Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2285/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5684/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.11.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.05.2001.
Der am 1947 geborene Kläger lebt seit dem Jahr 1980 in der Bundesrepublik Deutschland. In den Jahren 1992 bis 2000 war er wiederholt, zum Teil auch über mehrere Wochen, wegen verschiedener Erkrankungen wie beispielsweise Lumboischialgie, Kopfschmerzen, Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule (HWS), Bauchschmerzen, Schwindel, Unterleibsbeschwerden, Schlafstörungen arbeitsunfähig erkrankt (Vorerkrankungsverzeichnis der AOK S. Bl. 28 VA). Nach einem - hier nicht streitgegenständlichen - Arbeitsunfall im November 1993 (Sturz bei Reinigungsarbeiten) klagte der Kläger über Schmerzen in den Beinen und am linken Handrücken. Der Facharzt für Orthopädie B. konnte im Rahmen einer Begutachtung am 27.01.1994 keine objektivierbaren Unfallfolgen mehr feststellen und gelangte zu der Überzeugung, dass im Rahmen der Untersuchung eine Aggravation ganz im Vordergrund stand (Bl. 57 ff SG-Akte).
Am 17.05.2001 fiel der Kläger im Rahmen seiner im März 2001 aufgenommenen Tätigkeit als Gebäudereinigungshelfer eine Treppe herunter. Der sofort aufgesuchte Durchgangsarzt PD Dr. B. (Städtisches Krankenhaus K. ) stellte multiple Prellungen nach Treppensturz am Hinterkopf, der rechten Schulter und Beckenschaufel sowie an beiden Knien ohne Anhalt für Frakturen, Thorax- oder Abdominaltrauma oder Commotio fest. Eine Röntgenuntersuchung veranlasste er wegen Geringfügigkeit und klinischer Unauffälligkeit nicht. Die Wirbelsäule war nicht schmerzhaft. Bei der Nachuntersuchung am 11.06.2001 gab der Kläger Schmerzen im Bereich des Nackens, der unteren Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) an. Die zur weiteren Diagnostik von PD Dr. B. vorgeschlagene Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule lehnte er ab.
Der ursprünglich behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L. sah den Kläger ab dem 01.07.2001 wieder als arbeitsfähig an. Der Kläger hingegen machte weiterhin Beschwerden am Rücken, dem linken Kniegelenk, Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit, Vergesslichkeit, Angstzustände, Ohrgeräusche u.a. geltend und wurde über den 30.06.2001 hinaus nach Mitteilung der AOK wegen verschiedener Diagnosen - oberflächliche Verletzung nicht näher bezeichneter Körperregionen, multiple Prellungen, senile Gehirndegeneration, psychische Störung, Hirnfunktionsstörung, depressive Episode, nicht näher bezeichneter Spannungskopfschmerz - arbeitsunfähig geschrieben. Er begab sich u.a. in Behandlung des Psychiaters und Neurologen Dr. S. , der eine Schädelprellung ohne Anhalt für ein Schädel-Hirn-Trauma mit diversen psychosomatischen Folgeerscheinungen sowie eine depressiv-neurotische Entwicklung diagnostizierte und eine Gesprächstherapie sowie eine medikamentöse Behandlung durchführte. Ferner begab er sich in Behandlung des Orthopäden Dr. B. , der nach Durchführung eines CT der Wirbelsäule, eines MRT des Kniegelenks und einer craniellen Kernspintomografie davon ausging, dass sämtliche am Kniegelenk und an der Wirbelsäule erhobenen Befunde degenerative Veränderung darstellten, so dass ein Zusammenhang mit dem Unfallereignis wenig wahrscheinlich erscheine.
Mit Bescheid vom 06.02.2003 lehnte die Beklagte u.a. die Gewährung einer Verletztenrente ab. Sie stützte sich auf die unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachten von PD Dr. E. (Untersuchung 20.06.2002) und PD Dr. J. (Untersuchung 25.07.2003), sowie auf das neurologisch-psychiatrische Zusammenhangsgutachten von Dr. H. (Untersuchung am 25.07.2003). PD Dr. E. und PD Dr. J. gingen übereinstimmend davon aus, dass die noch dargestellten Beschwerden auf anlagebedingte degenerative Veränderungen zurückzuführen seien und verwiesen u.a. auf die Vorfehlzeiten sowie auf die bildgebenden Befunde, die keine Hinweise auf Verletzungen gezeigt hätten. Dr. H. konnte keine objektivierbaren neurologischen Befunde erheben. Er erlebte den Kläger klagsam, beschwerdefixiert, die Stimmungslage verhalten bis subdepressiv sowie in der Schwingungsfähigkeit etwas eingeschränkt. Bei einem deutlichen Gegenspannen bei der Prüfung der Beweglichkeit der HWS und insgesamt mäßiger Kooperation konnte er Aggravationstendenzen nicht ausschließen. Zur Zusammenhangsfrage führte er aus, der Unfall sei nicht geeignet gewesen, psychische Unfallfolgen hervorzurufen. Die Häufigkeit und die Dauer sowie die Vielzahl der betroffenen Organsysteme ließen an eine unfallunabhängige Somatisierungsstörung denken, die durch eine lange und komplizierte Patientenkarriere gekennzeichnet sei. Gegenüber den Gutachtern hatte der Kläger angeben, vor dem Unfall nie in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein bzw. früher nie ernsthaft erkrankt gewesen zu sein.
