Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 4077/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 545/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zumindest dann, wenn entweder der Kläger oder der Beklagte zum Kreis des § 183 SGG gehören, ist eine einseitige Erledigterklärung wie eine Klage- bzw. Berufungsrücknahme anzusehen.
I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Rücknahme der Berufung (L 20 R 340/07) erledigt ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Mit Bescheid vom 30.09.1999 gewährte die Beklagte dem 1930 geborenen Kläger Regelaltersrente auf seinen Antrag vom 20.05.1999 ab dem Antragsmonat (01.05.1999). Hiergegen wandte sich der Kläger und machte geltend, ihm stünde ein Anspruch auf Regelaltersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres ab 01.08.1995 zu. Nach Teilabhilfebescheid vom 30.12.1999 und Erhebung einer Untätigkeitsklage zum Sozialgericht (SG) Würzburg (S 2 RA 128/00) wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Rentenbeginns und anderer Beanstandungen (Berücksichtigung eines freiwilligen Beitrages für Juni 1960, Berücksichtigung weiterer beitragsgeminderter Zeiten, Berücksichtigung der Schulausbildung ab dem 16. Lebensjahr, Berücksichtigung der Zeit vom Juli 1944 bis März 1945 mit Ernteeinsatz bzw. Zwangsarbeit zum Trümmerräumen als Ersatzzeit bzw. Beitragszeit) mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2000 zurück.
Über die dagegen erhobene Klage entschied das SG mit Urteil vom 28.10.2003 (S 2 RA 207/00). Es verurteilte die Beklagte zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide und erneuter Entscheidung über die Gewährung der Leistung einer Regelaltersrente auf der Grundlage eines im Sinne des § 99 Abs 1 S 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) rechtzeitig gestellten Antrags und der Rechtslage zum 01.08.1995. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28.10.2003 wurde festgehalten, dass der Klägervertreter erklärt hat, streitgegenständlich sei die Neubescheidung des Rentenantrages des Klägers auf der Grundlage eines fiktiv rechtzeitig gestellten Rentenantrages zum 01.08.1995 auf der Rechtsgrundlage 1995. Nicht mehr Streitgegenstand seien die freiwilligen Beiträge. Er beantragte, die Beklagte zu verpflichten, erneut über die Gewährung der Leistung einer Regelaltersrente auf der Grundlage eines rechtzeitig im Sinne des § 99 Abs 1 S 1 SGB VI gestellten Antrages auf Regelaltersrente auf der Rechtsgrundlage zum 01.08.1995 zu entscheiden.
Aufgrund des Urteils vom 28.10.2003 stellte die Beklagte die Regelaltersrente mit einem Rentenbeginn 01.08.1995 neu fest (Bescheid vom 17.12.2003 mit Nachzahlung für die Zeit vom 01.08.1995 bis 31.01.2004, Bescheide vom 19.05.2004, 11.10.2004) und erließ den Bescheid vom 21.07.2004 über die Verzinsung der ab 01.02.2004 zu leistenden Nachzahlung. Der Kläger erhob jeweils Widerspruch und begehrte die Anrechnung bzw. Neubewertung von rentenrechtlichen Zeiten bei der Rentenberechnung, einen früheren Verzinsungsbeginn der Rentennachzahlung (ab 01.08.1995) sowie die Neuverteilung des für Juni 1966 entrichteten freiwilligen Beitrages.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2005 zurück. Mit dem Urteil vom 21.11.2003 sei lediglich geregelt worden, dass erneut über die Regelaltersrente auf der Grundlage eines zum 01.08.1995 gestellten Antrages neu zu entscheiden sei. Gegenstand der Klage seien nicht die weitere Anrechnung bzw. Neubewertung von Zeiten gewesen. Für die Verzinsung sei nicht auf den 01.08.1995 abzustellen, da erst am 22.09.1999 der vollständige Antrag auf die Leistung vorgelegen habe. Die Neuverteilung des für Juni 1966 entwerteten freiwilligen Beitrags sei nicht möglich.
Der Kläger hat Klage zum SG erhoben und mit Schriftsatz vom 10.03.2007 beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die aus dem Stammrecht seiner Rente wiederkehrenden Geldforderungen mit den jeweils monatlichen Einzelansprüchen, gestaffelt hieraus zu ermitteln, namentlich die nach Maßgabe des seinerzeit geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes für die Bezugzeiträume, die vor dem 01.01.1992 entstanden waren, ferner im Rentenverfahren allgemein die hier angewandten, einschlägigen Gesetze, die insbesondere erst ab ihrem Inkrafttreten für die Zukunft geltendes Recht wurden, wegen Bestandsschutzes des Klägers zu berücksichtigen und anzuwenden sowie diesem Urteil entsprechend abzurechnen.
