L 10 R 5430/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 4096/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5430/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.11.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger war nach einer Ausbildung zum Kraftfahrzeugschlosser als Kraftfahrer, Hüttenwerker, Lagerist, Brigadier und zuletzt bis zu seiner Kündigung im Juni 2004 als Staplerfahrer im Obsthandel beschäftigt. Seither übt er keine versicherungspflichtige Tätigkeit mehr aus. Seine Ehefrau geht einer Teilzeittätigkeit als Bäckereiverkäuferin nach. Sein im Jahr 1975 geborener Sohn verstarb im Januar 2010 an den Folgen eines Gehirntumors. Er wurde die letzten zehn Jahre seines Lebens von der Familie versorgt (Angaben des Klägers bei Prof. Dr. B., Bl. 126 SG-Akte). Die erwachsene Tochter ist gesund und wirtschaftlich unabhängig.

Seit August 2006 steht der Kläger in Behandlung bei der Ärztin für Nervenheilkunde Dr. O ... Diese veranlasste eine Psychotherapie bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Pf., die zunächst wöchentlich, später in größeren Abständen erfolgte und im Laufe des Jahres 2010 eingestellt wurde (Angabe des Klägers gegenüber Prof. Dr. B, Bl. 124 SG-Akte). Die Behandlung bei Dr. Pf. erfolgte im Hinblick auf eine seit früher Jugendzeit bestehende gemischte Angsterkrankung (sachverständige Zeugenaussage Dr. Pf., Bl. 19 SG-Akte).

Im Frühjahr 2007 gewährte die Beklagte dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Ziegelfeld-Klinik (konservative Orthopädie und Verhaltensmedizin) St. B ... Im Entlassungsbericht ging Dr. W. davon aus, dass der Kläger trotz eines chronischen Rückenschmerz-Syndroms, einer Agoraphobie mit Panikstörung und einer mittelgradigen depressiven Episode Tätigkeiten als Lager- bzw. Transportarbeiter sowie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.

Den Rentenantrag des Klägers vom April 2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2008 ab. Gestützt auf die von ihr eingeholten Gutachten des Internisten Dr. St. sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. H. ging sie davon aus, dass der Kläger mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne besonderen Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), ohne Nachtschicht und unter Vermeidung besonderer phobischer Situationen am Arbeitsplatz, wie z.B. Eingeengt-Sein oder fehlende erkennbare Fluchtwege, mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Dem stünden die vom Kläger angegebenen Phobien und die angegebene Panik, ein Verdacht auf eine Anpassungsstörung bzw. differenzialdiagnostisch eine Dysthymie, eine Somatisierung mit Angabe von Spannungskopfschmerzen und somatoformen Schmerzen, rezidivierende Rückenschmerzen bei leichter Fehlhaltung der Wirbelsäule, eine Kniegelenksbinnenschädigung beidseits und eine beginnende Kniegelenksarthrose links sowie eine arterielle Hypertonie nicht entgegen. Gegenüber den Gutachtern hatte der Kläger u.a. angegeben, in der Freizeit mit einem Hund spazieren zu gehen, Walking zu betreiben, mit Ausnahme von Einkäufen den Haushalt zu verrichten, seine Eltern und seine an Brustkrebs erkrankte Schwester in den neuen Bundesländern zu besuchen, seinem Sohn zu helfen und schon seit Jugendzeit unter Höhenangst zu leiden.

