S 2 KA 154/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 154/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 57/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung der ambulanten Notfallbehandlungen im Krankenhaus der Klägerin.

Die Klägerin ist Trägerin eines im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung gelegenen und zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhauses. Sie wendet sich gegen die Nichtberücksichtigung der Zusatzpauschalen nach den Nrn. 01211, 01215, 01217 und 01219 EBM 2008.

Im Quartal 1/2008 stellte die Klägerin die Grundpauschalen 01210 (847-mal), 01214 (18-mal) und 01216 (2-mal) sowie die Zusatzpauschalen 01211 (837-mal), 01217 (32-mal) und 01219 (1-mal) zur Abrechnung. Die Beklagte erkannte 827 Ansätze der Nr. 01210 und die 18 Ansätze der Nr. 01214 an, wandelte die 32 Ansätze der Nr. 01217 in die Nr. 01216 um und erkannte damit 34 Ansätze der Nr. 01216 an und wandelte schließlich den Ansatz der Nr. 01219 in einen anerkannten Ansatz der Nr. 01218 um.

Dem Abrechnungsbescheid vom 28.07.2008 für das Quartal 1/2008 widersprach die Klägerin. Die Regelungen zur "Zusatzpauschale Besuchsbereitschaft" nach Punkt 1.2 Nr. 3 des EBM 2008 in Verbindung mit den EBM-Gebührenpositionen 01211, 01215, 01217 und 01219 sowie deren Umsetzung durch die Beklagte verstießen gegen Bundesrecht (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie den dreiseitigen nordrhein-westfälischen "Vertrag gemäß § 115 Abs. 1 SGB V über die ambulante Notfallbehandlung im Krankenhaus" vom 10.05.1994 (§ 3 Abs. 2 Satz 2).

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Das T. K-Hospital nehme am organisierten Notfalldienst nicht teil. Kliniken stellten - im Gegensatz zu niedergelassenen Ärzten - ihren Versorgungsauftrag typischerweise durch die Versorgung von Patienten am Standort des Klinikums sicher. Eine Besuchsbereitschaft bzw. die notfallmäßige Durchführung von Besuchen würde daher in Widerspruch zum Versorgungsauftrag stehen. Eine ergänzende Einbindung in den vertragsärztlichen Notdienst aufgrund einer auf Landesebene durch die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung getroffenen Regelung bzw. in sonstiger Weise sei im Bereich der Beklagten gerade nicht der Fall. Eine Besuchsbereitschaft des T. K-Hospitals könne daher nicht festgestellt werden.

Hiergegen richtet sich die am 04.12.2008 erhobene Klage.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Regelungen im EBM ab 01.01.2008 über die Besuchsbereitschaft seien objektiv und nach der Zielrichtung des Normgebers rechtswidrig darauf ausgerichtet, die durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorgegebene grundsätzliche Gleichbehandlung zwischen den am organisierten Notfalldienst teilnehmenden Vertragsärzten und den nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten, Institutionen und Krankenhäusern zu unterlaufen. Zwar seien die Notfall-Grundpauschalen (Nrn. 01210, 01214, 01216 und 01218) für alle Leistungserbringer auch hinsichtlich der Höhe der Punktzahlen identisch. Unterschiede bestünden jedoch hinsichtlich der Besuchsbereitschaft. Für nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser sei eine positive Feststellung der Besuchsbereitschaft notwendig. Demgegenüber behandele die Beklagte die am organisierten Notfalldienst teilnehmenden niedergelassenen Vertragsärzte einheitlich dahin, dass sie bei diesen die Zusatzpauschalen für die Besuchsbereitschaft in der Abrechnung automatisch berücksichtige. Sowohl grundsätzlich als auch in der Handhabung der Beklagten stellten sich die Regelungen der Vorhaltung der Besuchsbereitschaft als unzulässige Anreize zur Erbringung von Notfallbehandlungen durch Vertragsärzte dar. Auch Kostenargumente rechtfertigten die Differenzierung nicht. Denn die Beklagte differenziere nicht danach, ob der organisierte Notfalldienst als "Sitzdienst" in der eigenen Praxis oder in einer Notfallpraxis durchgeführt werde oder ob ein (zentraler) Fahrdienst zur Verfügung gestellt werde. Die am "Sitzdienst" teilnehmenden Vertragsärzte seien jedoch aus tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten nicht verpflichtet, aber auch nicht berechtigt und in der Lage, einen Nachweis oder eine Feststellung in Bezug auf eine Besuchsbereitschaft zu führen. Auch die am Fahrdienst teilnehmenden Vertragsärzte seien grundsätzlich zusätzlichen Kosten nicht ausgesetzt. Nach der gemeinsamen Notfalldienstordnung der Ärztekammer Nordrhein und der Beklagten (NFD-O) würden Transportmittel dem Arzt kostenfrei zur Verfügung gestellt. Soweit der Arzt eigene Transportmittel verwende, stünden ihm zusätzliche Wegepauschalen und Wegegelder zu. Sonstige Vorhaltekosten, die über die Gebührenpositionen der konkreten Inanspruchnahme nicht bereits pauschalierend berücksichtigt worden seien, seien nicht ersichtlich. Insofern stehe auch die Höhe der Zusatzpauschalen - zwischen 50 % und 62 % Zuschlag auf die Grundpauschalen - in völligem Missverhältnis zu eventuellen zusätzlichen Vorhaltekosten eines Besuches.