Die auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Verletztenrente vom Kläger beim Sozialgericht K. (S 5 U 8/04) erhobene Klage blieb erfolglos. Das Sozialgericht berücksichtigte in seiner Entscheidung noch das nach Aktenlage erstellte Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. H ... Dieser führte aus, der Unfall habe lediglich zu einer Schädel- und weiteren Körperprellung geführt. Eine zerebrale Beteiligung sei nach den Initialbefunden auszuschließen, ebenso eine periphere Nervenstörung. Wie Dr. H. schloss er aus, dass der Unfall geeignet gewesen sei, eine seelische Fehlverarbeitung zu bewirken, zumal der Kläger nach den Angaben der AOK schon früher Traumata erlitten haben müsse und es sich bei dem Treppensturz nicht um eine einschneidende Unfallsituation gehandelt habe. Der Unfall sei als austauschbare Gelegenheitsursache einzuschätzen und stelle keine wesentliche Bedingung dar.
Die vom Kläger beim schleswig-holsteinischen Landessozialgericht eingelegte Berufung (L 8 U 35/06) wurde mit Urteil vom 21.03.2007 zurückgewiesen. Das Landessozialgericht vertrat die Auffassung, die Gesundheitsstörungen des Klägers, die über den 30.06.2001 fortbestanden hätten, seien nicht mit Wahrscheinlichkeit durch den Arbeitsunfall vom 17.05.2001 verursacht. Die Störungen des Stütz- und Bewegungsapparates fänden ihre organische Erklärung in degenerativen Veränderung der gesamten Wirbelsäule sowie beider Kniegelenke. Das Landessozialgericht stützte sich insoweit auf das übereinstimmende Ergebnis der Begutachtungen durch PD Dr. E. und PD Dr. J. (in den Entscheidungsgründen werden die mitunterzeichnenden Ärzte Dr. G. und Dr. G. genannt). Auch aus dem Vorerkrankungsverzeichnis gingen von Juli 1992 bis November 2000 vielfache Behandlungen wegen Rückenschmerzen und auch solche wegen Kniebeschwerden sowie teilweise recht lange Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Rückenbeschwerden hervor. Nach den Gutachten von Dr. H. und Prof. Dr. H. seien durch den Unfall auch Nerven- oder Hirnschädigungen nicht verursacht worden. Ebenso wenig seien die Gesundheitsstörungen, die Dr. S. diagnostiziert habe, mit Wahrscheinlichkeit im Sinne einer psychischen Verursachung auf den Unfall zurückzuführen. Der Senat ließ es dahinstehen, ob der diagnostischen Beschreibung von Dr. S. überhaupt ein Unfallzusammenhang zu entnehmen sei oder ob er lediglich eine zeitliche Folge beschrieben habe. Der Senat ließ weiter dahingestellt, ob die Beschwerdeschilderungen des Klägers gegenüber Dr. S. , die ähnlich auch bei der Begutachtung durch Dr. H. wiederholt worden seien, nicht durch verfahrensbezogene Verdeutlichungstendenzen geprägt gewesen seien. Denn auch wenn letzteres ausgeschlossen werde, kämen weder das Unfallereignis selbst, noch die dadurch aufgetretenen Gesundheitserstschäden als wesentliche oder auch nur wesentlich mitwirkende Ursachen für die von Dr. S. diagnostizierten psychischen bzw. psychosomatischen Gesundheitsstörungen in Betracht. Dies habe Prof. Dr. H. überzeugend dargelegt. Ein Sturz auf einer Treppe, deren Länge die eigene Körpergröße nicht einmal über das Doppelte überschritten habe, mit nur oberflächlichen Prellungen und Hautabschürfungen sei nicht geeignet, längerfristig andauernde krankhafte seelische Störungen zu verursachen. Weit eher komme dem, durch vielfältige wechselnde körperliche Symptome und häufige Arztbesuche gekennzeichneten Verlauf des Krankheitsgeschehen, für welches sich durchaus organische anlagebedingte Ursachen fänden, für die seelische Befindlichkeitsstörung eine ursächliche Bedeutung zu. Den in Anbetracht des Akteninhalts erstaunlichen Angaben des Klägers, vor dem Unfall nie in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein, nie ernstlich krank gewesen zu sein und alle seine Schmerzen erst seit dem Unfall zu haben, ließen ein subjektives Bedürfnis des Klägers, seine Beschwerden in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfall zu erklären, erkennen.
Im Februar 2009 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag. Er verwies auf ein Attest der Allgemeinmediziner Dres. B. vom 24.11.2008, die angesichts einer vorbestehenden Beschwerdefreiheit bzw. einer Verschlechterung nach dem Sturz von einem posttraumatischen Kopfschmerzsyndrom kombiniert mit einer sekundären gemischten Angststörung ausgingen. Trotz der festgestellten degenerativen Veränderungen sei es möglich, dass der Unfall Schmerzzustände getriggert habe und als kausales Ereignis anzusehen sei. Ferner legte der Kläger ein Attest des Orthopäden Dr. B. vom 12.12.2008 vor, der es wegen einer Beschwerdefreiheit bis zum Unfallereignis für naheliegend erachtete, dass der Sturz Schmerzauslöser gewesen sei. Ferner machte der Kläger geltend, die Beklagte habe mit Tricks und ungültigen Unterlagen gearbeitet. Aus dem Gutachten von Dr. B. ergebe sich, dass er vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei.
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2009 ab. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der nach dem Urteil des schleswig-holsteinischen Landessozialgerichts bestandkräftig gewordenen Entscheidung (Bescheid vom 06.12.2003) ergeben.
