Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 20 KR 1540/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 285/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beschwerden in mehreren Wirbelsäulenabschnitten stellen ein einheitliches Grundleiden dar und sind daher als dieselbe Erkrankung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 - Az.: 3/8 RK 28/87). Eine Aufteilung in die Teilabschnitte Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule kommt nicht in Betracht.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. Januar 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 27. Juni bis 26. Dezember 2004.
Der 1947 geborene und bei der Beklagten gesetzlich versicherte Kläger war vom 3. Dezember 2001 bis zum 3. November 2002 arbeitsunfähig erkrankt und bezog von der Beklagten Krankengeld. Grund für die Arbeitsunfähigkeit war ein Radikulärsyndrom L5 rechts bei Nucleuas-pulposus-Prolaps (NpP) L4/L5 (lumbale Bandscheibenschädigung). Aufgrund dieser Erkrankung der Lendenwirbelsäule wurde im Segment L5/S1 bei einer Operation am 2. Mai 2002 eine Restabilisierung mittels dübelförmiger Implantate vorgenommen, um die segmentale Gefügelockerung/Instabilität zu beseitigen. Im Bewegungssegment L4/5 wurde des Weiteren eine Mikrodiscektomie vorgenommen, die zunächst nicht zum gewünschten Erfolg führte. Der Bandscheibenvorfall konnte erst im Rahmen einer zweiten operativen Sitzung am 30. Juli 2002 behoben werden. Vom 8. bis 29. Oktober 2002 befand sich der Kläger in einer Rehabilitationsmaßnahme. Vom 4. November 2002 bis zum 26. November 2003 ging er seinem Beruf als Heizungsmonteur und Spezialschweißer nach.
Ab dem 27. November 2003 bestand aufgrund einer Symptomatik im Halswirbelsäulenbereich erneut Arbeitsunfähigkeit. Bei einer Untersuchung in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis am 8. Januar 2004 wurde eine relative spinale Enge in den mittleren HWS-Etagen ausgehend von degenerativen Veränderungen, u.a. auch mit Retrospondylose festgestellt. Aufgrund dessen erfolgte vom 17. Februar bis zum 24. Februar 2004 eine stationäre Behandlung im H. K. in Erfurt. Im Entlassungsbericht vom 24. Februar 2004 werden als Diagnosen genannt: M 51.1 Radikulärsyndrom S1 links bei Zustand nach Spondylodese L5/S1 2002 M 50.1 Radikulärsyndrom C6 rechts bei NpP C5/C6
Mit Bescheid vom 4. März 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Krankengeld wegen derselben Krankheit werde innerhalb von drei Jahren für höchstens 78 Wochen gezahlt. Daher ende sein Anspruch auf Krankengeld am 25. Juni 2004. Hiergegen legte er am 12. März 2004 Widerspruch ein. Seine Arbeitsunfähigkeit seit Ende November 2003 stehe nicht im Zusammenhang mit der Erkrankung im Jahre 2001/02. Mit Bescheid vom 17. März 2004 lehnte die Beklagte daraufhin erneut die Zahlung von Krankengeld über den 25. Juni 2004 hinaus ab. Nach den Diagnosen der behandelnden Ärzte seien sowohl Bereiche der Halswirbel- als auch der übrigen Wirbelsäule betroffen. Hiergegen legte der Kläger am 23. März 2004 erneut Widerspruch ein. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) teilte in einer Stellungnahme vom 23. April 2004 mit, dass es sich bei den Erkrankungen in beiden Zeiträumen um dieselbe Erkrankung handele. Mit Bescheid vom 28. April 2004 berichtigte die Beklagte ihren Bescheid dahin gehend, dass der Anspruch auf Krankengeld am 26. Juni 2004 ende. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ergebe sich ein ausgedehnter chronisch-degenerativer Umbauvorgang der Wirbelsäule über mehrere Abschnitte hinweg. Daher liege dieselbe Erkrankung im Rechtssinne vor.
Hiergegen hat der Kläger am 3. Juni 2004 Klage erhoben. Ursächlich für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 27. November 2003 sei allein die Halswirbelsäulenerkrankung. Die austherapierten Schäden an der Lendenwirbelsäule spielten keine Rolle.