Die Klägerin beantragt,

den Abrechnungsbescheid der Beklagten für das 1. Quartal 2008 vom 28.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig.

Sie sei an die Vorgaben des EBM gebunden; eine Verwerfungskompetenz obliege ihr nicht. Bei den Besuchsbereitschaftspauschalen handele es sich um Leistungen, die grundsätzlich von allen im Notfall bzw. organisierten Notfalldienst Tätigen angesetzt werden könnten und auch nicht unterschiedlich bewertet seien. Demgemäß sei nach dem obligaten Leistungsinhalt allein entscheidend, ob eine ständige ärztliche Besuchsbereitschaft für die aufsuchende Tätigkeit vorgehalten werde. Dies werde in aller Regel von Krankenhäusern, konkret auch der Klägerin, nicht erfüllt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Vergütung der Zusatzpauschalen für Besuchsbereitschaft.

Nach Ziffer 3 der Präambel des Kapitels 1.2 des EBM 2008 ("Gebührenordnungspositionen für die Versorgung im Notfall und im organisierten ärztlichen Not(-fall)dienst") sind die Zusatzpauschalen nach den Nrn. 01211, 01215, 01217 und 01219 für die Vorhaltung der Besuchsbereitschaft nur berechnungsfähig, wenn die zuständige Kassenärztliche Vereinigung die jeweilige Besuchsbereitschaft für Notfallbehandlungen durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser bzw. im Rahmen des organisierten Not(-fall)dienstes festgestellt hat. Eine entsprechende Feststellung der Beklagten liegt bezüglich des Krankenhauses der Klägerin nicht vor. Diese kann auch nicht nachgeholt werden, da die Vergütungsbestimmung ausdrücklich in der Vergangenheitsform formuliert ist ("festgestellt hat") und damit eine im Zeitpunkt der Leistungserbringung vorliegende Feststellung voraussetzt.

Die Beklagte hat demnach in Anwendung der insoweit eindeutigen EBM-Regelungen zu Recht eine Abrechnung der Nrn. 01211, 01215, 01217 und 01219 EBM 2008 durch die Klägerin abgelehnt.