Deswegen hat der Kläger am 01.07.2009 beim Sozialgericht Heilbronn Klage erhoben. Er hat u.a. vorgetragen, sechs Meter eine Treppe mit harten Betonkanten heruntergefallen zu sein. Bei der erstmaligen ärztlichen Untersuchung seien wegen Personalmangel keine Röntgenbilder erstellt worden. Er hat weitere Atteste, u.a. das Attest der Dres. B. vom 12.12.2007 vorgelegt, in dem diese im Zusammenhang mit der Schilderung des Gangbildes des Klägers ausführten, da es sich hauptsächlich um degenerative Beschwerden handle, sei mit einem chronisch progredienten Verlauf zu rechnen. Ferner hat der Kläger das Attest des Dr. B. vom 25.04.2010 vorgelegt, in dem dieser einen Bandscheibenvorfall (NPP) und Spondylarthrose im Bereich L5/S1 bei Zustand nach Treppensturz vom 17.05.2001 diagnostizierte und darauf hinwies, im MRT des linken Kniegelenkes vom 19.11.2001 sei ein möglicherweise posttraumatischer geringer Gelenkerguss sowie ein Ödem im Verlauf des vorderen Kreuzbandes festgestellt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.11.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Rücknahme des Bescheides vom 06.02.2003 sowie die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt. Sie habe weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Dem Kläger stehe keine Verletztenrente zu. Bei den über den 30.06.2001 hinaus bestehenden Gesundheitsbeschwerden handele es sich um unfallunabhängige Erkrankungen. Das Sozialgericht hat sich auf die eingeholten Gutachten gestützt. Die Ausführungen von Dr. B. vom 25.04.2010 überzeugten hingegen nicht. Dessen Einschätzung basiere ausschließlich auf den anamnestischen Angaben des Klägers. Er setzte sich weder mit dem zeitnah nach dem Unfall erhobenen Befunden noch mit den Vorgutachten auseinander.
Gegen den ihm am 24.11.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.12.2010 Berufung eingelegt. Er hält an seinem bisherigen Begehren fest.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.11.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 zu verurteilen, den Bescheid vom 06.02.2003 zurückzunehmen und ihm Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalles vom 17.05.2001 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 von Hundert (v.H.) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zur Recht abgewiesen. Denn soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2009 die Rücknahme des Bescheides vom 06.02.2003 und die Gewährung einer Verletztenrente ablehnte, verletzt dies den Kläger nicht in seinen Rechten. Wie schon das Sozialgericht K. , das schleswig-holsteinische Landessozialgericht und aktuell das Sozialgericht Heilbronn ist der Senat davon überzeugt, dass dem Kläger keine Verletztenrente auf Grund des streitgegenständlichen Arbeitsunfalles zusteht. Die ursprüngliche Rentenablehnung war rechtmäßig.
Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - und § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII) genannt und ausreichend dargestellt. Der Senat nimmt darauf Bezug.
Diese Voraussetzungen für eine Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 06.02.2003 über die Ablehnung von Verletztenrente liegen nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Der Sturz am 17.05.2001 hinterließ keine, einen Anspruch auf Verletztenrente begründenden dauerhaften Unfallfolgen.
Der Senat schließt sich zunächst nach eigener Prüfung in vollem Umfang der Auffassung des schleswig-holsteinischen Landessozialgericht im Urteil vom 21.03.2007 an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen Ausführungen Bezug.
Den von dem Kläger vorgelegten Attesten sowie den weiteren Ausführungen des Klägers kann der Senat nichts entnehmen, was die Richtigkeit der Entscheidung des schleswig-holsteinischen Landessozialgerichts und damit auch die Richtigkeit der Entscheidungen der Beklagten in Frage stellen würde.
Die Atteste von Dr. B. vom 12.12.2008 und 25.04.2010 sind, soweit Dr. B. einen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall herstellt, nicht überzeugend. Dr. B. stützt seine Beurteilung im Wesentlichen auf die unzutreffende Angabe des Klägers, vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen zu sein. Dass dies tatsächlich nicht der Fall war, ergibt sich auch für den Senat klar aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK. Es trifft zwar zu, dass, wie von Dr. B. im Attest vom 25.04.2010 vermerkt, beim MRT des linken Kniegelenks im November 2001 ein geringer Gelenkerguss sowie ein Ödem im Verlaufes des vorderen Kreuzbandes als "möglicherweise posttraumatisch" angesehen wurde. Dieser Hinweis reicht indes nicht aus, um einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen dem Treppensturz und anhaltenden Kniegelenksbeschwerden wahrscheinlich zu machen. Dagegen spricht schon, dass es sich bei der Einordnung des Ergusses und des Ödems als "posttraumatisch" um eine reine Spekulation handelte ("möglicherweise"), die sogleich durch den Hinweis auf eine nicht vorliegende Ruptur der Ligamente in Frage gestellt wurde. Zu bedenken ist zudem, dass der MRT-Befund erst Monate nach dem hier streitgegenständlichen Ereignis erhoben wurde. Im Übrigen geht auch der Senat - wie schon alle Gerichte zuvor - gestützt auf die gutachtlichen Ausführungen von PD Dr. E. und PD Dr. J. von der überragenden Bedeutung der vorbestehenden degenerativen Veränderungen am Kniegelenk, die im MRT-Befund in Form einer Innen- und Außenmeniskushinterhorndegenerationen vom Grad II schließlich an erster Stelle genannt wurden, aus. Ergänzend ist anzumerken, dass Dr. B. nicht im Ansatz plausibel gemacht hat, wie die auch Jahre nach dem Ereignis behaupteten Beschwerden auf einen im Jahr 2001 beschriebenen Erguss und ein Ödem zurückzuführen sein sollen. Ebenfalls gänzlich ohne Begründung und daher genau so wenig überzeugend ist seine Beschreibung der Bandscheibenveränderungen im Bereich L5/S1 als "Zustand nach Arbeitsunfall". Es ist nicht ersichtlich, auf welche Erkenntnisse Dr. B. sich bei der Behauptung dieses Zusammenhangs stützt. Im Übrigen haben selbst Dres. B. in den Attesten vom 12.12.2007 und 24.11.2008 die Veränderungen im Bereich der LWS und der unteren Extremitäten als hauptsächlich degenerativ beschrieben. Soweit Dres. B. davon ausgegangen sind, dass der Unfall Schmerzzustände getriggert habe und deswegen als kausales Ereignis im Sinne einer Verschlechterung anzusehen sei, überzeugt dies den Senat gestützt auf die Gutachten von PD Dr. E. und PD Dr. J. ebenfalls nicht. Von einer wesentlichen Bedeutung kann hier schon angesichts der erheblichen Vorerkrankungszeiten nicht ausgegangen werden.