Deswegen hat der Kläger am 15.12.2008 beim Sozialgericht Heilbronn Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Dr. Pf., den Allgemeinmedizinder Dr. G., den Orthopäden Dr. N. und Dr. O. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. Pf. hat mitgeteilt, der Kläger habe sich im Hinblick auf seine Angsterkrankung seit früher Jugendzeit selbst beholfen, indem er spezifische Situationen gemieden habe. Seit der Arbeitslosigkeit sei er wie aus der Bahn geworfen. Ab diesem Zeitpunkt sei ihm eine Leistungsminderung erst langsam bewusst geworden. In der sachverständigen Zeugenaussage hat er leichte körperliche Arbeiten auf dem freien Arbeitsmarkt vier bis sechs Stunden für möglich erachtet und ist davon ausgegangen, dass es bei vollschichtigem Stress sicherlich rasch zu einer psychischen Dekompensation kommen würde. In einem vom Kläger nachgereichten Attest vom April 2010 hat Dr. Pf. ergänzt, wünschenswert sei ein beschützter Arbeitsplatz mit einer Erprobung im Umfang von drei bis vier Stunden. Dr. G. hat keine körperliche Behinderung gesehen und für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens das nervenfachärztliche Gebiet für maßgeblich angesehen. Dr. N. hat trotz eines von ihm diagnostizierten Brustwirbelsäulensyndroms, einer Gonalgie beider Kniegelenke sowie einer Arthrose am linken Handgelenk leichte Tätigkeiten vollschichtig für möglich erachtet. Hingegen hat Dr. O. den Kläger wegen seiner depressiven Erkrankung in Kombination mit Angstzuständen und Panikattacken nur noch in der Lage erachtet, einer Tätigkeit von drei Stunden täglich nachzugehen. In einem vom Kläger erstinstanzlich vorgelegten Befundbericht für einen Rehabilitationsantrag hat Dr. O. im März 2010 einen nach dem Tod des Sohnes erfolgten Aufbruch einer schweren depressiven Phase beschrieben. Ferner hat der Kläger einen Arztbrief des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S., in dem dieser eine Retropatellararthrose beidseitig sowie eine Facettenreizung im Lendenwirbelsäulenbereich diagnostiziert hat, vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die nervenärztlichen Gutachten von Dr. W. (Untersuchung am 10.05.2010) sowie - auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B (Untersuchung am 13.10.2010) eingeholt. Dr. W. hat eine gemischte Angsterkrankung mit Vermeidungsverhalten und mangelndem Veränderungswillen, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, geklagte Beschwerden seitens des Stütz- und Bewegungsapparates ohne neurologisches Defizit sowie eine Adipositas diagnostiziert und einen Verdacht auf einen schädlichen Gebrauch von Alkohol geäußert. Er hat nicht ausgeschlossen, dass die genannten Ängste überzeichnet dargestellt worden seien. Eine bewusste Aggravation oder Simulation habe nicht vorgelegen. Er hat den Kläger für in der Lage erachtet, eine leichte körperliche Tätigkeit, auch als Staplerfahrer oder Lagerarbeiter unter Beachtung einer eingeschränkten Stressbelastbarkeit, ohne höhere Verantwortung und ohne Publikumsverkehr mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Im Rahmen der Psychotherapie hätten familiäre Probleme und Sorgen, insbesondere mit der Tumorerkrankung des verstorbenen Sohnes im Vordergrund gestanden, die auch zu einer vorübergehenden mittelschweren oder gar schweren depressiven Episode geführt haben könnten, aber nicht dauerhaft leistungsmindernd gewesen seien. Dr. Pf. habe keine konsequente Psychotherapie, sondern eine begleitende und stützende Behandlung durchgeführt. Angesichts der von ihm angegebenen Besserung - "der Patient komme mit Höhen wieder besser zu Recht (Turmbesteigung), er könne wieder sicherer Auto fahren und angstfreier Einkaufen" - sei nicht nachvollziehbar, warum der Kläger leichte körperliche Arbeiten nur vier bis (unter) sechs Stunden verrichten können solle. Dr. O. beschreibe Befunde, die nicht bzw. in ihrem Ausmaß nicht mehr vorliegen würden.

Prof. Dr. B hat beim Kläger eine Agoraphobie (derzeit ohne Panikstörung), eine leichte bis mittelgradige depressive Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine arterielle Hypertonie, eine Adipositas und eine leichte Hörminderung beidseits diagnostiziert und ihn unter Betonung der Multimorbidität nur noch für in der Lage erachtet, drei Stunden täglich einer Tätigkeit nachzugehen. Ihm gegenüber hat der Kläger davon berichtet, der Tod seines Sohnes belaste ihn noch auf das Äußerste. Er bewältige in vier bis fünf Stunden täglich mit Pausen den Haushalt, unternehme in seiner Freizeit Spaziergänge, lese gerne und kümmere sich um ein Aquarium. Zuletzt seien sie im Jahr 2009 eine Woche im Urlaub in Thüringen gewesen. Er fahre nur noch sehr selten. Nach wie vor habe er Schmerzen in den Gelenken, seelische Probleme und Ängste. Stimmungsmäßig gehe es ihm etwas besser.

