L 11 R 5195/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 2932/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5195/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.08.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 24.06.2009 ein Anspruch auf Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zusteht.

Die 1962 geborene Klägerin ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie hat keinen Beruf erlernt. Sie war von 1991 bis 1994 als Küchenhilfe - von 1995 bis 1997 war sie Hausfrau - und von 1998 bis 31.10.2008 als Küchenhilfe im Restaurant eines Krankenhauses versicherungspflichtig beschäftigt. Das letzte Arbeitsverhältnis endete durch einvernehmlichen Auflösungsvertrag. Seither ist die Klägerin arbeitslos bzw arbeitsunfähig. Sie bezog zuletzt Leistungen nach dem SGB II. Der Klägerin wurde zunächst ein GdB von 30, zuletzt aufgrund eines vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) geschlossenen Vergleichs (S 13 SB 8296/10) ein GdB von 40 zuerkannt.

Am 24.06.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zu ihrem Antrag gab sie an, sich seit 10/2008 wegen Depressionen, somatoformer Schmerzstörung und Fibromyalgie für erwerbsgemindert zu halten. Die Beklagte beauftragte Dr O. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens. In ihrem Gutachten vom 22.07.2009 stellte diese eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Angst und Depression gemischt und eine somatoforme Halbseitensymptomatik rechts fest. Sie führte aus, der Klägerin seien sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Küchenhilfe als auch sonstige leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts wegen des Vorliegens qualitativer und quantitativer Leistungseinschränkungen nicht mehr zumutbar. Die Leistungsminderung bestehe seit 31.10.2008. Die Klägerin habe aber durchaus Fähigkeiten. Sie empfehle eine stationäre psychosomatische und anschließend eine berufliche Rehabilitation.

Die Beklagte führte daraufhin eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der K.-Klinik in St B. durch. Der Entlassbericht über die vom 22.09.2009 bis zum 20.10.2009 absolvierte Maßnahme vom 21.10.2009 teilt folgende Diagnosen mit: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode; anhaltende somatoforme Schmerzstörung; andere gemischte Angststörungen; intrinsisches Asthma bronchiale; Zervikobrachialgien. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Küchenhilfe könne der Klägerin nur noch unter drei Stunden zugemutet werden. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin unter Beachtung qualitativer Einschränkungen hinsichtlich der geistigen Belastbarkeit und des Bewegungs-/Haltungsapparates noch sechs Stunden und mehr ausüben.

Mit Bescheid vom 13.11.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Rente ab. Die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein, weshalb weder teilweise noch volle Erwerbsminderung vorliege. Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 03.12.2009 begründete die Klägerin ua damit, dass sie nicht in der Lage sei, drei Stunden oder mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Der Entlassbericht sei zu positiv. Die an die ambulante Therapie geknüpften Erwartungen seien nicht eingetreten. Nach einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. K. wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2010 zurück; volle oder teilweise Erwerbsminderung liege nicht vor.

Die Klägerin hat am 12.05.2010 beim SG Klage erhoben. Sie leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradiger Episode, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, anderen gemischten Angststörungen, Asthma bronchiale und Zervikobrachialgien. Ihre psychischen Erkrankungen seien derart ausgeprägt, dass diese ihre Leistungsfähigkeit selbst für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts aufhöben.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnde Ärztin Dr. R. und der behandelnden Psychotherapeutin Frau C.-R. als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 19 bis 22 der Akten des SG Bezug genommen. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. hat in ihrer Stellungnahme vom 28.06.2010 mitgeteilt, die Klägerin habe nach anfänglich engmaschigen (dreiwöchigen) Gesprächsterminen und der Einstellung auf Antidepressiva, im April 2007 eine ambulante Verhaltenstherapie aufgenommen. Nachdem im Januar 2008 die psychologische Psychotherapeutin das Einreichen der Rente empfohlen habe, sei die Klägerin nur noch einmal im Quartal in die Sprechstunde gekommen. Die dann initiierte und empfohlene tagesklinische Behandlung in der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in N. habe sie nicht wahrgenommen. An Diagnosen habe sie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Darin enthalten seien die verstärkt empfundenen halbseitigen Schmerzen. Ebenso könne sie der Diagnose Angst und depressive Störung gemischt zustimmen. Besonders erwähnenswert halte sei den massiven und chronischen Ehekonflikt, der den Zukunftstraum der Klägerin, ein Studium vorzunehmen, begraben und zuletzt in dem massiven Konflikt mit den Schwiegereltern geendet habe, die teilweise das verdiente Geld der Klägerin für sich in Anspruch nähmen. Dabei sei durchaus auch ein Zusammenhang zur Arbeitsaufnahme der Klägerin zu sehen. Aufgrund der Chronifizierung des Krankheitsbildes, des sekundären Krankheitsgewinnes und der Frage der willentlichen Steuerbarkeit, halte sie eine ausführliche Begutachtung auf nervenfachärztlichem Gebiet für unumgänglich.