Das Sozialgericht (SG) hat einen Befundbericht des Orthopäden Dr. S. vom 17. Juli 2006 und ein orthopädisches Gutachten des Dr. S. vom 29. November 2006 eingeholt. Dr. S. kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, die aus medizinischer Sicht gänzlich andere Lokalisation spreche dafür, dass es sich um eine andere Erkrankung gehandelt haben müsse. Die frühere Erkrankung an der Lendenwirbelsäule müsse als operativ behoben angesehen werden. Die zur Arbeitsunfähigkeit ab dem 27. November 2003 führende Erkrankung sei als neue Erkrankung einzustufen, die mit der seinerzeit behobenen Krankheitsursache mehr als einen halben Meter entfernt im unteren Lendenwirbelbereich nichts zu tun habe. Die gesamte Lendenwirbelsäule sei zum Zeitpunkt der Symptomatik im Halsbereich uneingeschränkt belastungsfähig gewesen. Ursächlich für die Symptomatik im Halswirbelsäulenbereich sei eine über viele Jahre sich langsam entwickelnde Degradation in mehreren Segmenten der Halswirbelsäule gewesen, welches sich nunmehr erstmals symptomatisch bemerkbar gemacht habe. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen würden rein naturwissenschaftlich gesehen schon im ersten Lebensjahr beginnend durch den aufrechten Gang einsetzen und letztlich lebenslang voranschreiten und könnten dementsprechend niemals ausheilen. Die Betrachtungsweise in der orthopädischen Medizin habe sich insoweit geändert, dass diese natürliche, bei jedem Menschen zu findende Entwicklung im Sinne einer Degradation nicht mehr als krankhaft angesehen werde. Man spreche daher von alterskorrigierter Norm. Krankheitsrelevanz komme nur noch Befunden zu, die ein klinisch fassbares Segment und/oder neurologische Defizite bewirkten, also mit einer subjektiven beklagten Symptomatik einhergingen. Sobald diese Symptome abklingen würden, sei in diesem Kontext auch von einer Heilung auszugehen. Im Segment L5/S1 sei am 2. Mai 2002 eine Restabilisierung durch dübelförmige Implantate erfolgt. Dieses Bewegungssegment dürfte daher in der Folgezeit nicht mehr an der Verursachung der fortbestehenden Symptome beteiligt gewesen sein. Weil anschließend der Beruf fast über ein Jahr habe uneingeschränkt ausgeübt werden können, spreche nichts dagegen von einer Heilung im medizinischen Sinne auszugehen. Dies schließe es jedoch nicht aus, dass es später zu erneuten Rückenbeschwerden komme. Ob man diese Sekundärfolge einer bandscheibenbedingten Erkrankung dem Grundleiden zuordne, sei eine philosophische Kausalitätsdiskussion. Die BSG-Rechtsprechung vernachlässige, dass es sich zwar um die gleichartige Krankheitsentwicklung, jedoch um einen anderen Erkrankungsort handele.
Mit Urteil vom 23. Januar 2008 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 4. und 17. März 2004, abgeändert durch Bescheid vom 28. April 2004, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 verurteilt, dem Kläger ab dem 27. Juni 2004 bis zum 26. Dezember 2004 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung ab dem 27. November 2004 um eine andere Erkrankung als bei der Vorerkrankung gehandelt habe. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 1988 handele es sich bei Wirbelsäulenveränderungen jedenfalls dann um dieselbe Krankheit, wenn diese in kürzeren Zeitabschnitten zu solchen Beschwerdezuständen führten. Vorliegend fehle es bereits an der Voraussetzung, dass die Erkrankung in kürzeren Zeitabständen zu Beschwerdezuständen geführt habe. Der Kläger habe vom 4. November 2002 bis zum 26. November 2003 als Heizungsmonteur gearbeitet. Bereits deshalb sei von einer Ausheilung der Krankheit auszugehen. Ein beschwerdefreier Zustand von einer gewissen Dauer sei gegeben gewesen. Im Übrigen folge das Gericht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach mehrere Erkrankungen der Wirbelsäule auf demselben Grundleiden beruhten, jedenfalls in dem hier vorliegenden Einzelfall nicht. Der Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung ab dem 27. November 2003 um eine gänzlich andere und daher neue Erkrankung gehandelt habe, welche mit der seinerzeit behobenen Krankheitsursache mehr als einen halben Meter entfernt im unteren Lumbalbereich nicht das Geringste zu tun habe. Soweit im Entlassungsbericht des Klinikums E. vom 24. Februar 2004 als weitere Diagnose M 51.1 Radikulärsyndrom S1 links bei Zustand nach Spondylodese L5/S1 2002 aufgeführt werde, handele es sich hierbei lediglich um einen Hinweis auf die im Jahre 2002 bestehende Erkrankung.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 20. Februar 2008 zugestellte Urteil am 18. März 2008 Berufung eingelegt. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG könne die Wirbelsäule nur als einheitliches Organ beurteilt werden. Auch medizinisch könne das Gutachten des Dr. S. nicht überzeugen. Er lasse außer Acht, dass die vorgenommenen Versteifungen im LWS-Bereich zwangsläufig dazu führten, dass bei entsprechenden Bewegungsabläufen andere Wirbelsäulenteile die entsprechenden Drehbewegungen leisten müssten. Ferner berücksichtige das SG nicht, dass für den Zeitraum vom 27. Juni 2004 bis zum 26. Dezember 2004 keine einzige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliege. Eine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei hier nicht zulässig. Des Weiteren sei der Tenor zu unbestimmt. Dem Kläger stehe Krankengeld nur nach Abzug derjenigen Leistungen zu, die er in der entsprechenden Zeit vom Arbeitsamt erhalten habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine fehlende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bedeute nicht zwangsläufig, dass eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen werden könne. Die Beweisaufnahme im erstinstanzlichen Verfahren belege seine weitere Arbeitsunfähigkeit. Hinsichtlich der Frage, ob dieselbe Erkrankung vorliege, könne nicht generell auf Wirbelsäulenerkrankungen abgestellt werden. Es komme vielmehr auf die individuellen tatsächlichen Umstände an. Insoweit habe der Sachverständige Dr. S. nachvollziehbar aufgezeigt, dass hier nicht von derselben Erkrankung ausgegangen werden könne.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Die Berufung ist begründet, denn die Klage ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 4. März 2004 und vom 17. März 2004 in Gestalt des Berichtigungsbescheides vom 28. April 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs.2 S.1 SGG). Er hat keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 26. Juni 2004 hinaus.