Die Fachärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. Pfi. hat für den Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten u.a. zu den eingeholten Gutachten Stellung genommen. Sie hat das Gutachten von Prof. Dr. B für keineswegs nachvollziehbar erachtet. Wenn das Leistungsvermögen aufgehoben sein sollte, sei erstaunlich, dass keine Psychotherapie mehr erforderlich sei. Dem Gutachten seien durchaus Tätigkeiten zu entnehmen, die bei schwerwiegender kritischer Erkrankung eher nicht stattfinden würden, z.B. verschiedene Hobbys und Haushaltsarbeiten. Der Kläger wisse seinen Tagesablauf zu strukturieren und habe soziale Kontakte. Die von Prof. Dr. B angeführten Diagnosen zeigten keinen schweren Ausprägungsgrad und seien einer Therapie gut zugänglich.

Mit Urteil vom 03.11.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nach seinem beruflichen Werdegang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, dort könne er einer leichten Tätigkeit ohne besondere Stressbelastung, höhere Verantwortung und ohne Publikumsverkehr nachgehen. Er könne auch noch seine letzte Tätigkeit als Staplerfahrer ausüben. Das Sozialgericht hat sich den Ausführungen von Dr. W. hinsichtlich der beim Kläger vorliegenden Diagnosen und des Leistungsvermögens angeschlossen und darauf hingewiesen, dass sich aus den Schilderungen des Klägers ein strukturierter Tagesablauf mit verschiedenen Verrichtungen ergebe. Der Kläger habe sich zwar zurückgezogen, sei aber noch in der Lage, am allgemeinen täglichen Leben teilzunehmen. Das Gutachten von Prof. Dr. B hat das Sozialgericht nicht für schlüssig erachtet und hierzu auf die Ausführungen von Dr. Pfi. Bezug genommen. Prof. Dr. B habe selbst mitgeteilt, dass Panikattacken derzeit nicht mehr aufgetreten seien. Eine "sehr wesentliche" Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei anhand der von ihm gestellten Diagnosen nicht nachvollziehbar.

Gegen das ihm am 11.11.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.12.2011 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er habe erhebliche Probleme mit der Wirbelsäule, den Knien und seiner Hypertonie. Er leide - auch in Folge des Todes seines Sohnes - an einer schwergradigen depressiven Episode, an einer Anpassungsstörung sowie Angst- und Panikstörung und habe sich völlig aus dem alltäglichen Leben zurückgezogen. Er gehe nicht mehr aus dem Haus und könne nur noch mit seiner Frau einkaufen und zu den Ärzten gehen. Er habe keine sozialen Kontakte mehr. Prof. Dr. B habe sein Leistungsvermögen zutreffend eingeschätzt.

Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.11.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2008 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die getroffene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Dies hat das Sozialgericht in dem angefochtene Urteil unter Nennung der zutreffenden Rechtsgrundlagen (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) unter überzeugender Würdigung des Gutachten von Dr. W. und Prof. Dr. B, Berücksichtigung der Stellungnahme von Dr. Pfi. sowie Auseinandersetzung mit der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. O. ausführlich dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese Ausführungen Bezug und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Zum Berufungsvorbringen des Klägers ist zu ergänzen:

Auf der Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen ist nicht in Frage zu stellen, dass der Kläger an wiederkehrenden Beschwerden an der Wirbelsäule und den Knien leidet, wie sie u.a. von Dr. N. im Rahmen seiner sachverständigen Zeugenaussage und in dem vom Kläger vorgelegten Arztbrief von Dr. S. beschrieben worden sind. Es sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass diese Beschwerden einer leichten vollschichtigen Tätigkeit entgegen stehen. Ob insoweit Bedenken gegen eine Tätigkeit als Staplerfahrer angezeigt sind, kann angesichts der Verweisbarkeit des Klägers auf den allgemeinen Arbeitsmarkt dahingestellt bleiben. Jedenfalls den allgemeinen Arbeitsmarkt betreffend hat Dr. N. eine leichte vollschichtige Tätigkeit ausdrücklich für möglich erachtet. Dr. G. hat als behandelnder Allgemeinmediziner in Übereinstimmung damit klargestellt, dass die körperlichen Beschwerden für die Beurteilung des rentenrelevanten Leistungsvermögens nicht maßgeblich sind. So sah es auch Dr. W. nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2007.