2. Diese Grundsätze im Urteil sind - soweit noch nicht geschehen - gleichermaßen für die Verzinsung der Ansprüche ab 01.09.1995 sowie für die Schulausbildung ab 12.04.1937 zu berücksichtigen.
3. Danach sind - unter Einhaltung der Grundsätze dieses Urteils - die persönlichen Entgeltpunkte, umfassend mit Versicherungsverlauf, Beitragszeiten etc. jeweils monatlich gestaffelt, neu zu ermitteln sowie die künftigen Bescheide und die Nachbesserungsfälle etc. in jeweils transparenter und allgemein auch jedermann verständlicher Weise darzustellen.
4. Die dem Rentenverfahren zugeführten, aber nicht abgerechneten freiwilligen Beiträge in Höhe von 96,12 EUR (182,00 DM) sind nebst 4 % Zinsen wegen ungerechtfertigter Bereicherung an den Kläger zurückzuzahlen.
Mit Urteil vom 20.03.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Der Kläger sei durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert, denn die Beklagte habe mit diesen Bescheiden lediglich das ausgeführt, wozu sie durch das Urteil des SG vom 28.10.2003 verpflichtet gewesen sei. Da der Kläger in dem Verfahren, welches durch das genannte Urteil abgeschlossen worden sei, den Streitgegenstand auf den Rentenbeginn beschränkt habe, sei auch Gegenstand dieses Urteils lediglich der Rentenbeginn zum 01.08.1995 gewesen. Der über den Zeitpunkt des Rentenbeginns hinaus gestellte Klageantrag sei nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide gewesen.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht erhoben (L 20 R 340/07) und mit Schriftsatz vom 24.02.2008 beantragt, das Urteil des SG vom 20.03.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger - zur Wahrung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches - ab 01.08.1995 die ihm zustehende Rente nach Maßgabe dieses Urteils wie folgt entsprechend abzurechnen:
1. Dass die aus dem Stammrecht seiner Rente wiederkehrenden Geldforderungen mit den jeweils monatlichen Einzelansprüchen, gestaffelt hieraus ermittelt werden, namentlich unter Berücksichtigung des seinerzeit geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes sowie einschlägiger Gesetze für die Bezugsräume, die vor dem 01.01.1992 wirksam entstandene Rechte waren;
2. dass ansonsten im anstehenden Rentenverfahren die einschlägigen Gesetze, die insbesondere erst ab ihrem Inkrafttreten für die Zukunft entsprechend zeitversetzt, jeweils den Ansprüchen zugeordnet und umgesetzt geltendes Recht wurden, unter Beachtung des Bestandsschutzes des Klägers, jeweils berücksichtigt werden;
3. dass diese Grundsätze im Urteil - soweit noch nicht geschehen - insbesondere auch Verzinsung der Ansprüche ab 01.09.1995 sowie im Hinblick auf die Schulausbildung des Klägers ab 12.04.1937 beginnend, berücksichtigt werden;
4. dass - unter Einhaltung der Grundsätze dieses Urteils - die persönlichen Entgeltpunkte umfassend mit Versicherungsverlauf, Beitragszeiten etc., jeweils monatlich gestaffelt hieraus, neu ermittelt sowie künftige Rentenbescheide und Nachbesserungsfälle etc. jeweils in transparenter und jedermann verständlicher Weise dargestellt werden.
In der nichtöffentlichen Sitzung vom 22.06.2010 haben der Bevollmächtigte des Klägers und der Kläger nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärt, dass das Berufungsverfahren erledigt sei. Diese Erklärung ist vorgelesen und vom Kläger und dessen Bevollmächtigten genehmigt worden.
Nach Zuleitung der Niederschrift über den Termin vom 22.06.2010 hat der Kläger mit Schreiben vom 06.07.2010 (Eingang am 12.07.2010) mitgeteilt, dass er dieses Schriftstück zurückweise. Nach seinem Rechtsverständnis, den Strukturen und den taktischen Vorgehensweisen des Gerichts sehe er sich darin schwer getäuscht. Er übergebe einen Antrag mit Datum vom 22.06.2010 zur Berufungsbegründung, so dass umgehend eine Entscheidung nach Aktenlage schriftlich ergehen könne.
