres Pflegegeld begehre sie ab dem 19. Februar 2010, dem Tag der Begutachtung durch die Pflegefachkraft D ...
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10. Juni 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 19. Februar 2010 Pflegegeld nach der Pflegestufe III zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Auf Veranlassung des Senats hat Pflegesachverständige E. das Gutachten vom 15. November 2011 erstattet. Bei der Klägerin lägen ein altersbedingter Kräfteabbau, eine Blasenschwäche, eine Hüftgelenksarthrose beidseits, ein Carpaltunnelsyndrom der rechten Hand mit deutlicheren Gefühlsstörungen und gestörter Feinmotorik, Knieprobleme und Rückenschmerzen sowie ein Zustand nach cerebraler Ischämie mit Sprech- und Schluckstörungen im Jahr 2009 vor. Auch sei es seit 2005 zu mehreren Stürzen mit ärztlichen Behandlungen gekommen. Stehen und Gehen seien mit personeller Unterstützung und unter Einsatz eines Rollators erschwert möglich. Die Bewegungsabläufe führe die Klägerin langsam aus. Es bestehe eine potentielle Sturzgefährdung. Das Bücken sei nicht möglich. Die Bewegungseinschränkungen in beiden Händen und Armen, des Nackens, des Rückens und der Knie bewirkten, dass die Körperpflege durch vollständige Übernahme zu erfolgen habe. Die Blasenschwäche führe zu einem häufigeren Harndrang mit Spontanmiktionen, insbesondere beim Gehen zum Toilettenstuhl. Die Klägerin könne sich gegenüber Dritten gezielt äußern, wenn sie Harndrang verspüre. Die Klägerin könne zwischenzeitlich nicht mehr selbstständig aus dem Bett, von einem Stuhl oder einem Sessel aufstehen. Einen nächtlichen Pflegebedarf habe sie nicht feststellen können, vielmehr habe der Bevollmächtigte dies verneint. Seit dem 19. Februar 2010 habe sich der pflegerische Bedarf lediglich dahin verändert, dass wegen der bei einem Sturz im November 2010 erlittenen Verletzung der rechten Extremität diese an Kraft verloren habe und seitdem eine vollständige Übernahme der Körperpflege notwendig sei. In ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 30. Januar 2012 hat Pflegesachverständige E. den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 206,5 Minuten täglich geschätzt. Sie hat zusätzlich einen Zeitaufwand für eine Teilwäsche des Oberkörpers (Haarwäsche) von vier Minuten und für das Wechseln weiterer Windeln nach dem Wasserlassen von 10,5 Minuten angenommen sowie den im Gutachten angenommenen Zeitaufwand für den Stuhlgang von drei Minuten auf eine Minute reduziert. Im Übrigen ist sie bei der Einschätzung in ihrem Gutachten verblieben. Die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Tätigkeiten seien nicht plausibel, weshalb sie nicht berücksichtigt werden könnten.
Die Klägerin hat sowohl gegen das Gutachten als auch die ergänzende gutachterliche Stellungnahme der Sachverständigen E. Einwände erhoben. Die Klägerin ist der Auffassung, der tägliche Zeitaufwand betrage 271 Minuten. Auch die Sachverständige E. habe sie nicht hinreichend hinsichtlich des Umfangs und der Besonderheiten ihrer Pflegebedürftigkeit befragt und einbezogen. Soweit die Sachverständige für Verrichtungen eine halbe Minute annehme, sei dies aufzurunden, so dass sich ein täglicher Zeitaufwand von 208 Minuten ergebe. Der Zeitaufwand für das Wechseln der Windeln nach Wasserlassen sei am Tag der Begutachtung nicht gemessen worden. Ein Wechsel der Windel sei auch nach dem Stuhlgang erforderlich. Eine dritte Wäsche des Unterkörpers sei aus hygienischer und pflegerischer Sicht erforderlich. Am Tag der Begutachtung habe sie keinen Appetit gehabt. Sie esse mit ihrer Pflegekraft gemeinsam, damit diese gegebenenfalls sofort eingreifen könne. Da sie einen Mittagsschlaf mache, könne sie nicht vor 23:00 Uhr einschlafen. Vor den Lagerungen im Bett fielen nach 22:00 Uhr folgende Verrichtungen an: Entkleiden gesamt, Waschen des Unterkörpers und des Rückens, Eincremen, Wechsel von Tageswindel auf Nachtwindel sowie Anziehen der Nachtbekleidung und Lagerung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2010. Mit der im Bescheid vom 26. Februar 2010 getroffenen Feststellung, dass auch weiterhin die Voraussetzungen der Pflegestufe II erfüllt seien, hat die Beklagte es sinngemäß abgelehnt, höheres Pflegegeld, nämlich nach der Pflegestufe III, zu zahlen. Gegen diese Ablehnung wendet sich die Klägerin.
2. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn die Klägerin begehrt (höhere) Leistungen für einen Zeitraum von mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
3. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2010 ist rechtmäßig. Die Klägerin hatte und hat seit 19. Februar 2010 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III.
Nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 R - in juris). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2010 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. November 2009. Maßgebliches Vergleichsgutachten ist damit die diesem Bescheid zugrunde liegende Stellungnahme des Dr. G. vom 10. Juli 2009. Zwar mag sich seitdem der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege erhöht haben, er erreicht aber nicht den Umfang der Pflegestufe III von 240 Minuten.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3 3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinie zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
a) Die Voraussetzungen der Pflegestufe III liegen schon deshalb nicht vor, weil ein nächtlicher Grundpflegebedarf nicht besteht. Ein nächtlicher Grundpflegebedarf liegt vor, wenn eine Hilfeleistung in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr zu erbringen ist. Ausreichend ist allerdings nicht, dass die für die Abgrenzung des Nachtschlafs relevanten Verrichtungen "Aufstehen" und "Zu-Bett-Gehen" wegen der Lebensgewohnheiten des Pflegebedürftigen regelmäßig innerhalb dieses Zeitrahmens vorgenommen werden. Andernfalls hätte es der Pflegebedürftige in der Hand, allein durch ein Zu-Bett-Gehen nach 22.00 Uhr oder ein Aufstehen vor 6:00 Uhr die Voraussetzung des nächtlichen Hilfebedarfs herbeizuführen (BSG, Urteil vom 18. März 1999 - B 3 P 3/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 5). Bei der Klägerin fallen ihrem eigenen Vorbringen nach (Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 8. Dezember 2011, eigene Stellungnahme der Klägerin vom 18. Februar 2012) in diesem Zeitraum nur Hilfeleistungen an, die auch außerhalb des genannten Zeitrahmens anfallen können, nämlich die Hilfeleistungen für das abendliche ins Bett gehen wie Entkleiden, Waschen des Unterkörpers und Rückens, Eincremen, Wechsel von Tageswindel auf Nachtwindel, Anziehen der Nachtbekleidung und die Lagerung. Dass die Klägerin vor 23:00 Uhr nicht einschlafen kann und deshalb erst um diese Uhrzeit ins Bett geht, macht die entsprechenden Hilfeleistungen im Zusammenhang mit dem ins Bett gehen um diese Uhrzeit noch nicht zu nächtlichen Hilfeleistungen.
b) Des Weiteren liegen die Voraussetzungen der Pflegestufe III nicht vor, weil der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege seit 19. Februar 2010 weniger als 240 Minuten betrug und beträgt. Der Senat folgt der Schätzung des Hilfebedarfs durch die Sachverständige E. mit 206,5 Minuten, gerundet 207 Minuten.
Bei der Klägerin steht im Vordergrund ein altersbedingter Kräfteabbau und eine Blasenschwäche. Die Klägerin ist nur noch in der Lage, mit personeller Unterstützung zu gehen und zu stehen. Auch bestehen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Extremitäten, insbesondere auch in den oberen Extremitäten. Die vorliegende Blasenschwäche führt zu häufigem Harndrang mit Spontanmiktionen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen E ... Die genannten Gesundheitsstörungen und körperlichen Einschränkungen ergeben sich im Wesentlichen auch aus den anderen Gutachten, die anlässlich der Prüfung, ob die Klägerin die Voraussetzungen der Pflegestufe III erfüllt, erhoben wurden, sowie aus der vom SG erhobenen Auskunft der Dr. W.-L. als sachverständige Zeugin vom 16. November 2010.
Unter Berücksichtigung der bei der Klägerin bestehenden Einschränkungen hält der Senat die Schätzung des Zeitaufwands für die Verrichtungen der Grundpflege durch die Sachverständige E. für schlüssig. Die Sachverständige E. hat eine umfassende Untersuchung in der häuslichen Umgebung der Klägerin durchgeführt und nach ihren Angaben im Gutachten sowohl die Klägerin als auch die Tochter der Klägerin und den Ehemann der Tochter, den Bevollmächtigten der Klägerin, befragt. Soweit die Klägerin den zeitlichen Hilfebedarf bei einzelnen Verrichtungen als nicht berücksichtigt oder zu gering angesehen hat, sind diese Einwände der Klägerin nicht geeignet, einen täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 240 Minuten festzustellen.