Rechtsgrundlage des Krankengeldanspruchs sind die §§ 44ff. des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Nach § 48 Abs. 1 SGB V erhalten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Der Kläger hat die Krankengeldanspruchshöchstdauer am 26. Juni 2004 erreicht. Die Beklagte hat ihm mit Ablauf des 26. Juni 2004 für die Höchstdauer von 78 Wochen Krankengeld gezahlt und ein darüber hinausgehender Anspruch besteht nicht.
Der Kläger war sowohl im Zeitraum vom 3. Dezember 2001 bis zum 3. November 2002 als auch vom 27. November 2003 bis 26. Juni 2004 an einem Wirbelsäulenleiden erkrankt, welches zur Arbeitsunfähigkeit führte. Hierbei handelte es sich um dieselbe Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Ausweislich der vorliegenden Befundberichte und des Sachverständigengutachtens von Dr. S. betraf die Erkrankung im Zeitraum 3. Dezember 2001 bis zum 3. November 2002 den Bereich der Lendenwirbelsäule. Es handelte sich um eine zweisegmentale Wirbelsäulenerkrankung. Im Segment L5/S1 wurde eine Gefügelockerung bzw. Instabilität festgestellt, welche am 2. Mai 2002 mittels dübelförmiger Implantate stabilisiert wurde. Im Bewegungssegment L4/5 lag ebenfalls ein Bandscheibenvorfall vor, der im Rahmen einer zweiten Operation am 30. Juli 2002 endgültig entfernt werden konnte. Die Erkrankung ab dem 27. November 2003 betraf den Bereich der Halswirbelsäule. Festgestellt wurde ein Radikulärsyndrom C6 rechts bei NpP C5/C6.
Dass das Krankheitsbild des Klägers verschiedene Wirbelsäulenabschnitte betraf, ist unerheblich und steht einer Einordnung als dieselbe Erkrankung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht entgegen. Beschwerden in mehreren Wirbelsäulenabschnitten stellen ein einheitliches Grundleiden dar und sind daher als dieselbe Erkrankung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 - Az.: 3/8 RK 28/87, zitiert nach Juris). Dieselbe Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V liegt vor, wenn ihr dieselbe, nicht behobene Krankheitsursache zugrunde liegt. Der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, braucht aber weder ständig Krankheitserscheinungen hervorzurufen noch fortlaufend Behandlungsbedürftigkeit zu bewirken. Ausreichend ist, wenn ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden latent weiterbesteht und nach einem beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervall erneut Krankheitssymptome hervorruft (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 - Az.: B 1 KR 10/03 R, zitiert nach Juris). Degenerative Veränderungen an der gesamten Wirbelsäule, die sich in gleichartigen Beschwerden in mehreren Wirbelsäulenabschnitten äußern, stellen ein einheitliches Grundleiden dar. Es liegt demzufolge auch dann dieselbe Krankheit vor, wenn von den in kürzeren Zeitabständen auftretenden Beschwerden die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte unterschiedlich stark betroffen sind.
Im Falle des Klägers beruhte die Arbeitsunfähigkeit in den beiden hier in Frage stehenden Zeiträumen auf der Erkrankung des Achsenorgans (der Wirbelsäule). Für die Frage, ob dieselbe Erkrankung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorliegt, ist es unerheblich, in welchen Wirbelsäulenabschnitten sich die Beschwerden bemerkbar machten. Insoweit ist es auch unerheblich, wenn der Sachverständige Dr. S. ausführt, dass aus medizinischer Sicht schon die gänzlich andere Lokalisation signalisiere, dass es sich um eine andere Erkrankung handele. Dies mag aus medizinischer Sicht richtig sein, trägt jedoch nichts zur rechtlichen Würdigung bei. Die vom Gutachter vorgeschlagene engmaschigere Betrachtungsweise ist mit § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht vereinbar. Bei dem Begriff "dieselbe Krankheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung allein Sache der Gerichte ist. Verursacht eine anatomische Veränderung - hier eine degenerative Wirbelsäulenveränderung - immer wieder gleichartige oder ähnliche Beschwerden, so kann es sich, auch wenn für sich betrachtet jedes Mal ein neues akutes Krankheitsgeschehen vorliegt, nur um dieselbe Krankheit im Rechtssinne handeln. Eine enge ausschließlich fachmedizinisch-anatomische Sichtweise, welche bei der Auslegung des Begriffs "dieselbe Krankheit" im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu einer noch stärker differenzierenden Betrachtung führen und zugleich der zeitlichen Komponente größeres Gewicht einräumen würde, wäre mit dem Sinn und Zweck des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht vereinbar. Sinn und Zweck der Regelung des § 48 SGB V ist es, eine Risikoverteilung zwischen Kranken- und Rentenversicherung vorzunehmen. Das Krankengeld soll den Lohn nur bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit ersetzen. Bei dauernder Unfähigkeit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit soll dagegen die Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers begründet sein. Die Höchstbezugsdauer von 78 Wochen für auf derselben Krankheit beruhende Arbeitsunfähigkeit dient daher der finanziellen Entlastung der Krankenkassen bei Dauerleiden, welche dem Bereich der Rentenversicherung zuzuordnen sind. Würde man nunmehr im Rahmen der Bestimmung derselben Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine stark verfeinernde, eng fachmedizinisch-diagnostische Sichtweise bevorzugen, würde dies die Gefahr begründen, dass dem Merkmal "dieselbe Krankheit" im Kontext des § 48 Abs. 1 SGB V letztlich keine eigenständige rechtliche Bedeutung mehr zukommt, obwohl das Gesetz gerade eine Einengung des zeitlichen Umfangs der Krankengeldgewährung bezweckt (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 - Az.: B 1 KR 15/10 R, zitiert nach Juris Rn. 14; und vom 7. Dezember 2004, B 1 KR 10/03 R, zitiert nach Juris Rn. 16).