Nach diesem Antrag mit Datum vom 22.06.2010 beantragt der Kläger,
1. das Urteil des SG vom 20.03.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger - zur Wahrung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches - die Regelaltersrente ab 01.08.1995 nach Maßgabe dieses Urteils wie folgt entsprechend abzurechnen:
a) Dass die aus dem Stammrecht seiner Rente wiederkehrenden Geldforderungen mit den jeweils monatlichen Einzelansprüchen, gestaffelt hieraus ermittelt werden, namentlich unter Berücksichtigung des seinerzeit geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes sowie der hier einschlägigen Gesetze, für die Rechte in den Bezugsräumen, die vor dem 01.01.1992 wirksam entstanden waren;
b) dass ansonsten im anstehenden Rentenverfahren die einschlägigen Gesetze, die insbesondere erst jeweils ab ihrem Inkrafttreten für die Zukunft, entsprechend zeitversetzt galten, jeweils hier den Ansprüchen zugeordnet und umgesetzt geltendes Recht wurden, unter Beachtung des Bestandsschutzes des Klägers auch jeweils berücksichtigt und neu bewertet werden;
c) dass diese Grundsätze im Urteil, soweit noch nicht geschehen, bei der Verzinsung seiner Ansprüche, auf die bisher vorenthaltenen Geldleistungen mit den jeweils monatlichen Einzelansprüchen gestaffelt hieraus - nach Maßgabe des seinerzeit geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes gem. § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von 4 v.H. über dem jeweiligen Bundesbank-Diskontsatz mit Vorgabe: Zahlung nach Ablauf des Kalendermonats und nach Eintritt der Fälligkeit (01.09.1995) bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung (01.04.1999) berücksichtigt und neu bewertet werden;
d) dass - unter strenger Einhaltung der Grundsätze dieses Urteils - die persönlichen Entgeltpunkte umfassend mit Versicherungsverlauf, Beitragszeiten etc., jeweils monatlich gestaffelt hieraus, neu ermittelt sowie die Nachbesserungsfälle und künftigen Rentenbescheide etc. in jeweils in transparenter und für einen Durchschnittsbürger in verständlicher Weise auch dargestellt werden.
2. Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsfalls nicht ausgeschlossen.
3. Die Beklagte verpflichtet sich, von der Einrede der Verjährung ggf. keinen Gebrauch zu machen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers, auch für das Widerspruchsverfahren.
Aufgrund des Schreibens des Klägers vom 06.07.2010 wurde das Verfahren vor dem BayLSG unter dem Az. L 20 R 545/10 fortgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 20.10.2011 hat die nunmehr Bevollmächtigte des Klägers vorgetragen, das SG hätte die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern es hätte eine Entscheidung in der Sache ergehen müssen. Dem Ausführungsbescheid habe auch eine anfechtbare Regelung innegewohnt, da die Beklagte eine über das Urteil des SG hinausgehende Feststellung über die Höhe der Rentenleistung getroffen habe. Die erstinstanzliche Erklärung des damaligen Bevollmächtigten sei nicht als konkludente Klagerücknahme anzusehen. Dies ergebe sich daraus, dass der Ausführungsbescheid qua Gesetzes in Bezug auf die Rentenhöhe und der zugrunde liegenden Beitragszeiten bzw. -zahlungen rechtmäßig zu ergehen habe unter Berücksichtigung aller geleisteten Zahlungen und Beitragszeiten. Der Kläger sei auch für die Verzinsung so zu stellen, als hätte er den Rentenantrag noch im Juli 1995 förmlich gestellt. Verzinsungsbeginn sei der August 1995.
Ebenfalls unter dem 20.10.2011 hat die Bevollmächtigte die Berichtigung der Niederschrift vom 22.06.2011 beantragt. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt die Angelegenheit für erledigt erklärt. Er habe lediglich die Auffassung des Gerichts zur Kenntnis genommen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 16.11.2011 den Antrag auf Berichtigung abgelehnt. Die vom Kläger behauptete Unrichtigkeit der Niederschrift bestehe nicht. Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 16.11.2011 wurde vom Bundessozialgericht als unzulässig verworfen (Beschluss vom 09.01.2012 - B 13 R 1/12 S).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.04.2012 hat die Bevollmächtigte für den Kläger beantragt,
das Berufungsverfahren fortzuführen und in der Sache gemäß dem Antrag vom 22.06.2010 zu entscheiden, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Danach hat der Kläger erklärt, "die Besorgnis der Befangenheit des Senats aufgrund der vorhergehenden Prozesshandlungen und Beschlüsse, weil die Dinge von Grund auf noch nicht geklärt seien".