Soweit Dres. B. ein posttraumatisches Kopfschmerzsyndrom mit einer sekundär gemischten Angststörung diagnostiziert haben, decken sich die Diagnosen schon nicht mit den von Dr. S. zeitnah erhobenen Diagnosen. Im Übrigen hält der Senat in diesem Zusammenhang die Auffassung der Gutachter Dr. H. und Prof. Dr. H. , die auch in psychischer Hinsicht in dem Unfallereignis keine Erklärung für die vielfältigen Beschwerden des Klägers sahen bzw. dieses jedenfalls nicht für eine wesentliche Ursache dieser Beschwerden hielten, für überzeugend.
Ergänzend zu den Ausführungen des schleswig-holsteinischen Landessozialgerichts zu Verdeutlichungstendenzen und dem Bestreben des Klägers, sämtliche Beschwerden dem Unfall anzulasten, ist anzumerken, dass der Senat durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers hat. Sein Beschwerdevorbringen ist daher, soweit es sich nicht ganz eindeutig auf Grund organischer Gegebenheiten erklären lässt, in Frage zu stellen. Auch deswegen kann sich der Senat nicht von der Unrichtigkeit der bestandskräftig gewordenen Rentenablehnung überzeugen.
Wie bereits dargestellt und auch vom schleswig-holsteinischen Landessozialgericht erwähnt, fällt auf, dass der Kläger mehrmals bei Begutachtungen wahrheitswidrig angab, vor dem Unfall praktisch beschwerdefrei gewesen zu sein. Das Gegenteil lässt sich zweifelsfrei dem von der AOK vorgelegten Verzeichnis über vorbestehende Arbeitsunfähigkeiten entnehmen. Soweit der Kläger im Überprüfungsverfahren einschränkend behauptete, nach dem Unfall im Jahr 1993 beschwerdefrei gewesen zu sein, steht auch dies im klaren Widerspruch zu dem eben genannten Verzeichnis, das auch danach noch viele Arbeitsunfähigkeitszeiten aufweist.
Zutreffend ist, dass Dr. B. hinsichtlich der beim Sturz im Jahre 1993 erlittenen Handgelenksverstauchung wegen einer Simulation bzw. Aggravation von einer Beschwerdefreiheit bzw. geringeren Beschwerden ausging. Zum einen bezog sich diese Annahme jedoch auf den Zustand zum Zeitpunkt seiner Begutachtung im Jahr 1994. Sie erlaubt daher keine Rückschlüsse auf spätere Beschwerden, wie sie im Vorerkrankungsverzeichnis dokumentiert sind. Vor allem bestätigen aber gerade die Ausführungen von Dr. Buchholz, dass die Beschwerdeangaben des Klägers kritisch zu hinterfragen sind. Dass sich der Kläger im Nachhinein wegen einer Beschwerdefreiheit auf Dr. B. beruft, ist bemerkenswert und lässt sich letztlich als Eingeständnis werten, dass er ihm gegenüber tatsächlich nicht vorhandene Beschwerden bei der Begutachtung angab (u.a.: Vorführung einer allseitigen Schwäche im Bereich der linken Hand). Entsprechend sah es offensichtlich auch der behandelnde Arzt Dr. L. , der im Juni 2006 davon ausging, dass es lediglich am fehlenden Willen des Klägers lag, dass er die Arbeit damals nicht wieder aufnahm.
Auch das Vorbringen des Klägers, bei der Erstuntersuchung durch PD Dr. B. seien wegen Personalmangels Röntgenbilder nicht erstellt worden, trifft nicht zu. Nach dem Durchgangsarztbericht unterblieb die Erstellung von Röntgenbildern, da hierfür nach dem klinischen Befund wegen der Geringfügigkeit der Verletzungen keine Veranlassung bestand. Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Darstellung. Die gegenteilige Behauptung des Klägers ist insbesondere deswegen nicht glaubwürdig, da er - wie dem Nachschaubericht vom 11.06.2001 zu entnehmen ist - kurze Zeit darauf, obwohl PD Dr. B. nun wegen der fortdauernd behaupteten Beschwerden doch eine Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule durchführen wollte, eine solche ablehnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.05.2001.