Daher ist es ausgeschlossen, das Achsenorgan Wirbelsäule in die Teilabschnitte Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule aufzuteilen und sich bei der Frage der Höchstbezugsdauer des Krankengeldbezuges an der Lokalisation der jeweiligen Beschwerden zu orientieren.
Ferner ist es unerheblich, wenn der Sachverständige Dr. S. feststellt, dass es sich aus medizinischer Sicht bei der Erkrankung ab dem 27. November 2003 um eine gänzlich andere und insbesondere neue Erkrankung handelt, die mit der seinerzeit behobenen Krankheitsursache mehr als einen halben Meter entfernt im unteren Lumbalbereich nichts mehr zu tun habe. Diese Sicht mag medizinisch zutreffend sein. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist die Ausfüllung des Rechtsbegriffs "dieselbe Krankheit" im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Auch der Sachverständige stellt nicht in Abrede, dass beim Kläger eine Wirbelsäulendegeneration vorliegt. Sofern er ausführt, dass rein naturwissenschaftlich gesehen derartige degenerative Veränderungen bereits mit dem Ende des ersten Lebensjahres beginnend mit Verödung der Blutgefäße der Bandscheiben durch den aufrechten Gang einsetzten und bereits ab der dritten Lebensdekade nachweisbar seien, vermag dies die Annahme eines nicht ausgeheilten Grundleidens im Rechtssinne nicht zu erschüttern. Diese stetig fortschreitende und im Fachterminus als Degradation bezeichnete Entwicklung mag zwar im Sinne der Medizin nicht mehr als krankhaft angesehen werden. Entscheidend ist jedoch, dass diese Veränderungen im Einzelfall im Bereich der Wirbelsäule an den unterschiedlichsten Stellen zu Problemen mit Krankheitswert führen können. Ebenso ist den Ausführungen des Sachverständigen insoweit nicht zu folgen, als er davon ausgeht, dass das Grundleiden des Klägers im Bereich der Lendenwirbelsäule durch die im Jahre 2002 erfolgte Behandlung vollständig ausgeheilt sei. Es verhält sich zwar nach den Ausführungen des Sachverständigen so, dass nach Ausräumung einer Bandscheibe mit Entfernung eines Bandscheibenvorfalls es zu einer sukzessiven narbigen Stabilisierung dieses Bewegungssegments kommt. Auch eine volle Belastbarkeit wird in der Regel wiederhergestellt, da der monosegmentale Bewegungsverlust von vielen anderen Bewegungssegmenten der Wirbelsäule problemlos kompensiert werden kann. Im Rechtssinne entscheidend ist jedoch, dass der Bewegungsumfang des einzelnen Segments, welches stabilisiert worden ist, nach wie vor gemindert bleibt. Auch der Sachverständige schließt insoweit nicht aus, dass es später zu erneuten Rückenbeschwerden kommt. Eine mögliche Ursache sieht er in den parallel mitbetroffenen Wirbelgelenken bzw. in der langsamen Höhenminderung eines Bandscheibenraumes aufgrund der Degradation und der damit verbundenen arthrotischen Veränderungen. Insofern steht fest, dass das Grundleiden des Klägers, nämlich die degenerative Veränderung der Wirbelsäule, gerade nicht ausgeheilt ist. Durch die Operation und die Behandlung im Jahr 2002 war vielmehr nur ein weitgehend beschwerdefreier Zustand erreicht worden, der es ihm ermöglichte, seiner Berufstätigkeit für einen bestimmten Zeitraum nachzugehen.
Dass der Kläger im Zeitraum vom 4. November 2002 bis zum 26. November 2003 seinen Beruf als Heizungsmonteur unbeeinträchtigt ausüben konnte, spricht ebenfalls nicht dafür, dass seine Krankheit als ausgeheilt im Rechtssinne anzusehen ist. Von einer Ausheilung kann wie bereits dargelegt, aufgrund der nach wie vor bestehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule nicht ausgegangen werden. Daran kann auch der Zeitraum ohne Arbeitsunfähigkeit nichts ändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 27. Juni bis 26. Dezember 2004.