Die Diplom-Psychologin C.-R. hat in ihrer Auskunft vom 14.07.2010 dem SG mitgeteilt, hinsichtlich der psychischen Belastbarkeit sei vor allem das beschädigte Anpassungsvermögen (vor allem im sozialen kollegialen Bereich) hervorzuheben, da die Klägerin durch die chronischen Schmerzen sowie die langjährige Belastung durch die persönliche soziale Situation eine Störung von Gefühlen und Sozialverhalten aufweise; so habe in den letzten drei Jahren ein Impulskontrollverlust (hohe impulsive Aggressivität bei geringen Anlässen) aggraviert, der lediglich durch die aktuelle Medikation habe heruntergeregelt werden können. Bei der Klägerin seien Symptome einer Neurasthenie, also eines Erschöpfungssyndroms, zu erkennen. Vor allem klage sie häufig über eine geistige Ermüdbarkeit. Vor allem wenn ihr schlechte Nachrichten zugetragen würden, komme sie tagelang darüber ins Grübeln und werde dadurch von effektivem Denken abgelenkt, was zu Konzentrationsdefiziten führe. Durch die Medikation wiederum fühle sie sich körperlich schwach, schnell erschöpft nach kurzer Tätigkeit im Haushalt. Insofern stimme sie mit der Leistungsbeurteilung des sozialmedizinischen Dienstes überein. Die Klägerin könne aber nur weniger als drei Stunden arbeiten.

Des Weiteren hat das SG Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten bei Dr. H. und gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. Br ... Wegen des Inhalts und des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf Blatt 33 bis 50 sowie 70 bis 107 der SG-Akte Bezug genommen.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Forensische Psychiatrie, Dr. H. hat in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 04.10.2010 ausgeführt, auf neurologischem Fachgebiet ließen sich die beklagte mittellinienbegrenzte Hypästhesie und Hypalgesie der gesamten rechten Körperhälfte nicht auf eine umschriebene Störung des zentralen oder peripheren Nervensystems beziehen. Eine funktionelle Relevanz komme ihr nicht zu. Ansonsten sei der körperlich-neurologische Befund ohne relevante Auffälligkeiten. Auf psychiatrischem Fachgebiet liege eine depressive Erkrankung vor, wobei die Kriterien für das Vorliegen einer leichten depressiven Episode im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode erfüllt seien. Die Stimmungslage sei insgesamt leicht gedrückt, themenabhängig kurzfristig mäßig gedrückt, andererseits sei es themenabhängig auch zu einer Auflockerung gekommen. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei leicht reduziert. Die Psychomotorik sei insgesamt eher etwas starr. Der Antrieb sei leicht reduziert. Eine schwere depressive Episode liege nicht vor. Ein phasenhafter Krankheitsverlauf im Sinne einer rezidivierenden depressiven Störung habe sich nicht herausarbeiten lassen. Im Übrigen liege eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor. Die beklagten Ängste ließen sich der depressiven Erkrankung zuordnen. Die Kriterien für das Vorliegen einer eigenständigen Angsterkrankung iSd ICD 10 seien ebenso wenig erfüllt wie die für das Bestehen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Auch kognitive Leistungseinschränkungen hätten sich nicht nachweisen lassen. Auffassung, Konzentration, Durchhaltevermögen und Gedächtnis wiesen keine Auffälligkeiten auf. Aufgrund der bestehenden psychischen Erkrankungen müsse eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck vermieden werden. Dies gelte gleichermaßen für besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie für eine besonders hohe Verantwortung und eine besonders hohe geistige Beanspruchung. Unter Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen sei die Klägerin ohne eine unmittelbare Gefährdung der Gesundheit noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und länger auszuüben. Seit wann die festgestellte Leistungseinschränkung bestehe, lasse sich retrospektiv nur schwer präzise feststellen. Es scheine eine gewisse Fluktuation im Hinblick auf das Ausmaß der depressiven Symptomatik vorgelegen zu haben. Ansonsten hätten sich Gesundheitszustand und Leistungsfähigkeit im Zuge des laufenden Rentenverfahrens offensichtlich nicht wesentlich verändert.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Klinische Geriatrie, Flugmedizin, Verkehrsmedizinische Qualifikation, Prof. Dr. Br. hat in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 17.04.2011 ausgeführt, bei der Klägerin sei von verschiedenen seelischen und körperlichen Erkrankungen auszugehen (schwere dissoziative Störung (Konversionsstörung); Dysthymia mit leichter phobischer Symptomatik; anhaltende somatoforme Schmerzstörung; chronischer Missbrauch von Schmerz- und Abführmitteln; rezidivierende Zervikobrachialgien; chronisches LWS-Syndrom; Amblyopie rechts mit Visusminderung (0,5)). Hieraus resultierten eine Reihe von Funktionsdefiziten. Im Falle der Klägerin habe man ua auch eine dramatische Selbstdarstellung, ein theatralisches und kaum einfühlbares Verhalten, übertriebene Gefühlsausdrücke, eine fortgeschrittene Affektlabilität anzuerkennen. Die bestehenden Gesundheitsstörungen insbesondere in psychisch-emotionaler Hinsicht machten deutlich, dass man bei der Klägerin von einer weit fortgeschrittenen und mittlerweile als chronifiziert anzusehenden Leistungsinsuffizienz auszugehen habe. Insofern sei diese zurzeit und bis auf weiteres nicht mehr in der Lage, irgendwelche Tätigkeiten im Rahmen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Die festgestellte Leistungseinschränkung bestehe mindestens seit dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung.