Die Regelung in Ziffer 3 der Präambel zum Kapitel 1.2 EBM 2008 verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht; insbesondere verletzt sie nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) umfasst der den Kassenärztlichen Vereinigungen obliegende Sicherstellungsauftrag die vertragsärztliche Versorgung auch zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst); nach § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V dürfen die Versicherten andere als zugelassene Vertragsärzte nur im Notfall in Anspruch nehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG folgt aus dieser gesetzlichen Zuordnung der von Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern erbrachten Notfallleistungen zur vertragsärztlichen Versorgung, dass sich deren Honorierung nach den Grundsätzen richtet, die für die Leistungen der Vertragsärzte und der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Personen und Institutionen gelten. Der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser oder Nichtvertragsärzte für Notfallbehandlungen darf gegenüber dem Vergütungsniveau der Vertragsärzte nur dann reduziert oder im Umfang eingeschränkt werden, wenn dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Auch eine mittelbare Schlechterstellung von Notfallleistungen im Krankenhaus gegenüber vergleichbaren Leistungen von Vertragsärzten durch Regelungen der Honorarverteilung hat das BSG in diesem Zusammenhang nicht gebilligt, sondern lediglich eine an die gesetzliche Regelung des § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V anknüpfende pauschale Honorarminderung in Höhe von 10 % für Notfallleistungen öffentlich geförderter Krankenhäuser akzeptiert (zuletzt BSG, Urteil vom 17.09.2008 - B 6 KA 46/07 R - m.w.N.).

Dabei hat sich das BSG mit den beiden Gesichtspunkten auseinandergesetzt, die hinter der differenzierenden Bewertung des Ordinationskomplexes für Notfallbehandlungen im EBM 2005 (bis 31.12.2007) je nach Versorgung des Patienten im organisierten vertragsärztlichen Notfalldienst oder im Krankenhaus gestanden hatten. Die eine Erwägung ging dahin, durch eine hohe Leistungsbewertung Anreize zur Erbringung von Notfallbehandlungen durch die Vertragsärzte zu geben, auch um die Frequenz von Notfallbehandlungen im Krankenhaus auf das unvermeidliche Ausmaß zu begrenzen. Die andere Überlegung unterstellte typisierend eine geringere Kostenbelastung im Krankenhaus, weil hier Notfallbehandlungen im für die stationären Patienten ohnehin laufenden Betrieb gleichsam nebenbei mit abgewickelt würden. In seinem Urteil vom 06.09.2006 - B 6 KA 31/05 R - hat das BSG weder das Kosten- noch das Anreizargument für geeignet gehalten, eine niedrigere Vergütung von Notfallbehandlungen in Krankenhäusern zu legitimieren. Hieran hat es in seinem Urteil vom 17.09.2008 - B 6 KA 46/07 R - festgehalten.

Die vorliegend streitbefangene Neuregelung im EBM 2008 steht diesen Erkenntnissen nicht entgegen.

Für die Abrechnung der Zusatzpauschalen verlangt der neutral formulierte EBM nicht nur in Bezug auf Krankenhäuser eine Feststellung ihrer Besuchsbereitschaft, sondern auch hinsichtlich der Vertragsärzte. Nach Ziffer 3 der Präambel 1.2 sind die Zusatzentgelte berechnungsfähig, wenn die Kassenärztliche Vereinigung die Besuchsbereitschaft für Notfallbehandlungen durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser "bzw. im Rahmen des organisierten Notfalldienstes" festgestellt hat. Vertragsärzte sind über § 75 Abs. 1 SGB V zur Teilnahme am organisierten Notfalldienst verpflichtet. Mit ihrer Zulassung übernehmen sie die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung, die nicht auf gewisse Zeiträume (z.B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt ist, sondern auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein muss (BSG, Urteil vom 06.02.2008 - B 6 KA 13/06 R ). Entsprechend regelt § 1 Abs. 1 NFD-O, dass alle niedergelassenen sowie in Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte am organisierten ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen haben (Rhein. Ärzteblatt 1/2007, 62). Aus § 8 Abs. 2 NFD-O ergibt sich weiter, dass der am Notfalldienst teilnehmende Arzt auch Besuche auszuführen hat, sofern diese notwendig sind ("Während besuchsbedingter Abwesenheiten "). Für Vertragsärzte setzt die aktive Teilnahme am Notfalldienst somit voraus, dass - sofern erforderlich - auch Besuche durchgeführt werden. Dies gilt auch für eine Tätigkeit in Notfallpraxen (zur Präsenzpflicht dort vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2011 - B 6 KA 23/10 R -), auch wenn hier die Besuchsbereitschaft nur in Ausnahmefällen genutzt wird. Im organisierten Notfalldienst ist der Arzt mithin über die NFD-O verpflichtet, Hausbesuche erforderlichenfalls durchzuführen. Hierin ist zugleich die Feststellung der Besuchsbereitschaft "im Rahmen des organisierten Not(-fall)dienstes" zu sehen.