Der 1947 geborene und bei der Beklagten gesetzlich versicherte Kläger war vom 3. Dezember 2001 bis zum 3. November 2002 arbeitsunfähig erkrankt und bezog von der Beklagten Krankengeld. Grund für die Arbeitsunfähigkeit war ein Radikulärsyndrom L5 rechts bei Nucleuas-pulposus-Prolaps (NpP) L4/L5 (lumbale Bandscheibenschädigung). Aufgrund dieser Erkrankung der Lendenwirbelsäule wurde im Segment L5/S1 bei einer Operation am 2. Mai 2002 eine Restabilisierung mittels dübelförmiger Implantate vorgenommen, um die segmentale Gefügelockerung/Instabilität zu beseitigen. Im Bewegungssegment L4/5 wurde des Weiteren eine Mikrodiscektomie vorgenommen, die zunächst nicht zum gewünschten Erfolg führte. Der Bandscheibenvorfall konnte erst im Rahmen einer zweiten operativen Sitzung am 30. Juli 2002 behoben werden. Vom 8. bis 29. Oktober 2002 befand sich der Kläger in einer Rehabilitationsmaßnahme. Vom 4. November 2002 bis zum 26. November 2003 ging er seinem Beruf als Heizungsmonteur und Spezialschweißer nach.
Ab dem 27. November 2003 bestand aufgrund einer Symptomatik im Halswirbelsäulenbereich erneut Arbeitsunfähigkeit. Bei einer Untersuchung in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis am 8. Januar 2004 wurde eine relative spinale Enge in den mittleren HWS-Etagen ausgehend von degenerativen Veränderungen, u.a. auch mit Retrospondylose festgestellt. Aufgrund dessen erfolgte vom 17. Februar bis zum 24. Februar 2004 eine stationäre Behandlung im H. K. in Erfurt. Im Entlassungsbericht vom 24. Februar 2004 werden als Diagnosen genannt: M 51.1 Radikulärsyndrom S1 links bei Zustand nach Spondylodese L5/S1 2002 M 50.1 Radikulärsyndrom C6 rechts bei NpP C5/C6
Mit Bescheid vom 4. März 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Krankengeld wegen derselben Krankheit werde innerhalb von drei Jahren für höchstens 78 Wochen gezahlt. Daher ende sein Anspruch auf Krankengeld am 25. Juni 2004. Hiergegen legte er am 12. März 2004 Widerspruch ein. Seine Arbeitsunfähigkeit seit Ende November 2003 stehe nicht im Zusammenhang mit der Erkrankung im Jahre 2001/02. Mit Bescheid vom 17. März 2004 lehnte die Beklagte daraufhin erneut die Zahlung von Krankengeld über den 25. Juni 2004 hinaus ab. Nach den Diagnosen der behandelnden Ärzte seien sowohl Bereiche der Halswirbel- als auch der übrigen Wirbelsäule betroffen. Hiergegen legte der Kläger am 23. März 2004 erneut Widerspruch ein. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) teilte in einer Stellungnahme vom 23. April 2004 mit, dass es sich bei den Erkrankungen in beiden Zeiträumen um dieselbe Erkrankung handele. Mit Bescheid vom 28. April 2004 berichtigte die Beklagte ihren Bescheid dahin gehend, dass der Anspruch auf Krankengeld am 26. Juni 2004 ende. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ergebe sich ein ausgedehnter chronisch-degenerativer Umbauvorgang der Wirbelsäule über mehrere Abschnitte hinweg. Daher liege dieselbe Erkrankung im Rechtssinne vor.
Hiergegen hat der Kläger am 3. Juni 2004 Klage erhoben. Ursächlich für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 27. November 2003 sei allein die Halswirbelsäulenerkrankung. Die austherapierten Schäden an der Lendenwirbelsäule spielten keine Rolle.