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass durch die Erledigterklärung vom 22.06.2011 der Rechtsstreit erledigt ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten beider Instanzen, auf weitere Akten des SG (S 2 RA 207/00, S 2 RA 128/00) und auf die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Befangenheitsantrag ist offensichtlich unzulässig. Der Senat konnte deshalb auch mit den nach der Geschäftsverteilung mit der Sache befassten Richtern entscheiden; einer gesonderten förmlichen Entscheidung über das Ablehnungsgesuch bedufte es nicht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 60 Rn 10d f.). Nach § 60 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen die §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. § 43 ZPO bestimmt, dass eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen kann, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zur Sache verhandelt und nach Stellung der Anträge das Ablehnungsgesuch mit den ihm bereits zuvor bekannten Ablehnungsgründen gestellt, so dass der Verlust des Ablehnungsrechts eingetreten ist. Das Ablehnungsgesuch ist auch offensichtlich unzulässig, weil es erkennbar lediglich dazu dienen sollte, die oder diejenigen Richter des Senats, die zu einer bestimmten Rechtsfrage eine dem Kläger missliebige Rechtsauffassung vertreten haben, aus dem Verfahren zu drängen. Dies wird deutlich aus der Bezugnahme auf die "bisherigen Prozesshandlungen und Beschlüsse", mit denen der Kläger sich nicht einverstanden erklären konnte. Zu dem vom Kläger im Termin noch angegebenen Ablehnungsgrund der langen Verfahrensdauer ist erläuternd anzumerken, dass diese nur dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann, wenn sich der Verfahrensablauf über lange Zeit eindeutig als eine Kette von Verzögerungen bis hin zur Untätigkeit darstellt und keine Gründe ersichtlich sind, die diesen Ablauf als vertretbar erscheinen lassen könnten. Von einem derartigen Verfahrensablauf kann vorliegend keine Rede sein.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 20 R 340/07 ist zulässig, aber nicht begründet, denn dieses Verfahren ist durch die Erledigterklärung des Klägers in der nichtöffentlichen Sitzung vom 22.06.2010 wirksam beendet worden.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 22.06.2010 haben der Prozessbevollmächtigte des Klägers und der Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung am 22.06.2010 erklärt, dass das Berufungsverfahren erledigt sei. Der Kläger hat nicht lediglich die Rechtsauffassung des Gerichts zur Kenntnis genommen. Die Sitzungsniederschrift erbringt als öffentliche Urkunde den Beweis für die tatsächliche Abgabe und inhaltliche Vollständigkeit der in ihr aufgeführten Prozesserklärungen, § 202 SGG in Verbindung mit § 415 Abs 1 ZPO. Die Formvorschriften der §§ 153 Abs 1, 122 SGG in Verbindung mit §§ 162 Abs 1 S 1 u 3, 160 Abs 3 Nr 8 ZPO sind gewahrt, denn die Erledigterklärung wurde vorgelesen und genehmigt. Insoweit hat der Senat auch den Berichtigungsantrag vom 20.10.2011 abgelehnt.
Die Erledigterklärung bewirkt den Verlust des Rechtsmittels (vgl. § 156 Abs 2 S 1 SGG), da die einseitige Erledigungsklärung regelmäßig als Rücknahme der Berufung auszulegen ist (BSG Beschluss vom 29.12.2005 - B 7a AL 192/05 B; BSG Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 18/95 - USK 95155). Maßgebend ist dabei der objektive Erklärungswert, der sich danach bestimmt, wie der Empfänger nach den Umständen die Erklärung verstehen muss, wobei § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend herzuziehen ist. Demnach ist auch die vorliegende Erledigterklärung als Rücknahme der Berufung auszulegen. Denn der Kläger und sein Bevollmächtigter haben eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie das Rechtsmittel der Berufung nicht weiter aufrechterhalten wollen. Einer solchen Auslegung steht nicht die mit einer einseitigen Erledigterklärung verbundene Kostenfolge des § 197a SGG entgegen, denn vorliegend sind am Verfahren kostenprivilegierte Personen im Sinne des § 183 SGG beteiligt. Zumindest dann, wenn entweder der Kläger oder der Beklagte zum Kreis des § 183 SGG gehören, ist eine einseitige Erledigterklärung wie eine Klage- bzw. Berufungsrücknahme anzusehen (BSG Beschluss vom 29.12.2005 aaO).
Der Kläger kann die Rücknahme auch weder entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums oder Drohung (§§ 119, 123 BGB) anfechten noch widerrufen, denn sie ist eine gestaltende Prozesshandlung, auf die die Vorschriften des BGB über Nichtigkeit, Widerruf und Anfechtung nach allgemeiner Meinung nicht anwendbar sind (vgl. BSG Beschluss vom 04.11.2009 - B 14 AS 81/08 B mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., Rn 7c zu § 102). Hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Formerfordernisse unterliegt die Rücknahme dem Prozessrecht und nicht dem materiellen Recht. Unerheblich ist daher, ob die Rücknahme der Berufung auf Irrtum oder Täuschung etc. beruht. Zudem trägt der Kläger auch keine Gründe für eine Irrtumsanfechtung oder Drohung im Sinne der oben genannten Regelungen vor.
Ein Widerruf der Rücknahmeerklärung ist nur gemäß § 179 Abs 1 SGG iVm §§ 579, 580 ZPO möglich. Es liegen aber vorliegend weder die dort genannten Nichtigkeits- noch Restitutionsgründe vor. Umstände, die hierauf schließen lassen könnten, werden auch vom Kläger nicht vorgetragen.