Der am 1947 geborene Kläger lebt seit dem Jahr 1980 in der Bundesrepublik Deutschland. In den Jahren 1992 bis 2000 war er wiederholt, zum Teil auch über mehrere Wochen, wegen verschiedener Erkrankungen wie beispielsweise Lumboischialgie, Kopfschmerzen, Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule (HWS), Bauchschmerzen, Schwindel, Unterleibsbeschwerden, Schlafstörungen arbeitsunfähig erkrankt (Vorerkrankungsverzeichnis der AOK S. Bl. 28 VA). Nach einem - hier nicht streitgegenständlichen - Arbeitsunfall im November 1993 (Sturz bei Reinigungsarbeiten) klagte der Kläger über Schmerzen in den Beinen und am linken Handrücken. Der Facharzt für Orthopädie B. konnte im Rahmen einer Begutachtung am 27.01.1994 keine objektivierbaren Unfallfolgen mehr feststellen und gelangte zu der Überzeugung, dass im Rahmen der Untersuchung eine Aggravation ganz im Vordergrund stand (Bl. 57 ff SG-Akte).
Am 17.05.2001 fiel der Kläger im Rahmen seiner im März 2001 aufgenommenen Tätigkeit als Gebäudereinigungshelfer eine Treppe herunter. Der sofort aufgesuchte Durchgangsarzt PD Dr. B. (Städtisches Krankenhaus K. ) stellte multiple Prellungen nach Treppensturz am Hinterkopf, der rechten Schulter und Beckenschaufel sowie an beiden Knien ohne Anhalt für Frakturen, Thorax- oder Abdominaltrauma oder Commotio fest. Eine Röntgenuntersuchung veranlasste er wegen Geringfügigkeit und klinischer Unauffälligkeit nicht. Die Wirbelsäule war nicht schmerzhaft. Bei der Nachuntersuchung am 11.06.2001 gab der Kläger Schmerzen im Bereich des Nackens, der unteren Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) an. Die zur weiteren Diagnostik von PD Dr. B. vorgeschlagene Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule lehnte er ab.
Der ursprünglich behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L. sah den Kläger ab dem 01.07.2001 wieder als arbeitsfähig an. Der Kläger hingegen machte weiterhin Beschwerden am Rücken, dem linken Kniegelenk, Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit, Vergesslichkeit, Angstzustände, Ohrgeräusche u.a. geltend und wurde über den 30.06.2001 hinaus nach Mitteilung der AOK wegen verschiedener Diagnosen - oberflächliche Verletzung nicht näher bezeichneter Körperregionen, multiple Prellungen, senile Gehirndegeneration, psychische Störung, Hirnfunktionsstörung, depressive Episode, nicht näher bezeichneter Spannungskopfschmerz - arbeitsunfähig geschrieben. Er begab sich u.a. in Behandlung des Psychiaters und Neurologen Dr. S. , der eine Schädelprellung ohne Anhalt für ein Schädel-Hirn-Trauma mit diversen psychosomatischen Folgeerscheinungen sowie eine depressiv-neurotische Entwicklung diagnostizierte und eine Gesprächstherapie sowie eine medikamentöse Behandlung durchführte. Ferner begab er sich in Behandlung des Orthopäden Dr. B. , der nach Durchführung eines CT der Wirbelsäule, eines MRT des Kniegelenks und einer craniellen Kernspintomografie davon ausging, dass sämtliche am Kniegelenk und an der Wirbelsäule erhobenen Befunde degenerative Veränderung darstellten, so dass ein Zusammenhang mit dem Unfallereignis wenig wahrscheinlich erscheine.
Mit Bescheid vom 06.02.2003 lehnte die Beklagte u.a. die Gewährung einer Verletztenrente ab. Sie stützte sich auf die unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachten von PD Dr. E. (Untersuchung 20.06.2002) und PD Dr. J. (Untersuchung 25.07.2003), sowie auf das neurologisch-psychiatrische Zusammenhangsgutachten von Dr. H. (Untersuchung am 25.07.2003). PD Dr. E. und PD Dr. J. gingen übereinstimmend davon aus, dass die noch dargestellten Beschwerden auf anlagebedingte degenerative Veränderungen zurückzuführen seien und verwiesen u.a. auf die Vorfehlzeiten sowie auf die bildgebenden Befunde, die keine Hinweise auf Verletzungen gezeigt hätten. Dr. H. konnte keine objektivierbaren neurologischen Befunde erheben. Er erlebte den Kläger klagsam, beschwerdefixiert, die Stimmungslage verhalten bis subdepressiv sowie in der Schwingungsfähigkeit etwas eingeschränkt. Bei einem deutlichen Gegenspannen bei der Prüfung der Beweglichkeit der HWS und insgesamt mäßiger Kooperation konnte er Aggravationstendenzen nicht ausschließen. Zur Zusammenhangsfrage führte er aus, der Unfall sei nicht geeignet gewesen, psychische Unfallfolgen hervorzurufen. Die Häufigkeit und die Dauer sowie die Vielzahl der betroffenen Organsysteme ließen an eine unfallunabhängige Somatisierungsstörung denken, die durch eine lange und komplizierte Patientenkarriere gekennzeichnet sei. Gegenüber den Gutachtern hatte der Kläger angeben, vor dem Unfall nie in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein bzw. früher nie ernsthaft erkrankt gewesen zu sein.