Mit Urteil vom 10.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Sie leide hauptsächlich unter Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet, sei allerdings weiterhin in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts und unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich leichte Tätigkeiten zu verrichten. Die Kammer stützte ihre Überzeugung auf die von Dr. H. erhobenen Befunde. Die Kammer habe sich dagegen der Leistungseinschätzung von Prof. Dr. Br. in zeitlicher Hinsicht nicht anschließen können. Die von Prof. Dr. Br. aus einer Gesamtschau aller Beschwerden abgeleitete zeitliche Einschränkung der Belastbarkeit der Klägerin sei nicht schlüssig. Die Kammer verkenne bei seiner Entscheidung nicht das schwierige Verhältnis der Klägerin zu ihrem Ehemann, mit dem sie nach eigenen Angaben zwangsverheiratet worden sei und von dem sie sich trennen wolle, dies wegen finanzieller Abhängigkeiten aber derzeit nicht könne. Eine Leistungsminderung quantitativer Art lasse sich damit jedoch nicht begründen. Auch die weiteren von der Klägerin angegebenen Gesundheitsstörungen wie das Asthma bronchiale und die Zervikobrachialgien rechtfertigten nicht die Annahme eines verminderten quantitativen Leistungsvermögens. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, weil sie nach dem 02.01.1961 geboren sei.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 03.11.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.11.2011 beim SG, am 28.11.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingegangen, Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe sich eingehend mit der Problematik befasst und sei dabei nicht den Gutachtern gefolgt, die ihre Leistungsminderung bestätigt hätten. Sie habe aber mit Hilfe der Gutachter Dr. O. und Professor Dr. Br. nachgewiesen, dass sie nicht in der Lage ist, den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes stand zu halten. Sie habe deshalb einen Anspruch auf eine befristete Rente. Dies sehe auch Prof. Dr. Br. so. Er führe in seinem Gutachten unter anderem aus, dass er es für ausgeschlossen erachte, dass sie sich wieder so erhole, dass sie arbeiten könne.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.08.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr bezogen auf ihren Antrag vom 24.06.2009 eine auf zwei Jahre befristete Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Klägerin hat einen an Dr. Sch. adressierten Bericht von Dr. Ro. vom 24.01.2012 sowie einen ebenfalls an Dr. Sch. adressierten Bericht von Dr. R. vom 25.01.2012 vorgelegt. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 23 und 24 der Senatsakte Bezug genommen. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirotherapie, Sportmedizin, Akupunktur Dr. Ro. hat in seinem Bericht ausgeführt, die Klägerin habe über Schmerzen im HWS-Bereich, ausstrahlend in beide Arme berichtet. Es lägen positive Impingementzeichen an beiden Schultern, rechts mehr als links, vor; die Rechtsrotation der HWS über C 5/6 sei mit 50 % eingeschränkt. Als Diagnosten teilt Dr. Ro. ein HWS-Syndrom, ein Impingement-Syndrom der Schulter rechts, eine Fibromyalgie sowie eine Depression mit. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. hat in diesem Bericht angegeben, die Klägerin leide an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und sei 2011 viermal in ihrer Praxis erschienen. Des Weiteren hat Dr. R. ausgeführt: "An Beschwerden: Nach wie vor Schmerzen, weswegen sie nicht arbeiten könne. Zur Lebenssituation berichtete die Patientin, dass ein massiver Ehekonflikt vorliegt, weswegen sie die Scheidung und Trennung möchte. Ihr Marin habe zu viele Schulden. Er habe das gemeinsame Geld an seine Eltern verschenkt und für diese noch Schulden aufgenommen. In dem Dönerladen, der ihr Mann in E. gehabt habe, habe sie nicht mitarbeiten können, da sie mit ihrem Mann nicht zurecht komme. Psychisch ist die Patientin eher niedergeschlagen, kann jedoch auch lächeln, ist affektiv schwingungsfähig und zeigte sich sehr energisch, wenn sie von ihrem Mann redete. Wut und Hass auf die Schwiegerfamilie und ihren Ehemann waren vorhanden, welches auch durch ihr regressives, passives und verweigerndes Verhalten zum Ausdruck kam, Ihre Arbeitsverweigerung wird durch ihren bisher ungelösten Ehekonflikt verständlich."