Es war daher festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 20 R 340/07 durch die wirksame Erklärung des Klägers und seines Bevollmächtigten beendet worden ist.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Mit Bescheid vom 30.09.1999 gewährte die Beklagte dem 1930 geborenen Kläger Regelaltersrente auf seinen Antrag vom 20.05.1999 ab dem Antragsmonat (01.05.1999). Hiergegen wandte sich der Kläger und machte geltend, ihm stünde ein Anspruch auf Regelaltersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres ab 01.08.1995 zu. Nach Teilabhilfebescheid vom 30.12.1999 und Erhebung einer Untätigkeitsklage zum Sozialgericht (SG) Würzburg (S 2 RA 128/00) wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Rentenbeginns und anderer Beanstandungen (Berücksichtigung eines freiwilligen Beitrages für Juni 1960, Berücksichtigung weiterer beitragsgeminderter Zeiten, Berücksichtigung der Schulausbildung ab dem 16. Lebensjahr, Berücksichtigung der Zeit vom Juli 1944 bis März 1945 mit Ernteeinsatz bzw. Zwangsarbeit zum Trümmerräumen als Ersatzzeit bzw. Beitragszeit) mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2000 zurück.
Über die dagegen erhobene Klage entschied das SG mit Urteil vom 28.10.2003 (S 2 RA 207/00). Es verurteilte die Beklagte zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide und erneuter Entscheidung über die Gewährung der Leistung einer Regelaltersrente auf der Grundlage eines im Sinne des § 99 Abs 1 S 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) rechtzeitig gestellten Antrags und der Rechtslage zum 01.08.1995. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28.10.2003 wurde festgehalten, dass der Klägervertreter erklärt hat, streitgegenständlich sei die Neubescheidung des Rentenantrages des Klägers auf der Grundlage eines fiktiv rechtzeitig gestellten Rentenantrages zum 01.08.1995 auf der Rechtsgrundlage 1995. Nicht mehr Streitgegenstand seien die freiwilligen Beiträge. Er beantragte, die Beklagte zu verpflichten, erneut über die Gewährung der Leistung einer Regelaltersrente auf der Grundlage eines rechtzeitig im Sinne des § 99 Abs 1 S 1 SGB VI gestellten Antrages auf Regelaltersrente auf der Rechtsgrundlage zum 01.08.1995 zu entscheiden.
Aufgrund des Urteils vom 28.10.2003 stellte die Beklagte die Regelaltersrente mit einem Rentenbeginn 01.08.1995 neu fest (Bescheid vom 17.12.2003 mit Nachzahlung für die Zeit vom 01.08.1995 bis 31.01.2004, Bescheide vom 19.05.2004, 11.10.2004) und erließ den Bescheid vom 21.07.2004 über die Verzinsung der ab 01.02.2004 zu leistenden Nachzahlung. Der Kläger erhob jeweils Widerspruch und begehrte die Anrechnung bzw. Neubewertung von rentenrechtlichen Zeiten bei der Rentenberechnung, einen früheren Verzinsungsbeginn der Rentennachzahlung (ab 01.08.1995) sowie die Neuverteilung des für Juni 1966 entrichteten freiwilligen Beitrages.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2005 zurück. Mit dem Urteil vom 21.11.2003 sei lediglich geregelt worden, dass erneut über die Regelaltersrente auf der Grundlage eines zum 01.08.1995 gestellten Antrages neu zu entscheiden sei. Gegenstand der Klage seien nicht die weitere Anrechnung bzw. Neubewertung von Zeiten gewesen. Für die Verzinsung sei nicht auf den 01.08.1995 abzustellen, da erst am 22.09.1999 der vollständige Antrag auf die Leistung vorgelegen habe. Die Neuverteilung des für Juni 1966 entwerteten freiwilligen Beitrags sei nicht möglich.
Der Kläger hat Klage zum SG erhoben und mit Schriftsatz vom 10.03.2007 beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die aus dem Stammrecht seiner Rente wiederkehrenden Geldforderungen mit den jeweils monatlichen Einzelansprüchen, gestaffelt hieraus zu ermitteln, namentlich die nach Maßgabe des seinerzeit geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes für die Bezugzeiträume, die vor dem 01.01.1992 entstanden waren, ferner im Rentenverfahren allgemein die hier angewandten, einschlägigen Gesetze, die insbesondere erst ab ihrem Inkrafttreten für die Zukunft geltendes Recht wurden, wegen Bestandsschutzes des Klägers zu berücksichtigen und anzuwenden sowie diesem Urteil entsprechend abzurechnen.
2. Diese Grundsätze im Urteil sind - soweit noch nicht geschehen - gleichermaßen für die Verzinsung der Ansprüche ab 01.09.1995 sowie für die Schulausbildung ab 12.04.1937 zu berücksichtigen.