Die auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Verletztenrente vom Kläger beim Sozialgericht K. (S 5 U 8/04) erhobene Klage blieb erfolglos. Das Sozialgericht berücksichtigte in seiner Entscheidung noch das nach Aktenlage erstellte Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. H ... Dieser führte aus, der Unfall habe lediglich zu einer Schädel- und weiteren Körperprellung geführt. Eine zerebrale Beteiligung sei nach den Initialbefunden auszuschließen, ebenso eine periphere Nervenstörung. Wie Dr. H. schloss er aus, dass der Unfall geeignet gewesen sei, eine seelische Fehlverarbeitung zu bewirken, zumal der Kläger nach den Angaben der AOK schon früher Traumata erlitten haben müsse und es sich bei dem Treppensturz nicht um eine einschneidende Unfallsituation gehandelt habe. Der Unfall sei als austauschbare Gelegenheitsursache einzuschätzen und stelle keine wesentliche Bedingung dar.
Die vom Kläger beim schleswig-holsteinischen Landessozialgericht eingelegte Berufung (L 8 U 35/06) wurde mit Urteil vom 21.03.2007 zurückgewiesen. Das Landessozialgericht vertrat die Auffassung, die Gesundheitsstörungen des Klägers, die über den 30.06.2001 fortbestanden hätten, seien nicht mit Wahrscheinlichkeit durch den Arbeitsunfall vom 17.05.2001 verursacht. Die Störungen des Stütz- und Bewegungsapparates fänden ihre organische Erklärung in degenerativen Veränderung der gesamten Wirbelsäule sowie beider Kniegelenke. Das Landessozialgericht stützte sich insoweit auf das übereinstimmende Ergebnis der Begutachtungen durch PD Dr. E. und PD Dr. J. (in den Entscheidungsgründen werden die mitunterzeichnenden Ärzte Dr. G. und Dr. G. genannt). Auch aus dem Vorerkrankungsverzeichnis gingen von Juli 1992 bis November 2000 vielfache Behandlungen wegen Rückenschmerzen und auch solche wegen Kniebeschwerden sowie teilweise recht lange Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Rückenbeschwerden hervor. Nach den Gutachten von Dr. H. und Prof. Dr. H. seien durch den Unfall auch Nerven- oder Hirnschädigungen nicht verursacht worden. Ebenso wenig seien die Gesundheitsstörungen, die Dr. S. diagnostiziert habe, mit Wahrscheinlichkeit im Sinne einer psychischen Verursachung auf den Unfall zurückzuführen. Der Senat ließ es dahinstehen, ob der diagnostischen Beschreibung von Dr. S. überhaupt ein Unfallzusammenhang zu entnehmen sei oder ob er lediglich eine zeitliche Folge beschrieben habe. Der Senat ließ weiter dahingestellt, ob die Beschwerdeschilderungen des Klägers gegenüber Dr. S. , die ähnlich auch bei der Begutachtung durch Dr. H. wiederholt worden seien, nicht durch verfahrensbezogene Verdeutlichungstendenzen geprägt gewesen seien. Denn auch wenn letzteres ausgeschlossen werde, kämen weder das Unfallereignis selbst, noch die dadurch aufgetretenen Gesundheitserstschäden als wesentliche oder auch nur wesentlich mitwirkende Ursachen für die von Dr. S. diagnostizierten psychischen bzw. psychosomatischen Gesundheitsstörungen in Betracht. Dies habe Prof. Dr. H. überzeugend dargelegt. Ein Sturz auf einer Treppe, deren Länge die eigene Körpergröße nicht einmal über das Doppelte überschritten habe, mit nur oberflächlichen Prellungen und Hautabschürfungen sei nicht geeignet, längerfristig andauernde krankhafte seelische Störungen zu verursachen. Weit eher komme dem, durch vielfältige wechselnde körperliche Symptome und häufige Arztbesuche gekennzeichneten Verlauf des Krankheitsgeschehen, für welches sich durchaus organische anlagebedingte Ursachen fänden, für die seelische Befindlichkeitsstörung eine ursächliche Bedeutung zu. Den in Anbetracht des Akteninhalts erstaunlichen Angaben des Klägers, vor dem Unfall nie in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein, nie ernstlich krank gewesen zu sein und alle seine Schmerzen erst seit dem Unfall zu haben, ließen ein subjektives Bedürfnis des Klägers, seine Beschwerden in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfall zu erklären, erkennen.
Im Februar 2009 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag. Er verwies auf ein Attest der Allgemeinmediziner Dres. B. vom 24.11.2008, die angesichts einer vorbestehenden Beschwerdefreiheit bzw. einer Verschlechterung nach dem Sturz von einem posttraumatischen Kopfschmerzsyndrom kombiniert mit einer sekundären gemischten Angststörung ausgingen. Trotz der festgestellten degenerativen Veränderungen sei es möglich, dass der Unfall Schmerzzustände getriggert habe und als kausales Ereignis anzusehen sei. Ferner legte der Kläger ein Attest des Orthopäden Dr. B. vom 12.12.2008 vor, der es wegen einer Beschwerdefreiheit bis zum Unfallereignis für naheliegend erachtete, dass der Sturz Schmerzauslöser gewesen sei. Ferner machte der Kläger geltend, die Beklagte habe mit Tricks und ungültigen Unterlagen gearbeitet. Aus dem Gutachten von Dr. B. ergebe sich, dass er vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei.
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2009 ab. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der nach dem Urteil des schleswig-holsteinischen Landessozialgerichts bestandkräftig gewordenen Entscheidung (Bescheid vom 06.12.2003) ergeben.