Die Beklagte hat über ihren ärztlichen Dienst mit Schriftsatz vom 124.02.2012 hierzu Stellung genommen.

Das SG hat mit Schreiben vom 20.04.2012 mitgeteilt, das Verfahren S 13 SB 8296/10 sei durch einen Vergleich über einen GdB von 40 ab dem 12.01.2010 beendet worden. Wegen des Inhalts des Vergleich wird auf Blatt 34 bis 37 der Senatsakten Bezug genommen.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet hält. Diese Verfahrensweise sei aufgrund des derzeitigen Sachstandes beabsichtigt. Hierzu hat sich die Klägerin nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss entscheiden, denn das SG hat durch Urteil entschieden und der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist im vorliegenden Fall nicht für erforderlich.

Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG statthaft und zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der die Gewährung einer Rente wegen voller und wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ablehnende Bescheid der Beklagten vom 13.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2010. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Er-werbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch 6 Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Die Klägerin ist nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen (dazu siehe unten), leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche (arbeitstäglich) zu verrichten; sie ist damit nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der aus dem Verwaltungsverfahren vorliegenden aber auch im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet bestehenden Erkrankungen (vgl dazu zB das in der Klage angegebene Asthma bronchiale bzw die Zervicobrachialgien sowie das von Dr. Ro. mitgeteilte HWS-Syndrom und das Impingement-Syndrom der Schulter rechts) zu keinen zeitlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit führen. Insoweit handelt es sich, worauf auch der medizinische Dienst der Beklagten zuletzt hingewiesen hatte, um leichte Erkrankungen, die allenfalls zu qualitativen Einschränkungen wie der Vermeidung von Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten führen. Entsprechend wurden diese Erkrankungen auch vom Versorgungsamt mit einem Teil-GdB von jeweils 10 berücksichtigt (vgl Blatt 37 der Senatsakte).

Gegenüber diesen Erkrankungen stehen die nervenärztlichen Erkrankungen der Klägerin im Vordergrund. Aber auch diese bedingen lediglich qualitative Leistungseinschränkungen, führen aber nicht zu einer zeitlichen Begrenzung der Leistungsfähigkeit.

Auf nervenärztlichem Gebiet leidet die Klägerin im Wesentlichen an einer depressiven Erkrankung sowie einer somatoformen Schmerzstörung. Diese Überzeugung des Senats beruht auf dem widerspruchsfreien und schlüssigen Gutachten von Dr. H ... Insoweit sieht sich der Senat durch die Auskunft der behandelnden Ärztin Dr. R. gegenüber dem SG aber auch ihrem im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht an Dr. Sch. bestätigt. Denn insoweit hat Dr. R. zunächst eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Angst und depressive Störung gemischt angegeben; zuletzt hat sie nur noch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mitgeteilt (Bericht vom 25.01.2012). Dieses Erkrankungsbild passt inhaltlich auch zu den von Dr. H. mitgeteilten Erkrankungen.

Dagegen konnte sich der Senat nicht vom Vorliegen der von Prof. Dr. Br. mitgeteilten Erkrankungen überzeugen. Dieser hatte als Gesundheitsstörungen der Klägerin auch eine schwere dissoziative Störung (Konversionsstörung) angegeben. Insofern weicht er von den übrigen ärztlichen Stellungnahmen ab. Jedoch konnte sich der Senat angesichts der von Dr. H. erhobenen Befunde nicht vom Vorliegen einer solchen Erkrankung überzeugen. Insoweit hat Prof. Dr. Br. selbst ausgeführt (Seite 22 seines Gutachtens), dass er bei der Klägerin, auch wenn diese auf die Schmerzzustände psychisch-emotional fixiert sei, keine Hinweise auf Wahrnehmungsstörungen, auf Störungen der Ich-Funktion, auf Störungen der Gedankengänge oder besondere Auffälligkeiten der Gedankeninhalte gefunden habe. Auch kognitive Defizite konnte er nicht feststellen (Seite 23 seines Gutachtens). Lediglich eine Einengung der affektiven Stimmungsbreite und eine deutliche Reduktion des Antriebes sowie eine unkritische Selbsteinschätzung hat Prof. Dr. Br. feststellen können. Damit weicht er bei seinen Befunden nicht wesentlich von denjenigen von Dr. H. und Dr. R. ab. Im Übrigen hat auch Prof. Dr. Br. bestätigt, dass man bei der Klägerin "von einem massiven sekundären Krankheitsgewinn auszugehen hat."

