Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 55/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 08.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011 und der konkludent durch Auszahlung ergangenen Änderungsbescheide verurteilt, der Klägerin weitere Heimkosten für die Zeit vom 23.08.2010 bis 30.09.2010 in Höhe von 3,77 Euro täglich, für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 in Höhe von 2,20 Euro täglich, für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 in Höhe von 1,81 Euro täglich, für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011 in Höhe von 1,67 Euro täglich, für die Zeit vom 01.07.2011 bis 30.09.2011 in Höhe von 1,62 Euro täglich, für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.12.2011 in Höhe von 1,00 Euro täglich, für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.03.2012 in Höhe von 0,75 Euro täglich und für die Zeit ab 01.04.2012 in Höhe von 0,14 Euro täglich zu gewähren.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beigeladenen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Übernahme der tatsächlichen Heimkosten nach dem Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII).
Die im Jahr 1913 geborene, verwitwete Klägerin hat ausweislich ihres Schwerbehindertenausweises einen Grad der Behinderung von 70 sowie Merkzeichen G. Von der Pflegekasse wurde Pflegestufe I anerkannt. Die Klägerin bezieht eine Altersrente in Höhe von 339,47 Euro und eine Witwenrente in Höhe von 144,70 Euro (Stand: 01.07.2010). Daneben bezog sie Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beklagten. Bis zum 22.08.2010 lebte sie im eigenen Haushalt; Vermieterin war der Caritas-Verband.
Am 09.08.2010 teilte die Tochter der Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass die Klägerin am 23.08.2010 in das St. Clemens Haus des Beigeladenen ziehen werde. Ein anderer Heimplatz sei nicht frei gewesen. Ein verwandter Weihbischof habe die Einrichtung eröffnet und eingeweiht. Die Beklagte wies auf den Mehrkostenvorbehalt hin. Die Klägerin beantragte am 24.08.2010 bei der Beklagten die Übernahme der ungedeckten Heimkosten im St. Clemens Haus des Caritas-Verbandes. Zudem bevollmächtige sie ihre Tochter, sie in Behördenangelegenheiten zu vertreten. Der tägliche Pflegesatz im St. Clemens Haus für Pflegestufe I betrug 94,84 Euro in dem von der Klägerin bezogenen Einzelzimmer. Die Klägerin erklärte in ihrem Antrag, sie sei nicht in der Lage einen eigenen Haushalt zu führen. Dem Antrag beigefügt war ein Schreiben der AOK Rheinland/Hamburg vom 27.07.2010, in dem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Notwendigkeit einer 24-Stunden-Betreuung für die Klägerin bestätigte. Oberhalb des Vermögensfreibetrages von 2.600,00 Euro liegendes Vermögen war bei Heimaufnahme nicht vorhanden. Die AOK Rheinland/Hamburg gewährte der Klägerin rückwirkend ab Heimaufnahme Leistungen der vollstationären Pflege in Höhe von 1.023,00 Euro. Unter dem 31.08.2010 beantragte die Klägerin zudem Pflegewohngeld bei der Beklagten, welches rückwirkend ab Heimaufnahme in Höhe von 704,22 Euro monatlich gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 08.11.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 23.08.2010 Sozialhilfe unter Berücksichtigung eines täglichen Pflegesatzes in Höhe von insgesamt 91,07 Euro (ab dem 01.10.2010 92,64 Euro täglich). Ab dem 01.10.2010 rechnete sie dabei das Renteneinkommen der Klägerin an, wobei von der Altersrente nur ein Betrag in Höhe von 90,30 angerechnet und der auf die Kindererziehung bezogene Rentenanteil in Höhe von 54,40 Euro freigelassen wurde. Zudem bewilligte sie der Klägerin einen Barbetrag in Höhe von monatlich 96,93 Euro. Der Differenzbetrag von täglich 3,77 Euro, bzw. ab dem 01.10.2010 von 2,20 Euro zu dem tatsächlich im St. Clemens Haus erhobenen Pflegsatz in Höhe von 94,84 Euro bleibe unberücksichtigt. Die Stadt D. wende als Sozialhilfeträger bei der Gewährung von Leistungen den so genannten Mehrkostenvorbehalt gemäß § 9 Abs. 2 SGB XII an, wonach der Träger Wünschen der Leistungsberechtigten nicht entsprechen solle, wenn deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Zur Bemessung der verhältnismäßigen Kosten seien die Durchschnittskosten in den jeweiligen Pflegestufen der D. Einrichtungen der vollstationären Pflege zuzüglich einer Überschreitung von bis zu 5% zugrunde gelegt worden. Die Berechnung der zugrunde gelegten durchschnittlichen Pflegesätze der D. Einrichtungen bezogen auf die jeweiligen Pflegestufen erfolge jeweils zum Quartalsanfang. Dieser Durchschnittswert werde im St. Clemens Haus in der Pflegestufe I überschritten. Die durchschnittlichen Pflegekosten der Pflegestufe I hätten in D. in der Zeit vom 01.07.2010 bis 30.09.2010 bei 86,73 Euro pro Tag gelegen. Zuzüglich des Überschreitungswertes von 5% ergebe sich somit ein Pflegesatz in Höhe von 91,07 Euro. Der vom St. Clemens Haus erhobene Pflegesatz für Pflegestufe I in Höhe von 94,84 Euro täglich liege damit um 3,77 Euro (4,14%) über dem Überschreitungswert und um 9,35 Euro über dem D. Durchschnittswert. Somit entstünden der Stadt D. unverhältnismäßige Mehrkosten in Höhe von ca. 115,00 Euro monatlich und somit 1.380,00 Euro jährlich. Ab dem 01.10.2010 lägen die durchschnittlichen Pflegesätze in D. Einrichtungen bezogen auf Pflegestufe I bei 88,23 Euro, so dass sich zuzüglich des Überschreitungsbetrages ein Betrag von 92,64 Euro ergebe. Der vom St. Clemens Haus erhobene Pflegesatz liege damit 2,20 Euro (2,37%) täglich über dem Überschreitungswert und 6,61 Euro (7,49%) über dem Durchschnitt. Die monatlichen Mehrkosten beliefen sich seit dem 01.10.2010 auf ca. 66,00 Euro und jährlich ca. 797,00 Euro. Es seien keine Gründe ersichtlich, die für die Übernahme der tatsächlichen Kosten sprechen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass kein anderweitiger Heimplatz in D. vorhanden gewesen sei. Auch soweit das St. Clemens Haus durch einen Verwandten eröffnet und eingeweiht worden sein sollte, rechtfertige das in diesem Fall keine Übernahme der tatsächlichen Pflegesätze durch den Sozialhilfeträger.
Hiergegen erhob die Klägerin durch ihre bevollmächtigte Tochter unter dem 24.11.2010 Widerspruch. Sie habe niemals geäußert, dass kein anderer Heimplatz vorhanden gewesen sei. Grund für die Wahl des St. Clemens Hauses sei dessen besonderes Konzept gewesen. Dieses Konzept mit kleinen Wohngemeinschaften und dem Versuch, ein besonderes Maß an Selbstbestimmtheit zu gewährleisten, entspreche ihren Fähigkeiten am ehesten. Sie könne in Kleingruppen von 9 Menschen nach ihren Fähigkeiten und Wünschen mithelfen, den Heimalltag zu gestalten. Mit Schreiben vom 30.11.2010 führte die Klägerin weiter aus, dass die Heimplatzwahl nicht damit begründet worden sei, dass das Heim von einem Verwandten eröffnet und eingeweiht worden sei. Vielmehr sei die Entscheidung von ihr und ihrer Familie einerseits aufgrund des Konzepts des St. Clemens Hauses, andererseits aufgrund der Nähe zur Familie und aufgrund des Standorts der Einrichtung – dort habe früher eine Kirche gestanden - getroffen worden. Diese Begründungen seien nachvollziehbar, weshalb eine Ausnahme vom Mehrkostenvorbehalt zu machen sei. Das St. Clemens Haus sei aufgrund seiner besonderen Struktur, bei der die individuellen Wünsche der Bewohner im Vordergrund stünden, auf kommunaler Ebene nicht vergleichbar und könne nicht in den Kostenvergleich einbezogen werden. Zudem sei die Beklagte an dem Verfahren, in dem die Pflegesätze festgelegt wurden, beteiligt gewesen und habe diesen zugestimmt.