Deswegen hat der Kläger am 01.07.2009 beim Sozialgericht Heilbronn Klage erhoben. Er hat u.a. vorgetragen, sechs Meter eine Treppe mit harten Betonkanten heruntergefallen zu sein. Bei der erstmaligen ärztlichen Untersuchung seien wegen Personalmangel keine Röntgenbilder erstellt worden. Er hat weitere Atteste, u.a. das Attest der Dres. B. vom 12.12.2007 vorgelegt, in dem diese im Zusammenhang mit der Schilderung des Gangbildes des Klägers ausführten, da es sich hauptsächlich um degenerative Beschwerden handle, sei mit einem chronisch progredienten Verlauf zu rechnen. Ferner hat der Kläger das Attest des Dr. B. vom 25.04.2010 vorgelegt, in dem dieser einen Bandscheibenvorfall (NPP) und Spondylarthrose im Bereich L5/S1 bei Zustand nach Treppensturz vom 17.05.2001 diagnostizierte und darauf hinwies, im MRT des linken Kniegelenkes vom 19.11.2001 sei ein möglicherweise posttraumatischer geringer Gelenkerguss sowie ein Ödem im Verlauf des vorderen Kreuzbandes festgestellt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.11.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Rücknahme des Bescheides vom 06.02.2003 sowie die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt. Sie habe weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Dem Kläger stehe keine Verletztenrente zu. Bei den über den 30.06.2001 hinaus bestehenden Gesundheitsbeschwerden handele es sich um unfallunabhängige Erkrankungen. Das Sozialgericht hat sich auf die eingeholten Gutachten gestützt. Die Ausführungen von Dr. B. vom 25.04.2010 überzeugten hingegen nicht. Dessen Einschätzung basiere ausschließlich auf den anamnestischen Angaben des Klägers. Er setzte sich weder mit dem zeitnah nach dem Unfall erhobenen Befunden noch mit den Vorgutachten auseinander.
Gegen den ihm am 24.11.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.12.2010 Berufung eingelegt. Er hält an seinem bisherigen Begehren fest.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.11.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 zu verurteilen, den Bescheid vom 06.02.2003 zurückzunehmen und ihm Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalles vom 17.05.2001 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 von Hundert (v.H.) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zur Recht abgewiesen. Denn soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2009 die Rücknahme des Bescheides vom 06.02.2003 und die Gewährung einer Verletztenrente ablehnte, verletzt dies den Kläger nicht in seinen Rechten. Wie schon das Sozialgericht K. , das schleswig-holsteinische Landessozialgericht und aktuell das Sozialgericht Heilbronn ist der Senat davon überzeugt, dass dem Kläger keine Verletztenrente auf Grund des streitgegenständlichen Arbeitsunfalles zusteht. Die ursprüngliche Rentenablehnung war rechtmäßig.
Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - und § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII) genannt und ausreichend dargestellt. Der Senat nimmt darauf Bezug.
Diese Voraussetzungen für eine Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 06.02.2003 über die Ablehnung von Verletztenrente liegen nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Der Sturz am 17.05.2001 hinterließ keine, einen Anspruch auf Verletztenrente begründenden dauerhaften Unfallfolgen.
Der Senat schließt sich zunächst nach eigener Prüfung in vollem Umfang der Auffassung des schleswig-holsteinischen Landessozialgericht im Urteil vom 21.03.2007 an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen Ausführungen Bezug.
Den von dem Kläger vorgelegten Attesten sowie den weiteren Ausführungen des Klägers kann der Senat nichts entnehmen, was die Richtigkeit der Entscheidung des schleswig-holsteinischen Landessozialgerichts und damit auch die Richtigkeit der Entscheidungen der Beklagten in Frage stellen würde.
Die Atteste von Dr. B. vom 12.12.2008 und 25.04.2010 sind, soweit Dr. B. einen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall herstellt, nicht überzeugend. Dr. B. stützt seine Beurteilung im Wesentlichen auf die unzutreffende Angabe des Klägers, vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen zu sein. Dass dies tatsächlich nicht der Fall war, ergibt sich auch für den Senat klar aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK. Es trifft zwar zu, dass, wie von Dr. B. im Attest vom 25.04.2010 vermerkt, beim MRT des linken Kniegelenks im November 2001 ein geringer Gelenkerguss sowie ein Ödem im Verlaufes des vorderen Kreuzbandes als "möglicherweise posttraumatisch" angesehen wurde. Dieser Hinweis reicht indes nicht aus, um einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen dem Treppensturz und anhaltenden Kniegelenksbeschwerden wahrscheinlich zu machen. Dagegen spricht schon, dass es sich bei der Einordnung des Ergusses und des Ödems als "posttraumatisch" um eine reine Spekulation handelte ("möglicherweise"), die sogleich durch den Hinweis auf eine nicht vorliegende Ruptur der Ligamente in Frage gestellt wurde. Zu bedenken ist zudem, dass der MRT-Befund erst Monate nach dem hier streitgegenständlichen Ereignis erhoben wurde. Im Übrigen geht auch der Senat - wie schon alle Gerichte zuvor - gestützt auf die gutachtlichen Ausführungen von PD Dr. E. und PD Dr. J. von der überragenden Bedeutung der vorbestehenden degenerativen Veränderungen am Kniegelenk, die im MRT-Befund in Form einer Innen- und Außenmeniskushinterhorndegenerationen vom Grad II schließlich an erster Stelle genannt wurden, aus. Ergänzend ist anzumerken, dass Dr. B. nicht im Ansatz plausibel gemacht hat, wie die auch Jahre nach dem Ereignis behaupteten Beschwerden auf einen im Jahr 2001 beschriebenen Erguss und ein Ödem zurückzuführen sein sollen. Ebenfalls gänzlich ohne Begründung und daher genau so wenig überzeugend ist seine Beschreibung der Bandscheibenveränderungen im Bereich L5/S1 als "Zustand nach Arbeitsunfall". Es ist nicht ersichtlich, auf welche Erkenntnisse Dr. B. sich bei der Behauptung dieses Zusammenhangs stützt. Im Übrigen haben selbst Dres. B. in den Attesten vom 12.12.2007 und 24.11.2008 die Veränderungen im Bereich der LWS und der unteren Extremitäten als hauptsächlich degenerativ beschrieben. Soweit Dres. B. davon ausgegangen sind, dass der Unfall Schmerzzustände getriggert habe und deswegen als kausales Ereignis im Sinne einer Verschlechterung anzusehen sei, überzeugt dies den Senat gestützt auf die Gutachten von PD Dr. E. und PD Dr. J. ebenfalls nicht. Von einer wesentlichen Bedeutung kann hier schon angesichts der erheblichen Vorerkrankungszeiten nicht ausgegangen werden.