Mit den dargestellten Erkrankungen kann die Klägerin nach Überzeugung des Senats und in Übereinstimmung mit dem schlüssigen Gutachten Dr. H. noch an fünf Tagen pro Woche leichte Tätigkeiten täglich mindestens sechs Stunden verrichten. Die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen führen weder für sich noch in der Zusammenschau zu einer rentenrelevanten quantitativen Einschränkung der Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Insoweit konnte Dr. H. schlüssig darlegen, dass aus den dargestellten Gesundheitsstörungen keine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden arbeitstäglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt folgt. Seiner schlüssigen Einschätzung schließt sich der Senat an. Dabei sieht sich der Senat durch den Bericht von Dr. R. vom 25.01.2012 bestätigt, die die Arbeitsverweigerung der Klägerin nicht auf eine Gesundheitsstörung zurückführt, sondern vielmehr als ein Handlungsmittel im Ehekonflikt der Klägerin versteht. Insoweit ist auch der Beklagten zuzustimmen, als deren ärztlicher Dienst zuletzt ausgeführt hat, anhand des psychopathologischen Befundes sei insgesamt eine gute affektive Schwingungsfähigkeit und Fähigkeit zu sehr energischem Auftreten dokumentiert in Verbindung mit passiv verweigerndem Verhalten gegenüber ihrem Ehemann. Diese Aussage spreche für sich und lasse eher eine Unzufriedenheit sowie erhebliche erlebnisreaktive Anteile erkennen, als dass hieraus eine tiefergehende depressive Verstimmung abgeleitet werden könne. Eine zeitlich rentenrechtlich relevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt konnte der Senat daher nicht feststellen. Vielmehr bedingen diese Erkrankungen lediglich qualitative Einschränkungen.

Aufgrund der bestehenden psychischen Erkrankungen ist eine Überforderung der Klägerin durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck zu vermeiden. Auch besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie eine besonders hohe Verantwortung und eine besonders hohe geistige Beanspruchung ist zu vermeiden. Insoweit sind der Klägerin Tätigkeiten mit einer das normale Maß deutlich übersteigenden Verantwortung oder mit einer das normale Maß deutlich übersteigenden geistigen Beanspruchung nicht mehr zuzumuten. Diese von Dr. H. benannten und aus den vorliegenden Erkrankungen schlüssig abgeleiteten Einschränkungen bei der Ausübung leichter Tätigkeiten konnte auch der Senat feststellen. Darüber hinaus hat die Beklagte aufgrund der somatoformen Störung zusätzlich Tätigkeiten unter Zeitdruck, mit besonderer Anforderung an das Konzentrationsvermögen sowie Nachtschicht ausgeschlossen. Auch dem schließt sich der Senat an. Des Weiteren sind wegen der orthopädischen Erkrankungen Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten zu vermeiden.

Diese bei der Klägerin bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass diese noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus ihnen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG, 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Die Klägerin ist dabei auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies konnte Dr. H. bestätigen.

Die Klägerin ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung und seither durchgehend. Auch wenn Dr. O. eine geminderte Erwerbsfähigkeit angenommen hatte, haben Dr. H. aber auch Prof. Dr. Br. ausgeführt, dass es während des Rentenverfahrens - also auch bei einem Vergleich vor und nach Durchführung der stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in St B. - keine wesentliche Veränderung der Leistungsfähigkeit der Klägerin gegeben hatte. Damit konnte sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass die Klägerin zumindest bis zur Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme erwerbsgemindert gewesen wäre.

Mit diesem Leistungsvermögen war die Klägerin sowohl vor als auch nach der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2009 in St B. nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI) und sie ist es auch derzeit nicht; sie hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung. Damit kommt auch die Gewährung einer zeitlich befristeten Rente wegen Erwerbsminderung nicht in Betracht.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI), da sie nach dem 02.01.1961 geboren ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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