Das Sozialgericht (SG) hat einen Befundbericht des Orthopäden Dr. S. vom 17. Juli 2006 und ein orthopädisches Gutachten des Dr. S. vom 29. November 2006 eingeholt. Dr. S. kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, die aus medizinischer Sicht gänzlich andere Lokalisation spreche dafür, dass es sich um eine andere Erkrankung gehandelt haben müsse. Die frühere Erkrankung an der Lendenwirbelsäule müsse als operativ behoben angesehen werden. Die zur Arbeitsunfähigkeit ab dem 27. November 2003 führende Erkrankung sei als neue Erkrankung einzustufen, die mit der seinerzeit behobenen Krankheitsursache mehr als einen halben Meter entfernt im unteren Lendenwirbelbereich nichts zu tun habe. Die gesamte Lendenwirbelsäule sei zum Zeitpunkt der Symptomatik im Halsbereich uneingeschränkt belastungsfähig gewesen. Ursächlich für die Symptomatik im Halswirbelsäulenbereich sei eine über viele Jahre sich langsam entwickelnde Degradation in mehreren Segmenten der Halswirbelsäule gewesen, welches sich nunmehr erstmals symptomatisch bemerkbar gemacht habe. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen würden rein naturwissenschaftlich gesehen schon im ersten Lebensjahr beginnend durch den aufrechten Gang einsetzen und letztlich lebenslang voranschreiten und könnten dementsprechend niemals ausheilen. Die Betrachtungsweise in der orthopädischen Medizin habe sich insoweit geändert, dass diese natürliche, bei jedem Menschen zu findende Entwicklung im Sinne einer Degradation nicht mehr als krankhaft angesehen werde. Man spreche daher von alterskorrigierter Norm. Krankheitsrelevanz komme nur noch Befunden zu, die ein klinisch fassbares Segment und/oder neurologische Defizite bewirkten, also mit einer subjektiven beklagten Symptomatik einhergingen. Sobald diese Symptome abklingen würden, sei in diesem Kontext auch von einer Heilung auszugehen. Im Segment L5/S1 sei am 2. Mai 2002 eine Restabilisierung durch dübelförmige Implantate erfolgt. Dieses Bewegungssegment dürfte daher in der Folgezeit nicht mehr an der Verursachung der fortbestehenden Symptome beteiligt gewesen sein. Weil anschließend der Beruf fast über ein Jahr habe uneingeschränkt ausgeübt werden können, spreche nichts dagegen von einer Heilung im medizinischen Sinne auszugehen. Dies schließe es jedoch nicht aus, dass es später zu erneuten Rückenbeschwerden komme. Ob man diese Sekundärfolge einer bandscheibenbedingten Erkrankung dem Grundleiden zuordne, sei eine philosophische Kausalitätsdiskussion. Die BSG-Rechtsprechung vernachlässige, dass es sich zwar um die gleichartige Krankheitsentwicklung, jedoch um einen anderen Erkrankungsort handele.
Mit Urteil vom 23. Januar 2008 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 4. und 17. März 2004, abgeändert durch Bescheid vom 28. April 2004, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 verurteilt, dem Kläger ab dem 27. Juni 2004 bis zum 26. Dezember 2004 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung ab dem 27. November 2004 um eine andere Erkrankung als bei der Vorerkrankung gehandelt habe. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 1988 handele es sich bei Wirbelsäulenveränderungen jedenfalls dann um dieselbe Krankheit, wenn diese in kürzeren Zeitabschnitten zu solchen Beschwerdezuständen führten. Vorliegend fehle es bereits an der Voraussetzung, dass die Erkrankung in kürzeren Zeitabständen zu Beschwerdezuständen geführt habe. Der Kläger habe vom 4. November 2002 bis zum 26. November 2003 als Heizungsmonteur gearbeitet. Bereits deshalb sei von einer Ausheilung der Krankheit auszugehen. Ein beschwerdefreier Zustand von einer gewissen Dauer sei gegeben gewesen. Im Übrigen folge das Gericht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach mehrere Erkrankungen der Wirbelsäule auf demselben Grundleiden beruhten, jedenfalls in dem hier vorliegenden Einzelfall nicht. Der Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung ab dem 27. November 2003 um eine gänzlich andere und daher neue Erkrankung gehandelt habe, welche mit der seinerzeit behobenen Krankheitsursache mehr als einen halben Meter entfernt im unteren Lumbalbereich nicht das Geringste zu tun habe. Soweit im Entlassungsbericht des Klinikums E. vom 24. Februar 2004 als weitere Diagnose M 51.1 Radikulärsyndrom S1 links bei Zustand nach Spondylodese L5/S1 2002 aufgeführt werde, handele es sich hierbei lediglich um einen Hinweis auf die im Jahre 2002 bestehende Erkrankung.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 20. Februar 2008 zugestellte Urteil am 18. März 2008 Berufung eingelegt. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG könne die Wirbelsäule nur als einheitliches Organ beurteilt werden. Auch medizinisch könne das Gutachten des Dr. S. nicht überzeugen. Er lasse außer Acht, dass die vorgenommenen Versteifungen im LWS-Bereich zwangsläufig dazu führten, dass bei entsprechenden Bewegungsabläufen andere Wirbelsäulenteile die entsprechenden Drehbewegungen leisten müssten. Ferner berücksichtige das SG nicht, dass für den Zeitraum vom 27. Juni 2004 bis zum 26. Dezember 2004 keine einzige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliege. Eine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei hier nicht zulässig. Des Weiteren sei der Tenor zu unbestimmt. Dem Kläger stehe Krankengeld nur nach Abzug derjenigen Leistungen zu, die er in der entsprechenden Zeit vom Arbeitsamt erhalten habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine fehlende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bedeute nicht zwangsläufig, dass eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen werden könne. Die Beweisaufnahme im erstinstanzlichen Verfahren belege seine weitere Arbeitsunfähigkeit. Hinsichtlich der Frage, ob dieselbe Erkrankung vorliege, könne nicht generell auf Wirbelsäulenerkrankungen abgestellt werden. Es komme vielmehr auf die individuellen tatsächlichen Umstände an. Insoweit habe der Sachverständige Dr. S. nachvollziehbar aufgezeigt, dass hier nicht von derselben Erkrankung ausgegangen werden könne.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Die Berufung ist begründet, denn die Klage ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 4. März 2004 und vom 17. März 2004 in Gestalt des Berichtigungsbescheides vom 28. April 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs.2 S.1 SGG). Er hat keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 26. Juni 2004 hinaus.