Nach Änderung der Höchstgrenzen berücksichtigte die Beklagte seit dem 01.01.2011 einen täglichen Pflegesatz in Höhe von insgesamt 93,15 Euro. Die Differenz in Höhe von 1,81 Euro täglich zu den tatsächlichen Kosten übernahm sie nicht. Nach erneuten Änderungen der Höchstgrenzen berücksichtigte sie seit dem 01.04.2011 einen täglichen Pflegesatz in Höhe von insgesamt 93,29 Euro, ab dem 01.07.2011 in Höhe von 93,34 Euro, seit dem 01.10.2011 in Höhe von 93,96 Euro, seit dem 01.01.2012 in Höhe von 94,21 Euro und seit dem 01.04.2012 in Höhe von 94,82 Euro. Die Differenz in Höhe von 1,67 Euro, bzw. 1,62 Euro, 1,00 Euro, 0,75 Euro und zuletzt 0,14 Euro täglich zu den tatsächlichen Kosten übernahm sie nicht.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2011 als unbegründet zurück. Aufgrund des Mehrkostenvorbehalts in § 9 SGB XII könnten die Kosten für die Heimunterbringung nicht in voller Höhe übernommen werden. Bereits bei Antragstellung sei sie auf den Mehrkostenvorbehalt hingewiesen worden. Die von ihr genannten Argumente seien nicht geeignet, die Übernahme der in der gewählten Einrichtung entstehenden Mehrkosten zu rechtfertigen. Das neue Wohngruppenkonzept möge zwar für die Heimbewohner von Vorteil sein, könne aber nicht dazu führen, dass die Mehrkosten vom Sozialhilfeträger zu übernehmen seien. Mit der Neuausrichtung "Wohngruppenkonzept" erreiche die Pflegeeinrichtung nicht den Status einer Spezialeinrichtung. Bei solchen Spezialeinrichtungen, z.B. für Schlaganfallpatienten oder Wachkomapatienten, würden regelmäßig auch höhere Kosten berücksichtigt. Das von der Klägerin genannte besondere Maß an Selbstbestimmtheit sei an die individuellen Voraussetzungen der Heimbewohner und ihrer Fähigkeiten gekoppelt und könne ebenso auch in anderen D. Pflegeeinrichtungen gefördert werden. Mit der abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung sei keine Belegungsgarantie verbunden. Der Sozialhilfeträger werde hierdurch nicht verpflichtet, Leistungsberechtigte in bestimmten Einrichtungen unterzubringen. Würde eine solche Vereinbarung die Unverhältnismäßigkeit des Pflegesatzes per se ausschließen, bestünde für den Mehrkostenvorbehalt kein Anwendungsbereich.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.02.2011 Klage erhoben. Sie trägt vor, sie habe sich aufgrund des Konzepts der Einrichtung, dem Wohnen in kleinen Wohngemeinschaften, für diese entschieden. Zudem sei ihr Wunsch gewesen, möglichst nah bei ihrer Familie zu wohnen. Auch ihre Gläubigkeit habe bei der Auswahl eine Rolle gespielt, da das St. Clemens Haus in katholischer Trägerschaft bestehe und am jetzigen Standort früher eine Kirche gestanden habe. Die Einschränkung ihres Wunsches unter Zugrundelegung starrer Prozentsätze sei rechtswidrig. Es habe eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Es handele sich außerdem schon deshalb nicht um unverhältnismäßige Mehrkosten, da es sich beim St. Clemens Haus um eine gemäß § 75 SGB XII anerkannte Einrichtung handele; die Beklagte habe an der Verhandlung der Pflegesätze seinerzeit mitgewirkt.
Sie beantragt nach ihrem erkennbaren Interesse,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 08.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011 und der konkludent durch Auszahlung ergangenen Änderungsbescheide zu verurteilen, ihr weitere Heimkosten für die Zeit vom 23.08.2010 bis 30.09.2010 in Höhe von 3,77 Euro täglich, für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 in Höhe von 2,20 Euro täglich, für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 in Höhe von 1,81 Euro täglich, für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011 in Höhe von 1,67 Euro täglich, für die Zeit vom 01.07.2011 bis 30.09.2011 in Höhe von 1,62 Euro täglich, für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.12.2011 in Höhe von 1,00 Euro täglich, für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.03.2012 in Höhe von 0,75 Euro täglich und für die Zeit ab 01.04.2012 in Höhe von 0,14 Euro täglich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für unbegründet. Zur Bestimmung des von ihr anerkannten Grenzwertes werde der Durchschnitt der jeweiligen Kosten ermittelt und auf den Durchschnittswert ein Aufschlag von 5% gewährt, so dass – wie auch bei der Klägerin - 105% der durchschnittlichen Kosten ohne eine besondere Begründung bei der Berechnung des Sozialhilfeanspruchs akzeptiert würden. Bei einer individuellen Notwendigkeit werde den Bedürfnissen der heimpflegebedürftigen Person Rechnung getragen und eine Unterbringung unabhängig von diesen Grenzwerten akzeptiert. Bei der Klägerin seien keine Gründe ersichtlich, die eine Übernahme der tatsächlichen Kosten erforderlich machten. Soweit diese sich auf das besondere Konzept der gewählten Einrichtung berufe, sei darauf hinzuweisen, dass mittlerweile in fast allen Einrichtungen die Möglichkeit der Förderung individueller Belange gegeben sei.
Das Gericht hat das Caritas Altenheim St. Clemens zum Verfahren beigeladen.
Der Beigeladene hat – wie die Klägerin – beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 08.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011 und der konkludent durch Auszahlung ergangenen Änderungsbescheide zu verurteilen, der Klägerin weitere Heimkosten für die Zeit vom 23.08.2010 bis 30.09.2010 in Höhe von 3,77 Euro täglich, für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 in Höhe von 2,20 Euro täglich, für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 in Höhe von 1,81 Euro täglich, für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011 in Höhe von 1,67 Euro täglich, für die Zeit vom 01.07.2011 bis 30.09.2011 in Höhe von 1,62 Euro täglich, für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.12.2011 in Höhe von 1,00 Euro täglich, für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.03.2012 in Höhe von 0,75 Euro täglich und für die Zeit ab 01.04.2012 in Höhe von 0,14 Euro täglich zu gewähren.
Auch er hält die Zugrundelegung einer starren Angemessenheitsgrenze für rechtswidrig und schließt sich dem Vortrag der Klägerin an. Der Mehrkostenvorbehalt sei nur auf den jeweiligen Einzelfall anwendbar, die Behörde müsse eine Ermessensentscheidung treffen. Die Ansetzung des starren 105% Schwellenwerts sei unzulässig, was sich auch aus dem von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in NRW eingeholten Gutachten der Kanzlei Redeker, Sellner & Dahs ergebe. Es sei nicht ersichtlich, wie die Beklagte dazu komme, dass ausgerechnet 5% der über dem Durchschnitt liegenden Kosten noch von ihr akzeptiert würden, dies sei letztlich willkürlich. Auch sei es nicht möglich, einen Vergleich zwischen den einzelnen Pflegeeinrichtungen vorzunehmen, da diese nicht vergleichbar seien. So sei insbesondere das St. Clemens Haus mit seinen kleinen Wohngruppen und der individuellen Verpflegungsversorgung durch die jeweilige Bewohnergruppe ohne Zentralküche nicht mit anderen Seniorenheimen in Duisburg vergleichbar. Soweit die Beklagte zur Haushaltskonsolidierung den Mehrkostenvorbehalt unter Zugrundelegung der 105% Grenze anwende, sei diese Maßnahme insbesondere nicht angemessen im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Beklagte verhalte sich zudem widersprüchlich, indem sie einerseits an den Verhandlungen zur Festsetzung der Pflegesätze vertreten durch den entsprechend von ihr bevollmächtigten Landschaftsverband Rheinland (LVR) teilgenommen habe und sich nun darauf berufe, dass die tatsächlichen Pflegesätze bei der Bedarfsberechnung aufgrund des Mehrkostenvorbehaltes nicht zu berücksichtigen seien.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die die Klägerin betreffende Leistungsakte der Beklagten. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Streitig ist der Zeitraum ab Heimaufnahme am 23.08.2010. Zwar handelt es sich bei den Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII um regelmäßig für einen einmonatigen Zeitraum bewilligte Leistungen. Vorliegend hat die Beklagte die Leistungen jedoch per Dauerverwaltungsakt vom 08.11.2010 und hierzu konkludent durch Auszahlung ergangener Änderungsbescheide bewilligt, so dass der streitgegenständliche Zeitraum nicht mit Erlass des Widerspruchsbescheides endet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung weiterer Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung der tatsächlichen Heimkosten.
Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Die Klägerin gehört - insbesondere aufgrund der ihr zuerkannten Pflegestufe I, der nach der Stellungnahme des MdK erforderlichen 24-Stunden Betreuung und mit einem Grad der Behinderung von 70 mit Merkzeichen G - unzweifelhaft zu dem nach § 61 Abs. 1 SGB XII leistungsberechtigten Personenkreis, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Nach § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII umfasst die Hilfe zur Pflege unter anderem auch die stationäre Pflege, wie sie hier von der Klägerin im St. Clemens Haus in Anspruch genommen wird. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII wird die Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII u.a. geleistet, soweit den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Die durchschnittlichen Monatskosten für die Heimpflege der Klägerin betrugen in der Zeit vom 23.08.2010 bis 31.12.2010 2.885,03 Euro (94,84 Euro x 30,42) und betragen seit dem 01.01.2011 durchschnittlich 2.888,68 Euro (94,96 Euro x 30,42). Nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse in Höhe von 1.023,00 Euro, dem von der Beklagten gewährten Pflegewohngeld in Höhe von 704,22 Euro und der als Einkommen angerechneten Renten der Klägerin in Höhe von insgesamt 429,77 Euro verbleibt ein ungedeckter Rest an monatlichen Heimkosten. In Ermangelung von den Freibetrag in Höhe von 2.600,00 Euro übersteigendem Vermögen kann die Klägerin diese ungedeckten Heimkosten nicht aus eigenen Mitteln aufbringen.
Zur Überzeugung der Kammer sind bei der Berechnung der ungedeckten Heimkosten durch die Beklagte die tatsächlichen Heimkosten zu berücksichtigen, da der Wunsch der Klägerin angemessen ist und durch die Pflege der Klägerin im St. Clemens Haus des Beigeladenen keine unverhältnismäßigen Mehrkosten entstehen.
Nach § 9 Abs. 1 SGB XII richten sich die Leistungen nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt. Nach Absatz 2 Satz 1 soll Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen (Satz 2). Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre (Satz 3). Absatz 3 bestimmt, dass die Leistungsberechtigten auf Wunsch in einer Einrichtung untergebracht werden sollen, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können. Die Vorschrift entspricht weitgehend dem früheren § 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
§ 9 Abs. 1 SGB XII enthält den so genannten Individualisierungsgrundsatz. Dieser konkretisiert die sozialhilferechtliche Verpflichtung zur Bedarfsdeckung, indem er dessen Zielrichtung auf die Besonderheiten des Einzelnen lenkt. Beide Grundgedanken sind aufeinander bezogen (vgl. Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII Kommentar, 3. Auflage, § 9 Rn. 4). Keineswegs räumt die Norm allerdings einen Anspruch auf Deckung jedes, je individuell gewünschten inhaltlichen Bedarfs ein (vgl. Spellbrink in: jurisPK-SGB XII, § 9 SGB XII, Rn. 11). Das in § 9 Abs. 2 SGB XII geregelte Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten als spezieller Anwendungsfall des Individualisierungsprinzips kann nur zum Tragen kommen, wenn grundsätzlich ein Anspruch auf die Sozialleistung besteht und der Leistungsträger eine Gestaltungsmöglichkeit hinsichtlich von Art und Maß der Leistungsbringung, also mehrere Handlungsalternativen, hat. Hintergrund der Vorschrift ist, dass der Bürger bei der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nicht entmündigt und nicht zum Objekt behördlichen Handelns werden soll, sondern in seiner Eigenständigkeit weitestgehend geschützt und unterstützt werden soll (vgl. Hohm in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII-Kommentar, 18. Auflage, § 9 Rn. 14). Soweit mehrere Handlungsalternativen existieren, handelt es sich beim Wunsch- und Wahlrecht um einen Ermessensgesichtspunkt, der vom Sozialhilfeträger im Rahmen seiner Ermessenserwägungen zu berücksichtigen ist (vgl. Spellbrink, aaO, § 9 SGB XII, Rn. 11). Aus § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII folgt dabei ein gebundenes Ermessen ("soll"). Die Beweislast für geeignete Alternativen der Bedarfsdeckung liegt beim Hilfeträger (Wahrendorf, aaO, § 9 Rn. 30). Dieser hat jedoch stets konkrete Angebote zu unterbreiten, die tatsächlich verfügbar sein müssen (vgl. Luthe in: Hauck/Haines, SGB XII-Kommentar, § 9 Rn. 23).
Vorliegend hat die Klägerin von ihrem Wunsch- und Wahlrecht Gebrauch gemacht. Zweifelsohne hat sie grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII. Die Klägerin hat sich für das St. Clemens Haus entschieden und diese Entscheidung damit begründet, dass ihr das Konzept der Einrichtung – das Wohnen in - 11 - kleinen Wohngruppen und der Versuch, ein besonderes Maß an Selbstbestimmtheit der Bewohner zu gewährleisten - besonders entspreche. Auch habe die Nähe zu ihrer Familie eine Rolle bei der Entscheidung gespielt, wie auch die Tatsache, dass an der Stelle des Heimes in der Vergangenheit eine Kirche gestanden habe und ihr vorheriger Vermieter ebenfalls der Caritas-Verband gewesen sei. Hierbei handelt es sich um grundsätzlich nachvollziehbare Beweggründe, für die Auswahl einer bestimmten Einrichtung. Inwiefern Handlungsalternativen bestanden haben und andere Einrichtungen konkret für die Klägerin in Betracht gekommen wären, hat die Beklagte nicht aufgezeigt, sondern pauschal auf andere Duisburger Heime verwiesen. Damit hat sie nicht – wie dies im Rahmen des § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII eigentlich erforderlich gewesen wäre – die Vorstellungen der Klägerin mit dieser abgeklärt und sich bewusst gemacht, ob der Wunsch der Klägerin nicht doch realisiert werden kann (vgl. auch: Wahrendorf, aaO, § 9 Rn. 31). Infolgedessen liegt schon eine fehlerhafte Ermessensausübung vor.
Zur Überzeugung der Kammer war der Wunsch der Klägerin, in das St. Clemens Haus und nicht in ein anderes Pflegeheim aufgenommen zu werden, angemessen im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Bei dem Begriff der Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. Spellbrink in: jurisPK-SGB XII, § 9 SGB XII, Rn. 17). Unangemessen sind jedenfalls solche Wünsche, die den Rahmen des materiellen Sozialrechts überschreiten (vgl. Wahrendorf, aaO, § 9 Rn. 31; Groth in: Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 9 Rn. 11). Wie bereits § 9 Abs. 2 Satz 3 zeigt, ist eine Maßnahme aber nicht schon dann unangemessen, wenn sie mehr kostet als eine andere geeignete Maßnahme. Dies spielt im Rahmen des Satzes 1 gerade noch keine Rolle. Vielmehr ist dann eine Abwägungsentscheidung zwischen den Belangen des Leistungsberechtigten und den fiskalischen Interessen des Sozialhilfeträgers zu treffen. Dass der Wunsch der Klägerin vorliegend unangemessen in diesem Sinne war, ist für die Kammer nicht ersichtlich. Die angefochtenen Bescheide lassen auch eine eingehendere Auseinandersetzung mit den von der Klägerin vorgetragenen Gründen für ihre Wahl vermissen. Dass ein ähnliches, wie das im St. Clemens Haus verfolgte Konzept, auch in einzelnen anderen Duisburger Pflegeeinrichtungen zugrundegelegt wird, hält die Kammer nicht für vollkommen ausgeschlossen. Die Beweislast für Alternativen liegt allerdings bei der Beklagten, die vorliegend keine anderen Einrichtungen konkret benannt hat, in denen zudem auch zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Heimaufnahme der Klägerin ein Platz frei gewesen ist. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätten die übrigen von der Klägerin angegebenen Gründe für ihre Wahl allerdings noch berücksichtigt und geprüft werden müssen, inwiefern der Bedarf der Klägerin nur in der gewählten Einrichtung gedeckt werden kann. Nach Auffassung der Kammer hätte sich die Beklagte eingehender mit den von der Klägerin vorgetragenen, nachvollziehbaren Argumenten, insbesondere dem Wunsch nach einem möglichst selbstbestimmten Leben in der Einrichtung, auseinandersetzen müssen. Gerade dann, wenn einem Heimbewohner aufgrund seiner körperlichen und geistigen Konstitution noch ein relativ selbstständiges Leben möglich ist und er beispielsweise noch in der Lage ist, bei seiner Versorgung und der Nahrungszubereitung selbst mitzuhelfen, hält es die Kammer für nachvollziehbar und unterstützungswürdig, dass ihm diese Möglichkeit eingeräumt wird. Auch kann die Klägerin als erwachsener Mensch grundsätzlich selbst bestimmen, wo sie leben möchte. Gleiches gilt auch für nicht pflegebedürftige Menschen, die ihre Unterkunft wechseln und umziehen möchten.
Nach Auffassung der Kammer ändert auch der von der Beklagten zur Begründung ihres Vorgehens herangezogene Mehrkostenvorbehalt des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII, der das Wunschrecht des Hilfeempfängers einschränken kann, nichts daran, dass vorliegend das komplette tägliche Heimentgelt zu berücksichtigen ist. Der in § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII verwendete Begriff der Unverhältnismäßigkeit bedarf als unbestimmter Rechtsbegriff der Ausformung und Konkretisierung. Jedenfalls kommt ein Kostenvergleich nur zum Tragen, wenn mehrere Angebote oder Wünsche angemessen sind. Die Beklagte hat hier schon keine etwaigen Alternativen konkret benannt, die zur Deckung des Bedarfs der Klägerin gleich geeignet sind wie die Wohngruppe im St. Clemens Haus, in der sie lebt.
Durch den Aufenthalt im St. Clemens Haus entstehen keine unverhältnismäßigen Mehrkosten. Zur Überzeugung der Kammer existiert keine starre Grenze, ab welcher Höhe Unverhältnismäßigkeit angenommen werden muss (vgl. ebenso: SG Mainz, Urteil vom 30.06.2009, Az.: S 5 SO 32/07 m.w.N.; SG Freiburg, Urteil vom 01.03.2011, Az.: S 9 SO 2640/10). Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, die nach Auffassung der Kammer vorliegend durch die Beklagte nicht ausreichend gewürdigt worden sind. Die Berücksichtigung von Pflegesätzen bis zu einer Schwelle von 5% über dem D. Durchschnitt bezogen auf die jeweilige Pflegestufe durch die Beklagte ist daher bedenklich und erscheint der Kammer zu niedrig. Insbesondere kommt Satz 3 auch nur zur Anwendung, wenn mehrere Hilfemaßnahmen dem Bedarf gleich angemessen sind (vgl. schon zu § 3 BSHG Roscher/Krahmer in: LPK-BSHG, 6. Auflage, § 3 Rn. 35). Hiermit - 13 - hat sich die Beklagte vorliegend gerade nicht vertieft auseinander gesetzt. Vor diesem Hintergrund erscheint fraglich, ob hier im Rahmen des Kostenvergleichs überhaupt auf den Durchschnitt aller D. Pflegeeinrichtungen bezogen auf die jeweilige Pflegestufe abgestellt werden kann, oder nicht vielmehr eine andere Vergleichsgruppe gebildet werden müsste. Das Gericht kann diese Frage aber offen lassen, da vorliegend auch bei einem Vergleich mit den durchschnittlichen D. Pflegeheimkosten schon keine Unverhältnismäßigkeit ersichtlich ist.
Der Mehrkostenvorbehalt erschöpft sich nicht in einem rein rechnerischen Kostenvergleich, sondern verlangt (auch) eine wertende Betrachtungsweise, bei der das Gewicht der vom Hilfeempfänger gewünschten Gestaltung der Hilfe im Hinblick auf seine individuelle Notsituation zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.1994, Az.: 5 C 13/92 zu § 3 BSHG). In Rechtsprechung und Literatur wird eine Unverhältnismäßigkeit soweit ersichtlich regelmäßig erst bei Kosten, die 20% - 30% über denen der Vergleichsgruppe liegen, angenommen (s. dazu auch SG Mainz, Urteil vom 30.06.2009, aaO; SG Hildesheim, Urteil vom 19.05.2010, Az.: S 34 SO 212/07; SG Freiburg, Urteil vom 01.03.2011, aaO.). Es kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass Mehrkosten von rund 75% regelmäßig unverhältnismäßig sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.02.1982, Az.: 5 V 85/80). In dieser Höhe übersteigen die im St. Clemens Haus tatsächlich entstehenden Kosten die von der Beklagen als Vergleichsgruppe herangezogenen durchschnittlichen Kosten für Pflegestufe I in den D. Heimen bei Weitem nicht. Vielmehr lagen die Kosten im St. Clemens Haus hier maximal 9,14% über den durchschnittlichen D. Heimkosten bei Pflegestufe 1. Zudem haben sich – dies zeigt die Entwicklung der Differenz zwischen den tatsächlichen und den von der Beklagten zugrunde gelegten Pflegesätzen seit der Heimaufnahme der Klägerin von anfangs 3,77 Euro täglich auf nunmehr nur noch 0,14 Euro täglich – offenbar die durchschnittlichen Kosten im Vergleich zu denen im St. Clemens Haus deutlich erhöht. Insbesondere da die Beklagte bei Heimbewohnern, bei denen die Pflegesätze anfangs unter der 105% Schwelle lagen und sich im Laufe der Zeit über die Schwelle steigen, (zutreffenderweise) keine Kürzungen vornimmt, erscheint nicht nachvollziehbar, warum im umgekehrten Fall ein Teil der Kosten nicht anerkannt wird. Da die Heimbewohner – anders als die Sozialhilfeträger - auf die Entwicklung der Pflegesätze keinen Einfluss haben, dürfte hierin eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liegen. Die Kammer hält dabei für nicht unwahrscheinlich, dass die hier streitigen Heimkosten im St. Clemens Haus innerhalb der kommenden Quartale unter die 105% Schwelle rutschen und damit auch nach der von der Beklagten angewendeten Praxis komplett übernommen werden würden. Der Kammer sind jedenfalls andere Fälle bekannt, in denen dies der Fall war und hierfür spricht auch die Entwicklung der ungedeckten täglichen Kosten im vorliegenden Fall von 3,77 Euro auf mittlerweile 0,14 Euro. Dann hinge die Übernahme der tatsächlichen Heimkosten der einzelnen Heimbewohner unter Umständen davon ab, ob diese ein paar Monate früher oder später in die Einrichtung gezogen sind.
In der Zeit ab Heimaufnahme am 23.08.2010 sind der Beklagten maximal Mehrkosten in Höhe von monatlich 113,10 Euro (30 x 3,77 Euro im September 2010) entstanden. In der Folgezeit sind diese Mehrkosten zu Beginn eines jeden Quartals gesunken und liegen aktuell bei 4,20 Euro monatlich (30 x 0,14 Euro im April 2012). Dabei handelt es sich zur Überzeugung der Kammer keinesfalls um unverhältnismäßige Mehrkosten, die das Wunschrecht der Klägerin vorliegend hätten einschränken können.
Auch ist nach Auffassung der Kammer das Vorbringen der Klägerin nicht von vornherein von der Hand zu weisen, dass die Beklagte, die ja an der Vereinbarung der Pflegesätze des Beigeladenen mitgewirkt hat, sich nunmehr auf den Mehrkostenvorbehalt nicht mit Erfolg berufen und den Wunsch der Klägerin ablehnen kann. So wird unter Hinweis auf § 75 SGB XII vertreten, dass die Vergütung einer Einrichtung, die zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB XII als geeignet befunden wurde (§ 75 Abs. 2 Satz 2 SGB XII) und deren Vergütung innerhalb der nach § 75 Abs. 2 Satz 3 SGB XII ermittelten Bandbreite liegt, nicht als unverhältnismäßig im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII gewertet werden kann (vgl. Jaritz/Eicher in: jurisPK-SGB XII, § 75 SGB XII, Rn. 47; a.A. hinsichtlich § 3 BSHG: BVerwG, Urteil vom 30.09.1993, 5 C 41/91). Die Kammer kann dies allerdings offen lassen, da die angefochtenen Bescheide bereits aus anderen Gründen zu ändern waren.
Da eine Unverhältnismäßigkeit nicht vorliegt, muss auch auf das Vorbringen der Klägerin, sie sei auch aufgrund ihres Glaubens in das in katholischer Trägerschaft stehende Heim gezogen und den Einwand der Beklagten hiergegen, dass die Klägerin die evangelische Konfessionszugehörigkeit besitze, nicht weiter eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dementsprechend hat die Beklagte als unterlegene Beteiligte die außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten - auch des Beigeladenen - zu tragen, soweit sie einen Antrag gestellt haben (s. LSG NRW, Urteil vom18.04.2011, Az.: L 20 SOI 78/10 m.v.N.).
Die Statthaftigkeit der Berufung folgt aus § 144 Abs. 1 SGG.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beigeladenen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Übernahme der tatsächlichen Heimkosten nach dem Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII).
Die im Jahr 1913 geborene, verwitwete Klägerin hat ausweislich ihres Schwerbehindertenausweises einen Grad der Behinderung von 70 sowie Merkzeichen G. Von der Pflegekasse wurde Pflegestufe I anerkannt. Die Klägerin bezieht eine Altersrente in Höhe von 339,47 Euro und eine Witwenrente in Höhe von 144,70 Euro (Stand: 01.07.2010). Daneben bezog sie Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beklagten. Bis zum 22.08.2010 lebte sie im eigenen Haushalt; Vermieterin war der Caritas-Verband.
Am 09.08.2010 teilte die Tochter der Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass die Klägerin am 23.08.2010 in das St. Clemens Haus des Beigeladenen ziehen werde. Ein anderer Heimplatz sei nicht frei gewesen. Ein verwandter Weihbischof habe die Einrichtung eröffnet und eingeweiht. Die Beklagte wies auf den Mehrkostenvorbehalt hin. Die Klägerin beantragte am 24.08.2010 bei der Beklagten die Übernahme der ungedeckten Heimkosten im St. Clemens Haus des Caritas-Verbandes. Zudem bevollmächtige sie ihre Tochter, sie in Behördenangelegenheiten zu vertreten. Der tägliche Pflegesatz im St. Clemens Haus für Pflegestufe I betrug 94,84 Euro in dem von der Klägerin bezogenen Einzelzimmer. Die Klägerin erklärte in ihrem Antrag, sie sei nicht in der Lage einen eigenen Haushalt zu führen. Dem Antrag beigefügt war ein Schreiben der AOK Rheinland/Hamburg vom 27.07.2010, in dem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Notwendigkeit einer 24-Stunden-Betreuung für die Klägerin bestätigte. Oberhalb des Vermögensfreibetrages von 2.600,00 Euro liegendes Vermögen war bei Heimaufnahme nicht vorhanden. Die AOK Rheinland/Hamburg gewährte der Klägerin rückwirkend ab Heimaufnahme Leistungen der vollstationären Pflege in Höhe von 1.023,00 Euro. Unter dem 31.08.2010 beantragte die Klägerin zudem Pflegewohngeld bei der Beklagten, welches rückwirkend ab Heimaufnahme in Höhe von 704,22 Euro monatlich gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 08.11.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 23.08.2010 Sozialhilfe unter Berücksichtigung eines täglichen Pflegesatzes in Höhe von insgesamt 91,07 Euro (ab dem 01.10.2010 92,64 Euro täglich). Ab dem 01.10.2010 rechnete sie dabei das Renteneinkommen der Klägerin an, wobei von der Altersrente nur ein Betrag in Höhe von 90,30 angerechnet und der auf die Kindererziehung bezogene Rentenanteil in Höhe von 54,40 Euro freigelassen wurde. Zudem bewilligte sie der Klägerin einen Barbetrag in Höhe von monatlich 96,93 Euro. Der Differenzbetrag von täglich 3,77 Euro, bzw. ab dem 01.10.2010 von 2,20 Euro zu dem tatsächlich im St. Clemens Haus erhobenen Pflegsatz in Höhe von 94,84 Euro bleibe unberücksichtigt. Die Stadt D. wende als Sozialhilfeträger bei der Gewährung von Leistungen den so genannten Mehrkostenvorbehalt gemäß § 9 Abs. 2 SGB XII an, wonach der Träger Wünschen der Leistungsberechtigten nicht entsprechen solle, wenn deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Zur Bemessung der verhältnismäßigen Kosten seien die Durchschnittskosten in den jeweiligen Pflegestufen der D. Einrichtungen der vollstationären Pflege zuzüglich einer Überschreitung von bis zu 5% zugrunde gelegt worden. Die Berechnung der zugrunde gelegten durchschnittlichen Pflegesätze der D. Einrichtungen bezogen auf die jeweiligen Pflegestufen erfolge jeweils zum Quartalsanfang. Dieser Durchschnittswert werde im St. Clemens Haus in der Pflegestufe I überschritten. Die durchschnittlichen Pflegekosten der Pflegestufe I hätten in D. in der Zeit vom 01.07.2010 bis 30.09.2010 bei 86,73 Euro pro Tag gelegen. Zuzüglich des Überschreitungswertes von 5% ergebe sich somit ein Pflegesatz in Höhe von 91,07 Euro. Der vom St. Clemens Haus erhobene Pflegesatz für Pflegestufe I in Höhe von 94,84 Euro täglich liege damit um 3,77 Euro (4,14%) über dem Überschreitungswert und um 9,35 Euro über dem D. Durchschnittswert. Somit entstünden der Stadt D. unverhältnismäßige Mehrkosten in Höhe von ca. 115,00 Euro monatlich und somit 1.380,00 Euro jährlich. Ab dem 01.10.2010 lägen die durchschnittlichen Pflegesätze in D. Einrichtungen bezogen auf Pflegestufe I bei 88,23 Euro, so dass sich zuzüglich des Überschreitungsbetrages ein Betrag von 92,64 Euro ergebe. Der vom St. Clemens Haus erhobene Pflegesatz liege damit 2,20 Euro (2,37%) täglich über dem Überschreitungswert und 6,61 Euro (7,49%) über dem Durchschnitt. Die monatlichen Mehrkosten beliefen sich seit dem 01.10.2010 auf ca. 66,00 Euro und jährlich ca. 797,00 Euro. Es seien keine Gründe ersichtlich, die für die Übernahme der tatsächlichen Kosten sprechen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass kein anderweitiger Heimplatz in D. vorhanden gewesen sei. Auch soweit das St. Clemens Haus durch einen Verwandten eröffnet und eingeweiht worden sein sollte, rechtfertige das in diesem Fall keine Übernahme der tatsächlichen Pflegesätze durch den Sozialhilfeträger.
Hiergegen erhob die Klägerin durch ihre bevollmächtigte Tochter unter dem 24.11.2010 Widerspruch. Sie habe niemals geäußert, dass kein anderer Heimplatz vorhanden gewesen sei. Grund für die Wahl des St. Clemens Hauses sei dessen besonderes Konzept gewesen. Dieses Konzept mit kleinen Wohngemeinschaften und dem Versuch, ein besonderes Maß an Selbstbestimmtheit zu gewährleisten, entspreche ihren Fähigkeiten am ehesten. Sie könne in Kleingruppen von 9 Menschen nach ihren Fähigkeiten und Wünschen mithelfen, den Heimalltag zu gestalten. Mit Schreiben vom 30.11.2010 führte die Klägerin weiter aus, dass die Heimplatzwahl nicht damit begründet worden sei, dass das Heim von einem Verwandten eröffnet und eingeweiht worden sei. Vielmehr sei die Entscheidung von ihr und ihrer Familie einerseits aufgrund des Konzepts des St. Clemens Hauses, andererseits aufgrund der Nähe zur Familie und aufgrund des Standorts der Einrichtung – dort habe früher eine Kirche gestanden - getroffen worden. Diese Begründungen seien nachvollziehbar, weshalb eine Ausnahme vom Mehrkostenvorbehalt zu machen sei. Das St. Clemens Haus sei aufgrund seiner besonderen Struktur, bei der die individuellen Wünsche der Bewohner im Vordergrund stünden, auf kommunaler Ebene nicht vergleichbar und könne nicht in den Kostenvergleich einbezogen werden. Zudem sei die Beklagte an dem Verfahren, in dem die Pflegesätze festgelegt wurden, beteiligt gewesen und habe diesen zugestimmt.
Nach Änderung der Höchstgrenzen berücksichtigte die Beklagte seit dem 01.01.2011 einen täglichen Pflegesatz in Höhe von insgesamt 93,15 Euro. Die Differenz in Höhe von 1,81 Euro täglich zu den tatsächlichen Kosten übernahm sie nicht. Nach erneuten Änderungen der Höchstgrenzen berücksichtigte sie seit dem 01.04.2011 einen täglichen Pflegesatz in Höhe von insgesamt 93,29 Euro, ab dem 01.07.2011 in Höhe von 93,34 Euro, seit dem 01.10.2011 in Höhe von 93,96 Euro, seit dem 01.01.2012 in Höhe von 94,21 Euro und seit dem 01.04.2012 in Höhe von 94,82 Euro. Die Differenz in Höhe von 1,67 Euro, bzw. 1,62 Euro, 1,00 Euro, 0,75 Euro und zuletzt 0,14 Euro täglich zu den tatsächlichen Kosten übernahm sie nicht.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2011 als unbegründet zurück. Aufgrund des Mehrkostenvorbehalts in § 9 SGB XII könnten die Kosten für die Heimunterbringung nicht in voller Höhe übernommen werden. Bereits bei Antragstellung sei sie auf den Mehrkostenvorbehalt hingewiesen worden. Die von ihr genannten Argumente seien nicht geeignet, die Übernahme der in der gewählten Einrichtung entstehenden Mehrkosten zu rechtfertigen. Das neue Wohngruppenkonzept möge zwar für die Heimbewohner von Vorteil sein, könne aber nicht dazu führen, dass die Mehrkosten vom Sozialhilfeträger zu übernehmen seien. Mit der Neuausrichtung "Wohngruppenkonzept" erreiche die Pflegeeinrichtung nicht den Status einer Spezialeinrichtung. Bei solchen Spezialeinrichtungen, z.B. für Schlaganfallpatienten oder Wachkomapatienten, würden regelmäßig auch höhere Kosten berücksichtigt. Das von der Klägerin genannte besondere Maß an Selbstbestimmtheit sei an die individuellen Voraussetzungen der Heimbewohner und ihrer Fähigkeiten gekoppelt und könne ebenso auch in anderen D. Pflegeeinrichtungen gefördert werden. Mit der abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung sei keine Belegungsgarantie verbunden. Der Sozialhilfeträger werde hierdurch nicht verpflichtet, Leistungsberechtigte in bestimmten Einrichtungen unterzubringen. Würde eine solche Vereinbarung die Unverhältnismäßigkeit des Pflegesatzes per se ausschließen, bestünde für den Mehrkostenvorbehalt kein Anwendungsbereich.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.02.2011 Klage erhoben. Sie trägt vor, sie habe sich aufgrund des Konzepts der Einrichtung, dem Wohnen in kleinen Wohngemeinschaften, für diese entschieden. Zudem sei ihr Wunsch gewesen, möglichst nah bei ihrer Familie zu wohnen. Auch ihre Gläubigkeit habe bei der Auswahl eine Rolle gespielt, da das St. Clemens Haus in katholischer Trägerschaft bestehe und am jetzigen Standort früher eine Kirche gestanden habe. Die Einschränkung ihres Wunsches unter Zugrundelegung starrer Prozentsätze sei rechtswidrig. Es habe eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Es handele sich außerdem schon deshalb nicht um unverhältnismäßige Mehrkosten, da es sich beim St. Clemens Haus um eine gemäß § 75 SGB XII anerkannte Einrichtung handele; die Beklagte habe an der Verhandlung der Pflegesätze seinerzeit mitgewirkt.
Sie beantragt nach ihrem erkennbaren Interesse,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 08.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011 und der konkludent durch Auszahlung ergangenen Änderungsbescheide zu verurteilen, ihr weitere Heimkosten für die Zeit vom 23.08.2010 bis 30.09.2010 in Höhe von 3,77 Euro täglich, für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 in Höhe von 2,20 Euro täglich, für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 in Höhe von 1,81 Euro täglich, für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011 in Höhe von 1,67 Euro täglich, für die Zeit vom 01.07.2011 bis 30.09.2011 in Höhe von 1,62 Euro täglich, für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.12.2011 in Höhe von 1,00 Euro täglich, für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.03.2012 in Höhe von 0,75 Euro täglich und für die Zeit ab 01.04.2012 in Höhe von 0,14 Euro täglich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für unbegründet. Zur Bestimmung des von ihr anerkannten Grenzwertes werde der Durchschnitt der jeweiligen Kosten ermittelt und auf den Durchschnittswert ein Aufschlag von 5% gewährt, so dass – wie auch bei der Klägerin - 105% der durchschnittlichen Kosten ohne eine besondere Begründung bei der Berechnung des Sozialhilfeanspruchs akzeptiert würden. Bei einer individuellen Notwendigkeit werde den Bedürfnissen der heimpflegebedürftigen Person Rechnung getragen und eine Unterbringung unabhängig von diesen Grenzwerten akzeptiert. Bei der Klägerin seien keine Gründe ersichtlich, die eine Übernahme der tatsächlichen Kosten erforderlich machten. Soweit diese sich auf das besondere Konzept der gewählten Einrichtung berufe, sei darauf hinzuweisen, dass mittlerweile in fast allen Einrichtungen die Möglichkeit der Förderung individueller Belange gegeben sei.
Das Gericht hat das Caritas Altenheim St. Clemens zum Verfahren beigeladen.
Der Beigeladene hat – wie die Klägerin – beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 08.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011 und der konkludent durch Auszahlung ergangenen Änderungsbescheide zu verurteilen, der Klägerin weitere Heimkosten für die Zeit vom 23.08.2010 bis 30.09.2010 in Höhe von 3,77 Euro täglich, für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 in Höhe von 2,20 Euro täglich, für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 in Höhe von 1,81 Euro täglich, für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011 in Höhe von 1,67 Euro täglich, für die Zeit vom 01.07.2011 bis 30.09.2011 in Höhe von 1,62 Euro täglich, für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.12.2011 in Höhe von 1,00 Euro täglich, für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.03.2012 in Höhe von 0,75 Euro täglich und für die Zeit ab 01.04.2012 in Höhe von 0,14 Euro täglich zu gewähren.
Auch er hält die Zugrundelegung einer starren Angemessenheitsgrenze für rechtswidrig und schließt sich dem Vortrag der Klägerin an. Der Mehrkostenvorbehalt sei nur auf den jeweiligen Einzelfall anwendbar, die Behörde müsse eine Ermessensentscheidung treffen. Die Ansetzung des starren 105% Schwellenwerts sei unzulässig, was sich auch aus dem von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in NRW eingeholten Gutachten der Kanzlei Redeker, Sellner & Dahs ergebe. Es sei nicht ersichtlich, wie die Beklagte dazu komme, dass ausgerechnet 5% der über dem Durchschnitt liegenden Kosten noch von ihr akzeptiert würden, dies sei letztlich willkürlich. Auch sei es nicht möglich, einen Vergleich zwischen den einzelnen Pflegeeinrichtungen vorzunehmen, da diese nicht vergleichbar seien. So sei insbesondere das St. Clemens Haus mit seinen kleinen Wohngruppen und der individuellen Verpflegungsversorgung durch die jeweilige Bewohnergruppe ohne Zentralküche nicht mit anderen Seniorenheimen in Duisburg vergleichbar. Soweit die Beklagte zur Haushaltskonsolidierung den Mehrkostenvorbehalt unter Zugrundelegung der 105% Grenze anwende, sei diese Maßnahme insbesondere nicht angemessen im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Beklagte verhalte sich zudem widersprüchlich, indem sie einerseits an den Verhandlungen zur Festsetzung der Pflegesätze vertreten durch den entsprechend von ihr bevollmächtigten Landschaftsverband Rheinland (LVR) teilgenommen habe und sich nun darauf berufe, dass die tatsächlichen Pflegesätze bei der Bedarfsberechnung aufgrund des Mehrkostenvorbehaltes nicht zu berücksichtigen seien.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die die Klägerin betreffende Leistungsakte der Beklagten. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Streitig ist der Zeitraum ab Heimaufnahme am 23.08.2010. Zwar handelt es sich bei den Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII um regelmäßig für einen einmonatigen Zeitraum bewilligte Leistungen. Vorliegend hat die Beklagte die Leistungen jedoch per Dauerverwaltungsakt vom 08.11.2010 und hierzu konkludent durch Auszahlung ergangener Änderungsbescheide bewilligt, so dass der streitgegenständliche Zeitraum nicht mit Erlass des Widerspruchsbescheides endet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung weiterer Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung der tatsächlichen Heimkosten.
Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Die Klägerin gehört - insbesondere aufgrund der ihr zuerkannten Pflegestufe I, der nach der Stellungnahme des MdK erforderlichen 24-Stunden Betreuung und mit einem Grad der Behinderung von 70 mit Merkzeichen G - unzweifelhaft zu dem nach § 61 Abs. 1 SGB XII leistungsberechtigten Personenkreis, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Nach § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII umfasst die Hilfe zur Pflege unter anderem auch die stationäre Pflege, wie sie hier von der Klägerin im St. Clemens Haus in Anspruch genommen wird. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII wird die Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII u.a. geleistet, soweit den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Die durchschnittlichen Monatskosten für die Heimpflege der Klägerin betrugen in der Zeit vom 23.08.2010 bis 31.12.2010 2.885,03 Euro (94,84 Euro x 30,42) und betragen seit dem 01.01.2011 durchschnittlich 2.888,68 Euro (94,96 Euro x 30,42). Nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse in Höhe von 1.023,00 Euro, dem von der Beklagten gewährten Pflegewohngeld in Höhe von 704,22 Euro und der als Einkommen angerechneten Renten der Klägerin in Höhe von insgesamt 429,77 Euro verbleibt ein ungedeckter Rest an monatlichen Heimkosten. In Ermangelung von den Freibetrag in Höhe von 2.600,00 Euro übersteigendem Vermögen kann die Klägerin diese ungedeckten Heimkosten nicht aus eigenen Mitteln aufbringen.
Zur Überzeugung der Kammer sind bei der Berechnung der ungedeckten Heimkosten durch die Beklagte die tatsächlichen Heimkosten zu berücksichtigen, da der Wunsch der Klägerin angemessen ist und durch die Pflege der Klägerin im St. Clemens Haus des Beigeladenen keine unverhältnismäßigen Mehrkosten entstehen.
Nach § 9 Abs. 1 SGB XII richten sich die Leistungen nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt. Nach Absatz 2 Satz 1 soll Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen (Satz 2). Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre (Satz 3). Absatz 3 bestimmt, dass die Leistungsberechtigten auf Wunsch in einer Einrichtung untergebracht werden sollen, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können. Die Vorschrift entspricht weitgehend dem früheren § 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
§ 9 Abs. 1 SGB XII enthält den so genannten Individualisierungsgrundsatz. Dieser konkretisiert die sozialhilferechtliche Verpflichtung zur Bedarfsdeckung, indem er dessen Zielrichtung auf die Besonderheiten des Einzelnen lenkt. Beide Grundgedanken sind aufeinander bezogen (vgl. Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII Kommentar, 3. Auflage, § 9 Rn. 4). Keineswegs räumt die Norm allerdings einen Anspruch auf Deckung jedes, je individuell gewünschten inhaltlichen Bedarfs ein (vgl. Spellbrink in: jurisPK-SGB XII, § 9 SGB XII, Rn. 11). Das in § 9 Abs. 2 SGB XII geregelte Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten als spezieller Anwendungsfall des Individualisierungsprinzips kann nur zum Tragen kommen, wenn grundsätzlich ein Anspruch auf die Sozialleistung besteht und der Leistungsträger eine Gestaltungsmöglichkeit hinsichtlich von Art und Maß der Leistungsbringung, also mehrere Handlungsalternativen, hat. Hintergrund der Vorschrift ist, dass der Bürger bei der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nicht entmündigt und nicht zum Objekt behördlichen Handelns werden soll, sondern in seiner Eigenständigkeit weitestgehend geschützt und unterstützt werden soll (vgl. Hohm in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII-Kommentar, 18. Auflage, § 9 Rn. 14). Soweit mehrere Handlungsalternativen existieren, handelt es sich beim Wunsch- und Wahlrecht um einen Ermessensgesichtspunkt, der vom Sozialhilfeträger im Rahmen seiner Ermessenserwägungen zu berücksichtigen ist (vgl. Spellbrink, aaO, § 9 SGB XII, Rn. 11). Aus § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII folgt dabei ein gebundenes Ermessen ("soll"). Die Beweislast für geeignete Alternativen der Bedarfsdeckung liegt beim Hilfeträger (Wahrendorf, aaO, § 9 Rn. 30). Dieser hat jedoch stets konkrete Angebote zu unterbreiten, die tatsächlich verfügbar sein müssen (vgl. Luthe in: Hauck/Haines, SGB XII-Kommentar, § 9 Rn. 23).
Vorliegend hat die Klägerin von ihrem Wunsch- und Wahlrecht Gebrauch gemacht. Zweifelsohne hat sie grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII. Die Klägerin hat sich für das St. Clemens Haus entschieden und diese Entscheidung damit begründet, dass ihr das Konzept der Einrichtung – das Wohnen in - 11 - kleinen Wohngruppen und der Versuch, ein besonderes Maß an Selbstbestimmtheit der Bewohner zu gewährleisten - besonders entspreche. Auch habe die Nähe zu ihrer Familie eine Rolle bei der Entscheidung gespielt, wie auch die Tatsache, dass an der Stelle des Heimes in der Vergangenheit eine Kirche gestanden habe und ihr vorheriger Vermieter ebenfalls der Caritas-Verband gewesen sei. Hierbei handelt es sich um grundsätzlich nachvollziehbare Beweggründe, für die Auswahl einer bestimmten Einrichtung. Inwiefern Handlungsalternativen bestanden haben und andere Einrichtungen konkret für die Klägerin in Betracht gekommen wären, hat die Beklagte nicht aufgezeigt, sondern pauschal auf andere Duisburger Heime verwiesen. Damit hat sie nicht – wie dies im Rahmen des § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII eigentlich erforderlich gewesen wäre – die Vorstellungen der Klägerin mit dieser abgeklärt und sich bewusst gemacht, ob der Wunsch der Klägerin nicht doch realisiert werden kann (vgl. auch: Wahrendorf, aaO, § 9 Rn. 31). Infolgedessen liegt schon eine fehlerhafte Ermessensausübung vor.
Zur Überzeugung der Kammer war der Wunsch der Klägerin, in das St. Clemens Haus und nicht in ein anderes Pflegeheim aufgenommen zu werden, angemessen im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Bei dem Begriff der Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. Spellbrink in: jurisPK-SGB XII, § 9 SGB XII, Rn. 17). Unangemessen sind jedenfalls solche Wünsche, die den Rahmen des materiellen Sozialrechts überschreiten (vgl. Wahrendorf, aaO, § 9 Rn. 31; Groth in: Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 9 Rn. 11). Wie bereits § 9 Abs. 2 Satz 3 zeigt, ist eine Maßnahme aber nicht schon dann unangemessen, wenn sie mehr kostet als eine andere geeignete Maßnahme. Dies spielt im Rahmen des Satzes 1 gerade noch keine Rolle. Vielmehr ist dann eine Abwägungsentscheidung zwischen den Belangen des Leistungsberechtigten und den fiskalischen Interessen des Sozialhilfeträgers zu treffen. Dass der Wunsch der Klägerin vorliegend unangemessen in diesem Sinne war, ist für die Kammer nicht ersichtlich. Die angefochtenen Bescheide lassen auch eine eingehendere Auseinandersetzung mit den von der Klägerin vorgetragenen Gründen für ihre Wahl vermissen. Dass ein ähnliches, wie das im St. Clemens Haus verfolgte Konzept, auch in einzelnen anderen Duisburger Pflegeeinrichtungen zugrundegelegt wird, hält die Kammer nicht für vollkommen ausgeschlossen. Die Beweislast für Alternativen liegt allerdings bei der Beklagten, die vorliegend keine anderen Einrichtungen konkret benannt hat, in denen zudem auch zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Heimaufnahme der Klägerin ein Platz frei gewesen ist. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätten die übrigen von der Klägerin angegebenen Gründe für ihre Wahl allerdings noch berücksichtigt und geprüft werden müssen, inwiefern der Bedarf der Klägerin nur in der gewählten Einrichtung gedeckt werden kann. Nach Auffassung der Kammer hätte sich die Beklagte eingehender mit den von der Klägerin vorgetragenen, nachvollziehbaren Argumenten, insbesondere dem Wunsch nach einem möglichst selbstbestimmten Leben in der Einrichtung, auseinandersetzen müssen. Gerade dann, wenn einem Heimbewohner aufgrund seiner körperlichen und geistigen Konstitution noch ein relativ selbstständiges Leben möglich ist und er beispielsweise noch in der Lage ist, bei seiner Versorgung und der Nahrungszubereitung selbst mitzuhelfen, hält es die Kammer für nachvollziehbar und unterstützungswürdig, dass ihm diese Möglichkeit eingeräumt wird. Auch kann die Klägerin als erwachsener Mensch grundsätzlich selbst bestimmen, wo sie leben möchte. Gleiches gilt auch für nicht pflegebedürftige Menschen, die ihre Unterkunft wechseln und umziehen möchten.