Anders verhält es sich mit der ambulanten Notfallversorgung im Krankenhaus. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des dreiseitigen Vertrages zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, den Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie den Krankenkassen (-verbänden) nach § 115 Abs. 2 Nr. 5 SGB V vom 10.05.1994 über die ambulante Notfallbehandlung im Krankenhaus (vgl. zu diesem Vertrag BSG, Urteil vom 31.01.2001 - B 6 KA 33/00 R -) sind die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser verpflichtet und berechtigt, ambulante Notfälle im Krankenhaus zu behandeln. Einzelheiten über die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes werden gemäß § 2 Abs. 3 dieses Vertrages in einem (weiteren) Vertrag gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 SGB V geregelt. Ein solcher (weiterer) Vertrag ist bisher nicht zustande gekommen. Krankenhäuser nehmen somit nicht am organisierten Notfalldienst teil und fallen deshalb nicht unter die verpflichtenden Regelungen der NFD-O. Soweit die Feststellung der Besuchsbereitschaft daher nicht pauschal im Rahmen der Notfalldienstordnung, sondern gesondert durch positiven Bescheid der Beklagten ausgesprochen wird, hat die Ungleichbehandlung sachliche Gründe und verstößt damit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (so auch SG Stuttgart, Urteil vom 23.08.2011 - S 10 KA 418/10 – (rechtskräftig); SG Magdeburg, Urteile vom 02.11.2011 - S 1 KA 33/09 (Revision anhängig unter B 6 KA 4/12 R) - und - S 1 KA 59/09 (Revision anhängig unter B 6 KA 3/12 R) -; insoweit auch SG Hamburg, Urteil vom 26.10.2011 - S 27 KA 132/08 (Berufung anhängig unter L 1 KA 61/11 LSG Hamburg) -).

Eine mittelbare verfassungswidrige Benachteiligung von Krankenhäusern ist auch nicht in der Ausgestaltung und Gewichtung der im EBM 2008 für die Vergütung nach den Grund- und den Zusatzpauschalen vorgesehenen Punkte zu sehen. Es fällt in den weiten Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses, dass er die Vergütung für die Besuchsbereitschaft pauschal an die tatsächliche Anzahl der Inanspruchnahme durch einen Notfallpatienten (Arzt-Patienten-Kontakt) geknüpft hat und nicht an die Anzahl der tatsächlichen Hausbesuche. Dass die Bewertung der Leistung schwierig ist, liegt schon daran, dass sie keine zählbaren Tätigkeiten voraussetzt, sondern ein Verhalten des Notdienstarztes, nämlich seine ständige Rufbereitschaft für die Durchführung eines Hausbesuches. Das Gewicht dieser Bereitschaft bemisst sich nicht allein nach den tatsächlich notwendigen Hausbesuchen, denn dies könnte dazu führen, dass die Bereitschaft, obwohl sie vom Bewertungsausschuss als vergütungswürdig angesehen wird, überhaupt nicht honoriert würde, wenn im Laufe des Notdienstes kein Hausbesuch abgefragt würde. Wegen der Verpflichtung zur ständigen Erreichbarkeit und den dafür notwendigen Vorkehrungen wäre dies nicht gerechtfertigt. Das ärztliche Verhalten bzw. die entsprechende Leistung wird aus diesen Gründen auch nicht durch die im Verhältnis deutlich höhere Honorierung des (Haus-) Besuches im organisierten Notfalldienst kompensiert (Nr. 01411 -1325 Punkte). Die differenziert gestaltete Notfallvergütung ist auch kein unzulässiger Anreiz, sondern verhält sich noch im Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses, weil der Vergütung die abgrenzbar beschriebene Leistung (ständige Verfügbarkeit, Bereitschaftsdienst) gegenüber steht (so zutreffend SG Magdeburg, a.a.O.).