Rechtsgrundlage des Krankengeldanspruchs sind die §§ 44ff. des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Nach § 48 Abs. 1 SGB V erhalten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Der Kläger hat die Krankengeldanspruchshöchstdauer am 26. Juni 2004 erreicht. Die Beklagte hat ihm mit Ablauf des 26. Juni 2004 für die Höchstdauer von 78 Wochen Krankengeld gezahlt und ein darüber hinausgehender Anspruch besteht nicht.
Der Kläger war sowohl im Zeitraum vom 3. Dezember 2001 bis zum 3. November 2002 als auch vom 27. November 2003 bis 26. Juni 2004 an einem Wirbelsäulenleiden erkrankt, welches zur Arbeitsunfähigkeit führte. Hierbei handelte es sich um dieselbe Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Ausweislich der vorliegenden Befundberichte und des Sachverständigengutachtens von Dr. S. betraf die Erkrankung im Zeitraum 3. Dezember 2001 bis zum 3. November 2002 den Bereich der Lendenwirbelsäule. Es handelte sich um eine zweisegmentale Wirbelsäulenerkrankung. Im Segment L5/S1 wurde eine Gefügelockerung bzw. Instabilität festgestellt, welche am 2. Mai 2002 mittels dübelförmiger Implantate stabilisiert wurde. Im Bewegungssegment L4/5 lag ebenfalls ein Bandscheibenvorfall vor, der im Rahmen einer zweiten Operation am 30. Juli 2002 endgültig entfernt werden konnte. Die Erkrankung ab dem 27. November 2003 betraf den Bereich der Halswirbelsäule. Festgestellt wurde ein Radikulärsyndrom C6 rechts bei NpP C5/C6.
Dass das Krankheitsbild des Klägers verschiedene Wirbelsäulenabschnitte betraf, ist unerheblich und steht einer Einordnung als dieselbe Erkrankung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht entgegen. Beschwerden in mehreren Wirbelsäulenabschnitten stellen ein einheitliches Grundleiden dar und sind daher als dieselbe Erkrankung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 - Az.: 3/8 RK 28/87, zitiert nach Juris). Dieselbe Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V liegt vor, wenn ihr dieselbe, nicht behobene Krankheitsursache zugrunde liegt. Der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, braucht aber weder ständig Krankheitserscheinungen hervorzurufen noch fortlaufend Behandlungsbedürftigkeit zu bewirken. Ausreichend ist, wenn ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden latent weiterbesteht und nach einem beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervall erneut Krankheitssymptome hervorruft (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 - Az.: B 1 KR 10/03 R, zitiert nach Juris). Degenerative Veränderungen an der gesamten Wirbelsäule, die sich in gleichartigen Beschwerden in mehreren Wirbelsäulenabschnitten äußern, stellen ein einheitliches Grundleiden dar. Es liegt demzufolge auch dann dieselbe Krankheit vor, wenn von den in kürzeren Zeitabständen auftretenden Beschwerden die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte unterschiedlich stark betroffen sind.
Im Falle des Klägers beruhte die Arbeitsunfähigkeit in den beiden hier in Frage stehenden Zeiträumen auf der Erkrankung des Achsenorgans (der Wirbelsäule). Für die Frage, ob dieselbe Erkrankung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorliegt, ist es unerheblich, in welchen Wirbelsäulenabschnitten sich die Beschwerden bemerkbar machten. Insoweit ist es auch unerheblich, wenn der Sachverständige Dr. S. ausführt, dass aus medizinischer Sicht schon die gänzlich andere Lokalisation signalisiere, dass es sich um eine andere Erkrankung handele. Dies mag aus medizinischer Sicht richtig sein, trägt jedoch nichts zur rechtlichen Würdigung bei. Die vom Gutachter vorgeschlagene engmaschigere Betrachtungsweise ist mit § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht vereinbar. Bei dem Begriff "dieselbe Krankheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung allein Sache der Gerichte ist. Verursacht eine anatomische Veränderung - hier eine degenerative Wirbelsäulenveränderung - immer wieder gleichartige oder ähnliche Beschwerden, so kann es sich, auch wenn für sich betrachtet jedes Mal ein neues akutes Krankheitsgeschehen vorliegt, nur um dieselbe Krankheit im Rechtssinne handeln. Eine enge ausschließlich fachmedizinisch-anatomische Sichtweise, welche bei der Auslegung des Begriffs "dieselbe Krankheit" im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu einer noch stärker differenzierenden Betrachtung führen und zugleich der zeitlichen Komponente größeres Gewicht einräumen würde, wäre mit dem Sinn und Zweck des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht vereinbar. Sinn und Zweck der Regelung des § 48 SGB V ist es, eine Risikoverteilung zwischen Kranken- und Rentenversicherung vorzunehmen. Das Krankengeld soll den Lohn nur bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit ersetzen. Bei dauernder Unfähigkeit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit soll dagegen die Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers begründet sein. Die Höchstbezugsdauer von 78 Wochen für auf derselben Krankheit beruhende Arbeitsunfähigkeit dient daher der finanziellen Entlastung der Krankenkassen bei Dauerleiden, welche dem Bereich der Rentenversicherung zuzuordnen sind. Würde man nunmehr im Rahmen der Bestimmung derselben Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine stark verfeinernde, eng fachmedizinisch-diagnostische Sichtweise bevorzugen, würde dies die Gefahr begründen, dass dem Merkmal "dieselbe Krankheit" im Kontext des § 48 Abs. 1 SGB V letztlich keine eigenständige rechtliche Bedeutung mehr zukommt, obwohl das Gesetz gerade eine Einengung des zeitlichen Umfangs der Krankengeldgewährung bezweckt (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 - Az.: B 1 KR 15/10 R, zitiert nach Juris Rn. 14; und vom 7. Dezember 2004, B 1 KR 10/03 R, zitiert nach Juris Rn. 16).