Nach Auffassung der Kammer ändert auch der von der Beklagten zur Begründung ihres Vorgehens herangezogene Mehrkostenvorbehalt des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII, der das Wunschrecht des Hilfeempfängers einschränken kann, nichts daran, dass vorliegend das komplette tägliche Heimentgelt zu berücksichtigen ist. Der in § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII verwendete Begriff der Unverhältnismäßigkeit bedarf als unbestimmter Rechtsbegriff der Ausformung und Konkretisierung. Jedenfalls kommt ein Kostenvergleich nur zum Tragen, wenn mehrere Angebote oder Wünsche angemessen sind. Die Beklagte hat hier schon keine etwaigen Alternativen konkret benannt, die zur Deckung des Bedarfs der Klägerin gleich geeignet sind wie die Wohngruppe im St. Clemens Haus, in der sie lebt.
Durch den Aufenthalt im St. Clemens Haus entstehen keine unverhältnismäßigen Mehrkosten. Zur Überzeugung der Kammer existiert keine starre Grenze, ab welcher Höhe Unverhältnismäßigkeit angenommen werden muss (vgl. ebenso: SG Mainz, Urteil vom 30.06.2009, Az.: S 5 SO 32/07 m.w.N.; SG Freiburg, Urteil vom 01.03.2011, Az.: S 9 SO 2640/10). Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, die nach Auffassung der Kammer vorliegend durch die Beklagte nicht ausreichend gewürdigt worden sind. Die Berücksichtigung von Pflegesätzen bis zu einer Schwelle von 5% über dem D. Durchschnitt bezogen auf die jeweilige Pflegestufe durch die Beklagte ist daher bedenklich und erscheint der Kammer zu niedrig. Insbesondere kommt Satz 3 auch nur zur Anwendung, wenn mehrere Hilfemaßnahmen dem Bedarf gleich angemessen sind (vgl. schon zu § 3 BSHG Roscher/Krahmer in: LPK-BSHG, 6. Auflage, § 3 Rn. 35). Hiermit - 13 - hat sich die Beklagte vorliegend gerade nicht vertieft auseinander gesetzt. Vor diesem Hintergrund erscheint fraglich, ob hier im Rahmen des Kostenvergleichs überhaupt auf den Durchschnitt aller D. Pflegeeinrichtungen bezogen auf die jeweilige Pflegestufe abgestellt werden kann, oder nicht vielmehr eine andere Vergleichsgruppe gebildet werden müsste. Das Gericht kann diese Frage aber offen lassen, da vorliegend auch bei einem Vergleich mit den durchschnittlichen D. Pflegeheimkosten schon keine Unverhältnismäßigkeit ersichtlich ist.
Der Mehrkostenvorbehalt erschöpft sich nicht in einem rein rechnerischen Kostenvergleich, sondern verlangt (auch) eine wertende Betrachtungsweise, bei der das Gewicht der vom Hilfeempfänger gewünschten Gestaltung der Hilfe im Hinblick auf seine individuelle Notsituation zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.1994, Az.: 5 C 13/92 zu § 3 BSHG). In Rechtsprechung und Literatur wird eine Unverhältnismäßigkeit soweit ersichtlich regelmäßig erst bei Kosten, die 20% - 30% über denen der Vergleichsgruppe liegen, angenommen (s. dazu auch SG Mainz, Urteil vom 30.06.2009, aaO; SG Hildesheim, Urteil vom 19.05.2010, Az.: S 34 SO 212/07; SG Freiburg, Urteil vom 01.03.2011, aaO.). Es kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass Mehrkosten von rund 75% regelmäßig unverhältnismäßig sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.02.1982, Az.: 5 V 85/80). In dieser Höhe übersteigen die im St. Clemens Haus tatsächlich entstehenden Kosten die von der Beklagen als Vergleichsgruppe herangezogenen durchschnittlichen Kosten für Pflegestufe I in den D. Heimen bei Weitem nicht. Vielmehr lagen die Kosten im St. Clemens Haus hier maximal 9,14% über den durchschnittlichen D. Heimkosten bei Pflegestufe 1. Zudem haben sich – dies zeigt die Entwicklung der Differenz zwischen den tatsächlichen und den von der Beklagten zugrunde gelegten Pflegesätzen seit der Heimaufnahme der Klägerin von anfangs 3,77 Euro täglich auf nunmehr nur noch 0,14 Euro täglich – offenbar die durchschnittlichen Kosten im Vergleich zu denen im St. Clemens Haus deutlich erhöht. Insbesondere da die Beklagte bei Heimbewohnern, bei denen die Pflegesätze anfangs unter der 105% Schwelle lagen und sich im Laufe der Zeit über die Schwelle steigen, (zutreffenderweise) keine Kürzungen vornimmt, erscheint nicht nachvollziehbar, warum im umgekehrten Fall ein Teil der Kosten nicht anerkannt wird. Da die Heimbewohner – anders als die Sozialhilfeträger - auf die Entwicklung der Pflegesätze keinen Einfluss haben, dürfte hierin eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liegen. Die Kammer hält dabei für nicht unwahrscheinlich, dass die hier streitigen Heimkosten im St. Clemens Haus innerhalb der kommenden Quartale unter die 105% Schwelle rutschen und damit auch nach der von der Beklagten angewendeten Praxis komplett übernommen werden würden. Der Kammer sind jedenfalls andere Fälle bekannt, in denen dies der Fall war und hierfür spricht auch die Entwicklung der ungedeckten täglichen Kosten im vorliegenden Fall von 3,77 Euro auf mittlerweile 0,14 Euro. Dann hinge die Übernahme der tatsächlichen Heimkosten der einzelnen Heimbewohner unter Umständen davon ab, ob diese ein paar Monate früher oder später in die Einrichtung gezogen sind.
In der Zeit ab Heimaufnahme am 23.08.2010 sind der Beklagten maximal Mehrkosten in Höhe von monatlich 113,10 Euro (30 x 3,77 Euro im September 2010) entstanden. In der Folgezeit sind diese Mehrkosten zu Beginn eines jeden Quartals gesunken und liegen aktuell bei 4,20 Euro monatlich (30 x 0,14 Euro im April 2012). Dabei handelt es sich zur Überzeugung der Kammer keinesfalls um unverhältnismäßige Mehrkosten, die das Wunschrecht der Klägerin vorliegend hätten einschränken können.
Auch ist nach Auffassung der Kammer das Vorbringen der Klägerin nicht von vornherein von der Hand zu weisen, dass die Beklagte, die ja an der Vereinbarung der Pflegesätze des Beigeladenen mitgewirkt hat, sich nunmehr auf den Mehrkostenvorbehalt nicht mit Erfolg berufen und den Wunsch der Klägerin ablehnen kann. So wird unter Hinweis auf § 75 SGB XII vertreten, dass die Vergütung einer Einrichtung, die zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB XII als geeignet befunden wurde (§ 75 Abs. 2 Satz 2 SGB XII) und deren Vergütung innerhalb der nach § 75 Abs. 2 Satz 3 SGB XII ermittelten Bandbreite liegt, nicht als unverhältnismäßig im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII gewertet werden kann (vgl. Jaritz/Eicher in: jurisPK-SGB XII, § 75 SGB XII, Rn. 47; a.A. hinsichtlich § 3 BSHG: BVerwG, Urteil vom 30.09.1993, 5 C 41/91). Die Kammer kann dies allerdings offen lassen, da die angefochtenen Bescheide bereits aus anderen Gründen zu ändern waren.
Da eine Unverhältnismäßigkeit nicht vorliegt, muss auch auf das Vorbringen der Klägerin, sie sei auch aufgrund ihres Glaubens in das in katholischer Trägerschaft stehende Heim gezogen und den Einwand der Beklagten hiergegen, dass die Klägerin die evangelische Konfessionszugehörigkeit besitze, nicht weiter eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dementsprechend hat die Beklagte als unterlegene Beteiligte die außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten - auch des Beigeladenen - zu tragen, soweit sie einen Antrag gestellt haben (s. LSG NRW, Urteil vom18.04.2011, Az.: L 20 SOI 78/10 m.v.N.).
Die Statthaftigkeit der Berufung folgt aus § 144 Abs. 1 SGG.
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