L 22 R 685/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 97 R 9266/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 685/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2010 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2007 verpflichtet, den Bescheid vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2003 zurückzunehmen und unter Änderung des Bescheides vom 27. Januar 1987 das Altersruhegeld unter Berücksichtigung der Zeiten von April 1939 bis Juni 1941 und von September 1946 bis Februar 1949 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten ab 01. Januar 2003 neu festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu neun Zehnteln zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten ein höheres Altersruhegeld ab 01. Januar 2002 unter Berücksichtigung der Zeiten von April 1939 bis Juni 1941 und von September 1946 bis Februar 1949 als Beitragszeiten.

Der im Februar 1916 in S (seinerzeit U, nach dem Ersten Weltkrieg R) geborene Kläger jüdischer Religionszugehörigkeit war rumänischer Staatsbürger. Er wanderte im Juni 1950 nach I und 1959 in die USA ein, wo er seither lebt und deren Staatsangehöriger er seit dem 03. Dezember 1964 ist.

Mit Feststellungsbescheid des Bezirksamtes für Wiedergutmachung Koblenz vom 31. Januar 1963 war dem Kläger wegen eines von Juni 1941 bis August 1944 erlittenen Freiheitsschadens eine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) bewilligt worden.

Der Kläger hatte im Dezember 1980 einen Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen und im Mai 1982 einen Rentenantrag bzw. einen Antrag auf Anerkennung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) gestellt. Seinen Lebenslauf schilderte er wie folgt: Er habe in S von 1922 bis 1926 die Volksschule und von 1926 bis 1930 die Bürgerschule besucht, bevor er von 1931 bis 1936 auf der Rabbinatsschule in T gewesen sei. Von September 1934 bis September 1938 habe er eine Ausbildung zum Rabbiner absolviert, die er im September 1945 mit einer Prüfung abgeschlossen habe. Von April 1939 bis Juni 1941 sei er als Kontorist bzw. Verkäufer beim Lederwarengeschäft M in S beschäftigt gewesen. Vom 22. Juni 1941 bis 22. August 1944 (Hinweis auf den o. g. Bescheid vom 31. Januar 1963) sei er Maßnahmen der NS-Verfolgung (Ghettoaufenthalt und Zwangsarbeit) ausgesetzt gewesen. Nach einer Zeit der Krankheit und Arbeitslosigkeit (August 1944 bis Mitte 1946) habe er von September 1946 bis Februar 1949 eine Beschäftigung als Kontorist bei der DEP SPIRT. Alkohol Monopol, einer Spirituosengenossenschaft in S ausgeübt. Der Kläger gab außerdem an, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (DSK) zugehörig zu sein. Seine Muttersprache und der persönliche Sprachgebrauch im Herkunftsgebiet seien Deutsch gewesen. Die Umgangssprache im Herkunftsgebiet sei die Landessprache und Deutsch gewesen. Der Vortrag in der Rabbinatsschule sei ebenfalls Deutsch gewesen. Im persönlichen Bereich habe er Deutsch, im Beruf die Landessprache gesprochen. Jiddisch sei nicht gesprochen worden. Dasselbe treffe für seinen in B(Ö/U) geborenen Vater zu, dessen Muttersprache und persönlicher Sprachgebrauch im Herkunftsgebiet Deutsch und dessen Sprache im Beruf als Kaufmann die Landessprache und Deutsch gewesen seien. Seine Mutter, die Hausfrau gewesen sei, habe als Muttersprache und im persönlichen Bereich ebenfalls Deutsch gesprochen. Deutsch sei auch Muttersprache und persönlicher Sprachgebrauch im Herkunftsgebiet seiner Ehefrau, der im März 1948 geheirateten Hausfrau B F.

Es lagen die eidesstattlichen Versicherungen des im Dezember 1894 geborenen L L vom 24. Mai 1982 und der im Oktober 1898 geborenen VD vom 24. Mai 1982 vor. Im Februar 1984 erfolgte durch das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N eine Sprachprüfung.

Mit Bescheid vom 20. Juni 1984 hatte daraufhin die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zum einen die Nachentrichtung von Beiträgen nach Nr. 7 c des Schlussprotokolls zum deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommen (SP-DASVA) und Art. 16 der Durchführungsvereinbarung zum deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommen (DV-DASVA) abgelehnt. Zum anderen hatte sie die Berücksichtigung der geltend gemachten Beitrags- und Beschäftigungszeiten in Rumänien abgelehnt, weil der Kläger nicht dem Personenkreis des § 1 FRG angehöre. Ein Nachweis über die Anerkennung als Verfolgter im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) liege nicht vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden. Durch diese Vorschrift würden Verfolgte im Sinne des § 1 BEG anerkannten Vertriebenen im Sinne des BVFG gleichgestellt, wenn lediglich das Nichterfüllen der Bedingung des § 6 BVFG (Bekenntnis zum deutschen Volkstum) die Anerkennung als Vertriebener hindere. Soweit es auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankomme, genüge es, wenn der Betroffene im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Nach dem Ergebnis der Schriftproben nach Diktat und Aufsatz sei nicht ausreichend glaubhaft, dass der Kläger die deutsche Sprache als Muttersprache erlernt und im persönlichen Bereich noch zurzeit der Auswanderung überwiegend verwendet habe.