Daher ist es ausgeschlossen, das Achsenorgan Wirbelsäule in die Teilabschnitte Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule aufzuteilen und sich bei der Frage der Höchstbezugsdauer des Krankengeldbezuges an der Lokalisation der jeweiligen Beschwerden zu orientieren.
Ferner ist es unerheblich, wenn der Sachverständige Dr. S. feststellt, dass es sich aus medizinischer Sicht bei der Erkrankung ab dem 27. November 2003 um eine gänzlich andere und insbesondere neue Erkrankung handelt, die mit der seinerzeit behobenen Krankheitsursache mehr als einen halben Meter entfernt im unteren Lumbalbereich nichts mehr zu tun habe. Diese Sicht mag medizinisch zutreffend sein. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist die Ausfüllung des Rechtsbegriffs "dieselbe Krankheit" im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Auch der Sachverständige stellt nicht in Abrede, dass beim Kläger eine Wirbelsäulendegeneration vorliegt. Sofern er ausführt, dass rein naturwissenschaftlich gesehen derartige degenerative Veränderungen bereits mit dem Ende des ersten Lebensjahres beginnend mit Verödung der Blutgefäße der Bandscheiben durch den aufrechten Gang einsetzten und bereits ab der dritten Lebensdekade nachweisbar seien, vermag dies die Annahme eines nicht ausgeheilten Grundleidens im Rechtssinne nicht zu erschüttern. Diese stetig fortschreitende und im Fachterminus als Degradation bezeichnete Entwicklung mag zwar im Sinne der Medizin nicht mehr als krankhaft angesehen werden. Entscheidend ist jedoch, dass diese Veränderungen im Einzelfall im Bereich der Wirbelsäule an den unterschiedlichsten Stellen zu Problemen mit Krankheitswert führen können. Ebenso ist den Ausführungen des Sachverständigen insoweit nicht zu folgen, als er davon ausgeht, dass das Grundleiden des Klägers im Bereich der Lendenwirbelsäule durch die im Jahre 2002 erfolgte Behandlung vollständig ausgeheilt sei. Es verhält sich zwar nach den Ausführungen des Sachverständigen so, dass nach Ausräumung einer Bandscheibe mit Entfernung eines Bandscheibenvorfalls es zu einer sukzessiven narbigen Stabilisierung dieses Bewegungssegments kommt. Auch eine volle Belastbarkeit wird in der Regel wiederhergestellt, da der monosegmentale Bewegungsverlust von vielen anderen Bewegungssegmenten der Wirbelsäule problemlos kompensiert werden kann. Im Rechtssinne entscheidend ist jedoch, dass der Bewegungsumfang des einzelnen Segments, welches stabilisiert worden ist, nach wie vor gemindert bleibt. Auch der Sachverständige schließt insoweit nicht aus, dass es später zu erneuten Rückenbeschwerden kommt. Eine mögliche Ursache sieht er in den parallel mitbetroffenen Wirbelgelenken bzw. in der langsamen Höhenminderung eines Bandscheibenraumes aufgrund der Degradation und der damit verbundenen arthrotischen Veränderungen. Insofern steht fest, dass das Grundleiden des Klägers, nämlich die degenerative Veränderung der Wirbelsäule, gerade nicht ausgeheilt ist. Durch die Operation und die Behandlung im Jahr 2002 war vielmehr nur ein weitgehend beschwerdefreier Zustand erreicht worden, der es ihm ermöglichte, seiner Berufstätigkeit für einen bestimmten Zeitraum nachzugehen.
Dass der Kläger im Zeitraum vom 4. November 2002 bis zum 26. November 2003 seinen Beruf als Heizungsmonteur unbeeinträchtigt ausüben konnte, spricht ebenfalls nicht dafür, dass seine Krankheit als ausgeheilt im Rechtssinne anzusehen ist. Von einer Ausheilung kann wie bereits dargelegt, aufgrund der nach wie vor bestehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule nicht ausgegangen werden. Daran kann auch der Zeitraum ohne Arbeitsunfähigkeit nichts ändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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