Soweit die Sachverständige E. bei einzelnen Verrichtungen halbe Minuten berücksichtigt hat, kann ein Aufrunden nicht erfolgen. Die Begutachtungs-Richtlinien verlangen bereits dem Wortlaut nach keine Rundung auf volle Minuten für jeden abgrenzbaren Einzelvorgang, der im Rahmen der Verrichtungen möglicherweise mehrmals täglich anfällt. Die Begutachtungs-Richtlinien sehen in Teil F - Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung - zwar vor, dass der Hilfebedarf "für jede Verrichtung der Grundpflege stets in vollen Minutenwerten anzugeben" ist. Diese Formulierung ist aber so zu verstehen, dass für jede der in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen in der jeweiligen Summe und bezogen auf den Tagesdurchschnitt volle Minutenwerte anzugeben sind (BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
Für die Nahrungsaufnahme ist kein höherer Zeitaufwand als der von der Sachverständigen E. angenommene von insgesamt 23 Minuten (sechs Minuten beim Frühstück, zwölf Minuten beim Mittagessen, fünf Minuten beim Abendessen) anzusetzen, insbesondere nicht der von der Klägerin verlangte Zeitaufwand wegen der Beaufsichtigung bei der Nahrungsaufnahme von insgesamt 45 Minuten (15 Minuten bei jeder Mahlzeit). Eine Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme ist nur als berücksichtigungsfähige Hilfe einzustufen, wenn sie von einer solchen Intensität ist, dass die Pflegeperson - wie beim Füttern - praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert ist bzw. diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen muss, die Hilfe also über das - gewissermaßen "nebenbei" erfolgende - bloße "Im-Auge-Behalten" des Pflegebedürftigen und das nur vereinzelte, gelegentliche Auffordern bzw. Ermahnen hinausgeht (BSG, Beschluss vom 8. Mai 2001 - B 3 P 4/01 B - in juris; s.a. D 4.0/II Begutachtungs-Richtlinien). Die Klägerin ist in der Lage, zumindest Teile der Mahlzeiten selbstständig aufzunehmen. Die Klägerin hat diesen Feststellungen der Sachverständigen E. nicht widersprochen, sondern dies in ihrer Stellungnahme zum Gutachten (Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 8. Dezember 2011) ausdrücklich bestätigt. Insbesondere in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hat die Sachverständige E. schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, weshalb der von ihr angenommene Zeitaufwand angemessen ist und insoweit auch zu Recht auf D 4.0/II Begutachtungs-Richtlinie abgehoben. Das "Im-Auge-Behalten" der Klägerin, um Schluckstörungen zu bemerken, oder sie zur Aufnahme der Nahrung anzuhalten, bindet die Pflegekraft nicht in einer Weise, dass sie nicht nebenher andere Tätigkeiten ausführen kann. Dies bestätigt die eigene Stellungnahme der Klägerin vom 18. Februar 2012 über den Ablauf der Untersuchung durch die Sachverständige E ... Während die Klägerin am Tag der Begutachtung ihr Frühstück zu sich nahm, unterhielten sich die Sachverständige und die Pflegepersonen. Des Weiteren isst die Pflegeperson gemeinsam mit der Klägerin.
Da die Klägerin aufgrund der Blasenschwäche täglich einnässt, ist eine zusätzliche Teilwäsche des Unterkörpers einmal täglich erforderlich. Weshalb darüber hinaus zusätzlich noch eine Teilwäsche des Unterkörpers erforderlich sein soll, ist auch unter Berücksichtigung von Hygienestandards nicht erkennbar. Entsprechendes Waschen ist auch Teil der Verrichtung Ganzkörperwäsche, so dass insgesamt ein zweimaliges Waschen des Unterkörpers täglich berücksichtigt ist. Im Übrigen ergäbe sich für eine weitere (dritte) Teilwäsche des Unterkörpers nur ein zusätzlicher Zeitaufwand von zehn Minuten, so dass sich ausgehend von der Schätzung der Sachverständigen ein Zeitaufwand von gerundet 217 Minuten ergäbe und der für die Pflegestufe III erforderliche Zeitaufwand von mindestens 240 Minuten nicht erreicht wäre.
Auch wenn man der Klägerin darin folgen würde, für den Windelwechsel nach dem Stuhlgang sei ein Zeitaufwand erforderlich, ergebe sich allenfalls ein solcher von ein oder zwei Minuten. Bei einer Verwendung der gebrauchten, nicht verschmutzten Windel nach dem Stuhlgang wäre dies wie das Richten der Kleidung nach dem Toilettengang anzusehen. Die Sachverständige hat hierfür pro Verrichtung 1,5 Minuten angenommen, ohne dass die Klägerin dies beanstandet hätte.
Die Verrichtung Haarewaschen ist als Bestandteil der Verrichtungen Waschen/Duschen/Baden anzusehen (BSG, Urteil vom 31. August 2000 - B 3 P 14/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 15). Die Sachverständige E. hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme insoweit zusätzlich noch einen Zeitaufwand von vier Minuten täglich berücksichtigt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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