Mit weiterem Bescheid vom 20. Juni 1984 hatte die BfA die Gewährung von Altersruhegeld abgelehnt, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch hatte der Kläger geltend gemacht, es werde nicht bestritten, dass der Aufsatz und das Diktat orthografisch unzulänglich seien und der Aufsatz auch seine Fehlerhaftigkeit bei der Verwendung der Deklinationsendungen der Fürworter und Eigenschaftswörter aufweise. Es müsse jedoch dem mündlichen Teil der Sprachprüfung größere Bedeutung beigemessen werden, weil sich der Gebrauch der deutschen Sprache im Elternhaus und im persönlichen Bereich mündlich vollzogen habe. Bei der Sprachprüfung sei zwar ein starker englischer Akzent aufgefallen. Es sei jedoch bekannt, dass solches nach langem Aufenthalt in den USA auftrete. Zum geringfügigen Gebrauch von Ausdrücken der jiddischen Sprache seien keine konkreten Angaben gemacht worden. Es fehlten auch konkrete Angaben zu den ggf. schwer verständlichen Ausführungen bei komplizierten Sachverhalten. Dabei müsse auf den Umstand verwiesen werden, dass der Kläger als Verkäufer und Kontorist beschäftigt gewesen sei. Zudem habe er sich in den USA auch in der Familie nicht mehr der deutschen Sprache bedient. Der Kläger hatte die Erklärungen des im Dezember 1902 geborenen C W vom 16. November 1984, des im Februar 1927 geborenen L S vom 27. November 1984 und des M F vom 17. April 1985 vorgelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 1985 hatte die BfA den Widerspruch zurückgewiesen: Der Kläger könne nicht nach § 20 WGSVG einem anerkannten Vertriebenen gleichgestellt werden, weil nicht glaubhaft gemacht sei, dass er dem DSK zuzurechnen sei. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Sprachprüfung sei nicht glaubhaft, dass zum Zeitpunkt des Verlassens R die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und im persönlichen Bereich überwiegend verwendet worden sei. Das anlässlich der Sprachprüfung durchgeführte Diktat und der Aufsatz seien sehr fehlerhaft. Nach den Feststellungen des Sprachprüfers sei der mündliche Ausdruck in deutscher Sprache teilweise schwer verständlich gewesen. Dies, obgleich nach eigenen Angaben eine Gymnasial- und Hochschulausbildung zurückgelegt worden sei. Diese Feststellungen könnten durch die eidesstattlichen Versicherungen der Zeugen C W, L S und MF nicht widerlegt werden. Es möge zutreffen, dass der Kläger im Herkunftsgebiet auch Deutsch gesprochen habe. Ein überwiegender Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Bereich sei aber nicht glaubhaft gemacht worden. Damit sei auch die Nachentrichtung von Beiträgen nach Nr. 7 c SP-DASVA und nach Art. 16 Abs. 2 DV-DASVA nicht möglich, so dass auch kein Anspruch auf Altersruhegeld bestehe.

Mit Bescheid vom 25. Juli 1986 gestattete die BfA die Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit vom 01. Januar 1956 bis 31. Dezember 1973 nach Art. 16 Abs. 1 DV-DASVA in Verbindung mit Art. 2 § 49 a Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG).

Nach Zahlung dieser Beiträge bewilligte die BfA mit Bescheid vom 27. Januar 1987 dem Kläger Altersruhegeld ab 01. Februar 1981. Sie legte hierbei ausschließlich die für Januar 1956 bis Dezember 1973 nachentrichteten freiwilligen Beiträge zugrunde.

Im Dezember 2002 beantragte der Kläger die Berücksichtigung von Fremdbeitragszeiten nach § 17 a FRG. Er habe zum Zeitpunkt der Verfolgung dem DSK angehört.

Mit Bescheid vom 03. April 2003 lehnte die BfA die Neufeststellung des mit Bescheid vom 27. Januar 1987 gewährten Altersruhegeldes unter Berücksichtigung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem FRG ab. Die Voraussetzungen des § 17 a FRG seien schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger zum Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflussbereich auf sein Heimatgebiet erstreckt habe – also 1941 – nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Die beim Generalkonsulat in N bereits 1984 abgelegte Sprachprüfung lasse nicht den Schluss zu, dass der Kläger 1941 die deutsche Sprache überwiegend gebraucht habe.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Deutschkenntnisse stammten aus dem zweifellos deutsch geprägten Siebenbürgen. Als Kind der Oberschicht geboren habe für ihn die Möglichkeit einer ausgiebigen Ausbildung bestanden. Die jüdische Oberschicht in R/S habe bevorzugt die damalige Kultursprache Deutsch benutzt. 1984, also 43 Jahre nach dem zu prüfenden Zeitpunkt und 34 Jahre nach der Auswanderung sei die Sprachprüfung vorgenommen worden. Es müsse berücksichtigt werden, dass während der Verfolgung und auch nach der Verfolgung wegen Repressalien gegen Deutsche bzw. Deutschsprachige in R für den Kläger keine Möglichkeit bestanden habe, seine Deutschsprachigkeit in größerem Stil zu pflegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2003 wies die BfA den Widerspruch zurück. Die Angabe, die jüdische Oberschicht in Rumänien/Siebenbürgen habe bevorzugt die damalige Kultursprache Deutsch benutzt, sei nicht belegt und als Grundsatz nicht zu formulieren. Bedeutungsvoll seien ausschließlich die Verhältnisse des Einzelfalls. Bei einer Sprache, die über einen sehr langen Zeitraum wie eine Muttersprache beherrscht worden und im persönlichen Bereich überwiegend verwendet worden sei, könne davon ausgegangen werden, dass eine Entfremdung zu dieser Sprache nicht oder nur sehr langsam eintrete. Vor diesem Hintergrund überzeuge das Ergebnis der Sprachprüfung im Jahre 1984 nicht.

Die dagegen erhobene Klage (S 10 RA 5210/03), mit der Ausführungen zum "Zwangsarbeits- und Ghettobegriff" nach dem ZRBG gemacht wurden, wies das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 06. April 2005 ab: Ungeachtet des nicht eindeutig erkennbaren Begehrens könne zugunsten des Klägers angenommen werden, dass er mit seiner Klage die Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung von in R zurückgelegten Fremdbeitragszeiten aufgrund einer Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 17 a FRG geltend mache. Diese Klage sei jedoch unbegründet. Das Gericht folge vollumfänglich der zutreffenden Begründung der angefochtenen Bescheide.

Im Juni 2007 bat der Kläger, nachdem er zunächst im Oktober 2006 um Akteneinsicht zur Prüfung, ob weitere Ansprüche bestehen könnten, gebeten hatte, unter Vorlage der Zeugenaussage des M K vom 21. Mai 2007 um weitere Bearbeitung.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2007 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag auf Neufeststellung des mit Bescheid vom 27. Januar 1987 gewährten Altersruhegeldes unter Berücksichtigung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem FRG ab. Die eingereichte Zeugenerklärung des M K sei nicht geeignet, die insbesondere aufgrund der Sprachprüfung gewonnenen Erkenntnisse zu erschüttern. Eine Zugehörigkeit zum DSK nach § 20 WGSVG bzw. § 17 a FRG werde weiterhin als nicht gegeben angesehen.

Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er sei nach seiner Auswanderung vollständig anglisiert worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2007 zurück: Die Bescheide vom 27. Januar 1987 und 03. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2003 seien nicht nach § 44 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückzunehmen, weil weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei.

Dagegen hat der Kläger am 18. Dezember 2007 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben.

Er hat vorgetragen, zum Personenkreis nach § 17 a FRG zu gehören. Das Ergebnis der 1984 erfolgten Sprachprüfung i. V. m. den seinerzeit und zuletzt mit Schreiben vom 04. Juni 2007 vorgelegten Zeugenaussagen mache glaubhaft, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Verfolgungsbeginns dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 27. Januar 1987 und vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2008 gemäß § 44 SGB X ab dem 01. Januar 2002 eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Fremdbeitragszeiten von April 1939 bis Juni 1941 und September 1946 bis Februar 1949 zu gewähren.

Nach entsprechender Anhörung hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 15. Juli 2010 die Klage abgewiesen. Es ist vollumfänglich der aus seiner Sicht zutreffenden Begründung der angefochtenen Bescheide gefolgt und hat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 22. Juli 2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 28. Juli 2010 eingelegte Berufung des Klägers.

Er meint, es werde in keiner Weise dem besonderen Umstand Rechnung getragen, dass die maßgebliche so genannte Sprachprüfung 43 Jahre (1984) nach dem nach § 17 a FRG relevanten Zeitpunkt der NS-Einflussnahme (1941) durchgeführt worden sei. Ebenfalls sei unberücksichtigt geblieben, dass sich der Kläger von 1949 bis 1960 auf die hebräische und ab 1960 auf die englische Sprache habe umstellen müssen. Ferner werde dem Konsularbeamten die Rolle eines "Sprachprüfers" zugewiesen, obgleich keinerlei diesbezügliche Qualifikationen erkennbar seien. Unzweifelhaft weiche das in der Region Siebenbürgen gesprochene Deutsch in seiner regionalen Färbung vom geläufigen Hochdeutsch ab. Das "Protokoll" des Konsularbeamten stelle Beweisaufnahme und Beweiswürdigung in einem dar und könne unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände nur begrenzt in die Entscheidungsfindung einfließen. Die weiteren Beweismittel seien nur unzureichend bzw. nicht beachtet worden.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 27. Januar 1987 und vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2008 gemäß § 44 SGB X ab dem 01. Januar 2002 eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Fremdbeitragszeiten von April 1939 bis Juni 1941 und September 1946 bis Februar 1949 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass das Sozialgericht Berlin die Berücksichtigung von Fremdrentenbeitragszeiten gemäß § 17 a FRG bei der Altersrente zu Recht abgelehnt habe. Vorbehaltlich einer Anerkennung der Zugehörigkeit des Klägers zum DSK wären die geltend gemachten Zeiten als Pflichtbeiträge grundsätzlich berücksichtigungsfähig.

Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, Antworten oder Unterlagen des rumänischen Versicherungsträgers (zu den 1983 und 1984) geführten Ermittlungen über Beschäftigungszeiten in Rumänien nicht zu besitzen, hat der Senat dazu erfolglos beim rumänischen Versicherungsträger ermittelt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid vom 11. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2003 zurücknimmt und unter Änderung des Bescheides vom 27. Januar 1987 das Altersruhegeld unter Berücksichtigung der Zeiten von April 1939 bis Juni 1941 und von September 1946 bis Februar 1949 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten ab 01. Januar 2003 neu feststellt.

Im Übrigen, soweit also eine Neufeststellung bereits ab 01. Januar 2002 und die Berücksichtigung der genannten Zeiten als nachgewiesene Beitragszeiten begehrt wird, ist die Berufung unbegründet.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Danach erweist sich der Bescheid vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2003 als rechtswidrig, denn der Kläger hat Anspruch darauf, dass unter Änderung des Bescheides vom 27. Januar 1987 sein Altersruhegeld unter Berücksichtigung der geltend gemachten Zeiten neu festgestellt wird.

Rechtsgrundlage ist § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 SGB X i. V. m. Art. 6 § 6 Sätze 1 und 2 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) in der Fassung des Art. 16 Nr. 3 Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2261), in Kraft getreten zum 01. Juli 1990 (Art. 85 Abs. 6 Rentenreformgesetz 1992).

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 SGB X).

Diese Voraussetzungen liegen vor, denn nach Bewilligung des Altersruhegeldes ist Art. 6 § 6 Sätze 1 und 2 FANG in Kraft getreten, der bestimmt: Personen, die am 01. Juli 1990 eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung beziehen, haben Anspruch auf Neufeststellung der Rente unter Berücksichtigung des § 17 a FRG für Bezugszeiten nach dem 30. Juni 1990. Die Neufeststellung erfolgt nur auf Antrag; im Einzelfall kann sie auch von Amts Wegen erfolgen.

Der Kläger bezog am 01. Juli 1990 eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung, nämlich das mit Bescheid vom 27. Januar 1987 gewährte Altersruhegeld. Die Voraussetzungen des § 17 a Bst. a FRG sind erfüllt.

Nach dieser Vorschrift gilt: Die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Vorschriften dieses Gesetzes (also des FRG) finden Anwendung auch auf Personen, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflussbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, 1. dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben, 2. das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten oder im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebiets dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben und 3. sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten, und die Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG verlassen haben.

Für die Feststellung der nach diesem Gesetz (also dem FRG) erheblichen Tatsachen genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 4 Abs. 1 FRG).

Der nationalsozialistische Einflussbereich erstreckte sich auf Rumänien, das Heimatgebiet des Klägers, ab dem 06. April 1941, denn nach § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BEG gilt dieser Zeitpunkt als der Zeitpunkt, zu dem die Regierung des Staates R von der nationalsozialistischen deutschen Regierung zu aus Gründen der Rasse vorgenommenen Freiheitsentziehungen veranlasst wurde (vgl. dazu Bundessozialgericht - BSG - , Urteil vom 29. Juni 2000 – B 4 RA 47/99 R, abgedruckt in SozR 3-5050 § 17 a Nr. 3).

Es ist glaubhaft gemacht, dass der Kläger bis zu dem genannten Zeitpunkt in Rumänien dem DSK angehörte.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 05. November 1980 – 11 RA 74/79, abgedruckt in BSGE 50, 279 = SozR 5070 § 20 Nr. 3) ist für die Zugehörigkeit zum DSK der Gebrauch der deutschen Sprache von ausschlaggebender Bedeutung. Denn wer eine Sprache im persönlichen Bereich ständig gebraucht, erschließt sich dadurch Weltbild und Denkwelt dieser Sprache und damit den Zugang zu der durch sie vermittelten Kultur. Wegen dieser besonderen Beziehung zwischen Sprache und Kultur ergibt sich daher im Regelfall die Zugehörigkeit zum DSK aus dem zumindest überwiegenden Gebrauch des Deutschen im Bereich des persönlichen Lebens. Wird Deutsch hingegen nur im beruflichen Leben etwa mit deutschsprachigen Geschäftspartnern, nicht aber auch überwiegend in Familie und Freundeskreis gesprochen, so reicht das nicht aus (Hinweis auf Bundesgerichtshof - BGH - , Urteil vom 25. März 1970 – IX ZR 177/67, abgedruckt in RzW 1970, 503). Nach letztgenanntem Urteil des BGH wird dabei eine Teilnahme am deutschen Bildungs- und Kulturleben nicht vorausgesetzt (so auch BGH, Urteil vom 22. Juni 1978 – IX ZR 71/74, abgedruckt in MDR 1979, 52). Verwendete ein Verfolgter neben der deutschen Sprache eine oder mehrere andere Sprachen, so ist er dem DSK zuzurechnen, wenn er die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrschte und sie in seinem persönlichen Bereich überwiegend sprach (BGH, Urteil vom 23. November 1972 – IX ZR 116/70, abgedruckt in RzW 1973, 266, zitiert nach juris).

Nach den vom Kläger selbst gemachten Angaben ist seine Muttersprache Deutsch. Er stammt nach diesen Angaben aus einer Familie, deren Muttersprache ebenfalls Deutsch war. Dies gilt sowohl für seinen Vater, einen in Ö/U (B) geborenen Kaufmann, als auch für seine ebenfalls in Ö/Un (Des) geborene Mutter, die Hausfrau war. Der persönliche Sprachgebrauch im Herkunftsgebiet und auch der überwiegende Sprachgebrauch im persönlichen Bereich waren danach sowohl für den Kläger als auch seine Eltern die deutsche Sprache. Lediglich im Beruf benutzten der Kläger und teilweise auch sein Vater die Landessprache. Angesichts dessen spricht mehr dafür als dagegen, dass im persönlichen Bereich, insbesondere im Elternhaus, Deutsch gesprochen wurde. Der Kläger hat darüber hinaus angegeben, dass auch der Vortrag in der Rabbinatsschule Deutsch war. Gegenüber dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N hat er ergänzend mitgeteilt, dass die bevorzugte Sprache (Umgangssprache) innerhalb der Familie Deutsch war, diese aber auch außerhalb der Familie neben der Landessprache als Umgangssprache gebraucht wurde. Nach seinen Angaben besuchte er von 1923 bis 1927 in L die Volksschule mit der Unterrichtssprache Deutsch. Von 1927 bis 1931 absolvierte er die höhere Schule in K mit der Unterrichtssprache Rumänisch. Während des Besuchs einer Hochschule (Universität) von 1932 bis 1937 in C, gemeint ist damit offensichtlich – so nach dem Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in New York vom 11. April 1984 – das jüdische religiös ausgerichtete Seminar, also die Rabbinatsschule, war die Unterrichtssprache Hebräisch und Deutsch. Er gab außerdem an, dass in der Familie deutsche Zeitschriften und Bücher gelesen wurden. Er erinnerte sich daran, die deutsche Zeitung "E" gelesen zu haben.

Nach diesen eigenen Angaben des Klägers steht seine Zugehörigkeit zum DSK außer Frage. Die vorliegenden Erklärungen lassen dies als glaubhaft gemacht erscheinen.

So erklärte der im Dezember 1902 geborene C W unter dem 16. November 1984, dass er den Kläger noch aus seiner frühesten Kindheit kennt, weil er mit dessen Eltern sehr gut befreundet war. Die Unterhaltung erfolgte nach seiner Aussage immer in deutscher Sprache. Der Kläger habe sich bis zur Verfolgung aber auch nach Ende der Verfolgung immer in deutschen Kreisen bewegt. Er bestätigte darüber hinaus, dass die Eltern dem Kläger eine ausgesprochen deutsche Erziehung gegeben hätten. Außerdem geht aus dieser Erklärung hervor, dass der Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zum deutschen Sprachkreis im Nachkriegsrumänien Verfolgungen ausgesetzt war, so dass dieser den Wunsch hatte, möglichst rasch auszuwandern. C W bekundete in diesem Zusammenhang, dass der Kläger ursprünglich nach Wien auswandern wollte. Nur weil ihm dies nicht gelungen sei, sei er nach I und später in die U gegangen.

Der im Februar 1927 geborene S konnte zwar in seiner Erklärung vom 27. November 1984 nichts zu den persönlichen Verhältnissen bis Juni 1941 aussagen, da er den Kläger erst nach dem Kriege in S kennen gelernt hatte. Aber auch dieser Zeuge konnte bestätigen, dass der Kläger noch zu dieser Zeit immer in deutschen Kreisen verkehrte und die deutsche Sprache, auch im Gespräch mit ihm, ausschließlich benutzte. Gleichfalls wusste L S um die Schwierigkeiten des Klägers wegen dessen Zugehörigkeit zur deutschen Kultur nach dem Krieg und um dessen Wunsch, sich in Österreich niederzulassen, was daran scheiterte, dass ihm die Ausreise nur nach I erlaubt wurde.

Ähnliches konnte auch der weitere Zeuge M F in seiner Erklärung vom 17. April 1985 bestätigen. Danach war er mit der Familie des Klägers seit Kindheit befreundet. Er bekundete, dass im Haus des Klägers Deutsch gesprochen wurde. Insbesondere der Vater habe mit seinen Kindern immer Deutsch gesprochen, um ihre Wissenschaft zu befördern. M F bestätigte, dass im Haus der Familie ein Deutsch sprechende Aufwartefrau beschäftigt war. Er bekundete außerdem, dass der Kläger auch nach dem Zweiten Weltkrieg, wenn möglich, nur Deutsch sprach und dies die Hauptursache seiner Auswanderung war.

Der weitere im Juni 1924 geborene Zeuge M K konnte in seiner Aussage vom 21. Mai 2007 Angaben über die Zeit des Rabbinatsstudiums des Klägers in K machen. Danach studierte der Kläger im Hause seines Onkels, des Rabbiners P S, in K. Es sei damals üblich gewesen, jedem Studenten eine Familie für die Mahlzeiten zuzuteilen. Auf diese Weise sei der Kläger während seines Studiums zur Familie des Zeugen M K gekommen. Deshalb könne dieser Zeuge aussagen, dass der Kläger der deutschen Kultur angehörte und in seiner Familie wie auch in der Familie seines Onkels überwiegend Deutsch gesprochen wurde. Auch die Lehre habe der Rabbiner PS in deutscher Sprache vorgetragen. Der Zeuge M K bekundete, er selbst und seine Familie hätten der deutschen Kultur angehört und Deutsch gesprochen sowie deutsche Bücher gelesen.

Mit den Aussagen dieser Zeugen ist überwiegend wahrscheinlich und damit glaubhaft, dass der Kläger die deutsche Sprache als Muttersprache im persönlichen Bereich überwiegend verwendete.

Die im Februar 1984 vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N durchgeführte Sprachprüfung steht dem nicht entgegen. Zu Unrecht misst die Beklagte dieser Sprachprüfung die maßgebende Bedeutung zur Beurteilung der Zugehörigkeit des Klägers zum DSK bei. Dabei wird zum einen unberücksichtigt gelassen, dass sich die Frage der Zugehörigkeit zum DSK im Zeitraum bis zum 06. April 1941 beantwortet. Zum anderen hat die Beklagte nicht beachtet, dass sich der Kläger jedenfalls zum Zeitpunkt der Sprachprüfung bereits weitgehend vom DSK abgewandt hatte, so dass eine zu diesem Zeitpunkt durchgeführte Sprachprüfung keine negativen Rückschlüsse zum Gebrauch der deutschen Sprache als Muttersprache auf den maßgebenden Zeitraum vor dem 06. April 1941 ermöglicht.

Der im Februar 1984 erfolgten Sprachprüfung kommt ungeachtet dessen nicht nur eine unwesentliche Bedeutung insoweit zu, als sie vielmehr eine Verwurzelung der deutschen Sprache im persönlichen Lebensbereich des Klägers bestätigt. Denn nur so ist zu erklären, dass der Kläger sie überhaupt noch beherrscht. Dem steht nicht entgegen, dass - wie bereits im Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Juni 1984 vom Kläger eingeräumt - der Aufsatz und das Diktat orthografisch unzulänglich sind. Der Aufsatz weist zudem Fehler bei der Verwendung der Deklinationsendungen der Fürwörter und Eigenschaftswörter auf. Dies erklärt sich durchaus nachvollziehbar dadurch, dass sich der Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Bereich vornehmlich mündlich äußerte. Der Kläger besuchte mit der Unterrichtssprache Deutsch lediglich die Volksschule, während an der höheren Schule in R unterrichtet wurde. Im Anschluss daran wurde er im jüdisch religiös ausgerichteten Seminar, der Rabbinatsschule, zwar neben Hebräisch auch in Deutsch unterrichtet. Wie vom Kläger angegeben, benutzte er nach dem Krieg in R im Beruf die Landessprache. Der Gebrauch der deutschen Sprache beschränkte sich in der mündlichen Ausdrucksweise im Gespräch mit seinem deutschen Bekanntenkreis in R, wie auch den Aussagen des C W vom 16. November 1984, des L S vom 27. November 1984 und des M F vom 17. April 1985 zu entnehmen ist. Darin fügt sich ein, dass nach dem Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in New York vom 11. April 1984 der Kläger gefragt nach seinen Lesegewohnheiten nur noch die früher gelesene deutsche Zeitung "E" , die er vor der Verfolgung las, anführen konnte.

Nach letztgenanntem Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland war der Wortschatz des Klägers für die Führung einer einfachen Unterhaltung ausreichend, während bei komplizierteren Sachverhalten seine Ausführungen gelegentlich schwer verständlich waren. Dies überrascht zum einen deswegen nicht, weil der Kläger lediglich die Volksschule mit deutschem Unterricht besuchte. Im persönlichen Sprachgebrauch standen Dinge des alltäglichen Lebens im Vordergrund. Angesichts des Lebenslaufes des Klägers kann entgegen den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 14. November 1985 nicht angenommen werden, dass der Kläger über einen Bildungsstand in der deutschen Sprache verfügte, wie er im allgemeinen durch den Besuch einer deutschen höheren Schule und einer deutschen Hochschule vermittelt wird.

Im Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland vom 11. April 1984 wird außerdem darauf hingewiesen, dass der Kläger Deutsch mit starkem englischen Akzent spricht. Dies erscheint nicht ungewöhnlich, nachdem der Kläger seit 1959 in den USA lebt. In diesem Schreiben ist auch darauf hingewiesen, dass im Gesprächsverlauf Ausdrücke der jiddischen Sprache festzustellen sind. Dieser Sachverhalt erscheint gleichfalls nicht ungewöhnlich. Begriffe einer fremden Sprache finden sich, teilweise auch abhängig vom jeweiligen persönlichen Hintergrund, auch heute als Teil der deutschen Sprache. Dass sich der Kläger deswegen überwiegend im persönlichen Sprachgebrauch der jiddischen Sprache bedient habe, behauptet aber selbst die Beklagte nicht.

Die vom Kläger in der Sprachprüfung gezeigten Kenntnisse der deutschen Sprache sind allerdings umso stärker zu bewerten, wenn berücksichtigt wird, dass er sich jedenfalls zum Zeitpunkt der Sprachprüfung vom DSK bereits weitgehend abgewandt hatte. Nach dem Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in N vom 11. April 1984 ist die Umgangssprache in der Familie zwischenzeitlich Englisch. Grund dafür ist, dass die 1949, 1953, 1955, 1962 und 1963 geborenen Kinder zum großen Teil in den USA aufgewachsen sind. Fünf dieser Kinder haben nach ihrem Geburtsdatum ausschließlich in den USA die Schule besucht. Die Muttersprache aller Kinder ist nach den gegenüber dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N vom Kläger gemachten Angaben Englisch. Es ist angesichts dessen nachvollziehbar, auch wenn die Ehefrau des Klägers ebenfalls Deutsch spricht, dass im persönlichen Bereich des Klägers zwischenzeitlich zum Zeitpunkt der Sprachprüfung als persönliche Umgangssprache die deutsche Sprache von der englischen Sprache abgelöst worden war. Es kommt nach dem Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in New vom 11. April 1984 hinzu, dass der Kläger nie einem deutschen Verein oder Klub angehörte und sich sein Bekanntenkreis weitgehend auf englischsprachige Personen beschränkt. Er liest nur noch die englischsprachigen Lokalzeitungen. In seiner Nachbarschaft würden kaum deutschsprachige Einwanderer leben.

In Würdigung aller vorliegenden Beweismittel ist damit glaubhaft gemacht, dass der Kläger bis zum maßgebenden Zeitpunkt des 06. April 1941 dem DSK angehörte.

Die weiteren Voraussetzungen des § 17 a Buchstabe a FRG liegen ebenfalls vor.

Zu dem genannten Zeitpunkt hatte der Kläger das 16. Lebensjahr (im Februar 1932) bereits vollendet (§ 17 a Buchstabe a Nr. 2 FRG).

Zum maßgeblichen Zeitpunkt war der Kläger dem Judentum zugehörig (§ 17 a Buchstabe a Nr. 3 FRG), also Jude im Sinne der NS-Ideologie. Weitere Feststellungen dazu, ob sich der Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatte, braucht der Senat nicht zu treffen, denn diese Vorschrift bezweckt die Gleichstellung der Juden mit den deutschstämmigen Aussiedlern (vgl. BSG, Urteil vom 27. November 1991 – 4 RA 82/90, zitiert nach juris, unter Bezugnahme auf die Bundestags-Drucksache 11/5530 S. 29).

Schließlich hat der Kläger die Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG, wozu nach dieser Vorschrift Rumänien rechnet, mit seiner Auswanderung verlassen. Die Gründe für das Verlassen des "Aussiedlungsgebietes" nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG sind für die Anwendung des § 17 a FRG unbeachtlich; insbesondere braucht, schon nach dem Wortlaut im Gegensatz zum Wortlaut des § 20 Abs. 2 WGSVG kein Ursachenzusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zum DSK und dem Verlassen zu bestehen (vgl. auch Verbandskommentar, Stand 01. Januar 1992, § 17 a FRG Nr. 3.7).

Sind mithin die Voraussetzungen des § 17 a Buchstabe a FRG erfüllt, finden nach dieser Vorschrift die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Vorschriften dieses Gesetzes, also des FRG, Anwendung, mithin auch die §§ 15 und 16 FRG.

Nach § 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Sind die Beiträge aufgrund einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit entrichtet, so steht die ihnen zugrunde liegende Beschäftigung oder Tätigkeit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

Eine nach vollendetem 16. Lebensjahr vor der Vertreibung u. a. in R verrichtete Beschäftigung steht, soweit sie nicht in Gebieten zurückgelegt wurde, in denen zu dieser Zeit die Sozialversicherung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze durchgeführt wurde, einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, für die Beiträge entrichtet sind, gleich, wenn sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt. Dies gilt nur, wenn die Beschäftigung nach dem am 01. März 1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht in den gesetzlichen Rentenversicherungen begründet hätte, wenn sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verrichtet worden wäre (§ 16 Abs. 1 Sätze 1 und 2 erster Halbsatz FRG).

Da die genannten Zeiten den nach Bundesrecht zurückgelegten Zeiten gleichstehen (BSG, Urteil vom 23. August 2001 – B 13 RJ 59/00 R, abgedruckt in SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17), sind sie als Beitragszeiten bei einer Rente zu berücksichtigen. Daran anknüpfend bestimmt Art. 6 § 6 FANG, dass Personen, die am 01. Juli 1990 eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung beziehen, Anspruch auf Neufeststellung dieser Rente haben.

Das Altersruhegeld des Klägers ist mithin unter entsprechender Änderung des Bescheides vom 27. Januar 1987 nach § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 SGB X neu festzustellen, denn die vom Kläger geltend gemachten Zeiten von April 1939 bis Juni 1941 und von September 1946 bis Februar 1949 sind als glaubhaft gemachte Beitragszeiten bei diesem Altersruhegeld zu berücksichtigen.

Zum 08. April 1933 trat in Rumänien das Gesetz über die Vereinheitlichung der Sozialversicherung in Kraft. Alle bisherigen Sozialversicherungsvorschriften wurden aufgehoben. Der der Versicherungspflicht unterliegende Personenkreis wurde erweitert. Der Versicherungspflicht unterlagen insbesondere Arbeitnehmer der Industrie- und Handelsbetriebe öffentlicher oder privater Art, wobei deren Jahresentgelt die festgesetzte Versicherungspflichtgrenze (bis 31. Dezember 1938 monatlich 6000 Lei) nicht überschreiten durfte, Lehrlinge und Volontäre der genannten Betriebe, wobei eine Entgeltgewährung unerheblich war, und selbständige Handwerker. Die Versicherungspflichtgrenze wurde zum 01. Januar 1939 auf monatlich 8000 Lei erhöht. Zum 01. Januar 1949 wurden durch das Gesetz Nr. 10 zur Organisation einer Staatlichen Sozialversicherung in der Sozialversicherung alle Personen erfasst, die in Unternehmen und Einrichtungen des Staates – genossenschaftlichen oder privaten Unternehmen – beschäftigt waren sowie alle Personen, die gegen Entgelt von Privatpersonen beschäftigt wurden (vgl. Anforderung und Auswertung ausländischer Versicherungsunterlagen in Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken 1989, 365, 375 bis 376).

Nach seinen Angaben war der Kläger von April 1939 bis Juni 1941 als Kontorist bzw. Verkäufer bei dem Lederwarengeschäft M in Sund von September 1946 bis Februar 1949 als Kontorist bei der D. in S beschäftigt.

Der Berücksichtigung dieser Zeiten als Beitragszeiten steht nicht entgegen, dass keine Originalunterlagen (vgl. dazu Anforderung und Auswertung ausländischer Versicherungsunterlagen in Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken 1989, 365, 377, 378) vorliegen und auch keine Nachweise durch den rumänischen Versicherungsträger (vgl. dazu Anforderung und Auswertung ausländischer Versicherungsunterlagen in Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken 1989, 365, 379, 380) vom Senat zu erlangen gewesen sind. Der rumänische Versicherungsträger hat weder auf das Schreiben des Senats vom 24. Mai 2011 noch auf dessen Erinnerung mit Schreiben vom 15. Dezember 2011 reagiert. Der Kläger hat dazu mit Schriftsatz vom 20. Februar 2012 mitgeteilt, die Tatsache, dass die rumänischen Behörden auf Anfragen aus Deutschland keinerlei Reaktion zeigten, insbesondere nach In-Kraft-Treten des Deutsch-Israelischen und Deutsch-Amerikanischen Zusatzabkommens zu § 17 a FRG, sei Gegenstand zahlloser Verbindungsstellenbesprechungen gewesen. Dies ist dem Senat bis dahin nicht bekannt gewesen. Weitere Möglichkeiten der Glaubhaftmachung habe der Kläger nicht.

Nach § 4 Abs. 1 FRG genügt auch für die Feststellung der nach §§ 15 und 16 FRG erheblichen Tatsachen die Glaubhaftmachung. Da der Senat seine Ermittlungen auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstreckt hat, ist die Tatsache der Beitragszeit nunmehr glaubhaft gemacht, wenn dies nach dem Ergebnis der vorhandenen Beweismittel überwiegend wahrscheinlich ist. Dies ist der Fall.

Als einzige Beweismittel stehen die Erklärungen des im Dezember 1894 geborenen LL vom 24. Mai 1982 und der im Oktober 1898 geborenen V D vom 24. Mai 1982 zur Verfügung. Danach wird übereinstimmend bekundet, dass der Kläger von April 1939 bis Juni 1941 als Verkäufer bei der Lederwarenfirma Mund von September 1946 bis Februar 1949 bei den verstaatlichten Unternehmen für Alkohol und Spirituosen als Verwaltungsbeamter angestellt war.

Der Senat hat keine Zweifel an den von diesen Zeugen gemachten Angaben, denn sie berufen sich darauf, dies aus eigener Erfahrung bestätigen zu können. Die gemachten Aussagen stimmen darüber hinaus mit den eigenen Angaben des Klägers überein. Der Senat hält angesichts dessen die genannten Zeiten als Beitragszeiten für glaubhaft gemacht.

Damit erweist sich der Bescheid vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2003, mit dem die Neufeststellung des Altersruhegeldes unter entsprechender Änderung des Bescheides vom 27. Januar 1987 abgelehnt wurde, als rechtswidrig, so dass der Kläger die Rücknahme nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X beanspruchen kann.

Die Rücknahme und die Neufeststellung des Altersruhegeldes beschränken sich jedoch auf die Zeit ab 01. Januar 2003.

Dies folgt aus § 44 Abs. 4 SGB X. Danach gilt: Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Der Kläger beantragte am 05. Juni 2007 unter Vorlage der Zeugenaussage des M Kmit der Bitte um weitere Bearbeitung die Überprüfung nach § 44 SGB X. Ausgehend vom Zeitpunkt dieser Antragstellung erstreckt sich der Vierjahreszeitraum bis zum 01. Januar 2003 zurück.

Der im Bescheid vom 11. Juli 2007 genannte Antrag vom 02. Oktober 2006 ist unzutreffend. Am 02. Oktober 2006 teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers lediglich mit, sie hätten den Prüfungsauftrag, ob weitere Ansprüche bestehen könnten, und baten deswegen um Akteneinsicht. Diesem Schreiben ist gerade nicht zu entnehmen, dass mit ihm bereits ein als bestehend erkannter Anspruch geltend gemacht werden sollte.

Die Berufung hat damit lediglich zum überwiegenden Teil Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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