Soweit Dres. B. ein posttraumatisches Kopfschmerzsyndrom mit einer sekundär gemischten Angststörung diagnostiziert haben, decken sich die Diagnosen schon nicht mit den von Dr. S. zeitnah erhobenen Diagnosen. Im Übrigen hält der Senat in diesem Zusammenhang die Auffassung der Gutachter Dr. H. und Prof. Dr. H. , die auch in psychischer Hinsicht in dem Unfallereignis keine Erklärung für die vielfältigen Beschwerden des Klägers sahen bzw. dieses jedenfalls nicht für eine wesentliche Ursache dieser Beschwerden hielten, für überzeugend.
Ergänzend zu den Ausführungen des schleswig-holsteinischen Landessozialgerichts zu Verdeutlichungstendenzen und dem Bestreben des Klägers, sämtliche Beschwerden dem Unfall anzulasten, ist anzumerken, dass der Senat durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers hat. Sein Beschwerdevorbringen ist daher, soweit es sich nicht ganz eindeutig auf Grund organischer Gegebenheiten erklären lässt, in Frage zu stellen. Auch deswegen kann sich der Senat nicht von der Unrichtigkeit der bestandskräftig gewordenen Rentenablehnung überzeugen.
Wie bereits dargestellt und auch vom schleswig-holsteinischen Landessozialgericht erwähnt, fällt auf, dass der Kläger mehrmals bei Begutachtungen wahrheitswidrig angab, vor dem Unfall praktisch beschwerdefrei gewesen zu sein. Das Gegenteil lässt sich zweifelsfrei dem von der AOK vorgelegten Verzeichnis über vorbestehende Arbeitsunfähigkeiten entnehmen. Soweit der Kläger im Überprüfungsverfahren einschränkend behauptete, nach dem Unfall im Jahr 1993 beschwerdefrei gewesen zu sein, steht auch dies im klaren Widerspruch zu dem eben genannten Verzeichnis, das auch danach noch viele Arbeitsunfähigkeitszeiten aufweist.
Zutreffend ist, dass Dr. B. hinsichtlich der beim Sturz im Jahre 1993 erlittenen Handgelenksverstauchung wegen einer Simulation bzw. Aggravation von einer Beschwerdefreiheit bzw. geringeren Beschwerden ausging. Zum einen bezog sich diese Annahme jedoch auf den Zustand zum Zeitpunkt seiner Begutachtung im Jahr 1994. Sie erlaubt daher keine Rückschlüsse auf spätere Beschwerden, wie sie im Vorerkrankungsverzeichnis dokumentiert sind. Vor allem bestätigen aber gerade die Ausführungen von Dr. Buchholz, dass die Beschwerdeangaben des Klägers kritisch zu hinterfragen sind. Dass sich der Kläger im Nachhinein wegen einer Beschwerdefreiheit auf Dr. B. beruft, ist bemerkenswert und lässt sich letztlich als Eingeständnis werten, dass er ihm gegenüber tatsächlich nicht vorhandene Beschwerden bei der Begutachtung angab (u.a.: Vorführung einer allseitigen Schwäche im Bereich der linken Hand). Entsprechend sah es offensichtlich auch der behandelnde Arzt Dr. L. , der im Juni 2006 davon ausging, dass es lediglich am fehlenden Willen des Klägers lag, dass er die Arbeit damals nicht wieder aufnahm.
Auch das Vorbringen des Klägers, bei der Erstuntersuchung durch PD Dr. B. seien wegen Personalmangels Röntgenbilder nicht erstellt worden, trifft nicht zu. Nach dem Durchgangsarztbericht unterblieb die Erstellung von Röntgenbildern, da hierfür nach dem klinischen Befund wegen der Geringfügigkeit der Verletzungen keine Veranlassung bestand. Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Darstellung. Die gegenteilige Behauptung des Klägers ist insbesondere deswegen nicht glaubwürdig, da er - wie dem Nachschaubericht vom 11.06.2001 zu entnehmen ist - kurze Zeit darauf, obwohl PD Dr. B. nun wegen der fortdauernd behaupteten Beschwerden doch eine Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule durchführen wollte, eine solche ablehnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved