L 11 R 5956/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1500/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5956/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 06.08.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der am ...1947 geborene Kläger erlernte den Beruf des Landwirts. Im April 1971 legte er die Landwirtschaftsgehilfenprüfung ab. Er verrichtete im Anschluss verschiedene versicherungspflichtige Tätigkeiten, zuletzt in den Jahren 1976 und 1977 in einem Landschaftsgartenbaubetrieb. Nach Auskunft des Arbeitgebers handelte es sich um die Tätigkeit einer Hilfskraft. Auf Anweisung hatte er Gehölze einzuschlagen, zu pflanzen, abzusägen und Schnittgut einzusammeln. Ab 1977 war der Kläger als Landwirt tätig und zahlte seither bis 31.12.2006 durchgängig freiwillige Beiträge. Ab dem 01.07.2007 bezog der Kläger für die Dauer von ca einem Jahr eine Erwerbsminderungsrente von der Alterskasse der Landwirte. Die Beklagte gewährt ihm seit dem 01.01.2011 Altersrente für schwerbehinderte Menschen (bestandskräftiger Bescheid vom 15.02.2011).

Am 17.09.1999 beantragte der Kläger erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Als Grund gab der Kläger damals den Arbeitsunfall vom 15.10.1998 an. Dabei hatte sich der Kläger eine Lendenwirbelkörperfraktur zugezogen. Aufgrund dieses Arbeitsunfalls anerkannte die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft beim Kläger eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 vH. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13.01.2000 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 05.07.2000). Die vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) geführte Klage wurde mit Urteil vom 25.10.2002 abgewiesen (S 8 RJ 1731/00).

Am 07.02.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten (neben einer Altersrente) erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er den Arbeitsunfall vom 15.10.1998 an. Seit diesem Zeitpunkt sei er erwerbsgemindert. Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin begutachten. Dr. G., Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie und Sozialmedizin, stellte bei der Begutachtung des Klägers am 19.09.2008 folgende Diagnosen fest: chronisch rezidivierende Lumbalgie ohne wesentliche Funktionseinschränkung bei beklagter Bewegungs-/Belastungsschmerzhaftigkeit bei röntgenologisch-knöchern vollständig verheilter Lendenwirbelkörperfraktur, Klagen über ausgeprägten Muskelhartspann der gesamten Rückenmuskulatur bei muskulärer Dysbalance und Haltungsinsuffizienz, Cervicobrachialgie bds ohne Funktionseinschränkung bei beklagter Bewegungs-/Belastungsschmerzhaftigkeit der Schultergelenke bei röntgenologisch nahezu altersentsprechendem Befund der Halswirbelsäule und Schultergelenke beidseits. Als Landwirt könne der Kläger aufgrund der Gesundheitsstörungen nur noch im Umfang von unter drei Stunden arbeiten. Leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger dagegen täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Mit Bescheid vom 26.09.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Bei diesem Leistungsvermögen liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor.

Hiergegen legte der Kläger am 10.10.2008 Widerspruch ein. Unter Vorlage von Attesten ließ er zur Begründung vortragen, die Ausführungen des Gutachters seien nicht zutreffend. Zudem sei bislang nicht berücksichtigt worden, dass er auch aus nervenärztlicher Sicht erwerbsunfähig sei. Nach einer ergänzenden Stellungnahme des Gutachters Dr. G. wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2009 zurück. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Beurteilung durch den Sozialmedizinischen Dienst habe ergeben, dass der Kläger weiterhin in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufungsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da der Kläger aufgrund seiner zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit als Hilfskraft in einem Landschaftsgartenbaubetrieb den ungelernten Arbeitern zuzuordnen sei. Er könne daher auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Hiergegen hat der Kläger am 07.05.2009 beim SG Klage erhoben und beantragt, ihm ab dem 01.02.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Zur Begründung wird auf die Widerspruchsbegründung verwiesen. Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, die behandelnden Ärzte des Klägers seien anderer Auffassung als der Gutachter der Beklagten.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung von sachverständigen Zeugen. Dr. S., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, hat am 04.12.2009 angegeben, seiner Auffassung nach sei der Kläger nicht in der Lage, seinen zuletzt ausgeübten Beruf weiterhin auszuüben. Leichte körperliche Arbeiten seien dem Kläger im Umfang von drei Stunden täglich möglich. Es lägen erhebliche Einschränkungen im Bereich des Achsenskeletts, der Kniegelenke beidseits und der Arme beidseits vor. Die Einschränkungen bestünden langjährig, seiner Kenntnis nach seit 2004, spätestens seit Hinzutreten der massiven Schulterbeschwerden im Jahr 2008. Die Beschwerden seien deutlich belastungsabhängig. Zudem sei ein chronisches Schmerzsyndrom besonders im Rückenbereich ausgebildet. Arbeiten in körperlichen Zwangshaltungen, Arbeiten in der Hocke oder im Knien, Überkopftätigkeiten, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und Arbeiten in Nässe und Zugluft müsse der Kläger vermeiden. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. hat am 07.12.2009 mitgeteilt, aufgrund der von ihr festgestellten erheblichen depressiven Symptomatik könne der Kläger seine letzte Tätigkeit wie auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von nur unter drei Stunden verrichten. Erschwerend kämen die erheblichen Wirbelsäulenbeschwerden hinzu, die ein längeres Gehen oder Stehen unmöglich machten. Seit letztem Jahr seien erhebliche Arm- und Handschmerzen sowie Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich hinzugekommen.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein nervenfachärztliches Gutachten mit orthopädischem Zusatzgutachten eingeholt. Im orthopädischen Gutachten vom 23.04.2010 hat Dr. W., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, folgende Gesundheitsstörungen benannt: chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung bei stattgehabten Wirbelbrüchen L1 und L3 im Jahr 1998, Wirbelbogengelenksarthrosen am Lenden-/Beckenübergang, ohne überdauernde motorische Ausfallerscheinungen, Schulterfunktionsstörung beidseits bei degenerativen Veränderungen der Schultersehnenplatte mit Engpasssymptomatik, Abriss der langen Bizepssehne links und Kraftminderung, Hüftfunktionsstörung beidseits mit Innenrotationseinschränkung, dysplastischer Pfannenanlage rechts und Hüftarthrosen, leichte Handfunktionsstörung rechts bei inkomplettem Faustschluss im Rahmen einer Fingerpolyarthrose und Tennisellenbogensymptomatik rechts mit typisch lokaler Druckschmerzhaftigkeit, Ansatzverknöcherungen des Oberarmstreckmuskels am Ellenhaken, und zufriedenstellender Beweglichkeit. Ohne Gefährdung seiner Gesundheit könne der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit weniger als drei Stunden täglich ausüben. Leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er im Umfang von mindestens drei Stunden täglich bewältigen. Eine mindestens sechsstündige Tätigkeit werde dem Kläger nicht mehr ohne Gefährdung der Gesundheit zugetraut. Dies begründe sich unter Berücksichtigung der Summation der Leistungseinschränkungen am Bewegungsapparat. Jede einzelne Leistungseinschränkung für sich genommen könne kompensiert werden. Beim Kläger bestünden jedoch Funktionseinschränkungen an beiden Schulter- und Hüftgelenken, der Wirbelsäule und der rechten Hand. Aufgrund der Wirbelsäulenbeschwerden seien Tätigkeiten im überwiegenden Sitzen oder überwiegenden Stehen bzw. in Wirbelsäulenzwangshaltungen nicht möglich. Die Hüftgelenksfunktionsstörungen führten zu erheblichen Einschränkungen sämtlicher Arbeiten im Stehen und Gehen und der Standsicherheit. Mittelschwere manuelle Arbeiten, aber auch Feinarbeiten mit den Händen könnten nicht durchgeführt werden. Außerdem seien Akkord- und getaktete Fließbandarbeiten, Arbeiten in der Armvorhalte oder über Kopf, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Arbeiten als Berufskraftfahrer, Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die Standsicherheit, Arbeiten mit regelmäßigem Treppensteigen, Arbeiten im Knien oder in der Hocke sowie regelmäßige Schreib- und Bildschirmarbeiten mit der rechten Hand nicht möglich. Der Kläger könne nur noch leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 8 kg im Wechselrhythmus Stehen, Gehen, Sitzen verrichten. Diese Leistungseinschränkung bestünde seit Beantragung der Rente. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der Kläger könne noch Wegstrecken von bis zu einer halben Stunde zu Fuß zurücklegen. Der nervenärztliche Gutachter M., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, hat im Gutachten vom 02.05.2010 auf seinem Fachgebiet die Diagnosen Anpassungsstörung mit leicht ausgeprägter depressiver Reaktion, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Zn operativer Behandlung eines Karpaltunnelsyndroms beidseits ohne sozialmedizinische Relevanz festgestellt. Der Kläger hat gegenüber dem Gutachter angegeben, er stehe morgens um 8:00 Uhr auf, frühstücke, lese ausführlich Zeitung, sauge dann mal Staub, unterstütze seine Frau in der Hausarbeit, mache nach dem Mittagessen regelmäßig Mittagschlaf, trinke mit seiner Frau Kaffee, gehe spazieren, spiele mit dem Enkel, sehe fern und gehe zwischen 21:00 und 22:00 Uhr zu Bett. Wegen der Erkrankung seiner Frau seien sie letztes Jahr nicht in den Urlaub gefahren. Ansonsten fahre er meistens ein paar Tage in den Schwarzwald. Einkäufe mache er zu Fuß. Für größere Einkäufe nehme er das Auto. Für die Landwirtschaft mache er noch ein bisschen Organisation und Schreibarbeit, alles von Hand. Bei der Befunderhebung hat Gutachter M. festgestellt, dass Merkfähigkeit, Konzentration, Affektivität und Antrieb nicht beeinträchtigt sind. Im Serumspiegel haben sich weder Schmerzmittel noch Antidepressiva nachweisen lassen. Anhaltspunkte für eine schwere depressive Symptomatik lägen nicht vor. Seinen Beruf als Landwirt könne der Kläger zwar nicht mehr ausüben. Auf nervenärztlichem Fachgebiet ließen sich jedoch keine Befunde erheben, die darauf schließen ließen, dass der Kläger leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne hohen Zeitdruck und ohne Nachtschichtarbeit nicht mehr im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich durchführen könne. Aufgrund der Angaben des Gutachters Dr. W. sei aber davon auszugehen, dass der Kläger überwiegend auf Grundlage der Leiden auf orthopädischem Fachgebiet nicht mehr in der Lage sei sechs Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten zu verrichten.

Die Beklagte ist den Begutachtungen unter Vorlage einer Stellungnahme von Dr. S. vom Sozialmedizinischen Dienst entgegengetreten.

Mit Urteil vom 06.08.2010 hat das SG den Bescheid vom 26.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.02.2008 zu gewähren. Der Kläger könne nur noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen im Umfang von drei bis sechs Stunden verrichten. Die qualitativen Leistungseinschränkungen seien so stark ausgeprägt, dass eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, aufgrund derer die teilweise Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung umschlage. Dies entnehme das SG dem Gutachten von Dr. W ... Entscheidend sei die Gesamtschau und die ungünstige Addition der verschiedenen Erkrankungen und die daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen. Trotz des zeitlichen Leistungsvermögens, das der Gutachter mit unter sechs Stunden beziffere, liege volle Erwerbsunfähigkeit vor. Denn es lägen Leistungseinschränkungen vor, die mit einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vergleichbar seien. Nach den von Dr. W. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen könne der Kläger nur noch überwiegend stehend arbeiten. Stehende Tätigkeiten seien beim Kläger zusätzlich qualitativ eingeschränkt. Das positive Leistungsbild werde weiter durch die Einschränkungen an der rechten Hand geschmälert. Auch Schreib- und Bildschirmarbeiten seien nicht möglich. In der Gesamtschau liege unter Berücksichtigung des Alters des Klägers, seiner zusätzlichen psychischen Beeinträchtigungen und der insoweit beeinträchtigten Anpassungsfähigkeit eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, weshalb Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren sei.

Gegen das der Beklagten am 23.12.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.12.2010 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, bei dem von Dr. W. beschriebenen positiven Leistungsbild handele es sich nicht um ungewöhnliche Leistungseinschränkungen. Die Beklagte gehe gestützt auf die Stellungnahme von Dr. S. vom 10.06.2010 von einem sechsstündigen täglichen Leistungsvermögen unter nicht unüblichen Bedingungen aus.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 06.08.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachtens. Der Gutachter Dr. D. hat bei der Begutachtung am 30.03.2011 festgestellt, der Kläger leide an einer endgradig eingeschränkten Rückneig-, Rechtsdreh- und beidseitigen Seitneigbeweglichkeit der Halswirbelsäule bei radiologisch dokumentierten altersentsprechenden Normalbefunden, teilfixierter Rundrückenbildung mit Streckhemmung der kopfnahen Brustwirbelsäulenhälfte von 10 Grad, endgradig eingeschränkter Rückneigbeweglichkeit, Linksdreh- und Rechtsneigbeweglichkeit, vermehrter Arthrose in den Wirbelgelenken des Bewegungssegmentes L5/S1 bei freier Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit, Muskelhartspann des Brustwirbelsäulen-/Lendenwirbelsäulen-Übergangs, einem sog Engpasssyndrom in beiden Schultergelenken mit daraus resultierenden endgradigen Bewegungseinschränkungen, abgelaufener Bizepssehnenzerreißung rechts ohne relevante Funktionsstörungen, einer endgradigen Streckhemmung sämtlicher rechtsseitiger Langfinger und des linken Zeige-, Mittel- und Ringfingers bei radiologisch dokumentierter leicht ausgeprägter Heberden-Arthrose des rechten Zeige-, Ring- und Kleinfingers sowie deutlicher Heberden-Arthrose des rechten Mittelfingerendgelenks mit zusätzlicher Achsabweichung des rechten Mittelfingerendglieds von etwa 10 Grad, einer leicht- bis mittelgradig ausgeprägten Hüftgelenks-Arthrose beidseits mit daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen, subtotaler Kleinfingeramputation links bei reizloser guter Weichteildeckung und an in diskreter Keilwirbelbildung des 1. Lendenwirbelkörpers und in leichter Keilwirbelbildung des dritten Lendenwirbelkörpers knöchern fest konsolidierten ehemaligen stabilen Kompressionsbrüchen. Aufgrund der genannten Gesundheitsstörungen solle der Kläger schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten, Überkopfarbeiten, Arbeiten mit lang andauernder gebückter Zwangshaltung und Arbeiten mit häufigem Bücken, Arbeiten, die vorwiegend im Stehen und Gehen verrichtet werden, Arbeiten mit häufigem Treppensteigen und Steigen auf Leitern und Arbeiten, die häufig die volle grobe Kraft beider Hände erfordern, vermeiden. Unter Beachtung dieser Einschränkungen und unter Voraussetzung des selbstgewählten Stellungswechsels zwischen Gehen, Stehen und Sitzen könne der Kläger noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben. Die Abweichung von der Begutachtung durch Dr. W. beruhe auf unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen und einer unterschiedlichen Wertung der klinischen Befunde.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten des Dr. C. eingeholt. Dieser hat am 15.11.2011 angegeben, der Kläger leide an chronischen Rückenschmerzen, vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule, schmerzbedingten Funktionseinschränkungen im allen Bereichen der Wirbelsäule, einem Schulterengpasssyndrom beidseits und degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette, mäßiger Koxarthrose beidseits und mäßiger Gonarthrose beidseits. In Zusammenschau der Diagnosen sei die Leistungsfähigkeit des Klägers auf unter sechs Stunden für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einzuschätzen. Die Rückenschmerzen seien so ausgeprägt, dass der Kläger sich täglich öfters hinlegen müsse. Längeres Stehen sowie längeres Gehen von mehr als 400 m seien nicht mehr möglich. Schon bei leichter aktiver Bewegung träten Schmerzen an beiden Schultern auf. Im Bereich beider Hüften seien Schmerzen bei längerem Stehen und Gehen vorhanden. In Bezug auf die Hände könnten nur leichte Tätigkeiten mehr als sechs Stunden durchgeführt werden, sofern diese nicht monoton erfolgten und hierzu längeres Stehen oder Sitzen notwendig sei. Die festgestellte Leistungseinschränkung bestünde seit dem 01.02.2008. Die Abweichung von dem Gutachten von Dr. D. ergebe sich auf Grund der Untersuchungsbefunde der Halswirbelsäule und vor allem der Schultergelenke. Auch im Bereich der Kniegelenke hätten sich andere Messwerte ergeben.

Gegen das Gutachten von Dr. C. hat die Beklagte Einwendungen erhoben und hierzu die Stellungnahme des Dr. S. vom Sozialmedizinischen Dienst vom 30.12.2011 eingeholt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 26.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung kommt von vornherein nur in Betracht, wenn sie spätestens am 01.01.2011 beginnen würde. Denn ab diesem Zeitpunkt bezieht der Kläger nach bindender Bewilligung der Beklagten eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Ein späterer Wechsel der Rentenart ist wegen § 34 Abs 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ausgeschlossen (vgl. Gürtner in KassKomm, § 34 SGB VI, RdNr 50 ff mwN; BSG 26.07.2007, B 13 R 44/06, juris; Sächsisches LSG 25.01.2010, L 7 R 582/08, juris). Maßgeblicher Zeitraum für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen ist somit die Zeit ab Antragstellung am 07.02.2008 bis 01.01.2011.

Im maßgeblichen Zeitraum war der Kläger noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Er hat deshalb weder ab dem 01.02.2008 noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich aus § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben war der Kläger im maßgeblichen Zeitraum weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil er noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein konnte. Dies gilt sowohl aufgrund von Gesundheitsstörungen im orthopädischen Bereich als auch im neurologisch-psychiatrischen Bereich.

Im Vordergrund stehen orthopädische Erkrankungen. Der Kläger litt im maßgeblichen Zeitraum an einer endgradig eingeschränkten Rückneig-, Rechtsdreh- und beidseitigen Seitneigbeweglichkeit der Halswirbelsäule bei radiologisch dokumentierten altersentsprechenden Normalbefunden, teilfixierter Rundrückenbildung mit Streckhemmung der kopfnahen Brustwirbelsäulenhälfte von 10 Grad, endgradig eingeschränkter Rückneigbeweglichkeit, Linksdreh- und Rechtsneigbeweglichkeit, vermehrter Arthrose in den Wirbelgelenken des Bewegungssegmentes L5/S1 bei freier Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit, Muskelhartspann des Brustwirbelsäulen-/Lendenwirbelsäulen-Übergangs, einem sog Engpasssyndrom in beiden Schultergelenken mit daraus resultierenden endgradigen Bewegungseinschränkungen, abgelaufener Bizepssehnenzerreißung rechts ohne relevante Funktionsstörungen, einer endgradigen Streckhemmung sämtlicher rechtsseitiger Langfinger und des linken Zeige-, Mittel- und Ringfingers bei radiologisch dokumentierter leicht ausgeprägter Heberden-Arthrose des rechten Zeige-, Ring- und Kleinfingers sowie deutlicher Heberden-Arthrose des rechten Mittelfingerendgelenks mit zusätzlicher Achsabweichung des rechten Mittelfingerendglieds von etwa 10 Grad, einer leicht- bis mittelgradig ausgeprägten Hüftgelenks-Arthrose beidseits mit daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen, subtotaler Kleinfingeramputation links bei reizloser guter Weichteildeckung und an in diskreter Keilwirbelbildung des 1. Lendenwirbelkörpers und in leichter Keilwirbelbildung des dritten Lendenwirbelkörpers knöchern fest konsolidierten ehemaligen stabilen Kompressionsbrüchen. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. D ...

Aufgrund der orthopädischen Gesundheitsstörungen konnte der Kläger im maßgeblichen Zeitraum nur noch leichte körperliche Arbeiten verrichten. Zu vermeiden waren Überkopfarbeiten, Arbeiten mit lang andauernder gebückter Zwangshaltung und Arbeiten mit häufigem Bücken, Arbeiten, die vorwiegend im Stehen und Gehen verrichtet werden, Arbeiten mit häufigem Treppensteigen und Steigen auf Leitern und Arbeiten, die häufig die volle grobe Kraft beider Hände erfordern. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters Dr. D ...

Trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen war der Kläger im maßgeblichen Zeitraum in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat folgt hinsichtlich der Leistungseinschätzung der Begründung des Gutachters Dr. D ... Dieser hat für den Senat nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass der Kläger in zeitlicher Hinsicht in der Lage war, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Eine stärkere Einschränkung der Erwerbsfähigkeit lässt sich mit den Feststellungen des Gutachters Dr. D. nicht begründen. Denn die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule verursachten nach der Einschätzung des Sachverständigen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule nur endgradige funktionelle Einschränkungen. Die Lendenwirbelsäule war frei beweglich. Zwar maß der Gutachter einen Finger-Fußboden-Abstand bei durchgestreckten Kniegelenken von 46 cm. Auf der Untersuchungsliege ergab dieselbe Relativbewegung dagegen einen Abstand zwischen Finger und Fußspitzen von nur 21 cm. Eine radikuläre Ausfallsymptomatik ließ sich nicht nachweisen. Die klinische Untersuchung der Hüftgelenke ergab eine endgradige Beugeeinschränkung und eine end- bis mittelgradig eingeschränkte Rotationsbeweglichkeit. Die Untersuchung der Kniegelenke ergab regelrechte Untersuchungsergebnisse. Das festgestellte Beugedefizit von 20 Grad konnte nicht auf Funktionsbeschränkungen der Kniegelenke zurückgeführt werden. Auch ergab die vergleichende Umfangmessung der unteren Extremitäten keinen Hinweis auf ein Defizit. Die Muskulatur sowohl der unteren wie auch oberen Extremitäten wird als regelrecht kräftig ausgeprägt beschrieben. Die Beweglichkeit der Schultergelenke war lediglich endgradig eingeschränkt. Die grobe Kraftprüfung war unauffällig. Die arthrotischen Veränderungen an den Fingergelenken hatten endgradige Streckhemmungen zur Folge. Der Spitz- und Schlüsselgriff sowie der Faustschluss waren dagegen beidseits komplett möglich.

Der quantitativen Leistungseinschätzung des Gutachters Dr. W. kann nicht gefolgt werden. Die von Dr. W. erhobenen Befunde rechtfertigen keine zeitliche Limitierung der Leistungsfähigkeit des Klägers auf drei bis sechs Stunden täglich. Zwar stellte Dr. W. teilweise schlechtere Befunde fest. Er gab eine mittelgradige Einschränkung der Vorbeugefähigkeit und eine aufgehobene Rückbeugefähigkeit der Lendenwirbelsäule und schlechtere Bewegungsbefunde der Hüft-, Schulter- und Handgelenke (bis zu 20 Grad Abweichung) an. Der Faustschluss zeigte sich ihm rechts unvollständig mit einem Abstand des Mittelfingers zur queren Hohlhandbeugefalte von 1 cm, des Zeigefingers von 0,5 cm. Hieraus ergeben sich jedoch keine zeitlichen Einschränkungen für leichte Tätigkeiten. Der beschriebene Fingerholhandabstand spielt für leichte Arbeiten, die nicht häufig die volle grobe Kraft beider Hände erfordern, keine entscheidende Rolle. Bei erhaltener Sensibilität und durchführbarem Spitzgriff sind dem Kläger Feinarbeiten möglich. Auch den beschriebenen Bewegungseinschränkungen der Schultergelenke kann mit qualitativen Leistungseinschränkungen (Überkopfarbeiten, Arbeiten in der Armvorhalte) hinreichend begegnet werden. Eine zeitliche Einschränkung ergibt sich daraus nicht. Gleiches gilt für die Bewegungseinschränkungen an den Hüftgelenken und der Lendenwirbelsäule. Neurologische Defizite oder Wurzelreizsymptome konnte Dr. W. nicht feststellen. Die Hüftgelenke waren nach den Feststellungen von Dr. W. primär in der Innenrotation eingeschränkt, wobei die Beugung bis 100 Grad möglich war. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, warum Arbeiten im Sitzen aus rein funktioneller Sicht nur in zeitlich begrenztem Umfang möglich sein sollen. Auch das Gehen ist nach den anamnestischen Angaben des Klägers jedenfalls in der Ebene "einigermaßen gut". Gegenüber den Gutachtern M. und Dr. D. gab der Kläger jeweils an, er gehe in der Ebene spazieren. Aus den von Dr. W. festgestellten Befunden kann zur Überzeugung des Senats somit nicht auf eine zeitliche Einschränkungen für leichte Tätigkeit mit den genannten qualitativen Einschränkungen geschlossen werden. Selbst nach der Auffassung von Dr. W. führt jede einzelne der festgestellten Leistungseinbußen nicht zu einer rentenrelevanten Erwerbsminderung. Dies gilt zur Überzeugung des Senats auch in Anbetracht der Summe der Beeinträchtigungen. Zwar gibt es Fälle, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu einer Rente wegen Erwerbsminderung führen kann. Liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, ist die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich (BSG 19.12.1996, GS 2/95, BSGE 80, 24). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung) vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann (BSG 19.10.2011, B 13 R 78/09 R, juris; 29.02.2008, L 4 R 1562/05, juris; 30.10.1997, 13 RJ 49/97, juris; 19.08.1997, 13 RJ 55/96, juris). Unter Anlegung dieses Maßstabes liegt keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Der Kläger kann zwar wie oben ausgeführt bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen. Die genannten qualitativen Einschränkungen gehen aber kaum über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird. Selbst das von Dr. W. angegebene positive Leistungsbild (leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 8 kg im Wechselrhythmus von Stehen, Gehen und Sitzen) begründet keine ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen. Daher besteht keine Pflicht, dem Kläger konkrete Tätigkeiten, die er mit ihrem Leistungsvermögen noch verrichten kann, zu benennen.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Blick auf die psychischen Gesundheitsstörungen des Klägers möglich. Der Kläger leidet an einer leichten depressiven Reaktion und anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Der Senat entnimmt diese Diagnosen dem insoweit schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Nervenarztes M ... Ein Gesichtspunkt bei der Beurteilung von Schmerzen ist die Prüfung, ob eine schmerzbedingte Inaktivität bereits zu körperlich messbaren Folgen geführt hat. So ist allgemein bekannt, dass sich Muskeln, die nicht oder nur unzureichend beansprucht werden, zur Rückbildung neigen. Wird beispielsweise eine Extremität - Arm oder Bein - schmerzbedingt stärker geschont als andere, zeigen sich oft in der vergleichenden Messung einseitige Muskelminderungen (vgl Urteil des Senats vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10). Derartige indirekte Hinweise auf eine schmerzbedingte Inaktivität liegen beim Kläger nicht vor, wie sich bei den Begutachtungen durch Dr. D. und Dr. W. gezeigt hat. Als weiteres Kriterium ist die Lebensgestaltung des Betroffenen von Bedeutung. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zB Urteile vom 14.12.2010, L 11 R 3243/09, vom 20.07.2010, L 11 R 5140/09 und vom 24.09.2009, L 11 R 742/09) wird der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgleitet und daran gemessen. Außerdem ist zu berücksichtigen, ob und in welcher Form der Betroffene versucht, einem sich aus der Schmerzstörung ergebenden Leidensdruck durch angemessene therapeutische Bemühungen entgegen zu wirken. Danach lässt die Lebensgestaltung des Klägers nicht auf schwere Beeinträchtigungen aufgrund der Schmerzsituation schließen. Der vom Gutachter M. erhobene Serumspiegelbefund ergab keinen Nachweis von Schmerzmitteln oder Antidepressiva, woraus der Gutachter nachvollziehbar den Schluss zog, dass der Leidensdruck des Klägers nicht besonders hoch ist. Entsprechendes folgt aus dem Umstand, dass eine spezielle Schmerztherapie nicht aktenkundig ist. Auch den eigenen Schilderungen des Klägers gegenüber dem Gutachter M. können keine relevanten Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung entnommen werden. Der Kläger schilderte dort einen völlig unauffälligen Tagesablauf. Der Gutachter schloss hieraus schlüssig und nachvollziehbar, dass die beim Kläger vorliegenden psychischen Störungen leichten Arbeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich nicht entgegenstehen.

Insgesamt sind somit die Leistungseinschätzungen des Gutachters Dr. W. und des Gutachters M., soweit dieser aufgrund der Feststellungen von Dr. W. eine Erwerbsminderung annimmt, für den Senat nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt für die Einschätzungen der Ärzte des Klägers Dr. S. und Dr. F ... Eine Begründung für die zeitliche Limitierung der Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten liefert Dr. S. nicht. Die von ihm benannten qualitativen Einschränkungen rechtfertigen einen solchen Schluss nicht. Die von Dr. F. angegebene erhebliche depressive Symptomatik ließ sich im nervenärztlichen Gutachten nicht erweisen.

Der Nachweis einer relevanten Erwerbsminderung ist dem Kläger auch nicht mit der Begutachtung durch Dr. C. gelungen. Zwar hat Dr. C. wesentlich schlechtere Untersuchungsbefunde festgestellt. Insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule, Schulter- und Kniegelenke werden stark abweichende Messwerte angegeben. Eine derart drastische Verschlechterung innerhalb von knapp acht Monaten nach der Begutachtung durch Dr. D. ist für den Senat jedoch nicht nachvollziehbar. Akute Ereignisse mit entsprechender Therapieintensivierung, die eine solche Entwicklung aufzeigen könnten, werden nicht mitgeteilt. Die Begutachtung durch Dr. C. lässt darüber hinaus eine kritische Prüfung der Messergebnisse vermissen. Letztlich kann aber dahinstehen, ob es tatsächlich zu einer relevanten Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen des Klägers gekommen ist. Denn ein Leistungsfall im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. C. könnte ohnehin nicht zur Gewährung einer Erwerbsminderungsrente führen (vgl oben). Es ist auch nicht nachgewiesen, dass entsprechende Befunde schon zu einem früheren Zeitpunkt vorlagen. Wie oben dargestellt, sind die von den Vorgutachtern festgestellten Befunde nicht geeignet, einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente zu begründen. Die Einschätzung des Gutachters Dr. C., die Leistungseinschränkungen bestünden bereits seit dem 01.02.2008, ist für den Senat deshalb nicht nachvollziehbar. Der Gutachter benennt auch keine Gründe für eine Rückdatierung des Leistungsfalls.

Der Senat ist schließlich davon überzeugt, dass die Wegefähigkeit des Klägers nicht eingeschränkt ist. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein muss auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs nach einem generalisierten Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt voraus, Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zu bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 19.11.1997, 5 RJ 16/97, SozR 3-2600 § 44 Nr 10; 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R, juris). Dazu gehört zB auch die zumutbare Benutzung eines eigenen, ggfs im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB IV, § 33 Abs 3 Nr 1, Abs 8 Nr 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl BSG 19.11.1997, 5 RJ 16/97, SozR 3-2600 § 44 Nr 10). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes steht fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, eine Gehstrecke von 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen und auch öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu nutzen. Keiner der Gutachter hat Beschränkungen des Arbeitsweges beschrieben. Vor dem Hintergrund der dokumentierten Diagnosen und Funktionsstörungen ist dies für den Senat schlüssig und nachvollziehbar. Der Kläger gab selbst gegenüber Dr. W. und Dr. D. an, dass er Wegstrecken zu Fuß und mit seinem Kraftfahrzeug von bis zu einer halben Stunde zurücklege.

Der Kläger war damit nach Überzeugung des Senats im streitigen Zeitraum noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, jedenfalls leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Er hat damit keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01.01.2008 geändert durch Art 1 Nr 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20.04.2007, BGBl I 554) auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Deshalb besteht ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann, wenn der bisherige Beruf (Hauptberuf) nicht mehr ausgeübt werden kann, sondern erst, wenn der Versicherte nicht auf eine zumutbare andere Tätigkeit verwiesen werden kann. Das Gesetz verlangt dazu, einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf zu nehmen.

Der Kläger ist nach Überzeugung des Senats als Ungelernter einzustufen. Der Kläger hat zwar den Beruf des Landwirts erlernt und diesen zuletzt ausgeübt. Bei der Beurteilung des Erwerbslebens des Klägers scheiden jedoch die mit freiwilligen Beiträgen belegten Zeiten einer selbstständigen Tätigkeit für die Bestimmung des bisherigen Berufs aus. Sind von einem freiwilligen Versicherten – wie hier – auch Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt worden, so sind allein diese in Betracht zu ziehen. Denn das versicherte Risiko der Berufsunfähigkeit wird in solchen Fällen durch die versicherungspflichtig ausgeübte Berufstätigkeit bestimmt (BSG 09.09.1998, B 13 RJ 35/97 R, juris). Der Kläger war zuletzt versicherungspflichtig nicht als Landwirt tätig, sondern als Hilfskraft in einem Landschaftsgartenbaubetrieb. Dort hat der Kläger Tätigkeiten eines ungelernten Arbeiters verrichtet. Auf Anweisung hatte er Gehölze einzuschlagen, zu pflanzen, abzusägen und Schnittgut einzusammeln. Damit ist er auf sämtliche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommende Tätigkeiten verweisbar. Derartige leichte Tätigkeiten kann der Kläger - wie oben dargelegt - arbeitstäglich noch sechs Stunden und mehr verrichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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