Soweit Prof. Dr. B eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und diese als maßgeblich für eine rentenrelevante Leistungsminderung angesehen hat, kann dies der Senat - wie das Sozialgericht und Dr. Pfi. - nicht nachvollziehen. Zwar hat der Kläger im Rahmen der von Prof. Dr. B durchgeführten Untersuchung über Schmerzen in den Schultergelenken bei der Rotation der Arme geklagt. Die Rotation an sich hat sich Prof. Dr. B jedoch als frei gezeigt. Im Bereich des Rückens hat Prof. Dr. B ebenfalls eine nahezu freie Beweglichkeit festgestellt. Sowohl im Rücken- als auch im Nackenbereich hat er nur mäßige Muskelverspannungen beschrieben. Im Übrigen hat Prof. Dr. B dargestellt, dass der Kläger ungestört gehen konnte, sich selbstständig rasch an- und auskleidete und sich völlig ungehindert auf die Liege legte und wieder aufrichtete. Diese Befunde und der vom Kläger gegenüber Dr. W. und Prof. Dr. B geschilderte Tagesverlauf, der u.a. von Fahrradfahrten von fünf bis sechs Kilometer, zwei Mal täglichen Spaziergängen mit einem Hund von knapp einer Stunde und Verrichtungen im Haushalt geprägt ist, sprechen gegen ein durch orthopädische Beschwerden oder durch eine somatoforme Schmerzstörung rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen.

Auch der vom Kläger und von Prof. Dr. B angesprochenen Hypertonie vermag der Senat keine Rentenrelevanz beizumessen. Soweit Prof. Dr. B wegen der Hypertonie einen "erheblichen Risikofaktor" gesehen hat, ist nicht nachvollziehbar, wie sich hieraus eine zeitliche Leistungseinschränkung herleiten lassen sollte. Wie bereits ausgeführt, hat Dr. G. als behandelnder Hausarzt den körperlichen Beschwerden vielmehr gerade keine Bedeutung für die berufliche Leistungsfähigkeit beigemessen.

Soweit der Kläger zur Begründung der Berufung vorträgt, er leide unter einer schwergradigen depressiven Episode, ist dem entgegen zu halten, dass selbst Prof. Dr. B in seinem, nach dem Tod des Sohnes des Klägers erstellten, für den Kläger günstigen Gutachten nur eine leicht- bis mittelgradige depressive Episode diagnostiziert hat. Auch Dr. W. hat das Gutachten nach dem Tod des Sohnes des Klägers erstellt und hier insoweit keine Anhaltspunkte für eine dauerhafte rentenrelevante Leistungsminderung wegen einer schweren depressiven Störung gesehen. Dafür spricht auch, dass der Kläger zuletzt gegenüber Prof. Dr. B berichtet hat, dass es ihm stimmungsmäßig besser geht. Die von Dr. O. im März 2010, also im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Todesfall, beschriebene schwere depressive Episode war jedenfalls in diesem Ausmaß nicht von Dauer. Auch die vom Kläger genannte Anpassungsstörung hat Prof. Dr. B nicht als eigenständige Diagnose genannt.

Hinsichtlich der vom Kläger betonten Angst- und Panikstörung teilt der Senat - wie bereits dargestellt - die auf die Ausführungen von Dr. W. gestützte Auffassung des Sozialgerichts. Danach ist eine Tätigkeit von mindestens sechs Stunden unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen (keine Stressbelastung, keine höhere Verantwortung, kein Publikumsverkehr) deswegen nicht ausgeschlossen. Dafür spricht auch, dass - so Prof. Dr. B - Panikattacken in der letzten Zeit beim Kläger nicht mehr aufgetreten sind. Im Übrigen geht der Senat auf der Grundlage der überzeugenden Darstellung von Dr. W. davon aus, dass der Kläger seine Ängste in gewisser Weise überzeichnet. Ansonsten wäre nicht nachvollziehbar, dass er trotz der nach eigenen Angaben gegenüber Dr. W. seit 20 Jahren bestehenden Höhenangst und der seit zehn bis 15 Jahren (lt. Dr. Pf. sogar schon seit früher Jugendzeit) im jetzigen Ausmaß bestehenden gemischten Angsterkrankung bis Juni 2004 - u.a. als Kraftfahrer und Staplerfahrer im Obsthandel - berufstätig war. Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger gegenüber Dr. H. im August 2008 noch angab, seine Frau täglich zur Arbeit zu fahren, was keinen Sinn machen würde, wenn er in den Zwischenzeiten nicht auch alleine mit dem Auto unterwegs wäre. Hinsichtlich der vom Kläger eingeräumten Fahrten in Begleitung seiner Ehefrau, die ihn zum Teil auch in seine Heimat nach Thüringen führen, ist nicht schlüssig, dass er vor jeder Brücke anhält und seine Frau das Steuer übernehmen lässt.

Die Behauptung des Klägers, sich völlig aus dem alltäglichen Leben zurückgezogen zu haben, nicht mehr aus dem Haus zu gehen, nur noch mit seiner Frau einkaufen und zum Arzt zu gehen und keine sozialen Kontakte mehr zu pflegen, lässt sich so anhand der vorliegenden Unterlagen nicht nachvollziehen. Gegenüber Prof. Dr. B hat der Kläger vielmehr angegeben, vier bis fünf Stunden (alltägliche) Haushaltsarbeiten zu erledigen, gerne zu lesen, ein Aquarium zu pflegen, häufig Spaziergänge zu unternehmen und selten Auto zu fahren. Dem Gutachten kann nicht entnommen werden, dass er auf den häufigen Spaziergängen und bei allen Autofahrten stets begleitet wird. Bei Dr. W. hat der Kläger angegeben, alleine mit dem Fahrrad fünf bis sechs Kilometer zu seiner Tochter zu fahren, um ihren Hund auszuführen. Eine Einschränkung seiner sozialen Kontaktfähigkeit hat sich Prof. Dr. B im Rahmen seiner Begutachtung gerade nicht gezeigt. Auch die Durchführung eines Urlaubes im Jahr 2009 in Thüringen widerlegt das Ausmaß der vom Kläger behaupteten sozialen Abkapselung. Auch dem gegenüber Dr. W. geäußerten Wunsch des Klägers, am liebsten in seine Heimat nach Bitterfeld zurückzuziehen, lässt sich ein Bedürfnis nach der Pflege (alter) sozialer Kontakte entnehmen.

Soweit der Kläger zur Begründung der Berufung die gutachtliche Auffassung von Prof. Dr. B zusammengefasst hat, kann der Senat - wie bereits ausgeführt - das von ihm gesehene Leistungsvermögen, so wie das Sozialgericht nicht mit dem von ihm beschriebenen psychischen Befund, der sich zum Teil als unauffällig, zum Teil jedenfalls nicht als schwer beeinträchtigt erwiesen hat, in Einklang bringen. Auch die von Prof. Dr. B durchgeführte orientierende orthopädische Untersuchung hat keinen Hinweis auf eine überragende Bedeutung eines Schmerzgeschehens ergeben (s.o.).

Soweit Prof. Dr. B das Gutachten von Dr. W. insoweit angegriffen hat, als letzterer von einem mangelnden Veränderungswillen des Klägers gesprochen hat und hierzu auf eine über lange Zeit erforderliche aufopfernde Pflege des Sohnes durch den Kläger und seine Ehefrau hingewiesen hat, verkennt der Senat nicht, dass diese Pflege, die in diesem Umfang aus den früheren Gutachten so nicht hervorgeht, möglicherweise der Aufnahme einer regelmäßigen Arbeitstätigkeit durch den Kläger entgegenstand. Daraus lässt sich jedoch kein Rentenanspruch herleiten. Vielmehr bestätigt der Umstand, dass diese Pflege über Jahre hinweg bewältigt worden ist, die gutachtlichen Auffassungen von Dr. St., Dr. H. und Dr. W. zur (beruflichen) Belastbarkeit des Klägers. Damit ist auch die Einschätzung von Dr. Pf., das Leistungsvermögen sei auf vier Stunden in einer beschützten Umgebung beschränkt, widerlegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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