Auch die punktzahlmäßige Höhe der Zusatzpauschalen stellt im Gesamtkontext der Bewertung der Notfallleistungen keine mittelbare Benachteiligung derjenigen Ärzte und Krankenhäuser dar, die ebenfalls an der allgemeinen Notfallversorgung beteiligt sind, aber keine Zusatzpauschalen abrechnen dürfen. Die Zusatzpauschalen werden im EBM 2008 mit 50 % (01215: 50 Punkte) bis 63 % (01211/01219: 255 Punkte) der Grundpauschalen (01214: 100 Punkte; 01210/01218: 405 Punkte) bewertet; im Verhältnis zur gesamten Vergütung für die Notfallbehandlung pro Fall (ohne Krankenbesuch) entspricht die Vergütung für die Besuchsbereitschaft der Ärzte im Notfalldienst einem Anteil von 33 % bis 39 %. Seit 01.01.2009 ist eine im Wesentlichen lineare Anhebung sowohl der Grund- als auch der Zusatzpauschalen erfolgt. Bei der Höhe der Zusatzpauschalen durfte der Bewertungsausschuss im Rahmen seiner gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Bewertungskompetenz berücksichtigen, dass die Möglichkeit der Berechnung der Zusatzpauschalen bestimmte sachliche, personelle und organisatorische Bedingungen voraussetzt, die vor Feststellung der Besuchsbereitschaft hergestellt werden müssen. Hierzu zählen als Mindestvoraussetzungen auch des Krankenhauses: Facharztstandard des die Besuche durchführenden Arztes; Abkömmlichkeit des Arztes; gesicherte Versorgung der Patienten im Krankenhaus während der Abwesenheit des Arztes; spezifische Versicherung des Arztes für die regelmäßige Tätigkeit außerhalb des Krankenhauses; Bereitstellung eines geeigneten Fahrzeuges; Vorhaltung der für Hausbesuche erforderlichen Ausrüstung (Köhler/Hess, Kölner Kommentar zum EBM, zu Nr. 01210). Dies gilt sinnfällig auch für niedergelassene Ärzte, die am organisierten Notfalldienst teilnehmen.

Vor diesem Hintergrund ist die Höhe der Punktzahlen für die Zusatzpauschalen nicht zu beanstanden, weil die Besuchsbereitschaft ein wichtiger Bestandteil des organisierten ambulanten Notfalldienstes ist und daher pauschal mit diesem Wert honoriert werden darf. Eine zusätzliche Differenzierung nach dem Organisationsgrad ist nicht erforderlich. Auch eine arbeitsteilig angelegte Organisation des Notfalldienstes (Sitz-/Fahrdienst, Hintergrund-/ Facharztdienst) entbindet den teilnehmenden Arzt grundsätzlich nicht von der ständigen Verpflichtung, sich für einen notwendigen Hausbesuch bereitzuhalten. Tatsächliche Verfügbarkeit zur Durchführung von Hausbesuchen wird nach den Vorschriften der NFD-O von allen Ärzten erwartet, die zur Teilnahme am organisierten ambulanten Notfalldienst verpflichtet sind. Wegen der pauschalierten Betrachtungsweise hinsichtlich der hierfür gezahlten Vergütung ist es ohne Belang, ob in Notdienstbereichen, in denen dies möglich ist, diese Verpflichtung intern in einen Sitz- und Fahrdienst aufgeteilt wird. Die grundsätzliche Bereitschaft soll nach dem Willen des Bewertungsausschusses pauschal honoriert werden (so zutreffend SG Magdeburg, a.a.O.). Im Übrigen kann die Rechtmäßigkeit einer bundesrechtlichen Vergütungsregelung (EBM) nicht deshalb entscheidend in Frage gestellt werden, weil die Ausgestaltung des vertragsärztlichen Notfalldienstes auf Ebene der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen sehr heterogen erfolgen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Kammer hat die Sprungrevision gemäß §§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 161 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Grenzen der Differenzierung des Inhalts der im Notfall abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander durch den EBM 2008 sind im Hinblick auf die Leistungserbringung durch niedergelassene Vertragsärzte einerseits und nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser andererseits höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt, aber über den Einzelfall hinaus von Bedeutung. Aus der bisher vorliegenden Rechtsprechung ergibt sich die Antwort auf die Rechtsfrage auch nicht ohne Weiteres.

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Rechtskraft
Aus
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