3. Danach sind - unter Einhaltung der Grundsätze dieses Urteils - die persönlichen Entgeltpunkte, umfassend mit Versicherungsverlauf, Beitragszeiten etc. jeweils monatlich gestaffelt, neu zu ermitteln sowie die künftigen Bescheide und die Nachbesserungsfälle etc. in jeweils transparenter und allgemein auch jedermann verständlicher Weise darzustellen.
4. Die dem Rentenverfahren zugeführten, aber nicht abgerechneten freiwilligen Beiträge in Höhe von 96,12 EUR (182,00 DM) sind nebst 4 % Zinsen wegen ungerechtfertigter Bereicherung an den Kläger zurückzuzahlen.
Mit Urteil vom 20.03.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Der Kläger sei durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert, denn die Beklagte habe mit diesen Bescheiden lediglich das ausgeführt, wozu sie durch das Urteil des SG vom 28.10.2003 verpflichtet gewesen sei. Da der Kläger in dem Verfahren, welches durch das genannte Urteil abgeschlossen worden sei, den Streitgegenstand auf den Rentenbeginn beschränkt habe, sei auch Gegenstand dieses Urteils lediglich der Rentenbeginn zum 01.08.1995 gewesen. Der über den Zeitpunkt des Rentenbeginns hinaus gestellte Klageantrag sei nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide gewesen.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht erhoben (L 20 R 340/07) und mit Schriftsatz vom 24.02.2008 beantragt, das Urteil des SG vom 20.03.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger - zur Wahrung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches - ab 01.08.1995 die ihm zustehende Rente nach Maßgabe dieses Urteils wie folgt entsprechend abzurechnen:
1. Dass die aus dem Stammrecht seiner Rente wiederkehrenden Geldforderungen mit den jeweils monatlichen Einzelansprüchen, gestaffelt hieraus ermittelt werden, namentlich unter Berücksichtigung des seinerzeit geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes sowie einschlägiger Gesetze für die Bezugsräume, die vor dem 01.01.1992 wirksam entstandene Rechte waren;
2. dass ansonsten im anstehenden Rentenverfahren die einschlägigen Gesetze, die insbesondere erst ab ihrem Inkrafttreten für die Zukunft entsprechend zeitversetzt, jeweils den Ansprüchen zugeordnet und umgesetzt geltendes Recht wurden, unter Beachtung des Bestandsschutzes des Klägers, jeweils berücksichtigt werden;
3. dass diese Grundsätze im Urteil - soweit noch nicht geschehen - insbesondere auch Verzinsung der Ansprüche ab 01.09.1995 sowie im Hinblick auf die Schulausbildung des Klägers ab 12.04.1937 beginnend, berücksichtigt werden;
4. dass - unter Einhaltung der Grundsätze dieses Urteils - die persönlichen Entgeltpunkte umfassend mit Versicherungsverlauf, Beitragszeiten etc., jeweils monatlich gestaffelt hieraus, neu ermittelt sowie künftige Rentenbescheide und Nachbesserungsfälle etc. jeweils in transparenter und jedermann verständlicher Weise dargestellt werden.
In der nichtöffentlichen Sitzung vom 22.06.2010 haben der Bevollmächtigte des Klägers und der Kläger nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärt, dass das Berufungsverfahren erledigt sei. Diese Erklärung ist vorgelesen und vom Kläger und dessen Bevollmächtigten genehmigt worden.
Nach Zuleitung der Niederschrift über den Termin vom 22.06.2010 hat der Kläger mit Schreiben vom 06.07.2010 (Eingang am 12.07.2010) mitgeteilt, dass er dieses Schriftstück zurückweise. Nach seinem Rechtsverständnis, den Strukturen und den taktischen Vorgehensweisen des Gerichts sehe er sich darin schwer getäuscht. Er übergebe einen Antrag mit Datum vom 22.06.2010 zur Berufungsbegründung, so dass umgehend eine Entscheidung nach Aktenlage schriftlich ergehen könne.
Nach diesem Antrag mit Datum vom 22.06.2010 beantragt der Kläger,
1. das Urteil des SG vom 20.03.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger - zur Wahrung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches - die Regelaltersrente ab 01.08.1995 nach Maßgabe dieses Urteils wie folgt entsprechend abzurechnen:
a) Dass die aus dem Stammrecht seiner Rente wiederkehrenden Geldforderungen mit den jeweils monatlichen Einzelansprüchen, gestaffelt hieraus ermittelt werden, namentlich unter Berücksichtigung des seinerzeit geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes sowie der hier einschlägigen Gesetze, für die Rechte in den Bezugsräumen, die vor dem 01.01.1992 wirksam entstanden waren;
b) dass ansonsten im anstehenden Rentenverfahren die einschlägigen Gesetze, die insbesondere erst jeweils ab ihrem Inkrafttreten für die Zukunft, entsprechend zeitversetzt galten, jeweils hier den Ansprüchen zugeordnet und umgesetzt geltendes Recht wurden, unter Beachtung des Bestandsschutzes des Klägers auch jeweils berücksichtigt und neu bewertet werden;
c) dass diese Grundsätze im Urteil, soweit noch nicht geschehen, bei der Verzinsung seiner Ansprüche, auf die bisher vorenthaltenen Geldleistungen mit den jeweils monatlichen Einzelansprüchen gestaffelt hieraus - nach Maßgabe des seinerzeit geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes gem. § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von 4 v.H. über dem jeweiligen Bundesbank-Diskontsatz mit Vorgabe: Zahlung nach Ablauf des Kalendermonats und nach Eintritt der Fälligkeit (01.09.1995) bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung (01.04.1999) berücksichtigt und neu bewertet werden;
d) dass - unter strenger Einhaltung der Grundsätze dieses Urteils - die persönlichen Entgeltpunkte umfassend mit Versicherungsverlauf, Beitragszeiten etc., jeweils monatlich gestaffelt hieraus, neu ermittelt sowie die Nachbesserungsfälle und künftigen Rentenbescheide etc. in jeweils in transparenter und für einen Durchschnittsbürger in verständlicher Weise auch dargestellt werden.
2. Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsfalls nicht ausgeschlossen.
3. Die Beklagte verpflichtet sich, von der Einrede der Verjährung ggf. keinen Gebrauch zu machen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers, auch für das Widerspruchsverfahren.
Aufgrund des Schreibens des Klägers vom 06.07.2010 wurde das Verfahren vor dem BayLSG unter dem Az. L 20 R 545/10 fortgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 20.10.2011 hat die nunmehr Bevollmächtigte des Klägers vorgetragen, das SG hätte die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern es hätte eine Entscheidung in der Sache ergehen müssen. Dem Ausführungsbescheid habe auch eine anfechtbare Regelung innegewohnt, da die Beklagte eine über das Urteil des SG hinausgehende Feststellung über die Höhe der Rentenleistung getroffen habe. Die erstinstanzliche Erklärung des damaligen Bevollmächtigten sei nicht als konkludente Klagerücknahme anzusehen. Dies ergebe sich daraus, dass der Ausführungsbescheid qua Gesetzes in Bezug auf die Rentenhöhe und der zugrunde liegenden Beitragszeiten bzw. -zahlungen rechtmäßig zu ergehen habe unter Berücksichtigung aller geleisteten Zahlungen und Beitragszeiten. Der Kläger sei auch für die Verzinsung so zu stellen, als hätte er den Rentenantrag noch im Juli 1995 förmlich gestellt. Verzinsungsbeginn sei der August 1995.
Ebenfalls unter dem 20.10.2011 hat die Bevollmächtigte die Berichtigung der Niederschrift vom 22.06.2011 beantragt. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt die Angelegenheit für erledigt erklärt. Er habe lediglich die Auffassung des Gerichts zur Kenntnis genommen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 16.11.2011 den Antrag auf Berichtigung abgelehnt. Die vom Kläger behauptete Unrichtigkeit der Niederschrift bestehe nicht. Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 16.11.2011 wurde vom Bundessozialgericht als unzulässig verworfen (Beschluss vom 09.01.2012 - B 13 R 1/12 S).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.04.2012 hat die Bevollmächtigte für den Kläger beantragt,
das Berufungsverfahren fortzuführen und in der Sache gemäß dem Antrag vom 22.06.2010 zu entscheiden, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Danach hat der Kläger erklärt, "die Besorgnis der Befangenheit des Senats aufgrund der vorhergehenden Prozesshandlungen und Beschlüsse, weil die Dinge von Grund auf noch nicht geklärt seien".
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass durch die Erledigterklärung vom 22.06.2011 der Rechtsstreit erledigt ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten beider Instanzen, auf weitere Akten des SG (S 2 RA 207/00, S 2 RA 128/00) und auf die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Befangenheitsantrag ist offensichtlich unzulässig. Der Senat konnte deshalb auch mit den nach der Geschäftsverteilung mit der Sache befassten Richtern entscheiden; einer gesonderten förmlichen Entscheidung über das Ablehnungsgesuch bedufte es nicht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 60 Rn 10d f.). Nach § 60 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen die §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. § 43 ZPO bestimmt, dass eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen kann, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zur Sache verhandelt und nach Stellung der Anträge das Ablehnungsgesuch mit den ihm bereits zuvor bekannten Ablehnungsgründen gestellt, so dass der Verlust des Ablehnungsrechts eingetreten ist. Das Ablehnungsgesuch ist auch offensichtlich unzulässig, weil es erkennbar lediglich dazu dienen sollte, die oder diejenigen Richter des Senats, die zu einer bestimmten Rechtsfrage eine dem Kläger missliebige Rechtsauffassung vertreten haben, aus dem Verfahren zu drängen. Dies wird deutlich aus der Bezugnahme auf die "bisherigen Prozesshandlungen und Beschlüsse", mit denen der Kläger sich nicht einverstanden erklären konnte. Zu dem vom Kläger im Termin noch angegebenen Ablehnungsgrund der langen Verfahrensdauer ist erläuternd anzumerken, dass diese nur dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann, wenn sich der Verfahrensablauf über lange Zeit eindeutig als eine Kette von Verzögerungen bis hin zur Untätigkeit darstellt und keine Gründe ersichtlich sind, die diesen Ablauf als vertretbar erscheinen lassen könnten. Von einem derartigen Verfahrensablauf kann vorliegend keine Rede sein.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 20 R 340/07 ist zulässig, aber nicht begründet, denn dieses Verfahren ist durch die Erledigterklärung des Klägers in der nichtöffentlichen Sitzung vom 22.06.2010 wirksam beendet worden.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 22.06.2010 haben der Prozessbevollmächtigte des Klägers und der Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung am 22.06.2010 erklärt, dass das Berufungsverfahren erledigt sei. Der Kläger hat nicht lediglich die Rechtsauffassung des Gerichts zur Kenntnis genommen. Die Sitzungsniederschrift erbringt als öffentliche Urkunde den Beweis für die tatsächliche Abgabe und inhaltliche Vollständigkeit der in ihr aufgeführten Prozesserklärungen, § 202 SGG in Verbindung mit § 415 Abs 1 ZPO. Die Formvorschriften der §§ 153 Abs 1, 122 SGG in Verbindung mit §§ 162 Abs 1 S 1 u 3, 160 Abs 3 Nr 8 ZPO sind gewahrt, denn die Erledigterklärung wurde vorgelesen und genehmigt. Insoweit hat der Senat auch den Berichtigungsantrag vom 20.10.2011 abgelehnt.
Die Erledigterklärung bewirkt den Verlust des Rechtsmittels (vgl. § 156 Abs 2 S 1 SGG), da die einseitige Erledigungsklärung regelmäßig als Rücknahme der Berufung auszulegen ist (BSG Beschluss vom 29.12.2005 - B 7a AL 192/05 B; BSG Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 18/95 - USK 95155). Maßgebend ist dabei der objektive Erklärungswert, der sich danach bestimmt, wie der Empfänger nach den Umständen die Erklärung verstehen muss, wobei § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend herzuziehen ist. Demnach ist auch die vorliegende Erledigterklärung als Rücknahme der Berufung auszulegen. Denn der Kläger und sein Bevollmächtigter haben eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie das Rechtsmittel der Berufung nicht weiter aufrechterhalten wollen. Einer solchen Auslegung steht nicht die mit einer einseitigen Erledigterklärung verbundene Kostenfolge des § 197a SGG entgegen, denn vorliegend sind am Verfahren kostenprivilegierte Personen im Sinne des § 183 SGG beteiligt. Zumindest dann, wenn entweder der Kläger oder der Beklagte zum Kreis des § 183 SGG gehören, ist eine einseitige Erledigterklärung wie eine Klage- bzw. Berufungsrücknahme anzusehen (BSG Beschluss vom 29.12.2005 aaO).
Der Kläger kann die Rücknahme auch weder entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums oder Drohung (§§ 119, 123 BGB) anfechten noch widerrufen, denn sie ist eine gestaltende Prozesshandlung, auf die die Vorschriften des BGB über Nichtigkeit, Widerruf und Anfechtung nach allgemeiner Meinung nicht anwendbar sind (vgl. BSG Beschluss vom 04.11.2009 - B 14 AS 81/08 B mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., Rn 7c zu § 102). Hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Formerfordernisse unterliegt die Rücknahme dem Prozessrecht und nicht dem materiellen Recht. Unerheblich ist daher, ob die Rücknahme der Berufung auf Irrtum oder Täuschung etc. beruht. Zudem trägt der Kläger auch keine Gründe für eine Irrtumsanfechtung oder Drohung im Sinne der oben genannten Regelungen vor.
Ein Widerruf der Rücknahmeerklärung ist nur gemäß § 179 Abs 1 SGG iVm §§ 579, 580 ZPO möglich. Es liegen aber vorliegend weder die dort genannten Nichtigkeits- noch Restitutionsgründe vor. Umstände, die hierauf schließen lassen könnten, werden auch vom Kläger nicht vorgetragen.
Es war daher festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 20 R 340/07 durch die wirksame Erklärung des Klägers und seines Bevollmächtigten beendet worden ist.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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